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30.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199258

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Beschluss vom 18.12.2017 – L 12 AS 1804/17 B

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landessozialgericht NRW

L 12 AS 1804/17 B

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.06.2017 wird abgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

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Gründe:

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I. Die Klägerin wendet sich gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Sozialgerichts. In der Hauptsache fechtet sie einen Bescheid an, mit dem die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) aufgehoben und zu viel geleistete Zahlungen erstattet verlangt werden.

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Der Beklagte gewährte der 1981 geborenen, allein lebenden Klägerin mit Bescheid vom 06.07.2015 auch für die Monate Oktober und November 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II in Höhe von jeweils insgesamt 779,89 EUR. Im September 2015 zeigte die Klägerin die Arbeitsaufnahme bei der L Vertrieb GmbH zum 01.10.2015 an und teilte in der Folge ihren Verdienst im Oktober 2015 i.H.v. 660,85 EUR netto und im November i.H.v. 664,83 EUR netto mit. Auch aufgrund der mitgeteilten Arbeitsaufnahme berechnete der Beklagte die der Klägerin zustehenden Leistungen mit Bescheid vom 19.11.2015 neu. Für Oktober 2015 beließ er es (zunächst) bei einer Leistungsgewährung von insgesamt 779,89 EUR, für November 2015 reduzierte er den Leistungsanspruch unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2015 auf 311,89 EUR. Mit weiteren Bescheiden vom 07.01.2016 berechnete der Beklagte den Leistungsanspruch unter Anrechnung des erzielten Einkommens abermals neu. Für Oktober 2015 ergab sich nunmehr ein Leistungsanspruch von 327,24 EUR und für November von 324,24 EUR. Die sich rechnerisch für Oktober und November 2015 ergebende Überzahlung i.H.v. zusammen 908,30 EUR verlangte er erstattet.

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Nach dem Vortrag der Klägerin ging dieser der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.01.2016 zunächst nicht zu. Sie erfuhr von dem Bescheid erst, als sie nach Mahnung im Februar 2016 den Beklagten telefonisch am 22.02.2016 kontaktierte und dieser ihr - wie im Telefonat zugesagt - im April 2016 eine Durchschrift des Bescheides vom 07.01.2016 zusandte. Die Durchschrift war mit "Entwurf" überschrieben.

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Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 18.04.2016 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2016, der Klägerin zugegangen am 16.06.2016 wegen Verfristung als unzulässig verwarf.

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Mit am 17.08.2016 erhobener Klage hat die Klägerin beantragt, den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2016 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der als Entwurf bezeichnete Bescheid des Beklagten vom 07.01.2016, wie der Widerspruchsbescheid vom 13.06.2016 nichtig sind. Ergänzend hat sie beantragt, ihr für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren. Das Sozialgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 21.06.2017 abgelehnt. Der Beklagte habe den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen, denn die Klägerin habe in ihrem Widerspruch nicht vorgetragen, was an dem Bescheid vom 07.01.2016 unrichtig sein solle. Auch für das Gericht sei eine Unrichtigkeit nicht zu erkennen.

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Gegen den ihr am 03.07.2017 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 28.07.2017 ohne weitere Begründung Beschwerde eingelegt.

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II. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 21.06.2017 ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Das Verfahren hat keine Aussicht auf Erfolg.

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Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 73a Rn. 7a). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt werden (vgl. BSG Beschluss vom 17.02.1998, B 13 RJ 83/97 R; BVerfG Beschlüsse vom 14.04.2003, 1 BvR 1998/02 und vom 29.09.2004, 1 BvR 94/88).

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Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist bereits unzulässig, da sie nicht innerhalb der Monatsfrist von § 87 Abs. 1 S. 1 SGG erhoben wurde. Danach ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Die Klagefrist des § 87 SGG gilt auch für die hier erhobene Anfechtungsklage; die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (vgl. B.Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 87, Rn 2,4), somit vorliegend am 17.06.2016 und endet damit am Montag, dem 18.07.2016. Die Klageerhebung am 17.08.2016 ist daher außerhalb der Frist erfolgt.

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Auch das hilfsweise erhobene Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 07.01.2016 hat keine Aussicht auf Erfolg. Zwar ist eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakt (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG) gemäß § 89 SGG nicht fristgebunden und damit die am 17.08.2016 erhobene Klage insoweit zulässig. Der angefochtene Bescheid vom 07.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2016 ist jedoch nicht nichtig, sondern verfügt die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung nach dem SGB II für Oktober 2015, die ergänzende Leistungsbewilligung für November 2015 und den zu erstattenden Betrag für die Monate bestandskräftig.

