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19.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194517

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 28.02.2017 – 9 K 400/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Hessen

Urt. v. 28.02.2017

Az.: 9 K 400/16

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob und in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterbringung der Mutter des Klägers zu 2.) in einem Pflegeheim steuerlich zu berücksichtigen sind.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2013 machten die Kläger als zusammenveranlagte Ehegatten - soweit vorliegend von Interesse - Aufwendungen für deren Mutter/Schwiegermutter "für die Wohnung in der Seniorenresidenz ..." für den Veranlagungszeitraum 2013 gemäß § 35a des Einkommensteuergesetzes - EStG - in folgender Höhe geltend.
 
September    1.116,72 €      
Oktober    1.282,16 €      
November    1.240,80 €      
Dezember    1.282,16 €      
Summe    4.921,84 €     

Beigefügt war ein Wohn- und Betreuungsvertrag vom 29. 08.2013 und Rechnungen der Residenz ... .

Mit Einkommensteuerbescheid 2013 vom 21.08.2014 wurden die geltend gemachten Aufwendungen für das Pflegeheim nicht berücksichtigt.

Hiergegen legten die Kläger Einspruch mit der Begründung ein, dass die Belege dem Finanzamt vorgelegen hätten und die Rechnungen durch die Kläger bezahlt worden seien. Der Beklagte entgegnete, dass ein Abzug gemäß § 35a EStG nicht in Betracht komme, da nicht die Kläger, sondern deren Mutter/Schwiegermutter Rechnungsempfängerin gewesen sei. Die Kläger ließen daraufhin die Rechnungen dergestalt ändern, dass nunmehr der Kläger zu 2.) als Rechnungsempfänger ausgewiesen war.

Nach weiterem Schriftverkehr zur Anwendung des § 35a EStG setzte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.01.2016 (Bl. 13 der Gerichtsakten) die Einkommensteuer von ... € auf ... € aus vorliegend nicht streitigen Gründen herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zwar stehe, so der Beklagte, nach Tz. 10 des Anwendungsschreibens des BMF zu § 35a EStG vom 10.01.2014 neben der pflegebedürftigen Person auch anderen für die Betreuungsleistungen aufkommenden Personen die Ermäßigung zu. Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 123 EStG gelte auch, wenn sich der Haushalt in einem Alten- oder Pflegeheim befinde. Vorliegend unterhalte die Pflegeperson jedoch keinen Haushalt im Altenheim. Eine selbständige Haushalts- und Wirtschaftsführung sei in dem Einbettzimmer der Seniorenresidenz ... aufgrund der fehlenden eigenen Küche oder zumindest einer Kochgelegenheit nicht möglich. Ein Abzug der Aufwendungen für die Pflege- und Betreuungsleistungen der Mutter als Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 S. 2 HS 1 EStG scheide daher aus. Auch § 35a Abs. 2 S. 2 HS 2 EStG sei nicht einschlägig. Zwar sei nach dieser Norm das Vorhandensein eines eigenen Haushalts im Heim oder an dem Ort der dauernden Pflege in diesem Fall nach dem BMF-Schreiben vom 10.01.2014, BStBl. I 2014, 75, Tz. 14, nicht erforderlich. Voraussetzung sei allerdings, dass die Aufwendungen dem Steuerpflichtigen entstünden. Es müsste sich somit um eigene Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Unterbringung in einem Heim handeln. Daran fehle es vorliegend, da nicht die Mutter, sondern ihr Sohn die Aufwendungen trage.

Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie ihr Ziel weiter verfolgen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten, so die Kläger, führe die Mutter einen eigenen Haushalt im Pflegeheim. Nach Tz. 16 des Anwendungsschreibens des BMF zu § 35a EStG vom 10.01.2014 sei ein Haushalt in einem Heim gegeben, wenn "die Räumlichkeiten des Steuerpflichtigen nach ihrer Ausstattung für eine Haushaltsführung geeignet sind (Bad, Küche, Wohn- und Schlafbereich), individuell genutzt werden können (Abschließbarkeit) und eine eigene Wirtschaftsführung des Steuerpflichtigen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werde". Da auf jeder Etage der Seniorenresidenz Wohnküchen vorhanden seien, in denen individuell und nach den persönlichen Wünschen Essen zubereitet werden könne, sei von einem Haushalt auszugehen; das Fehlen einer Küche im Zimmer selbst sei unschädlich. So habe das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 12.09.2012 (3 K 3887/11) entschieden, dass ein 49 m2 großes Apartment zur selbständigen Haushalts- und Wirtschaftsführung geeignet sei, auch wenn dieses "nur" über eine Kochmöglichkeit und nicht über eine Küche verfüge. Dies sei vorliegend der Fall.

Auf gerichtlichen Hinweis, dass nur die Kosten begünstigt sein können, die Dienstleistungen beträfen, teilten die Kläger mit, dass die Aufwendungen für Reinigung, Mahlzeiten und Wäscheservice täglich insgesamt 15,25 € betrügen, bezogen auf die vorliegenden streitigen Monate September bis Dezember 2013 (129 Kalendertage) insgesamt 1.967,25 € (Bl. 32 der Gerichtsakten).

Die Kläger beantragen,

die Einspruchsentscheidung vom 27.Januar 2016 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 21. August 2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 13. Mai 2015 dahingehend zu ändern, dass die Aufwendungen für das Pflegeheim Seniorenresidenz ... in Höhe von insgesamt 1.967,2 € als haushaltsnahen Dienstleistungen in Ansatz gebracht werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte nimmt insoweit auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug.

