28.06.2018 · IWW-Abrufnummer 202005
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 16.05.2018 – XII ZB 14/18
FamFG §§ 37 Abs. 2 , 316 , 321 Abs. 1 Satz 1 , 325 Abs. 1
In einem Unterbringungsverfahren ist das Sachverständigengutachten grundsätzlich mit seinem vollen Wortlaut an den Betroffenen pers önlich bekanntzugeben. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 325 Abs. 1 FamFG abgesehen werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - XII ZB 516/16 -FamRZ 2017, 911).
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Gründe
I.
1
Der Betroffene wendet sich gegen die Verlängerung seiner geschlossenen Unterbringung.
2
Er leidet an einer psychischen Störung in Form einer schizophrenen Psychose und einer Polytoxikomanie mit hoher Rückfallgefahr. Auf Antrag seines Betreuers hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 die Verlängerung der bereits seit November 2015 bestehenden Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 4. Oktober 2018 genehmigt.
3
Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen nach Anhörung des Betroffenen und der Sachverständigen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts verfahrensfehlerhaft ergangen sind.
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1. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass dem Betroffenen das eingeholte Sachverständigengutachten nicht persönlich bekanntgegeben wurde.
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a) Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in der Hauptsache setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut im Hinblick auf die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen ( § 316 FamFG ) grundsätzlich auch ihm persönlich zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 325 Abs. 1 FamFG abgesehen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. März 2017 - XII ZB 516/16 -FamRZ 2017, 911Rn. 5 mwN zur Unterbringung und vom 16. September 2015 - XII ZB 250/15 -FamRZ 2015, 2156Rn. 15 mwN zur Betreuung).
7
b) Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren nicht gerecht.
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Weder aus den Feststellungen des Landgerichts noch aus den Gerichtsakten lässt sich entnehmen, dass der Inhalt des Gutachtens dem Betroffenen in vollem Umfang bekannt gegeben worden ist. Ausweislich des Protokolls des Amtsgerichts über den am 5. Oktober 2017 durchgeführten Anhörungstermin wurde das Gutachten lediglich mit dem Betroffenen erörtert. Dies genügt den verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht, weil dem Betroffenen damit die Möglichkeit genommen wird, sich auf den Anhörungstermin ausreichend vorzubereiten und durch die Erhebung von Einwendungen und Vorhalte an die Sachverständige eine andere Einschätzung zu erreichen. Ebenso wenig enthält das Sachverständigengutachten einen Hinweis darauf, dass der Betroffene durch dessen Bekanntgabe Gesundheitsnachteile entsprechend § 325 Abs. 1 FamFG zu befürchten hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - XII ZB 516/16 FamRZ 2017, 911Rn. 6).
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Dieser Verfahrensmangel wurde im Beschwerdeverfahren nicht geheilt. Das Landgericht hat zwar den Betroffenen erneut angehört und im Rahmen des Anhörungstermins eine ergänzende mündliche Stellungnahme der Sachverständigen eingeholt. Es hat es jedoch versäumt, vor dem Anhörungstermin dem Betroffenen das Sachverständigengutachten in seinem vollen Wortlaut zu übersenden.
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2. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die fehlerhaften Verfahrenshandlungen nicht selbst nachholen und die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
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3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen ( § 74 Abs. 7 FamFG ).
Dose
Schilling
Günter
Botur
Krüger