08.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141379
Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 26.03.2014 – 1 BvR 1133/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BVerfG
26.03.2014
1 BvR 1133/12
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. der Frau K...,
2. der Frau K...
Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Wanke & Rothe,
Kleiner Schippsee 3, 21073 Hamburg
1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 10. April 2012 - B 3 P 1/12 B -,
b) das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. November 2011 - L 2 P 60/11 -,
c) das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. April 2011 - S 18 P 277/09 -,
2. mittelbar gegen §§ 36, 37 SGB XI
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof,
den Richter Masing
und die Richterin Baer
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 26. März 2014 einstimmig
beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die unterschiedliche finanzielle Ausgestaltung der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege durch Familienangehörige oder durch bezahlte Pflegekräfte.
I.
1. Die Beschwerdeführerinnen pflegten zuhause ihren Ehemann und Vater, der von seiner privaten Pflegeversicherung zuletzt von Dezember 2007 bis zu seinem Tod am 1. März 2008 Pflegegeld der Pflegestufe III bezog. Der private Pflegeversicherungsvertrag mit Tarifleistungen von 100 % sah nach § 4 Abschnitt A Abs. 1 und 2 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung - Bedingungsteil - MB/PPV vor, dass versicherte Personen bei häuslicher Pflege Ersatz von Aufwendungen für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung (häusliche Pflegehilfe) oder stattdessen ein Pflegegeld erhalten. Dies entspricht den gesetzlichen Bestimmungen über die Pflegesachleistung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) und das Pflegegeld gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Danach wird bei gleicher Pflegestufe das Pflegegeld in geringerer Höhe als der Wert der entsprechenden Sachleistung gewährt. Die zum Betrieb der Pflegeversicherung befugten privaten Krankenversicherungsunternehmen sind nach § 110 Abs. 1 SGB XI in Verbindung mit § 23 Abs. 1 SGB XI verpflichtet, mit den pflegeversicherungspflichtigen Personen einen Versicherungsvertrag abzuschließen, der nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI den Leistungen des Vierten Kapitels des SGB XI gleichwertige Vertragsleistungen vorzusehen hat. § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XI ordnet eine der Höhe nach den Sachleistungen gleiche Kostenerstattung bei privater Pflege an.
§ 23 SGB XI lautete in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung:
(1) 1Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert sind, sind vorbehaltlich des Absatzes 2 verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten. 2Der Vertrag muß ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für sie selbst und ihre Angehörigen oder Lebenspartner, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels gleichwertig sind. 3Dabei tritt an die Stelle der Sachleistungen eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung.
(2) - (6) ...
§ 36 SGB XI lautete in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung:
(1) 1Pflegebedürftige haben bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). 2Leistungen der häuslichen Pflege sind auch zulässig, wenn Pflegebedürftige nicht in ihrem eigenen Haushalt gepflegt werden; sie sind nicht zulässig, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 gepflegt werden. 3Häusliche Pflegehilfe wird durch geeignete Pflegekräfte erbracht, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, angestellt sind. 4Auch durch Einzelpersonen, mit denen die Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 Abs. 1 abgeschlossen hat, kann häusliche Pflegehilfe als Sachleistung erbracht werden.
(2) ...
(3) Der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe umfaßt je Kalendermonat:
1. für Pflegebedürftige der Pflegestufe I Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 384 Euro,
2. für Pflegebedürftige der Pflegestufe II Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 921 Euro,
3. für Pflegebedürftige der Pflegestufe III Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 1432 Euro.
(4) ...
§ 37 SGB XI lautete in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung:
(1) 1Pflegebedürftige können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen.2Der Anspruch setzt voraus, daß der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt.3Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat:
1. für Pflegebedürftige der Pflegestufe I 205 Euro,
2. für Pflegebedürftige der Pflegestufe II 410 Euro,
3. für Pflegebedürftige der Pflegestufe III 665 Euro.
(2) - (6) ...
2. Im sozialgerichtlichen Verfahren begehrten die Beschwerdeführerinnen im Wege der Rechtsnachfolge unter anderem den Differenzbetrag zwischen dem Pflegegeld und der höheren Pflegesachleistung und machten die Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Höhe beider Leistungen geltend. Klage und Berufung blieben erfolglos. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde vom Bundessozialgericht als unzulässig verworfen. Die Beschwerde lege die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der durch § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Form dar, da sie keine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufzeige. Zudem hätten sich die Beschwerdeführerinnen nicht im erforderlichen Maße mit der höchstrichterlichen sozialgerichtlichen Rechtsprechung sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt, sondern lediglich ihre abweichende Rechtsauffassung dargelegt.
