09.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146353
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 09.09.2015 – I-3 U 60/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm
3 U 60/14
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.02.2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Gründe
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I.
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Die Klägerin ist aufgrund eines gemeinschaftlichen notariellen Testamentes vom 27.06.1990 alleinige Vorerbin nach ihrem am 19.4.2011 verstorbenen Ehemann B (im Folgenden: der Patient). Sie nimmt die Beklagte als Trägerin des C-Seniorenzentrums in C2 aus übergegangenem und eigenem Recht auf Zahlung von Schmerzensgeld, Ersatz bestimmter materieller Schäden und Feststellung der Schadensersatzpflicht im Übrigen in Anspruch. Ferner streiten die Parteien um die Verpflichtung der Klägerin zur Bezahlung der Heimkosten für die Unterbringung des Patienten im Seniorenzentrum der Beklagten.
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Der Patient befand sich bis zum 24.01.2011 wegen einer Demenz vom Alzheimertyp mit aggressiven Verhaltenszügen in stationärer Behandlung in der D-Klinik in D2. Des Weiteren litt er unter einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus und einer Hypertonie. Es bestand eine Adipositas (124,7 kg bei einer Körpergröße von 180 cm). Zudem befand sich der Patient wegen eines Prostatakarzinoms in urologischer Behandlung. Für ihn war ein rechtlicher Betreuer bestellt, der für den Patienten auch den geschlossenen Heimplatz im Seniorenzentrum der Beklagten organisierte.
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Dorthin wurde der Patient am 24.01.2011 verlegt. Am 25.01.2011 wies der behandelnde Hausarzt, Dr. M, das Pflegepersonal der Beklagten darauf hin, dass bei einer eventuellen Bettlägerigkeit des Patienten Lagerungsmaßnahmen „nach zu erstellendem Plan“ angeraten seien. Der Patient war jedoch zunächst noch mobil. Bei zwei am 30.01.2011 und 13.02.2011 durch das Personal der Beklagten vorgenommenen Bewertungen des Dekubitus-Risikos anhand der Braden-Skala wurde das Risiko jeweils als „gering“ eingestuft.
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Ab dem 25.02.2011 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Patienten: In der Nacht vom 25. auf den 26.02.2011 schlief der Patient viel. Da er am Morgen des 26.02.2011 eine erhöhte Temperatur (37,8C) aufwies und sehr „schlapp“ wirkte, wurde der ärztliche Notdienst verständigt. Die Ärztin diagnostizierte eine fieberhafte „Cystophlebitis“ und verordnete dem Patienten Antibiotika und Schmerzmittel. In der Folgezeit lag der Patient im Bett, es erfolgten mehrere Kontrollen der Körpertemperatur, wobei zumindest die Messung am 27.02.2011 um 5.30 Uhr rektal erfolgte.
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Am Sonntag, 27.02.2011, um ca. 12.30 Uhr wurde seitens des Pflegepersonals erstmalig ein Hautdefekt am Gesäß des Patienten mit einer Größe von 3 x 3 cm bemerkt und daraufhin mit Lagerungsmaßnahmen begonnen. Da sich der Wundzustand weiter verschlechterte und die Wunde sich am Montag, 28.02.2011, auf 6,5 x 5 cm ausgedehnt hatte, wurde am selben Tag seitens der Beklagten ein Wundmanager der Fa. D3 zur Dokumentation und wegen eines Versorgungsvorschlages hinzugezogen. Auch wurde Dr. M informiert, der den Patienten noch am Nachmittag desselben Tages ins E-Krankenhaus E2 einwies. Dort wurde ein infizierter Dekubitus sacralis II.diagnostiziert, der am 04.03.2011 operativ versorgt wurde. Trotz prophylaktischer Watteverbände an beiden Füßen entwickelte sich während des stationären Aufenthaltes eine Blase an der rechten Ferse.
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Am 08.03.2011 wurde der Patient mit fortbestehendem Dekubitus in das Heim der Beklagten zurückverlegt, wo unter Einsatz einer Wechseldruckmatratze eine Lagerungsprophylaxe durchgeführt wurde mit regelmäßiger Umlagerung des Patienten alle zwei Stunden. Wegen eines Harnverhalts erfolgte die ambulante Anlage eines Katheters. Unter diesen Maßnahmen verkleinerte sich die Wunde zunächst. Ab dem 24.03.2011 trat erneut ein fieberhafter Infekt auf, der mit einem Antibiotikum behandelt werden musste. Am 30.03.2011 wurde wegen des hohen Fiebers der ärztliche Bereitschaftsdienst hinzugezogen, der abermals ein Antibiotikum verordnete. Nach Auswertung einer Abstrichnahme erfolgte am 05.04.2011 eine Umstellung der Antibiose durch Dr. M, der zudem eine erneute stationären Aufnahme des Patienten im F-Krankenhaus F2 veranlasste, die am 08.04.2011 erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt lag ein Steißbeindekubitus IV. vor. Im Laufe des Krankenhausaufenthaltes trat eine ESBL-Besiedelung auf. Am 11.04.2011 erfolgte der Versuch einer operativen Sanierung. Die für den 15.04.2011 geplante Defektdeckung konnte wegen des Fortbestehens der Infektion jedoch nicht erfolgen, so dass der Patient am 19.04.2011 mit der Empfehlung der Fortsetzung einer konservativen Behandlung des Dekubitus in das Heim der Beklagten zurückverlegt wurde, wo er am selben Tag verstarb.
