13.07.2017 · IWW-Abrufnummer 195103
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 01.06.2017 – L 5 KR 101/17 B
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Trier vom 10.4.2017 abgeändert. Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 5.930,92 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Umstritten ist der Streitwert für das Klageverfahren S 3 KR 242/16 (Sozialgericht SG - Trier).
Der Kläger machte der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 16.9.2015 als Rechtsnachfolger seiner 1952 geborenen am 20.7.2014 verstorbenen Ehefrau einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit ab dem 10.12.2003 (bis zum Ablauf von 78 Wochen) in Höhe von insgesamt 23.723,70 EUR geltend. Am 6.10.2016 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Nachdem die Beklagte den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 24.1.2017 abgelehnt hatte, hat der Kläger die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt.
Durch Beschluss vom 10.4.2017 hat das SG Trier entschieden, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens trage, und den Streitwert für die Klage auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Zur Begründung der Streitwertentscheidung hat das SG ausgeführt: Der Sach- und Streitstand biete keine Anhaltspunkte für die Bedeutung der Untätigkeitsklage für den Kläger. Daran ändere die Bezifferung der Forderung in Höhe von 23.723,70 EUR nichts. Denn das Ziel der Untätigkeitsklage könne allein in einer Bescheidung liegen, ohne dass es darauf ankomme, ob der Anspruch in der Sache gerechtfertigt sei. Soweit die ältere Rechtsprechung (Hinweis auf Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz 11.8.1994, Breithaupt 1995, 561, 564; Bayerisches LSG 9.1.1997 - L 12 B 185/95 Ka, [...]) bei Untätigkeitsklagen von einem Wert des Streitgegenstandes von 10 bis 25 vH des Streitwertes der Hauptsache ausgehe, überzeuge dies nicht. Diese Auffassung lasse die ausdrückliche Regelung über den Auffangstreitwert unberücksichtigt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 7.5.2017 eingelegte Beschwerde des Klägers, der das SG nicht abgeholfen hat. Der Kläger macht geltend, der Streitwert sei in Höhe von 23.723,70 EUR festzusetzen.
II.
Für die Entscheidung über die Beschwerde ist der Berichterstatter des Senats als Einzelrichter zuständig. Die Zuständigkeit des Berichterstatters folgt aus § 68 Abs 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz - GKG - (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 155 Rn 9d). Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Verfahrens an den Senat gemäß § 68 Abs 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs 6 Satz 2 GKG sind nicht erfüllt.
Die nach § 68 Abs 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs 3 Satz 2 GKG zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als der Streitwert für das Klageverfahren auf 5.930,92 EUR festzusetzen ist. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Nach § 52 Abs 1 GKG ist in einem Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, das sich wie vorliegend nach dem Streitwert richtet, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers nach der für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß Abs 2 dieser Vorschrift ein Streitwert von 5.000,-- EUR anzunehmen. Bei Untätigkeitsklagen iSd § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann nach allgemeiner Auffassung nicht vom vollen Streitwert ausgegangen werden, der für eine Hauptsacheklage maßgebend wäre, die auf Verpflichtung zur Leistung (unter Aufhebung eines ablehnenden Bescheides) gerichtet ist. Denn mit einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG kann der Kläger nur das Ziel erreichen, dass die Beklagte zum Erlass eines Bescheides verpflichtet wird, ohne dass ein Ausspruch in der Sache erfolgt (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO, § 88 Rn 2). Bei Untätigkeitsklagen ist für den Streitwert von einem Prozentsatz von 10 bis 25 % der eigentlichen Forderung (hier: Anspruch auf Krankengeld) auszugehen (LSG Rheinland-Pfalz 11.3.2013 - L 7 KA 55/12 B; Bayerisches LSG 9.10.2014 - L 5 R 604/14 B, [...] Rn 8; Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit Nr B 4.1). Der Regelstreitwert wäre nur zugrunde zu legen, wenn der Streitwert auch für den eigentlichen Anspruch nicht bestimmbar wäre (vgl LSG Nordrhein-Westfalen 1.7.2013 - L 11 KA 31/13 B). Gegen eine weitergehende Zugrundelegung des Regelstreitwerts bei Untätigkeitsklagen spricht, dass dieser nur für Fälle gedacht ist, in denen es keine andere Grundlage für die Streitwertbemessung gibt (vgl Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage, § 52 GKG Rn 20). Um eine solche Sachlage handelt es sich vorliegend nicht.
Wie hoch der Streitwert innerhalb der Spanne von 10 bis 25 vH festzusetzen ist, ist von der Dauer der Nichtbescheidung abhängig (Straßfeld in Jansen, SGG, 4. Auflage, Seite 1632). Vorliegend lagen zwischen dem Antrag des Klägers und der Bescheiderteilung ca 1 1/2 Jahre. In Anbetracht dieser erheblichen Zeitdauer legt der Senat der Streitwertentscheidung den oberen Grenzwert von 25 vH der Höhe des eigentlichen Anspruchs zugrunde. Daraus ergibt sich ein Streitwert von 5.930,92 EUR.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs 3 GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht angefochten werden (§§ 68 Abs 2 Satz 6 i.V.m. 66 Abs 3 Satz 3 GKG).
