06.07.2016 · IWW-Abrufnummer 187036
Sozialgericht Karlsruhe: Urteil vom 01.06.2016 – S 3 SB 3457/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sozialgericht Karlsruhe
Az.: S 3 SB 3457/14
Verkündet am 01.06.2016
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
xxx
Die 3. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe
hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01. Juni 2016 in Karlsruhe
durch den Richter am Sozialgericht xxxxxxxxxxx als Vorsitzender
sowie die ehrenamtlichen Richter xxxxxxxxxxx und xxxxxxxxxxxxxxxxxxx
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Grad der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) streitig.
Die xxxxxxxxxxx geborene Klägerin beantragte am 11. März 2014 die Zuerkennung eines GdB wegen eines im Februar 2014 bei ihr diagnostizierten Diabetes mellitus Typ I.
Gestützt auf den von der Klägerin vorgelegten Bericht der xxx Kliniken xxxxxxxx vom 28. Februar 2014 und eine Stellungnahme der beratenden Ärztin xxxxxx stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. April 2014 einen GdB von 40 fest. Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie täglich mindestens viermal, teilweise auch fünf bis sechs Mal den Blutzuckerwert messen müsse. Sie habe dabei auf unterschiedliche Situationen wie beispielsweise sportliche Betätigung Acht zu geben. Nach Einholung weiterer ärztlicher Befundberichte wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2014 zurück.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 16. Oktober 2014 erhobenen Klage die Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft weiter. Sie trägt zur Begründung vor, von einer stabilen Stoffwechseleinstellung sei nicht auszugehen. Ihre Erkrankung führe in allen Lebenslagen, insbesondere in der Schule, Freizeit und bei der Wundheilung, und rund um die Uhr schon allein wegen des zeitlichen Aufwands für die Therapien zu erheblichen Einschränkungen. Die Erkrankung schränke sie außerdem in der Berufswahl erheblich ein.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 9. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2014 abzuändern und einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtsfehlerfrei und verweist darauf, dass die vorliegenden ärztlichen Unterlagen eine zufriedenstellende Blutzuckereinstellung bestätigten.
Dem Gericht haben die Unterlagen des Beklagten vorgelegen. Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf deren Inhalt sowie auf die Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig.
1. Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Zehnte Buch Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl. hierzu und zum Nachfolgenden das Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, juris Rn. 11 m.w.N.). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX; danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.
Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der auf Grund des § 30 Abs. 17 (zw. Abs. 16) BVG erlassenen Rechtsverordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 - VersMedV [BGBl I 2412], zuletzt geändert durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin - Verordnung vom 11. Oktober 2012 [BGBl I 2122]) mit den versorgungsmedizinischen Grundsätzen als Anlage zu § 2 VersMedV (Anl VersMedV) gelten entsprechend (§ 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX). Die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Anl VersMedV stellt ihrem Inhalt nach nicht nur eine Konkretisierung der Regelung des § 69 SGB IX, sondern auch ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar (stRspr des BSG; vgl. Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 9 Rn. 25 m.w.N.).
2. Für den hier streitigen Zeitraum ab März 2014 ist Teil B Nr. 15.1 Anl VersMedV unmittelbar anzuwenden. Die Vorschrift hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl. Teil A Nr. 2 Anl VersMedV):
„15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.“
3. Die diabetesbedingten Beeinträchtigungen der Klägerin erfüllen nur die oben dargelegten Voraussetzungen für einen GdB von 40. Die Voraussetzungen des begehrten GdB von 50 sind aber nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen.
a) Von den für die hier streitige Feststellung eines GdB von (mindestens) 50 für einen Diabetes mellitus nach Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 AnlVersMedV maßgeblichen drei Beurteilungskriterien sind die ersten beiden (täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung) gegeben. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Kriterien nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden sind, vielmehr eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustands erleichtern sollen (so schon - wie auch zum Nachfolgenden - BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - B 9 SB 2/12 R - juris, Rn. 34). Dementsprechend kann das Erfordernis von "täglich mindestens vier Insulininjektionen" nicht so verstanden werden, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werden muss. Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen.