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Unter dem Datum 25.05.2011 erstellte die Beklagte eine Endabrechnung der Heimkosten, die eine noch offene Forderung in Höhe von 5.835,61 € auswies.
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Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen, der Patient sei in behandlungsfehlerhafter Weise medikamentös ruhig gestellt und hierdurch in seiner Mobilität stark eingeschränkt worden, was zur Entwicklung des Dekubitus am Steißbein geführt habe. Zudem sei trotz des Hinweises von Dr. M eine Lagerung nicht rechtzeitig erfolgt und danach der Dekubitus auch nicht zielgerichtet behandelt worden, so dass er sich habe ausbreiten können. Die Nachsorge nach der Entlassung aus dem Krankenhaus habe ebenfalls nicht dem gebotenen Standard entsprochen. Infolge dieser Fehler sei der Patient in seiner Mobilität weiter eingeschränkt gewesen, so dass sich zusätzlich an der Ferse ein Dekubitus habe entwickeln können. Infolge der Druckgeschwüre und der damit einhergehenden Entzündungswerte und der Medikamentengabe sei es zu einer Niereninsuffizienz gekommen, die sich bis zum Tod des Patienten fortentwickelt habe. Der Patient habe sehr unter der Behandlung gelitten. Unter dieser Erkenntnis habe auch die Klägerin gelitten. Sie habe Schwierigkeiten, den Tod des Patienten zu verarbeiten.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld aus übergegangenem Recht, welches 20.000,00 € nicht unterschreiten sollte, nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld aus eigenem Recht, welches 10.000,00 € nicht unterschreiten sollte,
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nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 zu zahlen;
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3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
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a) die Klägerin von jeglichen nicht vorhersehbaren künftigen materiellen Schäden freizustellen und
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b) jegliche nicht vorhersehbare immateriellen Schäden zu ersetzen,
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die auf die Behandlung ab dem 24.01.2011 zurückzuführen sind, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
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4. festzustellen, dass kein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Zahlung von 5.835,00 € nebst gesetzlicher Zinsen wegen der behaupteten Heimkosten besteht;
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5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aufgebrachte Kosten i.H.v. 1.735,00 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 zu zahlen;
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6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den bislang entstandenen Unterhaltsschadens i.H.v. 4.200,00 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB aus 2.700,00 € ab dem 16.11.2011 sowie aus weiteren 1.500,00 € ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
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7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorbehaltlich einer wesentlichen Änderung den zukünftigen Unterhaltsschaden in Höhe von rund 500,00 € monatlich, beginnend mit dem Monat Januar 2012, zahlbar jeweils spätestens bis zum 05. Kalendertag des nachfolgenden Kalendermonats zu zahlen;
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8. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 3.822,88 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 zu zahlen,
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hilfsweise hierzu:feststellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von außergerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 3.822,8 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 gegenüber Herrn Rechtsanwalt I, C-Straße in ##### C2 freizustellen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Im Wege der Widerklage hat sie ferner beantragt,
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die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagten einen Betrag in Höhe von 5.835,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2011 zu zahlen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht hat ein schriftliches Gutachten des Facharztes für Innere Medizin und Allgemeinmedizin Dr. K eingeholt, welches der Sachverständige im Kammertermin am 04.02.2014 mündlich erläutert hat. Ferner hat es die Klägerin in diesem Termin persönlich angehört.
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Mit dem am 25.02.2014 verkündeten Urteil hat das Landgericht Klage und Widerklage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt:
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Die Klägerin habe ihren Vorwurf einer fehlerhaften Medikation des Patienten nicht beweisen können. Sie habe nicht nachgewiesen, dass Medikamente in zu hoher Dosierung verabreicht worden seien. Soweit der Sachverständige keine Indikation für die Verordnung von Dipiperon/Pipamperon habe bestätigen können, handele es sich um einen Fehler des behandelnden Arztes, nicht des Pflegeheims. Ohne Bedeutung sei, ob einzelne Medikamente in zu großen Mengen bestellt worden seien bzw. ob Diskrepanzen im Hinblick auf die Medikamentenliste der Apotheke bestünden.
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Die Versorgung des Dekubitus am Steißbein habe den medizinischen Empfehlungen und dem medizinischen Standard entsprochen. Das Auftreten des Dekubitus beweise keine Pflichtverletzung. Ein Dekubitus könne sich auch bei ausreichenden Lage-
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rungsmaßnahmen entwickeln, insbesondere bei dementen Patienten. Der Dekubitus hätte auch nicht früher erkannt werden müssen. Nicht in jedem Fall seien Anzeichen für die Bildung eines Druckgeschwürs erkennbar, ehe es offen in Erscheinung trete. Bei bettlägerigen Patienten sei die Haut im Bereich des Gesäßes ohnehin gereizt, so dass eine Rötung nicht zwangsläufig auf die Entstehung eines Dekubitus hinweise.
