05.07.2018 · IWW-Abrufnummer 202133
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 27.04.2018 – 7 UF 18/18
Haben die Eltern ihrem Kind eine angemessene Ausbildung finanziert, welche seinen Begabungen und Neigungen entspricht, und findet das Kind in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle, sind die Eltern auch bei guter wirtschaftlicher Lage grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu gewähren.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund vom 3. Januar 2018 abgeändert und der Antrag des antragstellenden Landes zurückgewiesen.
Das antragstellende Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert für die Beschwerdeinstanz wird auf 6.380,00 € festgesetzt.
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Gründe:
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I.
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Die Antragsgegner sind die Eltern der am ##.##.1991 geborenen X. Sie werden vom antragstellenden Land auf Zahlung rückständigen Ausbildungsunterhalts für den Zeitraum von Oktober 2015 bis September 2016 in Anspruch genommen.
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Die Tochter der Antragsgegner besuchte ab dem Schuljahr 2001/2002 das L Gymnasium in E. Während ihrer schulischen Ausbildung bewarb sie sich an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Y. Nach bestandener Aufnahmeprüfung an dieser Hochschule wechselte sie im Sommer 2006 zum M Gymnasium in Y, wo sie 10. Schulklasse weiter besuchte. Zeitgleich absolvierte sie nachmittags eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes. Im Sommer 2007 erwarb sie die mittlere Reife und schloss die Vorbereitungszeit ab. An einem erneuten Auswahlverfahren an der Hochschule nahm sie sodann mit Erfolg teil und begann dort im August 2007 mit dem Studiengang Tanz an der Akademie des Tanzes. Das Studium schloss sie am 04.07.2011 mit dem Diplom für Tanz ab. Das Abschlusszeugnis weist für den praktischen Teil folgende Noten aus:
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Improvisation/Choreografie: gut (2,0)
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Modern Dance: befriedigend (3,0)
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Spanischer Tanz: gut (1,7)
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Pas de deux: ausreichend (4,0)
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Variationen: ausreichend (4,0)
10
Klassisches Ballett: ausreichend (4,0)
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Sodann kehrte sie zunächst in den elterlichen Haushalt in E zurück und bewarb sich für die Dauer von etwa einem Jahr erfolglos um eine Anstellung als Tänzerin, und zwar auf alle Ausschreibungen europaweit, die ihrem Abschluss entsprachen. In der Zeit war sie arbeitssuchend gemeldet.
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Ab dem Schuljahr 2012/2013 nahm sie die Schulausbildung wieder auf. Sie besuchte das K-Kolleg im E, wo sie im Dezember 2014 die allgemeine Hochschulreife erwarb (Abschlussnote 1,0). Zum Wintersemester 2015/2016 begann sie ein Studium der Fachrichtung Psychologie an der Universität in B.
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Die Tochter der Antragsgegner erhielt für die Zeit ab Oktober 2015 Leistungen nach dem BAföG. Die Förderungshöchstdauer beträgt sechs Semester und wird regulär mit Ablauf des Sommersemesters 2018 enden. Das antragstellende Land nimmt die Antragsgegner nunmehr auf Zahlung von Unterhalt aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von Oktober 2015 bis einschließlich September 2016 in Anspruch. Es fordert vom Antragsgegner zu 1. 3.988,16 EUR und von der Antragsgegnerin zu 2. Insoweit 2.391,84 EUR, jeweils nebst Zinsen. Dabei stehen die Leistungsfähigkeit der Antragsgegner sowie ihre jeweiligen Haftungsanteile außer Streit.