Im Hinblick darauf genügt die Bestätigung der behandelnden Ärzte der Klägerin (Bescheinigung der xxxxKliniken vom 24. November 2014), dass sie täglich mindestens sechs Insulininjektionen und zusätzlich Korrekturen je nach Blutzuckerwert vornehmen müsse, insbesondere bei sportlichen Aktivitäten engmaschige Kontrollen erforderlich seien. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
b) Die Kammer vermag hingegen eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte nicht festzustellen.
aa) Eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung lässt sich nur unter strengen Voraussetzungen bejahen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, juris Rn. 21). Bei diesem Kriterium im letzten Teilsatz von Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 AnlVersMedV handelt es sich um eine zusätzlich zu erfüllende Anforderung. Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris Rn. 39 ff.). Zudem ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl. Teil B Nr. 15.1 Abs. 3 AnlVersMedV). So können beispielsweise die Besonderheit einer Therapie oder ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Der GdB ist relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringen Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, während er bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) höher einzuschätzen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R -, juris Rn. 40). Schließlich sind auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte in der Lebensführung zu beachten.
bb) Nach diesem Maßstab ist - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu den Auswirkungen des Diabetes in Freizeit, Freundeskreis, Ausbildung und beruflicher Fortentwicklung - eine den vorgenannten Maßstäben entsprechende ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung nicht festzustellen.
(1) Zunächst spricht die von den behandelnden Ärzten beschriebene Stoffwechsellage bei der Klägerin gegen eine für die Zuerkennung einer Schwerbehinderung erforderlichen Grad der Beeinträchtigung. Der Diabetologe Dr xxxxx hat im November 2014 berichtet, die Klägerin komme mit der Blutzuckereinstellung gut zurecht und Komplikationen verneint. Auch Dr. xxxx von den xxx-Kliniken bescheinigte mehrfach zwischen Mai und November 2014 stabile Tagesprofile mit mäßigen Schwankungen. Hypoglykämien träten äußerst selten auf. Im Hinblick hierauf können die im Bericht der Podologin xxxxxvom 4. Januar 2015 erwähnten „ständigen Entgleisungen des Diabetes“ keine Überzeugung des Gerichts von einer nicht hinreichenden Blutzuckereinstellung begründen. Aus dem Bericht geht nicht hervor, aufgrund welcher eigenen Beobachtungen oder Sachkunde die Einschätzung beruht. Die Klägerin hat sich hierauf auch nicht berufen. Vielmehr hat sie den Berichten des Diabetologen weder widersprochen noch eine seither eingetretene Verschlechterung vorgetragen.
Der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass die stabile Stoffwechsellage auf ihr konsequentes Therapieverhalten und ihre vernünftige Lebensführung in Bezug auf ihre Erkrankung zurückzuführen seien, kann bei der Festsetzung des GdB nicht berücksichtigt werden. Die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ist ausschließlich final, hat also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - B 9 SB 2/12 R - juris, Rn. 48). Auch der von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand, es komme bei ihr statt zu Hypoglykämien wiederholt zu Hyperglykämien, trägt keine andere Bewertung des Sachverhalts. Denn die ärztliche Angabe mäßiger Schwankungen umfasst auch die berichteten, zum normalen medizinischen Bild eines Diabetes gehörenden und durch Insulingaben therapierbaren Überzuckerungen. Es ist nicht erkennbar, dass das übliche, bei der Höhe des GdB nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bereits berücksichtigte Ausmaß der mit der Erkrankung einhergehenden Blutzuckerschwankungen und damit verbundenen Symptome wie Konzentrationsschwankungen, Schwindel und Müdigkeit (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. August 2014 - L 7 SB 23/13 -, juris Rn. 40) im Fall der Klägerin überschritten wird. Hiergegen spricht bereits, dass die ärztlichen Berichte hierzu nicht ausführen. Es ist zudem keine Besonderheit der Therapie vorgetragen, die eine zusätzliche gravierende Beeinträchtigung begründen könnte.
(2) Aus der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des behandelnden Arztes Dr. xxxxx, nach der die Insulintherapie für sie eine deutliche Einschränkung der Lebensführung bedeute, ergibt sich keine zusätzliche, d.h. über die mit der Insulintherapie an sich verbundenen Nachteile hinausgehende Beeinträchtigung. Eine solche Einschränkung ist auch nicht wegen der bei der Klägerin vorliegenden rezidivierenden Ungius incarnatus beidseits anzunehmen. Denn es handelt sich hierbei nicht um Beeinträchtigungen, deren Ausmaß einen GdB von 50 rechtfertigen. Damit kann offen bleiben, ob überhaupt, wie von der Klägerin wegen eines parallelen Verlaufs mit ihren Glucosewerten vermutet, ein Zusammenhang mit dem Diabetes besteht oder mit multiplen Allergien und der Neurodermitis (s. die insoweit unklare Bescheinigung der Podologin vom 4. Januar 2015).