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Die negative Feststellungsklage bzgl. der Heimkosten bleibe ohne Erfolg, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, dass die Forderung nicht bestehe. Etwaige Schadensersatzansprüche ließen den Anspruch nicht entfallen. Umgekehrt bleibe aber auch die Widerklage ohne Erfolg, da die Beklagte vertragliche Ansprüche auf Bezahlung der Heimkosten nicht schlüssig dargelegt habe.
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Mit ihrer Berufung greift die Klägerin die Entscheidung des Landgerichts in folgenden Punkten an:
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Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass Dr. M das Pflegepersonal der Beklagten bereits am 25.01.2011 auf die Notwendigkeit eines Lagerungsplanes hingewiesen habe, diesem dringenden Rat aber nicht nachgekommen worden sei. Ferner habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Patient nach Beurteilung von Dr. M und entgegen den Ausführungen des Sachverständigen auch schon vor dem 24.02.2011 ein Dekubitus-Risikopatient gewesen sei, so dass von Anfang an entsprechende Lagerungsmaßnahmen zu ergreifen gewesen wären.
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Der Sachverständige habe sich zu Unrecht allein auf die Dokumentation der Beklagten gestützt. Notwendig sei es gewesen, anhand der Fotos von dem Dekubitus objektive Feststellungen zu treffen. Soweit sich in der Dokumentation vor dem 27.2.2011 kein Hinweis auf einen Dekubitus finde, liege hierin gerade das größte Versäumnis der Beklagtenseite. Die unzureichende Pflegedokumentation müsse zu einer Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten führen. Dass die Beklagte die Fa. D3 hinzugezogen habe, belege gerade die auf Seiten des Pflegepersonals fehlende Sachkenntnis.
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Es sei widersprüchlich, wenn der Sachverständige einerseits ausführe, er könne anhand der Fotos erkennen, dass der Dekubitus nicht durch Bakterien verursacht worden sei, andererseits jedoch ausführe, der Dekubitus sei durch einen Infekt mitverursacht.
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Angesichts der Widersprüche zwischen der Beurteilung des Sachverständigen einerseits und des behandelnden Arztes Dr. M andererseits sei das Landgericht gehalten gewesen, Dr. M als Zeugen zu hören bzw. ein Obergutachten einzuholen.
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Soweit die Beklagte im Hinblick auf die bestellten Mengen des Medikaments Dipiperon/Pipamperon behauptet habe, es entspreche der Handhabung in der Praxis, Medikamente auch auf Vorrat zu ordern, stehe dies nicht im Einklang mit dem Betäubungsmittelgesetz.
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Das Landgericht habe zu Unrecht die negative Feststellungsklage abgewiesen. Diese sei begründet gewesen, was sich aus der Abweisung der Widerklage ergebe.
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Die Klägerin beantragt,
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abändernd
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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld aus übergegangenem Recht, welches 20.000,00 € nicht unterschreiten sollte, nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld aus eigenem Recht, welches 10.000,00 € nicht unterschreiten sollte, nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 zu zahlen;
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3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
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a) die Klägerin von allen weiteren künftigen materiellen Schäden freizustellen und
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b) der Klägerin jegliche künftige eigene nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen,
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die auf die Behandlung ab dem 24.01.2011 zurückzuführen sind, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
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4. festzustellen, dass kein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Zahlung von 5.835,00 € nebst gesetzlicher Zinsen wegen der behaupteten Heimkosten besteht;
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5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aufgebrachte Kosten i.H.v. 1.735,00 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 zu zahlen;
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6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den bislang entstandenen Unterhaltsschaden i.H.v. 4.200,00 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB aus 2.700,00 € ab dem 16.11.2011 sowie aus weiteren 1.500,00 € ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
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7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorbehaltlich einer wesentlichen Änderung den zukünftigen Unterhaltsschaden in Höhe von rund 500,00 € monatlich, beginnend mit dem Monat Januar 2012, zahlbar jeweils spätestens bis zum 05. Kalendertag des nachfolgenden Kalendermonats zu zahlen;
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8. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 3.822,88 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 zu zahlen,
58
hilfsweise hierzu:feststellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von außergerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 3.822,8 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 16.11.2011 gegenüber Herrn Rechtsanwalt I, C-Straße in ##### C2 frei zu stellen.
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Die Beklagte beantragt
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die im Protokoll genannten Krankenunterlagen Bezug genommen.
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Der Senat hat die Klägerin pers önlich angehört und den Sachverständigen Dr. K ergänzend vernommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Befragung des Sachverständigen wird auf den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 09.09.2015 Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache insgesamt ohne Erfolg.
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1. Hinsichtlich des Klageantrags zu 4. ist die Klage bereits unzulässig.
