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08.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141384

Landgericht Bonn: Urteil vom 29.11.2012 – 6 S 72/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Bonn

6 S 72/12

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Waldbröl vom 27.03.2012 – 6 C 251/11 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Dieses sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil sowie aus dem angefochtenen Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten als Alleinerben und Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter E die Zahlung ausstehender Miete für drei Monate sowie offenstehender Telefonkosten.

Grundlage dieses Begehrens ist ein Mietvertrag zwischen dem Kläger als Vermieter und Frau E – der Mutter des Beklagten – als Mieterin vom 17.12.2008 über eine Wohnung in der Seniorenresidenz „I“ in O. Das Mietverhältnis begann am 01.01.2009, die monatliche Miete betrug 740,00 € zzgl. einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 140,00 €. Wegen der weiteren Details des schriftlichen Mietvertrages wird auf Anlage K2, Bl. ##-## GA, Bezug genommen.

Am selben Tag, dem 17.12.2008, schloss Frau E einen Betreuungsvertrag mit der Fa. S GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger ist. Wegen der Einzelheiten des Betreuungsvertrages wird auf Anlage B1, Bl. ##-## GA, Bezug genommen.

Über das Vermögen der Frau E war bereits am 01.09.2008 – vor Abschluss der oben aufgeführten Verträge – das Insolvenzverfahren eröffnet worden (Amtsgericht L, ## IN ###/##). Am 30.11.2010 verstarb Frau E. Sie wurde von dem Beklagten als Alleinerben beerbt. Dieser hat sich auf die Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass berufen.

Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 01.12.2010 das Mietverhältnis mit dem Kläger zum nächstmöglichen Termin.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. an ihn 2.640,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 880,00 € seit dem 05.11.2009, 05.01.2011 und 05.02.2011 zu zahlen;

2. an ihn 253,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2011 zu zahlen;

3. an ihn 316,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2011 zu zahlen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig. Es fehle ihm die Prozessführungsbefugnis. Der Kläger mache Nachlassverbindlichkeiten geltend, bezüglich derer der Beklagte aufgrund des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht verwaltungs- und verfügungsbefugt sei. Im Übrigen habe das Mietverhältnis gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 des Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- und Betreuungsleistungen (WBVG) am 30.11.2010 – dem Todestag der Erblasserin – geendet. Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes sei eröffnet, da der Kläger den Abschluss des Mietvertrages tatsächlich von dem Abschluss des Vertrages über die Erbringung von Betreuungsleistungen abhängig gemacht habe und die beteiligten Unternehmen wirtschaftlich miteinander verbunden seien.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Dabei hat es im Tenor aufgenommen, dass dem Beklagten als Erben die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass vorbehalten bleibt, dieser Vorbehalt betreffe nicht die Kostenentscheidung.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Beklagte prozessführungsbefugt und die Klage mithin zulässig sei. Das Insolvenz- bzw. das Nachlassinsolvenzverfahren über das Vermögen der Erblasserin wirke sich insoweit nicht aus. Das Insolvenzverfahren sei bereits am 01.09.2008 eröffnet worden. Die Forderungen des Klägers aus dem Mietverhältnis mit der Erblasserin seien somit keine Insolvenzforderungen. Der Kläger sei daher auch nicht Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO. Diese Stellung des Klägers ändere sich auch nicht durch den Übergang des Regelinsolvenzverfahrens in das Nachlassinsolvenzverfahren. Der maßgebliche Eröffnungszeitpunkt 01.09.2008 werde durch § 325 InsO nicht berührt. Im Übrigen sei die Klage auch begründet. Durch die Kündigung des Mietverhältnisses durch den Beklagten am 01.12.2010 sei dieses zum 28.02.2011 beendet worden. Eine Beendigung zum 30.11.2010 gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 WBVG sei nicht eingetreten. Der Anwendungsbereich des WBVG sei weder über § 1 Abs.1 WBVG noch über § 1 Abs. 2 WBVG eröffnet. Insbesondere habe der Beklagte – der insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt – nicht dargetan, dass der Abschluss des Mietvertrages tatsächlich von dem Abschluss des Betreuungsvertrages abhängig gewesen sei.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung und beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Waldbröl vom 27.03.2012 – 6 C 251/11 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass die Klage gegen den Beklagten als Erben und Gesamtrechtsnachfolger der Frau E zulässig ist.

