09.05.2018 · IWW-Abrufnummer 201118
Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 25.04.2018 – 5 Ta 101/18
Die hilfsbedürftige Partei ist nicht verpflichtet, während des gesamten Vier-Jahres-Zeitraums des § 120 a Abs. 1 Satz 4 ZPO ihre private Lebensführung allein danach auszurichten, nach Möglichkeit entstandene Prozesskosten nachträglich zu begleichen. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob die fragliche Kreditaufnahme angemessen erscheint, und ob sich eine Person, die nicht dem Überprüfungsverfahren nach § 120 a Abs. 1 ZPO unterliegt, in einer vergleichbaren Situation zu der Kreditaufnahme entschlossen hätte (Anschluss LAG Nürnberg, Beschluss vom 12. Dezember 2017, 7 Ta 98/17, juris unter Verweis und Anschluss an LAG Hamm, Beschluss vom 30.04.2012, 4 Ta 662/11, juris).
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 29.12.2017 gegen den Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 14.12.2017 - 4 Ca 1208/14 - wird der Beschluss aufgehoben.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen fehlender Mitwirkung im Prüfungsverfahren.
Mit Beschluss vom 13.10.2014 sowie ergänzend vom 26.11.2014 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Mit Schreiben vom 02.11.2017 wurde der Kläger aufgefordert, eine Erklärung über die aktuellen Einkommensverhältnisse abzugeben und eine Frist gesetzt bis zum 30.11.2017. Nachdem diese Aufforderung unbeantwortet blieb, hob das Arbeitsgericht Paderborn den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss mit weiterem Beschluss vom 14.12.2017 unter Hinweis auf die Verletzung von Mitwirkungspflichten auf.
Gegen diese dem Prozessbevollmächtigten am 15.12.2017 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde vom 29.12.2017, die am 02.01.2018 bei Gericht einging. Der Kläger legte in der Folge eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Die darin erstmals aufgeführten Kredite bei der T Bank sowie der W Bank waren von der Notwendigkeit her nicht begründet; weiterhin fehlten Einkommensnachweise für den Monat Dezember für den Kläger und dessen Ehefrau.
Nach Nichtabhilfeentscheidung vom 13.02.2018 legte das Arbeitsgericht den Sachverhalt dem Beschwerdegericht vor. Die nochmalige Anfrage des Landesarbeitsgerichtes vom 09.03.2018 führte zur Vorlage weiterer Unterlagen.
II. Die gem. § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 11a Abs. 1, 78 ArbGG und §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff ZPO an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet.
Nach § 11a Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren, § 120 a Abs. 1 S. 3 ZPO, nicht abgegeben hat. Ein solches Fehlverhalten setzt in der Regel voraus, dass die Partei unter Fristsetzung ergebnislos zur Vorlage bestimmter, im Einzelnen benannter Belege und/oder zur Abgabe einer Erklärung über eine etwaige Änderung der Verhältnisse aufgefordert worden ist (Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Auflage 2016, Rn 1009 m. w. N.). Kommt die Partei einer solchen konkreten Aufforderung trotz Mahnung nicht in angemessener Zeit nach, ist eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten gerechtfertigt.
Allerdings kann die Partei im Beschwerdeverfahren gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfe eine nach § 120 a Abs. 1 Satz 3 ZPO geforderte Erklärung auch dann nachholen, wenn sie die Frist für die Erklärung schuldhaft versäumt hat (BAG Beschluss v. 18.11.2003, 5 AZB 46/03; NZA 2004, 1062 f; ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammer, siehe nur Beschl. v. 09.07.2012, 5 Ta 736/10).
Hiervon hat der Kläger Gebrauch gemacht.