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Das Feststellungsinteresse für die zunächst zulässig erhobene negative Feststellungsklage ist mit dem streitigen Verhandeln über die Widerklage, mit der seitens der Beklagten der entsprechende Leistungsanspruch geltend gemacht worden ist, spätestens aber mit der Sachentscheidung über die Widerklage, mit welcher das Landgericht das Bestehen eines Anspruchs der Beklagten gegen die Klägerin auf Begleichung der restlichen Heimkosten verneint hat, entfallen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 Rn. 7d m.w.N.).
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2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
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a) Der von der Klägerin erhobene Vorwurf verspätet ergriffener Lagerungsmaßnahmen greift im Ergebnis nicht durch.
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aa) Zwar hat die vom Senat durchgeführte ergänzende Beweisaufnahme ergeben, dass seitens der Beklagten bereits vor dem Mittag des 27.02.2011 eine Neubewertung des Dekubitusrisikos hätte erfolgen und als Konsequenz hieraus Lagerungsmaßnahmen zur Dekubitusprophylaxe hätten ergriffen werden müssen.
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(1) Vor dem Mittag des 26.02.2011 waren trotz der beim Patienten bestehenden Risikofaktoren für die Entstehung eines Dekubitus – Adipositas, Diabetes mellitus, Krebserkrankung, Demenz - Lagerungsmaßnahmen nicht geboten. Dies hat der Sachverständige Dr. K, an dessen Sachkunde als Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin keine Zweifel bestehen, im Senatstermin noch einmal bekräftigt und ausgeführt, dass ungeachtet der beim Patienten bestehenden Risikofaktoren eine Lagerung nicht erforderlich war, solange der Patient nicht bettlägerig war. Das war jedoch vor dem Mittag des 26.02.2011 nicht der Fall.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der Dokumentation des behandelnden Arztes Dr. M keine abweichende Beurteilung: Dort ist eindeutig formuliert, dass auch nach Einschätzung von Dr. M Lagerungsmaßnahmen "bei evtl. Bettlägerigkeit" erforderlich waren. Eine solche bestand jedoch vor dem Mittag des 26.02.2011 nicht. Vielmehr ist der Pflegedokumentation zu entnehmen, dass der Patient sich bis zum 23.02.2011 tagsüber häufig im Aufenthaltsraum aufgehalten hat. Nachts hat er zudem des Öfteren nicht in seinem Bett, sondern im Sessel geschlafen. In der Nacht vom 23.02. auf den 24.02. und vom 24.02. auf den 25.02.2011 war er auch nachts mobil und nicht zum Schlafen zu bewegen. Erst für die folgende Nacht vom 25. auf den 26.02. ist vermerkt, der Patient habe viel geschlafen, und für den Nachmittag des 26.02., der Patient habe die ganze Zeit im Bett gelegen.
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Ob der Patient bereits aufgrund der bestehenden vorgenannten Risikofaktoren als "Risikopatient" für einen Dekubitus zu bezeichnen gewesen ist - so nach dem Berufungsvorbringen die Einschätzung von Dr. M - oder ob diese Bezeichnung erst mit Hinzutreten der Bettlägerigkeit gerechtfertigt war - so der Sachverständige - ist in der Sache ohne Bedeutung, da auch nach Einschätzung von Dr. M Lagerungsmaßnahmen erst mit Hinzutreten der Bettlägerigkeit erforderlich waren.
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Im Übrigen ist es offensichtlich unzutreffend, wenn die Berufung geltend machen will, das Dekubitusrisiko beim Patienten sei von Seiten der Beklagten vollständig vernachlässigt worden. Wie sich aus dem in der Pflegedokumentation befindlichen Bewertungsbogen "Thematik: Mobilität/sich bewegen" ergibt, ist das Dekubitusrisiko sowohl am 30.01. als auch am 13.02.2011 vom Pflegepersonal überprüft und anhand der Braden-Skala als gering bewertet worden. Dies belegt, dass das potentielle Dekubitusrisiko beim Patienten der Beklagten durchaus bewusst war.
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(2) Hingegen stellt es einen Verstoß gegen den von der Beklagten geschuldeten Pflegestandard dar, dass nicht ab dem Mittag des 26.02.2011, nachdem sich der Gesundheitszustand des Patienten infolge der eingetretenen Infektion verschlechtert hatte und dieser bettlägerig geworden war, eine Neubewertung des Dekubitusrisikos und in deren Konsequenz Lagerungsmaßnahmen erfolgt sind.
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Bereits im Kammertermin hatte der Sachverständige ausgeführt, ab dem Zeitpunkt, ab dem der Patient tagsüber im Bett gelegen habe, d.h. bettlägerig gewesen sei, habe auf jeden Fall eine regelmäßige Lagerung erfolgen müssen. Gestützt auf die in zweiter Instanz zusätzlich vorliegenden Behandlungsunterlagen, insbesondere den Notfallvertretungsschein vom 26.02.2011 und die Verordnung des Urologen Dr. C vom 20.02.2011, hat der Sachverständige nunmehr im Senatstermin eingehend dargelegt, dass ab dem Mittag des 26.02.2011 erkennbar ein deutlich erhöhtes Dekubitusrisiko vorgelegen hat, welches Anlass gegeben hat, noch am selben Tage Lagerungsmaßnahmen einzuleiten.
