07.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141378
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 12.07.2013 – 2 Wx 177/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
2 Wx 177/13
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten vom 17.06.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 13.05.2013 - 704 IV 78/97 - und das Verfahrenskostenhilfegesuch des Beteiligten vom 17.06.2013 werden zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Die Beschwerde des Beteiligten vom 17.06.2013 bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
1.
Die Beschwerde ist allerdings gemäß §§ 58 Abs. 1, 342 Abs. 1 Nr. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise, insbesondere nach Maßgabe der §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 2 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch bestehen keine Bedenken gegen die wirksame Bevollmächtigung der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten durch dessen Betreuerin. Zwar handelt es sich bei Errichtung und Widerruf eines Testaments selbst um höchstpersönliche, einer Vertretung nicht zugängliche Geschäfte (§ 2064 BGB), dies hindert die Betreuerin indes nicht, innerhalb des ihr zugewiesenen Wirkungskreises der Vermögenssorge einen Rechtsanwalt mir der gerichtlichen Vertretung des Beteiligten in einem Verfahren zu beauftragen, im dem - aus ihrer Sicht - erst die Voraussetzungen für einen Testamentswiderruf geschaffen werden sollen. Denn mit der antragsgemäßen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses würde lediglich ein Hindernis auf dem Weg zur Rückgabe des Testaments vom 03.01.1997 beseitigt; das Recht des Beteiligten, selbst über die Frage zu entscheiden, ob er das von ihm errichtete Testament aus der amtlichen Verwahrung entgegennehmen will (§ 2256 Abs. 2 S. 2 BGB), bliebe hiervon unberührt.
2.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat die beantragte Rückgabe des Testaments vom 03.01.1997 aus der amtlichen Verwahrung im Ergebnis zu Recht verweigert.
a) Trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts des § 346 Abs. 1 FamFG war die Rechtspflegerin für die getroffene Entscheidung funktionell zuständig. Zwar bestimmt die genannte Vorschrift, dass die Annahme einer Verfügung von Todes wegen in besondere amtliche Verwahrung sowie deren Herausgabe vom Richter anzuordnen ist. Hierbei handelt es sich aber um ein übertragenes Geschäft im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) RPflG, für das bundeseinheitlich der Rechtspfleger zuständig ist (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 346 Rdn. 5; MünchKomm/Hagena, BGB, 5. Aufl. 2010, § 2248 Rdn. 10).
b) Gemäß § 2256 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Erblasser jederzeit die Rückgabe eines in amtliche Verwahrung genommenen Testaments verlangen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass nach § 2256 Abs. 1 S. 1 BGB ein vor einem Notar errichtetes Testament als widerrufen gilt, wenn die in amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser zurückgegeben wird. Die Rücknahme eines notariellen Testaments aus amtlicher Verwahrung ist deshalb auch eine Verfügung von Todes wegen, die zur Begründung ihrer Wirksamkeit Testierfähigkeit voraussetzt (vgl. etwa BayObLG, NJW-RR 2005, 957 [juris-Rz. 8]; Zimmermann, a.a.O., § 346 Rdn. 14; Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl. 2013, § 2256 Rdn. 1; Hagena, a.a.O., § 2256 Rdn. 6; jeweils m.w.Nachw). Dementsprechend ist das Rückgabeverlangen eines für das Verwahrungsgericht erkennbar und zweifelsfrei testierunfähigen Erblassers zurückzuweisen (Hagena, a.a.O., § 2256 Rdn. 6; Zimmermann, a.a.O., § 346 Rdn. 17). Nach diesem Maßstab hat die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts die beantragte Rückgabe im Ergebnis zu Recht verweigert. Sie ist allerdings insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen, als sie angenommen hat, die Testierfähigkeit müsse zur Überzeugung des Gerichts feststehen, während die Rückgabe tatsächlich nur dann zu verweigern ist, wenn der Erblasser zweifelsfrei nicht testierfähig ist. Dies kann indes letztlich dahinstehen, weil der Senat nach dem Inhalt der Akte von der Testierunfähigkeit des Erblassers überzeugt ist.
Testierfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Testament rechtswirksam zu errichten, zu ändern und aufzuheben. Sie erfordert die Vorstellung des Testierers, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen Verfügungen haben; er muss in der Lage sein, sich ein Urteil zu bilden, welche Bedeutung seine Anordnungen in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht für die Betroffenen haben; entsprechendes gilt für die Gründe, die für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnungen sprechen. Der Erblasser muss schließlich ohne Einflussnahme Dritter den Inhalt des Testaments selbst bestimmen können (zusammenfassend OLG Jena, NJW-RR 2005, 1247, 1248; Hagena, a.a.O., § 2229 Rdn.2). Nach dem Inhalt des im Verfahren 8 O 10/09 - LG Aachen - eingeholten Gutachtens des Sachverständigen C vom 01.04.2010 (Abl. Bl. 11 d.A.) liegt bei dem Beteiligten infolge frühkindlicher Hirnschädigung eine Intelligenzminderung mit einem Verbalintelligenzquotienten von 44 Prozentrangpunkten im Sinne einer mittelgradigen Intelligenzminderung vor. Er kann auch einfache Texte nicht verstehen, nicht lesen und bestenfalls einfache Worte wiedergeben. Der Beteiligte war nach den Feststellungen des Sachverständigen noch nie in seinem Leben geschäftsfähig. All dies hat der durch seine Betreuerin vertretene Beteiligte im Antragsschriftsatz vom 22.04.2013 selbst vorgetragen. Vor diesem Hintergrund und unter ergänzender Berücksichtigung der im Beschluss wiedergegebenen Wahrnehmungen der Rechtspflegerin im Termin vom 13.05.2013 hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Beteiligte im oben dargelegten Sinne nicht testierfähig ist. Er will zwar, dass der im Testament begünstigte Herr H „gelöscht“ wird, ist aber offensichtlich nicht in der Lage, die Tragweite dieser Anordnung zu übersehen.
Der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedarf es nicht. Der Zustand des Beteiligten ist durch den vom Landgericht Aachen im Verfahren 8 O 10/09 beauftragten Sachverständigen C auf der Grundlage einer eigenen Untersuchung, der Angaben der Betreuerin, einer ergänzend eingeholten neuropsychologischen Untersuchung sowie der Auswertung weiterer Unterlagen umfassend und überzeugend begutachtet worden. Die auf dieser Grundlage getroffenen Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit des Beteiligten sind - was auch die Beschwerde nicht in Abrede stellt - überzeugend und eindeutig. Auf der Grundlage der vom Sachverständigen C getroffenen Feststellungen besteht auch kein Grund zu der Annahme, die Testierfähigkeit könne trotz eindeutig gegebener Geschäftsunfähigkeit ausnahmsweise gegeben sein. Schließlich ist es aufgrund des festgestellten Krankheitsbildes ausgeschlossen, dass sich der Zustand des Beteiligten zwischenzeitlich gebessert hat.
3.
Der mit der Beschwerde erstmals gestellte Hilfsantrag, die Testierunfähigkeit des Beteiligten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung festzustellen, kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Auch wenn es aus den oben dargelegten Gründen alles dafür spricht, dass der Beteiligte schon bei Abfassung des Testamentes vom 03.01.1997 testierunfähig war, fehlt für die begehrte verbindliche Feststellung eine Rechtsgrundlage. Die Befürchtung des Beteiligten - bzw. seiner Betreuerin -, Herr H könne sich nach dem Tode des Beteiligten den Umstand zunutze machen, dass das Testament vom 03.01.1997 sich weiter in amtlicher Verwahrung befindet, erscheint zwar nachvollziehbar, ändert aber nichts daran, dass diese Frage erst - und nur - dann zu entscheiden ist, wenn es hierauf im Rahmen eines eventuell erforderlich werdenden gerichtlichen Verfahrens ankommen sollte. Der Senat sieht vor dem Hintergrund der vorliegenden Begutachtung auch nicht die Gefahr, dass der Nachweis der Testierunfähigkeit des Beteiligten im Januar 1997 durch den bis dahin zu erwartenden Zeitablauf unzumutbar erschwert wird. Der Umstand, dass der beurkundende Notar sich ausweislich der Testamentsurkunde von der Geschäfts- und Testierfähigkeit des Beteiligten überzeugt haben will, ist vor dem Hintergrund der Feststellungen des Sachverständigen C zwar durchaus bemerkenswert, steht aber einem späteren Nachweis der Testierunfähigkeit nicht im Wege.
4.
Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten nach § 84 FamFG ist nicht veranlasst, weil dem Beteiligten im Beschwerdeverfahren kein Gegner gegenübersteht. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten folgt unmittelbar aus dem Gesetz.
II.
Da die Beschwerde aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet, war auch das auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gerichtete Gesuch des beteiligten zurückzuweisen (§ 76 Abs. 1 FamFG, § 114 S. 1 ZPO). Einer Kostenentscheidung bedarf es auch insoweit nicht.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind weder in Bezug auf die Hauptsache (oben I.) noch wegen der Versagung von Prozesskostenhilfe (oben II.) erfüllt. Gegen diese Entscheidung ist damit kein weiteres Rechtsmittel gegeben.
Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 3.000,00 € (§§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 S. 1 KostO)