3. Mit ihrer unmittelbar gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen und mittelbar gegen die §§ 36, 37 SGB XI gerichteten Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 sowie gegen Art. 14 Abs. 1 GG.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet. Die dafür entscheidenden Maßstäbe sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bereits geklärt.
1. Soweit sich die Beschwerdeführerinnen gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts wenden, mit dem ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verworfen wurde, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht substantiiert begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Da das Bundessozialgericht keine Entscheidung in der Sache getroffen hat, gehen die materiellen Ausführungen der Beschwerdeführerinnen ins Leere (vgl. BVerfGE 128, 90 [BVerfG 07.12.2010 - 1 BvR 2628/07] <99>). Soweit sich die Beschwerdeführerinnen den prozessualen Ausführungen des Bundessozialgerichts widmen, behaupten sie keine Grundrechtsverletzung.
2. Soweit sich die Beschwerdeführerinnen gegen die Entscheidungen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts wenden, ist ihre Verfassungsbeschwerde zulässig.
Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass das Bundessozialgericht die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen hat. Zwar ist eine Verfassungsbeschwerde mangels ordnungsgemäßer Rechtswegerschöpfung in der Regel unzulässig, wenn ein an sich gegebenes Rechtsmittel mangels Nutzung der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten erfolglos bleibt (vgl. BVerfGE 74, 102 [BVerfG 13.01.1987 - 2 BvR 209/84] <114>; BVerfGK 1, 222 <223>). Da jedoch ein Beschwerdeführer wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch dann verpflichtet ist, von einem Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, wenn dessen Zulässigkeit im konkreten Fall unterschiedlich beurteilt werden kann, können ihm keine Nachteile daraus erwachsen, wenn sich ein solcher Rechtsbehelf später als unzulässig erweist. Anders liegen die Dinge nur bei einem offensichtlich unzulässigen oder nicht ordnungsgemäß genutzten Rechtsbehelf (vgl. BVerfGE 128, 90 [BVerfG 07.12.2010 - 1 BvR 2628/07] <100>).
Im vorliegenden Fall kann den Beschwerdeführerinnen nicht angelastet werden, den Rechtsweg nicht in gehöriger Weise erschöpft zu haben. Sie haben in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde die Frage der Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Höhe von Pflegesachleistung und Pflegegeld als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Dabei schied die Möglichkeit, sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache zu stützen, nicht offensichtlich aus. Die Frage, ob eine der Entscheidung zugrundeliegende Gesetzesnorm verfassungswidrig ist, hat regelmäßig grundsätzliche Bedeutung (vgl. BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] <106>). Dass das Bundessozialgericht wegen seiner eigenen Rechtsprechung dazu die Klärungsbedürftigkeit in einem Revisionsverfahren verneint und deshalb die Beschwerde als unzulässig verworfen hat, kann den Beschwerdeführerinnen im Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde nicht entgegengehalten werden. Selbst wenn in der Rechtsprechung eines obersten Fachgerichts nach dessen Auffassung bereits alle wesentlichen Aspekte einer Verfassungsfrage gewürdigt wurden, ist es einem Beschwerdeführer möglich und verfassungsrechtlich auch bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zulässig, eine verfassungsgerichtliche Überprüfung dieser Würdigung zu begehren, wenn er dafür vernünftige und gewichtige Gründe anführen kann und es sich um eine verfassungsrechtliche Frage handelt, die umstritten geblieben ist und über die das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden hat (vgl. BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] <106>; 128, 90 <100>).
Die Beschwerdeführerinnen haben sich in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde eingehend mit einer früheren Entscheidung des Bundessozialgerichts auseinandergesetzt, auf die sich das hier angegriffene Urteil des Landessozialgerichts maßgeblich stützt. Die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Erwägungen waren dabei gewichtig genug, um aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei (vgl. BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] <107>) die Möglichkeit zu eröffnen, dass das Bundessozialgericht seine bisher vertretene Auffassung überprüfen werde. Zudem haben die Beschwerdeführerinnen vorgetragen, dass die konkrete Rechtsfrage der unterschiedlichen Höhe von Pflegesachleistung und Pflegegeld bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist und auch die genannten Erwägungen in der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundessozialgerichts diese Differenzierung nicht rechtfertigen.