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Der Sachverständige hat zunächst darauf verwiesen, dass der Patient sich ausweislich des Protokolls des hausärztlichen Notdienstes am Mittag des 26.02.2011 in einem schlechten Gesundheitszustand befunden hat und die erhobenen Befunde und die verordneten Medikamente zeigen, dass die behandelnde Ärztin nicht von einem einfachen Harnwegsinfekt, sondern vom Verdacht auf eine Nierenbeckenentzündung ausgegangen ist. Wie bereits oben ausgeführt, lag der Patient nunmehr auch tagsüber überwiegend im Bett und war, wie der Sachverständige auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt hat, als bettlägerig anzusehen. Der Sachverständige hat weiter darauf verwiesen, dass insbesondere auch das vermehrte Schwitzen als zusätzlicher Risikofaktor zu werten ist. Als weiterer Risikofaktor war die beim Patienten bestehende Krebserkrankung der Prostata zu berücksichtigen und in Rechnung zu stellen, dass es in deren Rahmen auch zu einem Mitbefall der Lymphknoten im Gesäß und im Becken gekommen sein konnte. Hierzu hat der Sachverständige erläutert, dass ein solcher Mitbefall erklären würde, warum es relativ schnell zur Bildung eines Dekubitus gekommen und es auch im folgenden nicht mehr gelungen ist, die Vergrößerung der Wunde aufzuhalten, auch nicht im Rahmen der stationären Behandlung.
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bb) Die Klägerin hat jedoch nicht den ihr obliegenden Beweis erbringen können, dass das Unterlassen von Lagerungsmaßnahmen kausal für die Entstehung des Dekubitus geworden ist. Ihr kommt auch keine Beweislastumkehr zugute, da der festgestellte Pflegefehler nicht als grob zu bewerten ist.
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(1) Die hier in Rede stehende Unterlassung rechtzeitiger Lagerungsmaßnahmen wäre nur dann als kausal für den eingetretenen Gesundheitsschaden anzusehen, wenn ein pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Erforderlich ist insoweit eine Gewissheit, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (§ 286 ZPO). Die bloße Möglichkeit, ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen nicht (BGH, GesR 2012, 217, Tz. 10).
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Im vorliegenden Fall hat es der Sachverständige zwar als wahrscheinlich angesehen, dass die Entstehung des am 27.02.2011 festgestellten Dekubitus durch Lagerungsmaßnahmen hätte verhindert werden können. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es für die Entstehung einer Nekrose in der Tiefe schon ausreichend ist, wenn der Patient 4 bis 6 Stunden auf einer Stelle liegt und dass sich daher ein Dekubitus, wie er dann am Mittag des 27.02.2011 festgestellt worden ist, binnen 24 Stunden entwickeln kann.
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Schon in erster Instanz hat der Sachverständige jedoch dargelegt, dass auch dann, wenn Lagerungsmaßnahmen sofort mit Beginn der Bettlägerigkeit ergriffen worden wären, das Entstehen eines Dekubitus nicht mit Sicherheit hätte vermieden werden können. Der Sachverständige hat darauf verwiesen, dass sich das Entstehen eines Dekubitus auch durch eine ordnungsgemäße Lagerung nicht stets vermeiden lasse; dies gelte zumindest für bestimmte Patientengruppen, insbesondere für Patienten mit schwerer Demenz. Eine solche hat beim Patienten unstreitig vorgelegen.
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Diese Ausführungen des Sachverständigen stehen im Einklang mit neueren medizinischen Publikationen. So wird beispielsweise in dem vom Senat recherchierten Aufsatz von Anders et. alt., „Dekubitalgeschwüre - Pathophysiologie und Primärprävention“, Dtsch Arztbl. Int 2010; 107(21): 371-82 ausgeführt: "Allerdings gilt Dekubitus nicht mehr in allen Fällen als vermeidbar oder heilbar, wenn Durchblutungsstörungen die Anfälligkeit erhöhen oder kognitive Einschränkungen die Umsetzung der Prophylaxe erschweren." Dementsprechend wird auch in der Rechtsprechung und Literatur das Auftreten eines Dekubitus nicht dem Bereich zugeordnet, der vom Pflegeheim oder Krankenhaus voll beherrscht werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.2004 -15 U 160/03- zitiert nach juris Rn. 48; OLG Braunschweig, NJW-RR 2009, 1109; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. D 235 ff; Großkopf in Wenzel, Der Arzthaftungsprozess, Kap. 2 Rn. 1987.).
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An dieser Einschätzung hat der Sachverständige auch im Senatstermin festgehalten und ausgeführt, dass es nicht hinreichend sicher sei, dass es im Falle rechtzeitiger Lagerungsmaßnahmen beim bettlägerigen Patienten im Verlauf des 26. und 27.02.2011 nicht zur Entstehung des Dekubitus gekommen wäre. Zur Begründung dieser Beurteilung hat sich der Sachverständige erneut darauf berufen, dass es bei derart fortgeschrittenen Erkrankungen, wie sie beim Patienten vorgelegen haben, ausgesprochen schwierig ist, einen Dekubitus zu verhindern, und auf die zahlreichen beim Patienten gegebenen Risikofaktoren verwiesen, namentlich das Prostatakarzinom und die Demenz. Gerade demente Patienten, so der Sachverständige, tolerieren Lagerungsmaßnahmen häufig nicht. Als Bestätigung dieser Einschätzung hat es der Sachverständige zudem angesehen, dass sich selbst im Rahmen der stationären Behandlung im E-Krankenhaus E2 trotz der dort vorhandenen besseren personellen Ausstattung und besseren Überwachung des Patienten eine weitere Nekrose gebildet hat.
