Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

22.05.2017 · IWW-Abrufnummer 194006

Bundesfinanzhof: Urteil vom 24.04.1990 – IX R 9/86

Wer eine Eigentumswohnung aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten dinglichen Wohnungsrechts zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt, ohne die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die Eigentumswohnung getragen zu haben, ist nicht berechtigt, AfA nach § 9 I 3 Nr. 7 i. V. mit § 7 IV EStG zu beanspruchen.


Bundesfinanzhof

Urt. v. 24.04.1990

Az.: IX R 9/86

Tatbestand:

1

Der am 1. August 1969 geborene Sohn der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) erwarb, vertreten durch die Klägerin, aufgrund von Kaufverträgen vom 21. Juli 1979, 1. März und 26. April 1980 drei auf einem Erbbaugrundstück errichtete Eigentumswohnungen. Die Anschaffungskosten wurden überwiegend mit Mitteln bezahlt, für die die Klägerin im eigenen Namen Darlehen aufgenommen hatte. Am 29. Juli 1980 bestellte ihr Sohn, vertreten durch einen Ergänzungspfleger, der Klägerin mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts an den drei Eigentumswohnungen unentgeltlich ein lebenslängliches dingliches Wohnungsrecht. Die Klägerin vermietete die drei Eigentumswohnungen.

2

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1980 ermittelte sie ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Gegenüberstellung ihrer Mieteinnahmen und ihrer Ausgaben in Form von Schuldzinsen, Erbbauzinsen, Grundsteuer, Versicherungsprämien sowie der Absetzung für Abnutzung (AfA) als Werbungskosten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte ihre Aufwendungen nicht als Werbungskosten an.

3

Ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 172 veröffentlichten Urteil teilweise statt. Es verneinte einen wirtschaftlichen Zusammenhang der Schuldzinsen und ihrer übrigen Ausgaben mit ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Es beurteilte die Übernahme dieser Lasten als freiwillige Zuwendungen der Klägerin an ihren Sohn. Es gestand ihr jedoch die AfA-Befugnis in analoger Anwendung des § 11 d Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zu.

4

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision Verletzung des § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 11 d Abs. 1 EStDV.

5

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

1. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil es § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 4 EStG verletzt. Entgegen der Auffassung des FG ist die Klägerin als Inhaberin eines ihr von ihrem Sohn unentgeltlich zugewendeten dinglichen Wohnungsrechts nicht berechtigt, AfA auf die Anschaffungskosten für die drei Eigentumswohnungen ihres Sohnes in Anspruch zu nehmen.

8

a) Grundsätzlich ist derjenige befugt, AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 4 EStG geltend zu machen, der den Tatbestand der Vermietung nach § 21 Abs. 1 EStG erfüllt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut getragen hat. Er braucht nicht bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer zu sein (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453; vom 22. Januar 1985 IX R 4/79, BFH/NV 1986, 149).

9

Aufgrund dessen hat die Rechtsprechung die AfA-Befugnis auch einem Vorbehaltsnießbraucher zugesprochen, der die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat, bevor er das belastete Grundstück unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übereignete, und der nunmehr mit Hilfe des belasteten Grundstücks Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Er nutzt das Grundstück ununterbrochen aufgrund eigenen Rechts (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380).

10

Wer hingegen ein Gebäude aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchs nutzt, ist nach Auffassung des BFH nicht AfA-berechtigt, wenn nicht er, sondern der Eigentümer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat. Der BFH hat auch eine analoge Anwendung des § 11 d Abs. 1 EStDV auf ihn abgelehnt. Denn der Zuwendungsnießbraucher sei nicht Rechtsnachfolger im Sinne dieser Vorschrift des Eigentümers, sondern er habe nur ein Nutzungsrecht. Das Einkommensteuerrecht gestatte nicht, daß AfA in jedem Falle anzusetzen seien, in dem ein Wirtschaftsgut genutzt werde, für das ein Dritter Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet habe (BFH-Urteile vom 28. Juli 1981 VIII R 141/77, BFHE 134, 409, BStBl II 1982, 454; in BFH/NV 1986, 149; Scholtz, Finanz-Rundschau - FR - 1983, 573, 578; Groh, Der Betrieb - DB - 1988, 514, 518; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 15. November 1984, BStBl I 1984, 561, Tz. 19; ablehnend Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., 1990, § 7, Anm. 3 e; Werndl in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 7, Rdnrn. A 214 ff.; Littmann/Bitz/Meincke, Einkommensteuergesetz, § 21, Rn. 455 ff.).

11

Der erkennende Senat hält an der vorstehenden Rechtsprechung fest. Er bleibt bei seiner Auffassung, daß der aufgrund eines unentgeltlich zugewendeten dinglichen Rechts Nutzende nicht berechtigt ist, AfA auf das Gebäude nach § 7 Abs. 4 EStG in Anspruch zu nehmen. Nach dieser Vorschrift muß der Steuerpflichtige selbst die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen haben. Der Nutzende ist auch nicht Rechtsnachfolger des Eigentümers i. S. von § 11 d Abs. 1 EStDV. Sein Nutzungsrecht entsteht mit der Einräumung erst in seiner Person.