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Das antragstellende Land hat die Auffassung vertreten, dass die Antragsgegner in dem in Rede stehenden Zeitraum ihrer Tochter zum Unterhalt nach den §§ 1601 ff., 1610 Abs. 2 BGB verpflichtet seien. Denn es liege ein Ausnahmetatbestand vor, nach dem die Antragsgegner eine weitere Ausbildung – Hochschulstudium – finanzieren müssten. Die Ausbildung zur Bühnentänzerin habe nicht den Neigungen und Fähigkeiten der Tochter entsprochen. Das ergebe sich einerseits aus dem Ergebnis der Abschlussprüfung. Die erreichten Prüfungsnoten – von sechs praktischen Prüfungen drei mit der Note „ausreichend“ (4,0) – seien im unteren Bereich gelegen. Nach der Studien- und Prüfungsordnung der Hochschule sei die Prüfung mit mindestens 4,0 Punkten bestanden. Die Tochter habe das Bestehen daher nur knapp erreicht. Zum anderen ergebe sich die fehlende Eignung zur Bühnentänzerin aus den erfolglos gebliebenen Bemühungen der Tochter um eine Anstellung. Bei insgesamt 30 Bewerbungen während eines Jahres sei sie lediglich zu zwei Vortänzen persönlich eingeladen worden. Die Tochter habe keine Möglichkeit gehabt, mit dem Beruf ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Schließlich lasse sich dem Abschlusszeugnis der allgemeinen Hochschulreife mit der Note 1,0 entnehmen, dass die Fähigkeiten der Tochter eher im intellektuell-schulischen und nicht im praktisch-tänzerischen Bereich liegen. Diese Umstände habe die Tochter nicht selbst erkennen können. Bei Aufnahme der Tanzausbildung sei sie erst 15 Jahre alt gewesen sei. Ihr habe altersbedingt die erforderliche Weitsicht gefehlt. Von den Antragsgegnern sei indes sowohl der Abbruch der allgemeinen Schulausbildung als auch die Aufnahme der Tanzausbildung unterstützt worden.
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Die Antragsgegner haben die Ansicht vertreten, dass ein Ausnahmetatbestand, nach dem sie zur Finanzierung des Hochschulstudiums nach erfolgreicher Ausbildung zur Bühnentänzerin verpflichtet sind, nicht gegeben sei. Es fehle an einem inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Tanzausbildung und dem Psychologiestudium. Vom Abbruch der allgemeinen Schulausbildung und der Aufnahme der Ausbildung zur Bühnentänzerin sei seitens der Antragsgegner abgeraten worden. Eine eindeutige Absprache habe es insoweit nicht gegeben. Die Tochter habe die Tanzausbildung unter Berücksichtigung der erzielten praktischen Prüfungsnoten mit Erfolg abgeschlossen. Die Ausbildung zur Bühnentänzerin habe den Neigungen und Fähigkeiten der Tochter daher durchaus entsprochen. Sie sei auch dazu in der Lage gewesen, eine entsprechende Anstellung zu finden. Die Bewerbungen seien nicht etwa sämtlich von vorneherein ohne Erfolgsaussicht gewesen. Vielmehr habe es an der erforderlichen Eigeninitiative der Tochter gefehlt. Bei ausreichenden Bemühungen habe sie eine Anstellung finden und im erlernten Beruf ihren Lebensunterhalt sicherstellen können.
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Das Familiengericht hat die Antragsgegner mit dem am 03.01.2018 verkündeten Beschluss antragsgemäß zur Unterhaltszahlung verpflichtet.
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Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, dass die Antragsgegner ihrer Tochter Unterhalt für die Finanzierung des Studiums aus § 1610 Abs. 2 BGB schuldeten. Denn es habe sich eindrücklich gezeigt, dass die Tanzausbildung nicht dazu geeignet gewesen sei, der Tochter eine tragfähige Erwerbsgrundlage zu verschaffen. Sie habe offenbar aufgrund ihrer Neigung, Begabung oder ihres Leistungswillens das hohe Anforderungsniveau einer Berufs-Bühnentänzerin nicht erfüllen können. Das zeigten zum einen die Prüfungsleistungen, zum anderen aber auch die durchgehend erfolglos gebliebenen Bewerbungen. Die Antragsgegner seien deshalb ausnahmsweise verpflichtet, der Tochter eine weitere Ausbildung zu finanzieren. Der ihr zustehende Unterhaltsanspruch sei gemäß § 37 Abs. 1 BAföG auf das antragstellende Land übergegangen.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegner, mit der sie abändernd die Zurückweisung des Unterhaltsantrags begehren.