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(2) Der Klägerin kommt hinsichtlich des Kausalverlaufes keine Beweislastumkehr zugute, da der festgestellte Pflegefehler nicht als grob zu bewerten ist.
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Die in der Rechtsprechung für den groben ärztlichen Behandlungsfehler entwickelten Grundsätze sind auch auf grobe Pflegefehler entsprechend übertragbar (OLG Oldenburg, NJW 2000, 762, zitiert nach juris Rn. 13; OLG Schleswig, Urt. v. 28.3.2008 - 4 U 34/07, zitiert nach juris Rn. 45 f.; vgl. auch BGH, NJW 1996, 2429, zitiert nach juris Rn. 22 ff.; Großkopf in Wenzel, Der Arzthaftungsprozess, Kap. 2 Rn. 1976 f.). Ein derartiger Fehler setzt einen Verstoß gegen bewährte elementare Behandlungsregeln, gegen gesicherte grundlegende Erkenntnisse der Pflege voraus; es muss sich um einen Fehler handeln, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich ist, weil er der Pflegeeinrichtung schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. nur Pauge, Arzthaftungsrecht, 13. Aufl., Rn. 586). Erforderlich ist nicht nur ein eindeutiger Verstoß gegen die pflegerischen Standards, sondern ein schlechterdings unverständliches Fehlverhalten (Pauge, a.a.O., Rn. 587).
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Im vorliegenden Fall geben die überzeugenden medizinischen Darlegungen des Sachverständigen Dr. K dem Senat jedoch keine tatsächliche Grundlage für eine solche rechtliche Bewertung. Dieser hat das Versäumnis der Beklagten – auch unter Berücksichtigung der beim Patienten vorliegenden zahlreichen Risikofaktoren und der Anweisung von Dr. M vom 25.01.2011 - nicht als fundamental falsch, sondern lediglich als einfachen Pflegefehler gewürdigt. Zur Begründung hat der Sachverständige zum einen darauf verwiesen, dass seitens der Beklagten auf die Verschlechterung des Gesundheitszustandes durchaus reagiert worden ist in der Form, dass am Samstag, 26.02.2011, der ärztliche Notdienst hinzugezogen worden ist. Seitens des Notdienstes sind indes – ausweislich des Notfallscheines - keine Anweisungen bezüglich einer Lagerung erteilt worden. Zum anderen hat Dr. K angeführt, dass nach dem Inhalt der vorliegenden Behandlungsunterlagen der Patient auch nicht in einem solchen Zustand gewesen sein kann, dass sich die Notwendigkeit von Lagerungsmaßnahmen ohne weiteres hätte aufdrängen müssen, so dass ein Nichtreagieren schlechthin unverständlich gewesen wäre. Dies wäre, so der Sachverständige, der Fall gewesen, wenn der Patient bewusstseinsgetrübt und bewegungslos im Bett gelegen hätte. Bereits im Kammertermin hat der Sachverständige insoweit erläutert, dass es wesentlich ist, ob der zu Pflegende noch Spontanbewegungen aufweist, und darauf verwiesen, dass dies beim Patienten noch der Fall war, da er ausweislich der Pflegedokumentation noch in Begleitung die Toilette hat aufsuchen können. Hieran anknüpfend hat er im Senatstermin ergänzend darauf hingewiesen, dass noch weitere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Patient nicht sediert und reglos, sondern vielmehr zu Spontanbewegungen in der Lage war: So war der Patient ausweislich des Notfallscheines ansprechbar. Zudem war er, wie sich aus der Pflegedokumentation ergibt, auch noch in der Lage, mit Hilfestellung zu trinken.
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b) Die Klägerin hat ferner nicht beweisen können, dass der sich entwickelnde Dekubitus vom Pflegepersonal der Beklagte bereits vor dem 27.02.2011, 12.30 Uhr, hätte bemerkt werden müssen.
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aa) Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Entwicklung des Dekubitus bereits vor dem 27.02.2011 für das Personal der Beklagten erkennbar gewesen ist.
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Der Sachverständige hat bereits im Kammertermin zutreffend darauf verwiesen, dass sich der Dokumentation vor dem 27.02.2011 kein Hinweis auf einen Dekubitus entnehmen lässt. Ein Dokumentationsversäumnis, welches die Berufung geltend macht, vermag der Senat insoweit nicht zu erkennen: Ein Mangel würde nur vorliegen, wenn tatsächlich vor dem 27.2.2011 Anzeichen eines sich entwickelnden Dekubitus zu erkennen gewesen und vom Pflegepersonal auch erkannt worden wären. Gerade das lässt sich aber nicht feststellen.