Insbesondere ist der Beklagte hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche aus dem Mietvertrag vom 17.12.2008 prozessführungsbefugt. Bei der von dem Kläger geltend gemachten Forderung handelt es sich nicht um eine Insolvenzforderung. Dies sind gemäß § 38 InsO nur solche Forderungen, die bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner bestanden. Das Insolvenzverfahren gegen die Erblasserin wurde bereits am 01.09.2008 eröffnet. Demgegenüber wurde der der Klage zu Grunde liegende Mietvertrag zwischen der Erblasserin und dem Kläger erst am 17.12.2008 – mithin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – geschlossen. Durch den Tod der Erblasserin am 30.11.2010 ist diesbezüglich keine Änderung eingetreten. Mit dem Tod eines Insolvenzschuldners gehen sowohl das Regelinsolvenzverfahren als auch das Verbraucherinsolvenzverfahren in das Nachlassinsolvenzverfahren über (BGH, Beschluss v. 22.01.2004, NJW 2004, 1444 ff. und BGH, Beschluss v. 21.02.2008, NJW-RR 2008, 873 ff.). Dieser Übergang erfolgt nahtlos ohne Unterbrechung, neuer Schuldner ist der Erbe (BGH, Beschluss v. 22.01.2004, NJW 2004, 1444 ff.).

Dieser Übergang führt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zu einer Erweiterung des Kreises der Insolvenzgläubiger. Dem steht die Regelung des § 38 InsO entgegen. Das Vermögen des Schuldners wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugunsten der Insolvenzgläubiger beschlagnahmt und diesen im Verhältnis zueinander Ranggleichheit gewährt. Der Übergang von einer Verfahrensart in die andere stellt keine neue Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dar. Maßgeblicher Eröffnungszeitpunkt bleibt die ursprüngliche Eröffnung des Regel- bzw. Verbraucherinsolvenzverfahrens. Gemäß § 91 InsO können nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinzugekommene Gläubiger des Schuldners – die folglich keine Insolvenzgläubiger sind – nur nachrangig in ggf. nach dem Insolvenzverfahren freigegebenes Vermögen vollstrecken. Anderes gilt nur, soweit das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Eine derartige Ausnahme besteht für den Fall des Übergangs des Regel- bzw. des Verbraucherinsolvenzverfahrens in das Nachlassinsolvenzverfahren und somit für die nunmehr Nachlassgläubiger gewordenen Neugläubiger gerade nicht (s. Siegmann, in: Münchener Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl., Vorbemerkungen vor §§ 315 ff. InsO, Rdnr. 3a). Insbesondere stellt § 325 InsO keine derartige Ausnahme dar. Die Regelung des § 325 InsO führt zu einer Begrenzung der Forderungen, die im Nachlassinsolvenzverfahren geltend gemacht werden können, auf Nachlassverbindlichkeiten. Dies dient dazu, den Eigengläubigern des Erben den Zugriff auf dieses Vermögensmasse zu entziehen (Siegmann, a.a.O., Vorbemerkungen vor §§ 315 ff. InsO, Rdnr. 3a sowie § 325 InsO, Rdnr. 1). Auch besteht kein Grund, den Neugläubiger durch den Tod des Schuldners zu begünstigen und ihm nunmehr den Zugriff auf die Insolvenzmasse zu ermöglichen. Eben dieser Zugriff wäre ihm ohne den Tod des Schuldners ebenfalls verwehrt gewesen. Der Erbe des Schuldners ist hinreichend durch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung geschützt, so dass auch aus diesem Gesichtspunkt eine Erweiterung der Gruppe der Insolvenzgläubiger durch den Übergang in das Nachlassinsolvenzverfahren nicht erforderlich ist.

Die Klage ist darüber hinaus auch begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 2.640,00 € aus § 535 Abs. 2 BGB. Das Mietverhältnis über die Wohnung in O wurde mit dem Beklagten als Erben und Gesamtrechtsnachfolger der Beklagten gemäß § 564 BGB fortgesetzt. Es endete zum 28.02.2011 durch die Kündigung des Beklagten vom 01.12.2010. Die Mieten für die Monate Dezember 2010 sowie Januar und Februar 2011 zahlte der Beklagte nicht.