Die Seniorenresidenz ... hat mit Schreiben vom 29.09.2016 mitgeteilt, dass die dortigen Räumlichkeiten nach ihrer Ausstattung für eine eigenständige, abgeschlossene Haushalts- und Wirtschaftsführung nicht geeignet sein (Bl. 34 der Gerichtsakten).

Die einschlägigen Steuerakten haben dem Senat vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid vom 21 08. 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.05.2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.01.2016 verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Beklagte hat zutreffend die geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Heimunterbringung der Mutter des Klägers zu 2.) nicht als abzugsfähige Aufwendungen nach § 35a EStG zum Abzug zugelassen, da es an einem von der Mutter des Klägers zu 2.) unterhaltenen Haushalt im Pflegeheim fehlt.

Nach § 35a Abs. 2 S. 2 EStG kann die Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 S. 1 EStG auch in Anspruch genommen werden für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen wegen Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind. In beiden Alternativen des § 35a Abs. 2 S. 2 EStG ist nach Überzeugung des Senats das Vorliegen eines Haushalts erforderlich.

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 35a Abs. 4 EStG, wonach die Dienstleistungen in einem in der Europäischen Union oder in dem Europäischen Wirtschaftsraum (vorliegend unproblematisch) liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen oder - bei Pflege- und Betreuungsleistungen - der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht wird. In den Fällen des § 35a Abs. 2 S. 2 HS 2 EStG ist nach § 35 Abs. 4 S. 2 EStG Voraussetzung, dass das Heim oder der Ort der dauernden Pflege in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegt. Das Vorliegen eines Haushalts ist daher erforderlich (so auch Krüger in Schmidt, Kommentar zum EStG, 35. Aufl., § 35 a Tz. 11, 12; Ehrhard in Blümich, Kommentar zum EStG, § 30a Tz. 24; Frotscher, Kommentar zum EStG, § 35a Tz. 55). Der Senat vermag daher den BMF-Schreiben vom 10.01.2014, BStBl. I 2014, 75, Tz. 14 und vom 09.11.2016 BStBl. I 2016, 1213, Tz. 14, wonach das Vorhandensein eines eigenen Haushalts im Heim oder am Ort der dauernden Pflege nicht erforderlich sein soll, insoweit nicht zu folgen.

Der Begriff Haushalt ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 29.07.2010 VI R 60/09 BStBl. II 2014, 151 mit weiteren Nachweisen) ist unter Haushalt die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebenden Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Dabei ist die Wohnung der räumliche Bereich, in dem sich der Haushalt entfaltet. Das Wirtschaften im Haushalt umfasst Tätigkeiten, die für die Haushaltung oder die Haushaltsmitglieder erbracht werden. Dazu gehören Einkaufen von Verbrauchsgütern, Zubereitung von Mahlzeiten, Wäschepflege, Reinigung und Pflege der Räume, des Gartens und auch Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern und kranken Haushaltsangehörigen. Ein solcher Haushalt kann grundsätzlich auch von dem Bewohner eines Wohnstifts geführt werden (BFH-Urteil vom 29 01.2009 VI R 28/08 BStBl. II 2010, 166 mit weiteren Nachweisen). Die Räumlichkeiten müssen - auch in einem Wohnheim - von ihrer Ausstattung für eine Haushaltsführung geeignet sein, das heißt Bad, Küche, Wohn- und Schlafbereich umfassen, individuell genutzt werden können, d.h. abschließbar sein (Ehrhard in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 35a Tz. 24; vgl. auch BMF-Schreiben vom 10.01.2014 BStBl. I 2014, 75 Tz 16).

Nach der Bestätigung der Seniorenresidenz ... vom 29.09.2016 sind die von der Mutter des Klägers zu 2.) bewohnten Räumlichkeiten nach ihrer Ausstattung für eine eigenständige, abgeschlossene Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bewohners nicht geeignet.

Es fehlt somit an einem Haushalt in oben umschriebenen Sinne, so dass ein Abzug der geltend gemachten Aufwendungen nach § 35a Abs. 2 EStG bereits aus diesem Grunde ausscheidet.

Selbst wenn man der Auffassung des Beklagten und dem Anwendungsschreiben des BMF zur Anwendung des § 35a EStG folgen wollte, könnte die Klage ebenfalls keinen Erfolg haben; denn § 35a Ans.2 S.2 EStG unterscheidet in den dort genannten beiden Alternativen bewusst zwischen den Personen, die die Steuerermäßigung in Anspruch nehmen können. Während § 35a Abs. 2 S. 2 HS 1 EStG nicht ausdrücklich darauf abstellt, dass die pflegebedürftige Person für die Betreuungsleistungen aufkommen muss und insoweit die Steuerermäßigung in Anspruch nehmen kann, sondern die Steuerermäßigung somit auch anderen Personen zustehen kann, die für die Betreuungsleistungen aufkommen, stellt § 35a Abs. 2 S. 2 HS 2 EStG ausdrücklich auf den Steuerpflichtigen ab. Somit müssen der pflegebedürftigen Person als Steuerpflichtigem die Aufwendungen wegen der Unterbringung in einem Heim selbst erwachsen. Vorliegend sind beide Alternativen nicht erfüllt: im Rahmen der ersten Alternative fehlt es - wie oben dargestellt - an einem Haushalt der Mutter im Pflegeheim. Im Rahmen der zweiten Alternative fehlt es an eigenen Leistungen der Mutter, da deren Sohn die Leistungen bezahlt.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, insbesondere zur höchstrichterlichen Klärung der Frage, ob im Rahmen einer Heimunterbringung ein Haushalt der pflegebedürftigen Person im Heim erforderlich ist, zu.

VorschriftenEStG § 35a Abs.2