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Zur Begründung ihres Rechtsmittels führen die Antragsgegner aus, dass die Tanzausbildung nach dem erreichten Notendurchschnitt den Neigungen und Fähigkeiten der Tochter entsprochen habe. Sie habe in dem Beruf als Bühnentänzerin nicht allein aufgrund der erreichten Prüfungsnoten schlechtere Bewerbungsaussichten gehabt. Insoweit habe eine Fehleinschätzung der eigentlichen Begabung der Tochter nicht vorgelegen. Die Finanzierung einer weiteren Ausbildung, zudem ohne sachlichen Zusammenhang mit der Erstausbildung, sei daher nicht geschuldet.
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Das antragstellende Land verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er hält daran fest, dass die Ausbildung zur Bühnentänzerin angesichts der im unteren Bereich liegenden Prüfungsnoten, der erfolglosen Bewerbungsbemühungen und der deutlich besseren schulischen Leistungen von vorneherein den Neigungen und Fähigkeiten der Tochter nicht entsprochen habe.
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II.
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Die zulässige Beschwerde der Antragsgegner ist begründet. Sie führt abändernd zur Zurückweisung des Unterhaltsantrags des antragstellenden Landes.
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Ein Anspruch auf Zahlung rückständigen Unterhalts aus übergegangenem Recht nach den §§ 1601 ff., 1610 Abs. 2 BGB, 37 Abs. 1 BAföG besteht nicht. Denn die Antragsgegner sind ihrer Tochter in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht zum Ausbildungsunterhalt verpflichtet.
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1. Gemäß § 37 Abs. 1 S. 1 BAföG geht der Unterhaltsanspruch des Auszubildenden gegen seine Eltern bis zur Höhe der geleisteten Ausbildungsförderung auf das Land über, soweit auf den Bedarf das Einkommen der Eltern anzurechnen ist.
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Der Tochter der Antragsgegner ist auf ihren Antrag vom 18.10.2015 mit Bescheiden vom 26.02.2016 und vom 30.05.2016 Ausbildungsförderung als Vorausleistung nach § 36 BAföG bewilligt worden. Im Bewilligungszeitraum von Oktober 2015 bis einschließlich September 2016 hat die Tochter folgende Leistungen erhalten:
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Oktober 2015 bis Mai 2016 mtl. 468,00 € für acht Monate: 3.744,00 €
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Juni 2016 bis September 2016 mtl. 659,00 € für vier Monate: 2.636,00 €
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6.380,00 €
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Die aufgewendete Ausbildungsförderung ist vom monatlichen Unterhaltsbedarf eines Studenten bei auswärtiger Unterbringung gedeckt. Die Leistungsfähigkeit der Antragsgegner steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
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2. Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird nach dieser Vorschrift eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.
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Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen hiervon sind nur unter besonderen Umständen gegeben, etwa wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann. Ferner kommt eine fortdauernde Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war, oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde. In anderen Fällen als denen einer gestuften Ausbildung müssen die Eltern ihrem Kind ausnahmsweise auch eine zweite Ausbildung finanzieren, wenn sie das Kind in einen unbefriedigenden, seinen Begabungen nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben. Dem gleichgestellt sind die Fälle, in denen dem Kind eine angemessene Ausbildung verweigert worden ist und es sich aus diesem Grund zunächst für einen Beruf entschieden hat, der seiner Begabung und seinen Neigungen nicht entspricht. Nichts anderes gilt, wenn die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruht (vgl. dazu etwa: BGH FamRZ 2017, 799 Rn. 12 ff.; FamRZ 2017, 1132 Rn. 1 ff.).
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a. Die Tochter der Antragsgegner hat den Studiengang Tanz an der Akademie des Tanzes am ##.##.2011 mit dem Diplom bestanden. Sie hat damit eine staatlich anerkannte Berufsausbildung zur Bühnentänzerin erworben.