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Soweit die Klägerin sinngemäß vorträgt, dem ihr erst im April 2016 übersandten Schreiben vom 07.01.2016 sei ein Regelungswille iSv § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) nicht zu entnehmen, da das Schreiben mit "Entwurf" überschrieben sei, so kann diese Argumentation nicht für die Annahme der Nichtigkeit eines VA angeführt werden. Denn das Vorliegen einer hoheitlichen Verfügung mit Regelungswille ist gerade Voraussetzung für die Statthaftigkeit einer Nichtigkeitsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 55 Rn. 14). Daneben ist die Argumentation aber auch inhaltlich nicht zutreffend. Denn in Auslegung des übersandten Schreibens ist auf einen Regelungswillen des Beklagten auf Setzung einer Rechtsfolge, hier der teilweisen Aufhebung der Bewilligung von SGB II Leistungen für Oktober 2015, der ergänzenden Leistungsbewilligung für November 2015 sowie der Verfügung der Erstattung der Überzahlung, zu schließen. Ein Regelungswille kann insbesondere bei Fehlen einer eindeutigen Bezeichnung als Bescheid - wie hier durch den Zusatz "Entwurf" - zweifelhaft sein. In einem solchen Fall sind Verwaltungsakte unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen. Die Qualifizierung von Verwaltungshandeln als Verwaltungsakt richtet sich dabei nicht danach, von welcher Vorstellung die Behörde ausgegangen ist. Maßgeblich ist vielmehr in Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 BGB Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) der objektive Sinngehalt der Erklärung, d.h. wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste (ständige Rechtsprechung, statt vieler BSG Urteil vom 10.07.2012, B 13 R 85/11 R). Abzustellen ist auf den Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSG Urteil vom 13.08.2014, B 6 KA 38/13 R). Nach dieser Maßgabe gibt es vorliegend keine Zweifel daran, dass der Beklagte mit dem im April übersandten, auf den 07.01.2016 datierenden Schreiben die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für Oktober 2015, die ergänzend Leistungsbewilligung für November 2015 sowie die entsprechende Erstattung der Überzahlung verfügen wollte. Denn die Klägerin war bereits Schreiben am 18.02.2016 bezüglich der Erstattungsforderung angemahnt und ihr war die Erstattungsforderung im Telefonat vom 22.02.2016 auch erklärt worden. Sie musste davon ausgehen, dass das ihr bereits telefonisch erläuterte Verwaltungshandeln nunmehr schriftlich fixiert wurde. Schließlich hat der Beklagte an der schriftlichen Fixierung durch Erlass des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2016 zumindest konkludent festgehalten. Dass auch die Klägerin das Schreiben als entsprechende hoheitliche Regelung aufgefasst hat, zeigt das von ihr geführte Widerspruchsverfahren, in dem sie noch materiell-rechtlich argumentiert. Sie behauptet sinngemäß, die zurückgeforderten Beträge seien nicht zur Auszahlung gelangt.

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Ferner begründet das Fehlen einer Unterschrift unter dem Bescheid vom 07.01.2016 keinen die formelle Rechtswidrigkeit begründenden Formfehler im Sinne von § 33 SGB X, erst Recht begründet sie keinen zur Nichtigkeit führenden besonders schwer wiegenden Fehler im Sinne von § 40 Abs. 1 SGB X.

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Die bei Erlass eines Verwaltungsaktes einzuhaltende Form definiert § 33 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden kann (§ 33 Abs. 2 S. 1 SGB X). Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten, § 33 Abs. 3 S. 1 SGB X. Der Bescheid vom 07.01.2016 entspricht diesen Anforderungen. Er wurde schriftlich erlassen, lässt als Absender ohne weiteres den Beklagten erkennen und führt auf Seite 2 auch den Namen der Mitarbeiterin an, die im Auftrag der Geschäftsführung des Beklagten die Entscheidung getroffen hat. Der Senat hält eine maschinenschriftliche Namenswiedergabe jedenfalls dann für ausreichend, wenn wie vorliegend an der tatsächlichen Urheberschaft des namentlich benannten Vertreters der Behördenleitung keine vernünftigen Zweifel bestehen können (vgl. ebenso LSG Baden-Württemberg Urteil vom 29.01.2013, L 9 R 3176/11 bei juris Rn. 37).

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Selbst wenn entgegen der hier vertretenen Auffassung ein Verstoß gegen § 33 Abs. 3 SGB X anzunehmen wäre, würde dies nicht zur Nichtigkeit des Bescheides führen, denn nach zutreffender Auffassung ist die mangelnde Unterschrift oder Namenswiedergabe regelmäßig kein für alle Beteiligten offenkundiger, besonders schwer wiegender Fehler und führt nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes (vgl. BSG Urteil vom 04.10.1994, 7 KlAr 1/93; Engelmann in von Wulffen/Schütze SGB X, 8. Auflage 2014, § 33 Rn. 35a).

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Kosten sind im Verfahren der Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfebeschluss gemäß §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 127 Abs. 4 Zivilprozessordnung nicht zu erstatten.

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Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.