Danach hat er mit Schreiben vom 11.04.2018 erläutert, dass der Kredit bei der T Bank u.a. für den Erwerb eines neuen Fernsehers notwendig war, da der bisheriger Anfang 2017 kaputt gegangen war. Der Betrag für diesen Kredit beläuft sich auf 44,81 €/Monat. Zahlungsnachweise wurden vorgelegt. Der Kredit bei der U Bank war aufgestockt/weitergeführt worden, da Mittel für eine Kinderzimmereinrichtung sowie notwendige Autoreparaturen benötigt wurden. Dieser Kredit beläuft sich auf 240,40 €/Monat.
Im November 2016 erwarb der Kläger einen gebrauchten VW Passat, welcher den bisherigen PKW Baujahr 2003 ersetzte. Hierfür entstehen monatliche Raten bei der W Bank in Höhe von 291,00 €, deren tatsächliche Tilgung belegt ist.
Nach Auffassung der Beschwerdekammer sind die neu, während des Bewilligungszeitraumes für Prozesskostenhilfe begründeten Verbindlichkeiten notwendige Verbindlichkeiten, die auch während des Überprüfungszeitraumes zu Recht erfolgen durften.
Grundsätzlich gilt, dass es der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, nicht während des gesamten Überprüfungszeitraumes verwehrt ist, Darlehensverpflichtungen zu begründen. Anders als im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren, in dem die Neubegründung von Darlehensverbindlichkeiten nach Klageerhebung nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden darf, ist im Überprüfungsverfahren ein großzügigerer Maßstab geboten. Die hilfsbedürftige Partei ist nicht verpflichtet, während des gesamten Vier-Jahres-Zeitraums des § 120 a Abs. 1 Satz 4 ZPO ihre private Lebensführung allein danach auszurichten, nach Möglichkeit entstandene Prozesskosten nachträglich zu begleichen. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob die fragliche Kreditaufnahme angemessen erscheint, und ob sich eine Person, die nicht dem Überprüfungsverfahren nach § 120 a Abs. 1 ZPO unterliegt, in einer vergleichbaren Situation zu der Kreditaufnahme entschlossen hätte (LAG Hamm, Beschluss vom 04.09.2015, 5 Ta 441/15, n.v.; vom 30.12.2013, 5 Ta 585/13, n.v.; LAG Hamm, Beschluss vom 30.04.2012, 4 Ta 662/11, juris; LAG Hamm, Beschluss vom 16.02.2010 - 4 Ta 131/09 - n. v.).
Nach diesen Grundsätzen waren der Kläger und seine Ehefrau berechtigt, die von ihnen begründeten Kreditverbindlichkeiten zu begründen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger bereits zwei Kinder hat und demnächst ein weiteres Kind geboren werden wird, war die Anschaffung entsprechender Kinderzimmermöbel als notwendig zu betrachten. Die Anschaffung eines neuen (gebrauchten) Fahrzeuges ist angesichts der berufsbedingten Fahrwege (einfache Anfahrt zum Arbeitsplatz 15 km) als erforderlich anzusehen, insbesondere da hierdurch der Austausch eines Fahrzeuges mit dem Baujahr 2003 erfolgte und kein Luxusfahrzeug erworben wurde.
Die nunmehr vorgelegten Abrechnungen für den Monat Dezember 2017 für beide Ehepartner belegen, dass sie weiterhin an derselben Arbeitsstelle eingesetzt sind wie bisher und dabei dasselbe Einkommen beziehen.
Es ergibt sich daher die vom Arbeitsgericht unter dem 04.01.2018 vorgenommene Berechnung, die im Übrigen den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten entspricht, nachdem der Kläger den Fortbestand des zugrunde gelegten Einkommens sowie die Notwendigkeit der aufgenommenen Kredite belegt hat. Selbst wenn dem Kläger das bezogene Kindergeld für zwei Kinder in Höhe von 384,00 € anstelle seiner Ehefrau zugrechnet würde, ergäbe sich ein Einkommen von 2.564,09 €, dem Belastungen von 2.569,75 € gegenüberstünden.
Die ursprünglich erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung war somit weiter zu gewähren.