(3) Die von der Klägerin vorgebrachten Auswirkungen des Diabetes im Übrigen tragen einen GdB von 50 ebenfalls nicht. Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin ihre Freizeitgestaltung und auch sonstige Lebensbereiche auf ihre Erkrankung einstellen und in vielen Bereichen erkrankungsbedingte Nachteile in Kauf nehmen muss, nicht zuletzt bei Auswahl und Ausübung eines Berufs oder eines vorgehenden Studiums bzw. einer Ausbildung. Diese sind jedoch mit einem GdB von 40 bereits hinreichend berücksichtigt. Insbesondere der von der Klägerin behauptete Nachteil auf dem Arbeitsmarkt führt nicht zur Erhöhung des GdB. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Teils A Nr. 2 b AnlVersMedV ist der GdB grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 -, juris Rn. 23). Die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft kann nicht mit ihrer Erforderlichkeit für die berufliche Eingliederung der Klägerin begründet werden. Denn für diesen Zweck hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 3 SGB IX für Personen, bei denen wie im Fall der Klägerin ein GdB von mindestens 30 zuerkannt ist, die Möglichkeit einer Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen vorgesehen.
Schließlich ist auch bei einem Vergleich zu Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 -, juris Rn. 24) die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht angezeigt. So ist nach Auffassung der Kammer der Zustand der Klägerin nicht vereinbar mit einer Beeinträchtigung durch chronische Darmstörungen mit erheblicher Minderung des Kräfte - und Ernährungszustandes (GdB 40 bis 50 nach Teil B Nr. 10.2.2 AnlVersMedV) oder einer Menière-Krankheit mit mehrmals monatlich schweren Anfällen (GdB 50 nach Teil B Nr. 5.3 AnlVersMedV).
4. Eine Erhöhung des GdB wegen weiterer Erkrankungen, die die Klägerin auch nicht geltend gemacht hat, kommt nicht in Betracht. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte eine Hauterkrankung der Klägerin nicht berücksichtigt hat. Die vom Gericht als sachverständige Zeugin befragte Dr. xxxxxxxx hat lediglich für die Zeit ab seit März 2014 leichte Rezidive einer Neurodermitis in Stresssituationen berichtet, die sie homöopathisch behandele. Es sind damit keine Auswirkungen erkennbar, die zu einem berücksichtigungsfähigen GdB führen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Karlsruhe, Karl-Friedrich-Str. 13, 76133 Karlsruhe, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Az.: S 3 SB 3457/14
Verkündet am 01.06.2016
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
xxx
Die 3. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe
hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01. Juni 2016 in Karlsruhe
durch den Richter am Sozialgericht xxxxxxxxxxx als Vorsitzender
sowie die ehrenamtlichen Richter xxxxxxxxxxx und xxxxxxxxxxxxxxxxxxx
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Grad der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) streitig.
Die xxxxxxxxxxx geborene Klägerin beantragte am 11. März 2014 die Zuerkennung eines GdB wegen eines im Februar 2014 bei ihr diagnostizierten Diabetes mellitus Typ I.
Gestützt auf den von der Klägerin vorgelegten Bericht der xxx Kliniken xxxxxxxx vom 28. Februar 2014 und eine Stellungnahme der beratenden Ärztin xxxxxx stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. April 2014 einen GdB von 40 fest. Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie täglich mindestens viermal, teilweise auch fünf bis sechs Mal den Blutzuckerwert messen müsse. Sie habe dabei auf unterschiedliche Situationen wie beispielsweise sportliche Betätigung Acht zu geben. Nach Einholung weiterer ärztlicher Befundberichte wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2014 zurück.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 16. Oktober 2014 erhobenen Klage die Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft weiter. Sie trägt zur Begründung vor, von einer stabilen Stoffwechseleinstellung sei nicht auszugehen. Ihre Erkrankung führe in allen Lebenslagen, insbesondere in der Schule, Freizeit und bei der Wundheilung, und rund um die Uhr schon allein wegen des zeitlichen Aufwands für die Therapien zu erheblichen Einschränkungen. Die Erkrankung schränke sie außerdem in der Berufswahl erheblich ein.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 9. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2014 abzuändern und einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtsfehlerfrei und verweist darauf, dass die vorliegenden ärztlichen Unterlagen eine zufriedenstellende Blutzuckereinstellung bestätigten.
Dem Gericht haben die Unterlagen des Beklagten vorgelegen. Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf deren Inhalt sowie auf die Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig.
1. Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Zehnte Buch Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl. hierzu und zum Nachfolgenden das Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, juris Rn. 11 m.w.N.). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX; danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.
Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der auf Grund des § 30 Abs. 17 (zw. Abs. 16) BVG erlassenen Rechtsverordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 - VersMedV [BGBl I 2412], zuletzt geändert durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin - Verordnung vom 11. Oktober 2012 [BGBl I 2122]) mit den versorgungsmedizinischen Grundsätzen als Anlage zu § 2 VersMedV (Anl VersMedV) gelten entsprechend (§ 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX). Die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Anl VersMedV stellt ihrem Inhalt nach nicht nur eine Konkretisierung der Regelung des § 69 SGB IX, sondern auch ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar (stRspr des BSG; vgl. Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 9 Rn. 25 m.w.N.).
2. Für den hier streitigen Zeitraum ab März 2014 ist Teil B Nr. 15.1 Anl VersMedV unmittelbar anzuwenden. Die Vorschrift hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl. Teil A Nr. 2 Anl VersMedV):
„15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.“
3. Die diabetesbedingten Beeinträchtigungen der Klägerin erfüllen nur die oben dargelegten Voraussetzungen für einen GdB von 40. Die Voraussetzungen des begehrten GdB von 50 sind aber nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen.
a) Von den für die hier streitige Feststellung eines GdB von (mindestens) 50 für einen Diabetes mellitus nach Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 AnlVersMedV maßgeblichen drei Beurteilungskriterien sind die ersten beiden (täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung) gegeben. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Kriterien nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden sind, vielmehr eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustands erleichtern sollen (so schon - wie auch zum Nachfolgenden - BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - B 9 SB 2/12 R - juris, Rn. 34). Dementsprechend kann das Erfordernis von "täglich mindestens vier Insulininjektionen" nicht so verstanden werden, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werden muss. Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen.
Im Hinblick darauf genügt die Bestätigung der behandelnden Ärzte der Klägerin (Bescheinigung der xxxxKliniken vom 24. November 2014), dass sie täglich mindestens sechs Insulininjektionen und zusätzlich Korrekturen je nach Blutzuckerwert vornehmen müsse, insbesondere bei sportlichen Aktivitäten engmaschige Kontrollen erforderlich seien. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
b) Die Kammer vermag hingegen eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte nicht festzustellen.
aa) Eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung lässt sich nur unter strengen Voraussetzungen bejahen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, juris Rn. 21). Bei diesem Kriterium im letzten Teilsatz von Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 AnlVersMedV handelt es sich um eine zusätzlich zu erfüllende Anforderung. Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris Rn. 39 ff.). Zudem ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl. Teil B Nr. 15.1 Abs. 3 AnlVersMedV). So können beispielsweise die Besonderheit einer Therapie oder ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Der GdB ist relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringen Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, während er bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) höher einzuschätzen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R -, juris Rn. 40). Schließlich sind auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte in der Lebensführung zu beachten.
bb) Nach diesem Maßstab ist - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu den Auswirkungen des Diabetes in Freizeit, Freundeskreis, Ausbildung und beruflicher Fortentwicklung - eine den vorgenannten Maßstäben entsprechende ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung nicht festzustellen.
(1) Zunächst spricht die von den behandelnden Ärzten beschriebene Stoffwechsellage bei der Klägerin gegen eine für die Zuerkennung einer Schwerbehinderung erforderlichen Grad der Beeinträchtigung. Der Diabetologe Dr xxxxx hat im November 2014 berichtet, die Klägerin komme mit der Blutzuckereinstellung gut zurecht und Komplikationen verneint. Auch Dr. xxxx von den xxx-Kliniken bescheinigte mehrfach zwischen Mai und November 2014 stabile Tagesprofile mit mäßigen Schwankungen. Hypoglykämien träten äußerst selten auf. Im Hinblick hierauf können die im Bericht der Podologin xxxxxvom 4. Januar 2015 erwähnten „ständigen Entgleisungen des Diabetes“ keine Überzeugung des Gerichts von einer nicht hinreichenden Blutzuckereinstellung begründen. Aus dem Bericht geht nicht hervor, aufgrund welcher eigenen Beobachtungen oder Sachkunde die Einschätzung beruht. Die Klägerin hat sich hierauf auch nicht berufen. Vielmehr hat sie den Berichten des Diabetologen weder widersprochen noch eine seither eingetretene Verschlechterung vorgetragen.