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Das Studium der Psychologie im Anschluss an den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife stellt keine die Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegner begründende Weiterbildung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung dar. Insoweit fehlt es an dem erforderlichen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang beider Ausbildungsgänge. Der Besuch der allgemeinbildenden Schule mit anschließendem Studium war bei Aufnahme der Ausbildung zur Bühnentänzerin auch nicht von vorneherein angestrebt.
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b. Es lässt sich nicht erkennen, dass diese Ausbildung den Neigungen und Fähigkeiten und der Begabung der Tochter nicht entsprach/entspricht. Die Tochter hatte schon seit ihrem fünften Lebensjahr das Hobby Ballett. Im Grundschulalter hatte sie Ballettunterricht. Die Aufnahmeprüfung an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Y hat sie bestanden und eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes absolviert. Im Anschluss daran hat sie an einem erneuten Auswahlverfahren an der Hochschule mit Erfolg teilgenommen und wurde zum Studiengang Tanz zugelassen. Eine Fehleinschätzung der Neigungen und Fähigkeiten der Tochter, bezogen auf den Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns, ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben.
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c. Den erreichten Prüfungsnoten – von sechs praktischen Prüfungen drei mit der Note „ausreichend“ (4,0) – lässt sich nicht entnehmen, dass es etwa an einer hinreichenden Begabung im praktisch-tänzerischen Bereich fehlt. Die Tochter hat im praktischen Teil der Diplomprüfung für Tanz einen befriedigenden Notendurchschnitt erzielt. Nach der Prüfungsordnung der Hochschule ist die Prüfung mit den erreichten Einzelnoten bestanden. Allein der Umstand, dass die Tochter nachfolgend die allgemeine Hochschulreife mit der sehr guten Abschlussnote von 1,0 bestanden hat, rechtfertigt nicht die Annahme, dass ihre Fähigkeiten eher im intellektuell-schulischen Bereich und nicht im praktisch-tänzerischen Bereich liegen.
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d. Auch die erfolglos gebliebenen Bewerbungen um eine Anstellung als Bühnentänzerin lassen einen derartigen Schluss nicht zu. Nach dem Vorbringen der Tochter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – VG Gelsenkirchen, 15 K 4629/12 – hat sich die Arbeitsmarktsituation im Bereich Bühnentanz im Zeitraum vom Beginn des Vorstudiums bis zum Abschluss des Studiums im Jahr 2011 erheblich verschlechtert. Auf die ausgeschriebenen Stellen, denen das Anforderungsprofil mit dem Abschluss an der Akademie des Tanzes entsprach, meldeten sich bis zu 3.000 Bewerber pro Stelle. Nach ihrem Vorbringen musste die Tochter erkennen, dass sich die Berufschancen derart verschlechtert hatten, dass Bewerbungen in diesem Beruf aussichtslos waren. Von den Studierenden mit dem Abschluss im Jahr 2011 hat niemand eine Stelle innerhalb Europas erlangen können. Auf den Schriftsatz der Tochter der Antragsgegner vom 24.01.2013 – Bl. 21 ff. der beigezogenen Akten des Verwaltungsgerichts – wird insoweit Bezug genommen. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung ist nicht davon auszugehen, dass allein aufgrund der erreichten Noten des praktischen Teils der Diplomprüfung keine realistischen Bewerbungschancen bestanden haben.
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e. Das Risiko der Nichtbeschäftigung des Kindes nach Abschluss der geschuldeten Ausbildung, welches sich im vorliegenden Fall letztlich verwirklicht hat, haben die unterhaltsverpflichteten Eltern grundsätzlich nicht zu tragen. Ungünstige Anstellungsaussichten stehen der Wahl einer bestimmten Ausbildung nicht ohne weiteres entgegen. Verwirklicht sich eine solche Prognose im späteren Berufsleben, fällt den Eltern das allgemeine Arbeitsplatzrisiko nicht zur Last. Vielmehr muss ein Volljähriger, der nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitslos ist, primär selbst für seinen Unterhalt sorgen und jede Arbeitsstelle annehmen, auch außerhalb des erlernten Berufs. Das gilt auch dann, wenn im erlernten Beruf tatsächlich keine Verdienstmöglichkeiten mehr bestehen (vgl. OLG Nürnberg MDR 2001, 277 Rn. 1; OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 851 Rn. 11; Hammermann in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1610 Rn. 62; Klinkhammer in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 2 Rn. 57, 75; Palandt/Brudermüller, BGB, 77. Aufl. 2018, § 1610 Rn. 27).