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Trier vom 10.4.2017 abgeändert. Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 5.930,92 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Umstritten ist der Streitwert für das Klageverfahren S 3 KR 242/16 (Sozialgericht SG - Trier).
Der Kläger machte der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 16.9.2015 als Rechtsnachfolger seiner 1952 geborenen am 20.7.2014 verstorbenen Ehefrau einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit ab dem 10.12.2003 (bis zum Ablauf von 78 Wochen) in Höhe von insgesamt 23.723,70 EUR geltend. Am 6.10.2016 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Nachdem die Beklagte den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 24.1.2017 abgelehnt hatte, hat der Kläger die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt.
Durch Beschluss vom 10.4.2017 hat das SG Trier entschieden, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens trage, und den Streitwert für die Klage auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Zur Begründung der Streitwertentscheidung hat das SG ausgeführt: Der Sach- und Streitstand biete keine Anhaltspunkte für die Bedeutung der Untätigkeitsklage für den Kläger. Daran ändere die Bezifferung der Forderung in Höhe von 23.723,70 EUR nichts. Denn das Ziel der Untätigkeitsklage könne allein in einer Bescheidung liegen, ohne dass es darauf ankomme, ob der Anspruch in der Sache gerechtfertigt sei. Soweit die ältere Rechtsprechung (Hinweis auf Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz 11.8.1994, Breithaupt 1995, 561, 564; Bayerisches LSG 9.1.1997 - L 12 B 185/95 Ka, [...]) bei Untätigkeitsklagen von einem Wert des Streitgegenstandes von 10 bis 25 vH des Streitwertes der Hauptsache ausgehe, überzeuge dies nicht. Diese Auffassung lasse die ausdrückliche Regelung über den Auffangstreitwert unberücksichtigt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 7.5.2017 eingelegte Beschwerde des Klägers, der das SG nicht abgeholfen hat. Der Kläger macht geltend, der Streitwert sei in Höhe von 23.723,70 EUR festzusetzen.
II.
Für die Entscheidung über die Beschwerde ist der Berichterstatter des Senats als Einzelrichter zuständig. Die Zuständigkeit des Berichterstatters folgt aus § 68 Abs 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz - GKG - (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 155 Rn 9d). Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Verfahrens an den Senat gemäß § 68 Abs 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs 6 Satz 2 GKG sind nicht erfüllt.
Die nach § 68 Abs 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs 3 Satz 2 GKG zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als der Streitwert für das Klageverfahren auf 5.930,92 EUR festzusetzen ist. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Nach § 52 Abs 1 GKG ist in einem Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, das sich wie vorliegend nach dem Streitwert richtet, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers nach der für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß Abs 2 dieser Vorschrift ein Streitwert von 5.000,-- EUR anzunehmen. Bei Untätigkeitsklagen iSd § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann nach allgemeiner Auffassung nicht vom vollen Streitwert ausgegangen werden, der für eine Hauptsacheklage maßgebend wäre, die auf Verpflichtung zur Leistung (unter Aufhebung eines ablehnenden Bescheides) gerichtet ist. Denn mit einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG kann der Kläger nur das Ziel erreichen, dass die Beklagte zum Erlass eines Bescheides verpflichtet wird, ohne dass ein Ausspruch in der Sache erfolgt (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO, § 88 Rn 2). Bei Untätigkeitsklagen ist für den Streitwert von einem Prozentsatz von 10 bis 25 % der eigentlichen Forderung (hier: Anspruch auf Krankengeld) auszugehen (LSG Rheinland-Pfalz 11.3.2013 - L 7 KA 55/12 B; Bayerisches LSG 9.10.2014 - L 5 R 604/14 B, [...] Rn 8; Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit Nr B 4.1). Der Regelstreitwert wäre nur zugrunde zu legen, wenn der Streitwert auch für den eigentlichen Anspruch nicht bestimmbar wäre (vgl LSG Nordrhein-Westfalen 1.7.2013 - L 11 KA 31/13 B). Gegen eine weitergehende Zugrundelegung des Regelstreitwerts bei Untätigkeitsklagen spricht, dass dieser nur für Fälle gedacht ist, in denen es keine andere Grundlage für die Streitwertbemessung gibt (vgl Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage, § 52 GKG Rn 20). Um eine solche Sachlage handelt es sich vorliegend nicht.
Wie hoch der Streitwert innerhalb der Spanne von 10 bis 25 vH festzusetzen ist, ist von der Dauer der Nichtbescheidung abhängig (Straßfeld in Jansen, SGG, 4. Auflage, Seite 1632). Vorliegend lagen zwischen dem Antrag des Klägers und der Bescheiderteilung ca 1 1/2 Jahre. In Anbetracht dieser erheblichen Zeitdauer legt der Senat der Streitwertentscheidung den oberen Grenzwert von 25 vH der Höhe des eigentlichen Anspruchs zugrunde. Daraus ergibt sich ein Streitwert von 5.930,92 EUR.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs 3 GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht angefochten werden (§§ 68 Abs 2 Satz 6 i.V.m. 66 Abs 3 Satz 3 GKG).