Der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass die stabile Stoffwechsellage auf ihr konsequentes Therapieverhalten und ihre vernünftige Lebensführung in Bezug auf ihre Erkrankung zurückzuführen seien, kann bei der Festsetzung des GdB nicht berücksichtigt werden. Die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ist ausschließlich final, hat also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - B 9 SB 2/12 R - juris, Rn. 48). Auch der von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand, es komme bei ihr statt zu Hypoglykämien wiederholt zu Hyperglykämien, trägt keine andere Bewertung des Sachverhalts. Denn die ärztliche Angabe mäßiger Schwankungen umfasst auch die berichteten, zum normalen medizinischen Bild eines Diabetes gehörenden und durch Insulingaben therapierbaren Überzuckerungen. Es ist nicht erkennbar, dass das übliche, bei der Höhe des GdB nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bereits berücksichtigte Ausmaß der mit der Erkrankung einhergehenden Blutzuckerschwankungen und damit verbundenen Symptome wie Konzentrationsschwankungen, Schwindel und Müdigkeit (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. August 2014 - L 7 SB 23/13 -, juris Rn. 40) im Fall der Klägerin überschritten wird. Hiergegen spricht bereits, dass die ärztlichen Berichte hierzu nicht ausführen. Es ist zudem keine Besonderheit der Therapie vorgetragen, die eine zusätzliche gravierende Beeinträchtigung begründen könnte.
(2) Aus der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des behandelnden Arztes Dr. xxxxx, nach der die Insulintherapie für sie eine deutliche Einschränkung der Lebensführung bedeute, ergibt sich keine zusätzliche, d.h. über die mit der Insulintherapie an sich verbundenen Nachteile hinausgehende Beeinträchtigung. Eine solche Einschränkung ist auch nicht wegen der bei der Klägerin vorliegenden rezidivierenden Ungius incarnatus beidseits anzunehmen. Denn es handelt sich hierbei nicht um Beeinträchtigungen, deren Ausmaß einen GdB von 50 rechtfertigen. Damit kann offen bleiben, ob überhaupt, wie von der Klägerin wegen eines parallelen Verlaufs mit ihren Glucosewerten vermutet, ein Zusammenhang mit dem Diabetes besteht oder mit multiplen Allergien und der Neurodermitis (s. die insoweit unklare Bescheinigung der Podologin vom 4. Januar 2015).
(3) Die von der Klägerin vorgebrachten Auswirkungen des Diabetes im Übrigen tragen einen GdB von 50 ebenfalls nicht. Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin ihre Freizeitgestaltung und auch sonstige Lebensbereiche auf ihre Erkrankung einstellen und in vielen Bereichen erkrankungsbedingte Nachteile in Kauf nehmen muss, nicht zuletzt bei Auswahl und Ausübung eines Berufs oder eines vorgehenden Studiums bzw. einer Ausbildung. Diese sind jedoch mit einem GdB von 40 bereits hinreichend berücksichtigt. Insbesondere der von der Klägerin behauptete Nachteil auf dem Arbeitsmarkt führt nicht zur Erhöhung des GdB. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Teils A Nr. 2 b AnlVersMedV ist der GdB grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 -, juris Rn. 23). Die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft kann nicht mit ihrer Erforderlichkeit für die berufliche Eingliederung der Klägerin begründet werden. Denn für diesen Zweck hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 3 SGB IX für Personen, bei denen wie im Fall der Klägerin ein GdB von mindestens 30 zuerkannt ist, die Möglichkeit einer Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen vorgesehen.
Schließlich ist auch bei einem Vergleich zu Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 -, juris Rn. 24) die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht angezeigt. So ist nach Auffassung der Kammer der Zustand der Klägerin nicht vereinbar mit einer Beeinträchtigung durch chronische Darmstörungen mit erheblicher Minderung des Kräfte - und Ernährungszustandes (GdB 40 bis 50 nach Teil B Nr. 10.2.2 AnlVersMedV) oder einer Menière-Krankheit mit mehrmals monatlich schweren Anfällen (GdB 50 nach Teil B Nr. 5.3 AnlVersMedV).
4. Eine Erhöhung des GdB wegen weiterer Erkrankungen, die die Klägerin auch nicht geltend gemacht hat, kommt nicht in Betracht. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte eine Hauterkrankung der Klägerin nicht berücksichtigt hat. Die vom Gericht als sachverständige Zeugin befragte Dr. xxxxxxxx hat lediglich für die Zeit ab seit März 2014 leichte Rezidive einer Neurodermitis in Stresssituationen berichtet, die sie homöopathisch behandele. Es sind damit keine Auswirkungen erkennbar, die zu einem berücksichtigungsfähigen GdB führen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Karlsruhe, Karl-Friedrich-Str. 13, 76133 Karlsruhe, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.