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03.01.2017 · IWW-Abrufnummer 190951

Sozialgericht Bremen: Beschluss vom 13.11.2016 – S 21 AS 231/15

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Sozialgericht Bremen

Beschl. v. 13.11.2016

Az.: S 21 AS 231/15

Tenor:

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Gründe

Wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird (angenommenes Anerkenntnis, Vergleich, Rücknahme oder beidseitige Erledigungserklärung im Hinblick auf die Hauptsache) hat das Gericht nach § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Danach hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, insbesondere der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und der Gründe für die Einleitung des Rechtsstreits sowie dessen Erledigung, zu entscheiden (Rechtsgedanke aus § 91a Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - sowie aus § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung). Hierbei ist lediglich eine summarische Prüfung vorzunehmen, ohne dass zu allen für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsamen Rechtsfragen Stellung genommen zu werden braucht.

Der vorliegende Rechtsstreit hat sich unstreitig erledigt. Mit Schriftsatz vom 22.04.2015 hat die Klägerin eine Kostenentscheidung des Gerichts nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG beantragt.

Unter Berücksichtigung der oben zitierten Grundsätze hat der Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach zu tragen. Dies folgt zunächst daraus, dass die erhobene Untätigkeitsklage zulässig gewesen ist. Gemäß § 88 Abs. 1 S. 1 SGG gilt: Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Nach Aktenlage hat die Klägerin am 07.08.2014 die Nebenkostenabrechnung der C GmbH & Co KG vom 04.08.2014 für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2013 bei dem Beklagten eingereicht. Damit lief die Sechs-Monats-Frist am 07.02.2015 ab. Die Klägerin hat die Untätigkeitsklage jedoch erst am 12.02.2015 beim Sozialgericht Bremen erhoben. Nachvollziehbare Gründe, warum der Beklagte nicht innerhalb der Frist über den konkludent gestellten Antrag auf Übernahme der in der Nebenkostenabrechnung ausgewiesenen Nachzahlung entschieden hat, sind nicht ersichtlich. Nicht im Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen ist die Frage zu erörtern, ob die Klägerin, ggf. vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, bei dem Beklagten nach dem Sachstand hätte fragen müssen. Eine solche Verpflichtung ist bereits dem Wortlaut von § 88 Abs. 1 SGG nicht zu entnehmen (so auch: SG Köln, Beschluss vom 22.05.2014, Az. S 20 AS 4534/13). Durch die Nichtbeachtung der Sechs-Monats-Frist hat der Beklagte auch Veranlassung für die Klageerhebung gegeben. Unbeachtlich ist, dass die Klägerin vor Erhebung der Untätigkeitsklage den Sachstand bei dem Beklagten hinsichtlich ihres Antrages nicht angefragt hat. Das Gericht schließt sich insofern der Auffassung an, dass eine allgemeine Pflicht zur Sachstandsanfrage vor Erhebung einer Untätigkeitsklage nicht besteht bzw. eine Nachfrage bei der Behörde nur unter besonderen Umständen erforderlich ist (vgl. SG Köln, aaO; Hessisches LSG, Beschluss vom 15.02.2008, Az. L 7 B 184/07 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.03.2006, Az. L 30 B 168/04 AL und LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.09.2005, Az. L 10 LW 4563/04 AK-B). Denn es ist grundsätzlich gerade Zweck der Sperrfristen nach § 88 SGG, dass der Antragsteller eine Untätigkeitsklage nach Ablauf der Fristen erheben darf, ohne sich über das Vorliegen eines zureichenden Grundes Gedanken zu machen und hierzu bei der Behörde vorsorglich nachfragen zu müssen (vgl. Hessisches LSG, aaO, Rn. 21 und SG Köln, aaO, Rn. 8 - beides zitiert nach [...]). Hinter dieser eindeutigen Zielsetzung des § 88 SGG müssen etwaige Gesichtspunkte wie eine Schadensminderungspflicht des bedürftigen Klägers (vgl. dazu: LSG Berlin-Brandenburg, aaO, Rn. 12 - zitiert nach [...]) im Regelfall zurücktreten. Anhaltspunkte für besondere Umstände sind nicht ersichtlich. Als solche sind z.B. anerkannt worden, wenn die Behörde dem Antragsteller/Widerspruchsführer mitgeteilt hat, dass noch weitere Ermittlungen notwendig sind oder dieser davon Kenntnis hat, die Beteiligten sich aufgrund besonderer Umstände einig sind, die Entscheidung über den Antrag/Widerspruch vorläufig zurückzustellen und daher eine sofortige Klageerhebung den Grundsatz von Treu und Glauben widerspricht (vgl. SG Köln, aaO; LSG Baden-Württemberg, aaO, Rn. 31 - zitiert nach [...]) oder wenn zwischen Einlegung des Widerspruchs und Erhebung der Untätigkeitsklage ein längerer Zeitraum liegt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, aaO). Zwischen dem Ablauf der Frist nach § 88 Abs. 1 SGG und der Klageerhebung lagen vorliegend nur wenige Tage. Des Weiteren lassen sich der Leistungsakte und dem Vortrag der Beteiligten keine weiteren der oben zitierten Anhaltspunkte für eine treuwidrige Erhebung der Untätigkeitsklage durch die Klägerin entnehmen.

HINWEIS

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

RechtsgebietSGGVorschriften§ 88 Abs. 1 S. 1 SGG; § 193 Abs. 1 S. 3 SGG