08.09.2015 · IWW-Abrufnummer 145310
Landgericht Düsseldorf: Urteil vom 25.03.2015 – 12 O 54/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Düsseldorf
12 O 54/14
Tenor:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Bestattungsverträgen mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 01.04.1977, zu berufen:
[7] Bei Kündigung (siehe Ziff. 9) beträgt der Aufwandsersatz 7 % der Summe aus dem Rückkaufswert und der Überschussbeteiligung.
II.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot unter Ziff. I. als Zwangsvollstreckungsmaßnahme Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollstrecken an einem der Geschäftsführer der Beklagten, angedroht.
III.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.03.2014 zu zahlen.
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
V.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,00 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Der Kläger, der seit dem 16.07.2002 in die Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 4 UklaG eingetragen ist, ist der bundesweit tätige Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 26 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland.
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Die Beklagte bietet gegenüber Verbrauchern Servicedienstleistungen für die Bestattungsvorsorge an, insbesondere einen sog. Bestattungsvorsorgevertrag. Die Beklagte verpflichtet sich hierbei im Falle des Versterbens ihres Vertragspartners ein Bestattungs-Dienstleistungsunternehmen mit den Bestattungsleistungen zu beauftragen. Außerdem garantiert die Beklagte eine Auslandsrückholung und bietet eine juristische Erst- und Folgeberatungen (auf Wunsch) an. Für den Vertragspartner der Beklagten ist es zudem möglich, bereits zu Lebzeiten einen Bestatter zu bestimmen, der die Bestattungsleistungen erbringt, und diesen Wunsch mehrfach zu ändern. Der Vorsorgende erhält weiter die Möglichkeit bei Auseinandersetzungen mit der Sterbegeldversicherung oder dem beauftragen Bestatter über die Beklagte eine Schlichtungsstelle anzurufen. Mit dem Bestattungsvorsorgevertrag schließt der Verbraucher auch eine Sterbegeldversicherung bei der Nürnberger Versicherung zum Zwecke der Finanzierung des Bestattungsvorsorgevertrags ab.
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Ausweislich Ziff. 7. der mit „Bestattungsvorsorgevertrag mit der Kuratorium Deutsche Bestattungskultur GmbH“ überschriebenen Vertragsbedingungen erhält die Beklagte 7 % der von der Sterbegeldversicherung ausgezahlten Summe als Aufwendungsersatz. Ebenfalls unter Ziff. 7. des Bedinungswerkes befindet sich die mit dem Klageantrag Ziff. 1. angegriffene Klausel. Wegen des weiteren Inhalts der Vertragsbedingungen wird auf diese verwiesen (Anlage K 1).
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Mit Schreiben vom 09.09.2013 mahnte der Kläger die Beklagte im Hinblick auf die Verwendung der streitgegenständlichen Klausel ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlage K 3), was die Beklagte mit Schreiben vom 14.11.2013 (Anlage K 4) ablehnte.
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Der Kläger hält die angegriffene Klausel gem. §§ 308 Nr. 7, 307 Abs. 1 BGB für unwirksam. Die auf die beschriebene Art und Weise ermittelte Pauschale (7 % der Summe aus Rückkaufswert und Überschussbeteiligung) sei insbesondere deshalb unangemessen, weil die Hauptleistung der Beklagten (Beauftragung eines geeigneten Bestattungsunternehmens) nicht zum Tragen komme. Die Unangemessenheit ergebe sich auch daraus, dass der Aufwendungsersatz durch die Orientierung an dem Rückkaufswert kontinuierlich steige, jedoch nicht erkennbar sei, inwiefern sich mit längerer Vertragslaufzeit die Aufwendungen der Beklagten erhöhen.
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Der Kläger begehrt mit der der Beklagten am 17.03.2014 zugestellten Klage einerseits Unterlassung und andererseits Erstattung der durch das Abmahnschreiben vom 14.11.2013 entstandenen Kosten. Diese bemisst er auf der Grundlage eines Pauschalbetrags von 200,00 € und bringt zusätzlich 7 % Umsatzsteuer in Ansatz.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen,
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1.
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es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
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zu unterlassen,
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nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleichen Bestimmungen in Bestattungsvorsorgeverträgen mit Verbrauch einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 01.04.1977, zu berufen:
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„Bei Kündigung (siehe Ziffer 9) beträgt der Aufwandsersatz 7 % der Summe aus dem Rückkaufswert und der Überschussbeteiligung“
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an ihn 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hält die Klausel für angemessen und behauptet in diesem Zusammenhang insbesondere, ihr würden für die dauerhafte Bereithaltung der Leistungen Kosten entstehen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll zur Sitzung vom 11.03.2014 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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1.
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Das angerufene Gericht ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 UklaG i. V. m. § 1 Nr. 1 Konzentrations-VO-UklaG NRW örtlich zuständig.
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2.