12

Eine Verweigerung der AfA für den unentgeltlich Nutzenden auf von ihm nicht getragene Anschaffungs- oder Herstellungskosten führt schließlich auch zu keiner Ungleichbehandlung gegenüber dem betrieblichen Bereich. Allerdings wird ein dingliches oder obligatorisches Nutzungsrecht als ein selbständiges Wirtschaftsgut angesehen, das grundsätzlich für eine Einlage i. S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG geeignet ist, mit der Folge, daß hierauf auch Abschreibungen vorgenommen werden können. Handelt es sich jedoch - wie im vorliegenden Fall - um ein unentgeltlich zugewendetes Nutzungsrecht, so darf nach dem Beschluß des Großen Senats vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, 534, BStBl II 1988, 348) als Einlage nur eigener Aufwand des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Hingegen kann nicht das unentgeltlich eingeräumte Nutzungsrecht mit dem Teilwert eingelegt werden, weil anderenfalls hierauf ein auf der Nutzung beruhender und im Betrieb erwirtschafteter Gewinn der Besteuerung entzogen würde (ebenso auch BFH-Urteil vom 16. Dezember 1988 III R 113/85, BFHE 155, 380, BStBl II 1989, 763).

13

b) Nach den vorstehenden Grundsätzen stehen der Klägerin - entgegen der Auffassung des FG - keine Absetzungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 4 EStG für die drei Eigentumswohnungen zu, die sie aufgrund des ihr von ihrem Sohn unentgeltlich eingeräumten Wohnungsrechts zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzte. Auf sie finden die obigen Grundsätze zu einem unentgeltlichen Zuwendungsnießbraucher Anwendung. Nicht sie, sondern ihr Sohn trug als Eigentümer der Eigentumswohnungen die Kosten für deren Anschaffung. Sie hatte ihm die Mittel hierfür nach ihrem eigenen Vorbringen darlehensweise überlassen.

14

2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Es läßt sich nämlich nicht abschließend entscheiden, ob die Klage in vollem Umfang abzuweisen ist, oder ob der Klägerin zumindest ein Teil der von ihr mit ihrer Klage beim FG erreichten Ermäßigung ihrer Einkommensteuer im Ergebnis - wenn auch aus einem anderen Rechtsgrund - verbleiben muß. Aufgrund der vom FG bisher getroffenen Feststellungen läßt sich zwar eine Abziehbarkeit der von der Klägerin als Werbungskosten geltend gemachten Schuldzinsen verneinen, nicht aber auch eine solche der Erbbauzinsen, Versicherungsprämien und Grundsteuern.

15

a) Die Schuldzinsen sind im Hinblick auf das Aufteilungs- und Abzugsverbot nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht als Werbungskosten abziehbar. Denn die Klägerin verwendete die Valuta der von ihr im eigenen Namen aufgenommenen Darlehen, für die sie den Schuldzinsenabzug begehrt, für Zwecke der Vermögenssphäre, um ihrem Sohn die Mittel zum Erwerb der drei Eigentumswohnungen zinslos darlehensweise zu überlassen.

16

b) Demgegenüber stellen die von der Klägerin bezahlten Erbbauzinsen, Versicherungsprämien und Grundsteuern als Verwendungen auf die vermietete Sache grundsätzlich Werbungskosten i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG dar. Ob sie dennoch ausnahmsweise als freiwillige Zuwendungen an ihren Sohn nach § 12 Nr. 2 EStG zu beurteilen sind, wie es das FG getan hat, läßt sich an Hand der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entscheiden.

17

Das FG konnte zwar davon ausgehen, daß die Klägerin aufgrund ihres Wohnungsrechts nicht gesetzlich dazu verpflichtet war, die vorstehenden Aufwendungen - an Stelle ihres Sohnes als Eigentümer - zu tragen. Die dem Nießbraucher nach § 1047 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) obliegende Pflicht zum Tragen öffentlich- und privatrechtlicher Lasten ist auf den Wohnungsberechtigten nicht anwendbar (§ 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Klägerin hat bisher auch nicht behauptet, durch eine schuldrechtliche Vereinbarung mit ihrem Sohn die laufenden Aufwendungen auf die Eigentumswohnungen übernommen zu haben.

18

Das FG hat jedoch nicht berücksichtigt, daß die Klägerin als Wohnungsberechtigte von ihrem Sohn Ersatz ihrer Verwendungen auf die vermieteten Eigentumswohnungen nach Maßgabe von § 1093 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 1049 Abs. 1 BGB verlangen konnte. Im Hinblick darauf lassen sich die von ihr bezahlten Erbbauzinsen, Versicherungsprämien und Grundsteuern nur dann nicht als abziehbare Werbungskosten, sondern als freiwillige Zuwendungen an ihren Sohn i. S. von § 12 Nr. 2 EStG beurteilen, wenn die Klägerin von vornherein auf einen Ersatz verzichtet hat oder sie schon bei der Verausgabung mit einer Realisierung ihres Ersatzanspruchs nicht rechnen konnte. Hierzu verweist der Senat auf die BFH-Urteile vom 8. Dezember 1982 VIII R 53/82 (BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710) und vom 14. November 1989 IX R 110/85 (BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462). Das FG wird die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen haben.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 9 Abs. 1 EStG