3. Die §§ 36, 37 SGB XI verstoßen aufgrund der unterschiedlichen Höhe von Pflegesachleistung einerseits und Pflegegeld anderseits nicht gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl. BVerfGE 71, 255 [BVerfG 10.12.1985 - 2 BvL 18/83] <271>; stRspr). Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale er beim Vergleich von Lebenssachverhalten als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht (vgl. BVerfGE 87, 1 <36>; stRspr). Art. 3 Abs. 1 GG verbietet grundsätzlich auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss. Dabei ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 126, 400 <416>; 129, 49 <69>). Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 122, 1 <23>; 126, 400 <416>; 129, 49 <68>). Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>). Überdies sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 82, 126 <146>).
b) Ausgehend hiervon stellt die unterschiedliche finanzielle Ausgestaltung der Leistungen bei häuslicher Pflege keine den allgemeinen Gleichheitssatz missachtende Ungleichbehandlung dar. Als Vergleichsgruppen sind die Pflegebedürftigen zu betrachten, die sich für die Pflege im häuslichen Bereich bei gleicher Pflegestufe entweder für die Pflegesachleistung durch externe Pflegekräfte (§ 36 Abs. 1 SGB XI) oder für das demgegenüber reduzierte Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (§ 37 Abs. 1 SGB XI) entscheiden. Diese Entscheidung beruht einerseits auf dem freien Willensentschluss der Pflegebedürftigen, berührt aber auch deren in Art. 6 Abs. 1 GG geschütztes Recht, die eigenen familiären Verhältnisse selbst zu gestalten. Die Ungleichbehandlung in der Höhe der gew ährten Leistungen muss daher durch hinreichende Sachgründe zu rechtfertigen sein. Diese liegen hier vor.
aa) Sich für ein System zu entscheiden, das den Pflegebedürftigen die Wahl lässt zwischen der Pflege in häuslicher Umgebung durch externe Pflegehilfen oder durch selbst ausgewählte Pflegepersonen, liegt in der sozialpolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Die zugrundeliegenden Erwägungen sind weder offensichtlich fehlsam noch mit dem Grundgesetz unvereinbar. Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel, bei Sicherstellung einer sachgerechten Pflege die Möglichkeit der häuslichen Pflege zu fördern und ihr Vorrang vor stationärer Unterbringung zu geben (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 111 zu § 32). Dafür stellt er zwei unterschiedliche Leistungsmodelle zur Verfügung: Die häusliche Pflegehilfe nach § 36 SGB XI ist eine Sachleistung, bei der die Pflegebedürftigen die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch personelle Hilfe Dritter erhalten. Die Pflegekräfte müssen bei der Pflegekasse selbst oder bei einer zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung angestellt sein oder als Einzelpersonen mit der Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 Abs. 1 SGB XI geschlossen haben. In jedem Fall stehen sie mittelbar oder unmittelbar in einem Vertragsverhältnis zur Pflegekasse. Im Falle des Pflegegeldes hingegen erhalten die Pflegebedürftigen gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI eine laufende Geldleistung, für die sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellen müssen. Die Pflegepersonen sind dann je nach Wahl Angehörige des Pflegebedürftigen, ehrenamtliche Pflegepersonen oder mit dem Pflegegeld "eingekaufte" professionelle Pflegekräfte, die aber in keinem Vertragsverhältnis zur Pflegekasse stehen (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 112 zu § 33).
bb) Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI ist ein Vertrag zwischen der Pflegekasse mit Verwandten, Verschwägerten und Haushaltshilfen ausgeschlossen. Das Pflegegeld ist daher einfachgesetzlich nicht als Entgelt ausgestaltet. Es soll vielmehr im Sinne einer materiellen Anerkennung einen Anreiz darstellen und zugleich die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen stärken, indem diese das Pflegegeld zur freien Gestaltung ihrer Pflege einsetzen können (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 112 zu § 33). Während also der Zweck der sachgerechten Pflege im Fall der Pflegesachleistung nur bei ausreichender Vergütung der Pflegekräfte durch die Pflegekasse sichergestellt ist, liegt der Konzeption des Pflegegeldes der Gedanke zugrunde, dass familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege unentgeltlich erbracht wird. Der Gesetzgeber darf davon ausgehen, dass die Entscheidung zur familiären Pflege nicht abhängig ist von der Höhe der Vergütung, die eine professionelle Pflegekraft für diese Leistung erhält. Insoweit verweist die hier angegriffene Entscheidung des Landessozialgerichts zu Recht auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts vom 18. März 1999 (B 3 P 8/98 R - SozR 3-3300 § 77 Nr. 1) über die gegenseitige Beistandspflicht von Ehegatten untereinander sowie zwischen Eltern und Kindern. Diese auch die Pflege umfassende Pflicht ist nicht nur eine sittliche Pflicht, sondern durch §§ 1353, 1618a BGB auch als rechtliche Pflicht ausgestaltet. Dies rechtfertigt es, das dies nur unterstützende Pflegegeld in vergleichsweise niedrigerer Höhe zu gewähren.