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Dem nach §§ 4, 3 Abs. 1 Nr. 1 UklaG klagebefugten Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 UklaG i. V. m. §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 308 Nr. 7 lit. b) BGB zu, denn die angegriffene Klausel benachteiligt den Vertragspartner der Beklagten unangemessen.
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Die Vereinbarung eines Aufwendungsersatzanspruch ist bereits mit den wesentlichen Grundgedanken gesetzlicher Regelungen nicht vereinbar, darüber hinaus ist auch die Art und Weise der Regelung des Aufwendungsersatzanspruchs unzulässig.
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a)
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Eine unangemessene Benachteiligung liegt gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unter anderem dann vor, wenn die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht vereinbar ist. Zu den wesentlichen Grundgedanken in diesem Sinne gehört es, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne hierfür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können (Becker, in: Bamberger/ Roth (Hrsg.), Beck‘ OK, Ed. 34, Stand: 01.08.2014, § 308 Nr. 7, Rn. 23).
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Gegen diesen Grundgedanken verstößt die Beklagte, die mit der angegriffenen Klausel aus Sicht der Kammer nicht nur die Höhe des Aufwendungsersatzes im Falle einer berechtigten Kündigung, sondern auch den Aufwendungsersatz dem Grunde nach regelt, ohne dass das Gesetz eine Aufwendungsersatzpflicht des Vertragspartners der Beklagten vorsieht.
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Nach den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden, an denen sich die Auslegung der streitgegenständlichen Klausel unter Berücksichtigung ihres objektiven Inhalts und typischen Sinns zu orientieren hat (Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 74. Auflage, 2015, § 305c, Rn. 16.), regelt die Klausel nicht nur die Vergütung für bereits erbrachte Leistungen, sondern auch für andere Kosten, die der Beklagten entstanden sind, beispielsweise im Zusammenhang damit, dass sie sich zur dauerhaften Leistungserbringung bereitgehalten hat. Dem Wortlaut der Klausel selbst ist dies zwar nicht zu entnehmen, denn dieser verhält sich ausdrücklich nur zur Höhe des Aufwendungsanspruchs („Bei Kündigung (siehe Ziff. 9.) beträgt der Aufwandsersatz 7 % […]“). Ein solches Verständnis ergibt sich jedoch aus dem Klauselumfeld wie es sich für den Durchschnittsverbraucher darstellt. In der Regelung Ziff. 7., deren Bestandteil die angegriffene Klausel ist, sind zunächst Leistung- und Gegenleistung geregelt. Unmittelbar danach wird der Aufwendungsersatz für den Fall der Kündigung angeführt, so dass der Kunde bei einer Gesamtschau der in Ziff. 7. enthaltenen Regelungen annimmt, die ihn treffenden Pflichten würden dem Grunde nach geregelt. Weiter spricht für ein solches Verständnis, dass in Ziff. 9. das Kündigungsrecht des Vertragspartners des Klauselverwenders geregelt ist, und es dort heißt: „Der Anspruch […] auf Aufwendungsersatz (Ziff. 7.) bleibt bestehen.“ Diese Regelung und der Verweis auf die Ziff. 7. ist aus der Sicht eines Durchschnittskunden nur so zu verstehen, dass das Bestehenbleiben eines Anspruchs geregelt wird, der in Ziff. 7. dem Grunde nach geschaffen worden ist. Dieser Aufwendungsersatz entsteht bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung immer dann, wenn der Vorsorgende von dem ihm nach Ziff. 9. ohne die Einhaltung weiterer Voraussetzungen eingeräumten Kündigungsrecht Gebrauch macht.
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Weder das Dienst-, noch das Werkvertragsrecht, die hier das gesetzliche Leitbild begründen, sehen einen Aufwendungsersatzanspruch in dem Fall einer ordentlichen Kündigung vor.
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Der vorliegende Bestattungsvorsorgevertrag ist als Dienstvertrag mit werkvertraglichen Elementen zu qualifizieren. Denn die Beklagte verpflichtet sich, zum einen für den Sterbefall ein die Bestattungsleistungen erbringendes Unternehmen zu beauftragen und bietet juristische Beratungsleistungen an. Darin liegt der dienstvertragliche Charakter des Vertrags begründet. Sie verpflichtet sich zum anderen aber auch zu einem Rücktransport aus dem Ausland und schuldet damit einen Erfolg, aufschiebend bedingt auf den Todeseintritt im Ausland.
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Der Vorschrift des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Aufwendungsersatzanspruch nicht zu entnehmen. Dieser regelt allein eine Vergütung für bereits erbrachte Leistungen und auch nur für den Fall einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung.