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Dr. K hat bereits in erster Instanz dargelegt, dass davon auszugehen ist, dass sich der Dekubitus beim Patienten zunächst innen in der Tiefe des Gewebes entwickelt hat. Im Senatstermin hat der Sachverständige auf der Grundlage der weiteren ihm nunmehr vorliegenden Krankenunterlagen es als durchaus möglich bezeichnet, dass es infolge der Bettlägerigkeit des Patienten ab dem 26.02.2011 binnen 4 bis 6 Stunden in der Tiefe zu einer Nekrose gekommen ist, und ausgeführt, dass 24 Stunden durchaus ausreichend sind, damit ein Dekubitus, wie er dann am Mittag des 27.02.2011 vorgelegen hat, entsteht.
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Ursache des Dekubitus war vorliegend auch keine Verletzung von außen mit der Folge einer lokalen Entzündung, die vom Pflegepersonal hätte bemerkt werden müssen. Diese Beurteilung des Sachverständigen steht entgegen der Auffassung der Berufung nicht im Widerspruch dazu, dass in den Behandlungsunterlagen sowohl von Dr. M als auch des E-Krankenhaus E2 jeweils von einem „infizierten Dekubitus“ die Rede ist: Dies meint, wie der Sachverständige im Senatstermin erläutert hat, eine sekundäre Infektion der Wunde, nicht aber, dass der Dekubitus durch Keime verursacht worden ist. Soweit die Berufung in diesem Punkt weiterhin einen Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten meint ausmachen zu können, nach denen der Sachverständige den Verlauf eines sich rasch entwickelnden Dekubitus bei bestehender Demenz, Diabetes mellitus und einem begleitenden fieberhaften Infekts mit verringertem Allgemeinzustand als nicht ungewöhnlich, sondern wahrscheinlich bezeichnet (S. 3 des Gutachtens), verkennt sie, dass der Sachverständige sich insoweit auf den am 26.02.2011 vom ärztlichen Notdienst diagnostizierten Infekt bezieht, nicht aber auf eine lokale Infektion im Bereich des später sichtbar gewordenen Druckgeschwürs.
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Offensichtlich unbegründet ist auch die Rüge der Berufung, der Sachverständige habe sich allein auf die Dokumentation gestützt und nicht auch die Lichtbilder ausgewertet. Vielmehr hat der Sachverständige im Kammertermin gerade in Bezug auf die Lichtbilder ausgeführt, anhand dieser lasse sich beurteilen, wann der Dekubitus nach außen hervorgebrochen ist, nicht aber, wann er innen entstanden ist. Die Ausführungen des Sachverständigen sind offensichtlich so zu verstehen sind, dass sich aus medizinischer Sicht allgemein anhand von Lichtbildaufnahmen nicht sicher feststellen lässt, wann ein Dekubitus in der Tiefe entstanden ist, und nicht etwa in dem Sinn, dass lediglich ihm persönlich hierzu die hinreichende Sachkunde fehle. Daher liegt es auch ersichtlich neben der Sache, wenn die Klägerin meint, diese Ausführungen sprächen gegen die fachliche Eignung des Sachverständigen.
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Schließlich bedurfte es auch nicht der von der Klägerin geforderten Vernehmung von Dr. M als Zeugen: Dr. M hat den Patienten erst am 28.02.2011 gesehen und könnte, was die Entwicklung des Dekubitus betrifft, ebenfalls nur Rückschlüsse aus den von ihm an diesem Tag gemachten Wahrnehmungen ziehen. Dies ist aber gerade Aufgabe des Sachverständigen und nicht des sachverständigen Zeugen. Im Übrigen hat Dr. K die in der Behandlungsdokumentation von Dr. M für den 28.02.2011 festgehaltene Beschreibung berücksichtigt und dargelegt, dass diese mit dem vom ihm angenommenen Verlauf der Erkrankung durchaus in Einklang steht, und darauf verwiesen, dass die rasante Größenzunahme durch die beim Patienten vorliegenden Grunderkrankungen zu erklären ist.
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bb) Es kann weiterhin auch nicht festgestellt werden, dass der Dekubitus zumindest am 27.02.2011 selbst zu einem früheren Zeitpunkt, namentlich bei der rektalen Fiebermessung um 5.30 Uhr, notwendig hätte auffallen müssen.
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Insoweit hat der Sachverständige im Senatstermin auf die Nachfrage des Senats zwar die Einschätzung vertreten, es sei nicht sehr wahrscheinlich, dass sich ein solcher offener Dekubitus, wie er um 12.30 Uhr dokumentiert worden sei, sich binnen weniger Stunden entwickele, und dass es daher wahrscheinlich sei, dass um 5.30 Uhr zumindest schon eine Rötung des betroffenen Hautareals hätte erkannt werden können. Indes erlauben diese Ausführungen schon nicht mit der für § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit die Feststellung, dass um 5.30 Uhr tatsächlich Anzeichen der in der Tiefe entstandenen Nekrose erkennbar waren.