Die finanziellen Leistungen der Pflegeversicherung im häuslichen Bereich dienen ausweislich des § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI dazu, die familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege und Betreuung zu ergänzen. Im Fall der Sachleistung durch Dritte kann eine sachgerechte Pflege aber nur bei ordnungsgemäßer Vergütung der Pflegekräfte sichergestellt werden. Im Fall des Pflegegeldes muss dagegen nicht eine sonst fehlende Pflege durch bezahlte, professionelle Kräfte erst eingekauft werden.
cc) Der Gesetzgeber hat mit der unterschiedlichen finanziellen Ausgestaltung entgegen dem Vortrag der Beschwerdeführerinnen weder einen Anreiz für Familienangehörige geschaffen, sich der familiären Pflege zu entledigen, noch bestraft er willkürlich den Wunsch Angehöriger zur familiären Pflege. Zwar ist der Anreiz zur Pflegebereitschaft umso größer, je mehr der Staat an finanzieller Unterstützung bereitstellt. Daraus erwächst aber kein Anspruch auf finanzielle Förderung oder auf Anhebung des Pflegegeldes auf den Wert der Sachleistung. Der Gesetzgeber darf die Förderung des familiären Zusammenhalts vielmehr auch dadurch verwirklichen, dass er den Pflegebedürftigen die Wahl zwischen den verschiedenen Formen der Pflege lässt, und wegen der besonderen Pflichtenbindung von Familienangehörigen das Pflegegeld lediglich als materielle Anerkennung vorsieht.
c) Aus Art. 6 Abs. 1 GG allein ergibt sich nichts anderes. Als Freiheitsrecht verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen. Darüber hinaus enthält die Bestimmung eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (vgl. BVerfGE 87, 1 <35>; 103, 242 <257 f.>; stRspr). Dies umschließt auch die Aufgabe, den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familie zu fördern, besonders im Bereich der Sozialversicherung (vgl. BVerfGE 75, 382 [BVerfG 16.06.1987 - 1 BvL 4/84] <392> m.w.N.). Anders als die Beschwerdeführerinnen meinen, geht die Förderungspflicht des Staates aber nicht so weit, dass es dem Gesetzgeber verwehrt wäre, für die nichtfamiliäre professionelle Pflege höhere Sachleistungen bereitzustellen. Ein derartiges Begünstigungsverbot ergibt sich schon deshalb nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG, weil das niedrigere Pflegegeld nicht nur die Pflege durch Familienangehörige betrifft. Vielmehr kann die Pflege auch durch nichtfamiliäre ehrenamtliche oder erwerbsmäßige Pflegekräfte erbracht werden. Aber auch insoweit die Pflege in erster Linie durch Angehörige erfolgt, lassen sich aus der über die allgemeine Schutzpflicht hinausgehenden Förderungspflicht der Familie keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen herleiten (vgl. BVerfGE 130, 240 [BVerfG 07.02.2012 - 1 BvL 14/07] <252>).
4. Die angegriffenen Regelungen verstoßen nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Sozialrechtliche Ansprüche genießen nur dann grundrechtlichen Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die dem Rechtsträger nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfGE 69, 272 [BVerfG 16.07.1985 - 1 BvL 5/80] <300>; 92, 365 <405>; 97, 217 <284>; 100, 1 <32 f.>; 128, 90 <101>). Vorliegend ist schon nicht ersichtlich, in welche vermögenswerte Position durch die unterschiedliche Höhe der Leistungen bei gleichen Beitragszahlungen eingegriffen wird. Denn Art und Ausmaß der Leistungen, die die Pflegeversicherung gewährt, hängen allein davon ab, dass der Pflegebedürftige in der Pflegeversicherung versichert oder mitversichert ist, und nicht davon, in welchem Umfang er Beiträge entrichtet hat (vgl. BVerfGE 103, 242 [BVerfG 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94] <260>). Dass das Pflegegeld im Betrag geringer ist als die Pflegesachleistung, steht in keinem Zusammenhang mit den eingezahlten Beiträgen.
5. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
III.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.