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Im Werkvertragsrecht verhält sich einzig die Vorschrift des § 649 Satz 2 BGB zu der Frage eines Zahlungsanspruchs bei Kündigung. Hier ist jedoch schon zweifelhaft, ob diese überhaupt für die Bestimmung des gesetzlichen Leitbildes herangezogen werden kann. Denn sie regelt eine Entschädigung für den Verlust der Beauftragung (Sprau, in: Palandt, BGB, Kommentar, 74. Auflage, 2015, § 649, Rn. 5). Die Leistungen, die den werkvertraglichen Charakter ausmachen, sind aber ohnehin – auch bei Fortbestehen des Vertrags – optional; mithin gehört die (mögliche) Nichterbringung der Leistung zum Vertragscharakter. Eine Anwendbarkeit scheidet aber auch deshalb aus, weil der Entschädigungsanspruch keinen Ausgleich für tatsächlich entstandene Kosten begründet. Wenngleich eine solche Zahlung auch durch den Gläubiger als Ausgleich verwendet werden kann.
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Ein Aufwendungsersatzanspruch kann auch nicht aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 3, 284 BGB hergeleitet werden. Denn diese Vorschriften setzen ein Verschulden voraus, welches nicht vorliegen kann, wenn von einem eingeräumten Recht, hier einem Kündigungsrecht ohne Grund, Gebrauch gemacht wird.
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Die sich aus der angegriffenen Klausel ergebende Benachteiligung ist nicht durch überwiegende berechtigte Interessen der Beklagten gerechtfertigt. Ein solches Interesse ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits Leistungen erbracht haben könnte, und hierfür dann keine Vergütung erhalten würde. Insoweit stünde es ihr frei, eine Regelung zu treffen, die – in Einklang mit § 308 Nr. 7 lit. a) BGB – allein an eine Vergütung bereits erbrachter Leistungen anknüpft. Dies tut sie jedoch in der bisherigen Form bei kundenfeindlichster Auslegung gerade nicht.
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b)
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Selbst wenn man die angegriffene Klausel lediglich als Regelung über die Höhe des Aufwendungsersatzes versteht, und in § 649 Satz 1 BGB einen Anknüpfungspunkt für einen Aufwendungsersatzanspruch dem Grund nach erblickt, benachteiligt die angegriffene Klausel den Vertragspartner der Beklagten unter mehreren Gesichtspunkten gem. § 308 Nr. 7 lit. b) BGB unangemessen. Diese Benachteiligung ist auch nicht durch überwiegende Interessen des Klauselverwenders gerechtfertigt.
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Nach § 308 Nr. 7 lit. b) BGB sind Klauseln unwirksam, die den Vertragspartner des Verwenders für den Fall einer Kündigung des Vertrags zu einem unangemessen hohen Aufwendungsersatz verpflichten. Die Frage der Angemessenheit beurteilt sich in diesem Zusammenhang nach der gesetzlichen Anspruchsgrundlage, die einen Aufwendungsersatz dem Grunde nach statuiert.
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Gem. § 649 Satz 1 BGB ist bei der Bemessung der Entschädigung ausgehend von der Annahme, dass Leistung und Gegenleistung in einem Äquivalenzverhältnis stehen, die vertraglich vereinbarte Vergütung die Grundlage; wobei ersparte Aufwendungen in Ansatz zu bringen sind. Daran knüpft die angegriffene Klausel aber erkennbar nicht an. Nach dieser ist Bezugspunkt der Berechnung des Aufwendungsersatzes vielmehr die Summe aus Rückkaufswert und Überschussbeteiligung, ohne dass nachvollziehbar ist, inwiefern diese in einem Verhältnis zu den erbrachten oder noch zu erbringenden Leistungen steht.
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Die Unwirksamkeit der Klausel nach § 308 Nr. 7 lit. b) BGB ergibt sich weiter daraus, dass sie dem Vertragspartner des Verwenders nicht ausdrücklich den Nachweis gestattet, dass der im konkreten Fall entstandene Aufwendungsersatz geringer ist bzw. Aufwendungen gar nicht entstanden sind. Denn die höchstrichterliche Rechtsprechung wendet auf Aufwendungsersatzansprüche, die der Prüfung nach § 308 Nr. 7 BGB unterliegen, die Vorschrift des § 309 Nr. 5 lit. b) BGB analog an (BGH, NJW 2011, 1954 (1956)).
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c)
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Die Wiederholungsgefahr wird vermutet, Tatsachen, die die Vermutungswirkung entkräften, sind nicht vorgebracht.
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2.
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Dem Kläger steht ein Aufwendungsersatzanspruch für die Abmahnung vom 14.11.2013 gem. § 5 UklaG i. V. m. § 12 Abs. 1 UWG in Höhe von 214,00 € zu.
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Aufgrund des festgestellten Rechtsverstoßes war die Abmahnung erforderlich.
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Soweit der Kläger eine Kostenpauschale in Ansatz bringt, hat er deren Zusammensetzung plausibel dargelegt. Der Vortrag ist insoweit von der Beklagten auch nicht angegriffen worden.
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3.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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Der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ist analog § 187 Abs. 1 BGB der 18.03.2014.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 Satz 1 ZPO.
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Streitwert: 3.000,00 €