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Des Weiteren hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass es in der Praxis durchaus üblich sei, bei derartigen Fieberkontrollen nicht das Raumlicht einzuschalten, um die Heimbewohner nicht mehr als nötig zu stören, und dass eine Rötung auch aus diesem Grund unbemerkt geblieben sein könnte. Dass ein solches Vorgehen einen Verstoß gegen pflegerische Standards bedeuten würde, lässt sich den Ausführungen des Sachverständigen nicht entnehmen.
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Unabhängig hiervon war der Schaden, so der Sachverständige, am 27.02.2011 aber auch bereits gesetzt, da in der Tiefe des Gewebes der Dekubitus schon vorhanden gewesen ist. Aus diesem Grund wäre es auch dann zu einem offenen Dekubitus gekommen, wenn man seitens der Beklagten am 27.02.2011 bereits einige Stunden früher mit den Lagerungsmaßnahmen begonnen hätte. Dass sich in diesem Fall zumindest ein für den Patienten günstigerer Verlauf ergeben hätte, hat der Sachverständige als Spekulation bezeichnet, was angesichts des Umstandes, dass es auch in der Folge trotz der im Krankenhaus und im Heim der Beklagten ergriffenen Schutzmaßnahmen zu einer weiteren Vergrößerung der Wunde gekommen ist, ohne weiteres überzeugt.
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c) Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, hat das Landgericht auch eine fehlerhafte medikamentöse Behandlung des Patienten mit dem Medikament Dipireron/Pipamperon 40 mg verneint.
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Soweit die Berufung nunmehr geltend macht, die von der Beklagten erstinstanzlich behauptete Bevorratung des Medikaments verstoße gegen das BtMG, so hat der Sachverständige im Senatstermin klargestellt, dass Dipiperon/Pipamperon 40 mg überhaupt nicht in den Anwendungsbereich des BtMG fällt.
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Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, welche Folgerungen die Klägerin hieraus für eine Haftung der Beklagten meint ableiten zu können. Der Sachverständige hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten detailliert dargelegt, dass zum einen der Dokumentation nicht zu entnehmen ist, dass die Bedarfsmedikation Dipiperon/Pipamperon im fraglichen Zeitraum gegeben worden ist, und dass zum anderen auch die Verlaufsparameter (Blutzucker, Blutdruck, Temperatur, Urinausscheidung, Pflege- und Ereignisdokumentation) keinen Hinweis darauf geben, dass Dipiperon/Pipamperon regelmäßig gegeben worden sein k önnte. Der Sachverständige weist insbesondere daraufhin, dass anderenfalls auch während der beiden Krankenhausaufenthalte vom 28.02. bis 08.03.2011 und 08.04. bis 19.04.2011 eine auffällige starke Veränderung des Wachheitszustandes im Verlauf oder aber Überdosierungserscheinungen bei Aufnahme zu erwarten gewesen wären - die sich aus den Krankenhausberichten gerade nicht ergeben -, wenn dem Patienten im Heim regelmäßig Dipiperon/Pipamperon verabreicht worden wäre.
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d) Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich selbst bei Unterstellen eines haftungsrelevanten (einfachen) behandlungsfehlerhaften Vorgehens der Beklagten im Zusammenhang mit dem Dekubitus eine Ursächlichkeit des Dekubitus für den Tod des Patienten nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen lässt.
102
Soweit die Klägerin behauptet, es sei durch den Dekubitus und dessen medikamentöser Behandlung beim Patienten zu einer Niereninsuffizienz gekommen, die dann zu dessen Tode geführt habe, so ergeben sich für einen solchen Kausalverlauf schon aus den dem Senat vorliegenden Behandlungsunterlagen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere findet sich die Diagnose einer Niereninsuffizienz nicht im Entlassungsbericht des F-Krankenhauses F2 vom 05.05.2011. Ausweislich des Arztbriefes des Urologen Dr. C vom 21.03.2011 lag bei dem Patienten zwar eine vorbestehende chronische Niereninsuffizienz vor. Aus dem Bericht ergibt sich aber, dass laut Vorbefunden diese ursprünglich bereits das Stadium IV erreicht hatte, zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. C aber nur noch eine kompensierte Niereninsuffizienz im Stadium III vorlag, also im Vergleich zu den Vorbefunden eine Verbesserung eingetreten war, und dies trotz des seit dem 27.02.2011 bestehenden Dekubitus.
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Unabhängig hiervon hat der Sachverständige bereits im Kammertermin einen Kausalzusammenhang zwischen dem Dekubitus und einem Nierenversagen als nicht sehr wahrscheinlich bezeichnet und darauf verwiesen, dass es beim Patienten weder in größerem Umfang zu einer Nekrose von Muskelgewebe gekommen ist, welche die Niere hätte schädigen können, und auch keine Erhöhung der sog. CK-Werte, welche in einem solchen Falle auftreten müsste, dokumentiert ist, noch zu einer Sepsis infolge einer Besiedelung des Dekubitus mit Keimen. Diese Beurteilung hat der Sachverständige im Senatstermin noch einmal ausdrücklich bekräftigt.
104
III.
105
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
106
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
107
IV.
108
Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 ZPO).