Das Mietverhältnis endete nicht bereits am 30.11.2010 – und mithin noch vor der Kündigung durch den Beklagten – aufgrund des Todes der Frau E gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 WBVG. Diese Vorschrift ist vorliegend nicht anwendbar. Der Anwendungsbereich des Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- und Betreuungsleistungen (WBVG) ist nicht eröffnet. Das WBVG trat am 01.10.2009 in Kraft. Der Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Erblasserin wurde bereits am 17.12.2008 und somit vor Inkrafttreten des WBVG geschlossen. Gemäß § 17 Abs. 2 WBVG ist dieses Gesetz auf Altverträge nicht anzuwenden, die keine Heimverträge i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 1 des Heimgesetzes (HeimG) a. F. sind. Der Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Erblasserin ist kein solcher Heimvertrag. Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 und S. 2 HeimG führt die Tatsache, dass ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten wird, nicht bereits zur Anwendung des Heimgesetzes, selbst wenn er verpflichtet ist, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Nur wenn der Mieter vertraglich verpflichtet ist, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen (§ 1 Abs. 2 S. 3 HeimG), ist das Heimgesetz anwendbar. Gemäß § 10 des Mietvertrages zwischen der Erblasserin und dem Kläger steht es dem Mieter – hier der Erblasserin – ausdrücklich frei, einen Anbieter zusätzlicher Leistungen zu wählen. Maßgeblich ist insoweit allein, dass der Vermieter dem Mieter eine Wahlmöglichkeit einräumt, nicht ob der Mieter auch faktisch eine andere Wahlmöglichkeit hatte. Im Übrigen war das für die vom Dienstleister zu erbringenden Leistungen zu zahlende Entgelt in Höhe von 90,00 € pro Monat (§ 3 Ziff. 1 des Betreuungsvertrages) gegenüber der zu leistenden Miete nur von untergeordneter Bedeutung.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf die Zahlung der ausstehenden Telefonkosten in Höhe von 253,76 € aus § 3 des Mietvertrages gegen den Beklagten als Gesamtrechtsnachfolger der Frau E.

Der Zinsanspruch des Klägers sowie der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 286, 288 BGB.

Im Übrigen war das Amtsgericht entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gehalten, über die Aufnahme des Vorbehalts der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass im Tenor hinaus auch sachlich über die Haftungsbeschränkung zu entscheiden. Zwar darf das mit der Sache befasste Gericht über einen derartigen Vorbehalt sachlich entscheiden, es muss es jedoch nicht (so bereits BGH, NJW 1954, 635; s. auch Musielak, Zivilprozessordnung, 9. Aufl., § 780 ZPO, Rdnr. 7; Stöber, in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 780 ZPO, Rdnr. 15).

Zu Recht hat das Amtsgericht daher dem Beklagten die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass im Tenor vorbehalten, diesen Vorbehalt jedoch nicht auf die Kostenentscheidung erstreckt. Die Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass erfasst Prozesskosten nur insoweit, als sie bereits in der Person des Erblassers angefallen sind (OLG Köln, Beschluss v. 14.05.1952, NJW 1952, 1145). Kosten eigener Prozessführung hat der Erbe selbst zu tragen (Musielak, Zivilprozessordnung, § 780 ZPO, Rdnr. 2). Die Haftung für die Kosten entsteht durch die Prozessführung als solche, Prozesskosten sind wesensverschieden von dem Streitgegenstand des Prozesses (OLG Köln, Beschluss v. 14.05.1952, NJW 1952, 1145, 1146). Selbst wenn der Erbe seine Haftung in der Hauptsache beschränken kann, haftet er mit seinem ganzen Vermögen für die Kosten des Rechtsstreits, in dem er Partei war und die nach dem Tod des Erblassers entstanden sind (OLG Köln, Beschluss v. 14.05.1952, NJW 1952, 1145, 1146). So liegt es hier. Zu dem Rechtsstreit kam es erst nach dem Tod der Erblasserin. Die Kosten treffen den Beklagten als Prozesspartei. Eine Beschränkung der Haftung auf den Nachlass ist insoweit nicht möglich.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil der Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt, ob aufgrund der Regelung des § 325 InsO der Kreis der Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO insoweit erweitert wird, als auch Neugläubiger eines Regel- bzw. Verbraucherinsolvenzverfahrens durch den Übergang in das Nachlassinsolvenzverfahren zu Insolvenzgläubigern werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

Berufungswert: 2.893,76 €

RechtsgebieteInsO, WBVGVorschriften§ 38 InsO; § 91 InsO; § 17 Abs. 2 WBVG