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Ein Ausnahmetatbestand, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, ist vorliegend nicht gegeben. Der Tochter der Antragsgegner ist eine Ausübung des erlernten Berufs nicht aus gesundheitlichen oder sonstigen unvorhersehbaren Gründen unmöglich geworden. Die Antragsgegner haben ihre Tochter nicht in die Ausbildung zur Bühnentänzerin gedrängt. Die Wahl der Ausbildung entsprach dem nachdrücklichen Willen der Tochter und stimmte mit ihren bis dahin erkennbaren persönlichen Neigungen und Interessen überein.
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3. Im Rahmen der gebotenen Billigkeitsabwägung hat der Senat nicht verkannt, dass die Tochter noch sehr jung war, als sie sich für die Ausbildung zur Bühnentänzerin entschieden hat. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Ausbildung eine einjährige Vorbereitungszeit voranging, die eine Überprüfung der Ausbildungswahl ermöglichte. Die Tochter, die in dieser Zeit selbständig außerhalb des Haushalts der Eltern in Y lebte, konnte einen unmittelbaren Eindruck von der beabsichtigten Ausbildung gewinnen und ihre Entscheidung überdenken. Im Anschluss an die Vorbereitungszeit musste sie eine erneute Aufnahmeprüfung an der Hochschule bestehen.
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Auch hat der Senat in den Blick genommen, dass die Antragsgegner sich in wirtschaftlich guter Lage befinden. Sie können die Ausbildung ihrer Tochter ohne weiteres finanzieren. Dass ihre eigene Lebensplanung durch weiteren Ausbildungsunterhalt beeinträchtigt wird, ist nicht ersichtlich. Die Antragsgegner haben ihre Tochter aber bereits im Rahmen der Bewerbungsphase in angemessenem Umfang unterstützt. Die Tochter konnte im elterlichen Haushalt wohnen und das aufwändige Training betreiben und fortsetzen, um das für Bewerbungen notwendige hohe Trainingsniveau aufrecht zu erhalten. Dass die Antragsgegner nach Ablauf eines Jahres von ihrer Tochter einen „Plan B“ für ihre berufliche Zukunft sehen wollten, ist unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar. Denn nach eigenem Bekunden der Tochter hatte sich gezeigt, dass sich die Berufschancen derart verschlechtert hatten, dass Bewerbungen in dem erlernten Beruf aussichtslos waren. Auf dieser Grundlage war von den Antragsgegnern ein weiteres Zuwarten verbunden mit weiteren Unterhaltszahlungen, nicht zu verlangen. Denn ein der Tochter nach Beendigung ihrer Ausbildung noch zuzubilligender Ausbildungsunterhalt für die Dauer der Bemühungen um eine Anstellung war jedenfalls nach einer einjährigen Bewerbungsphase erschöpft. Von unterhaltsverpflichteten Eltern ist nicht für eine unbegrenzte Zeit die Suche ihres Kindes nach einer Anstellung finanziell zu unterstützen. Vielmehr muss das Kind bei weiterer Erfolglosigkeit seiner Arbeitsplatzsuche unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit sich auch auf bildungsfremde oder unterqualifizierte Tätigkeiten verweisen lassen (vgl. MüKo/Born, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1610 Rn. 227 m.w.N.).
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 S. 1, S. 2 Nr. 1 FamFG, die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren auf § 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG.
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IV.
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Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die der Senat auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften und der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung getroffen hat. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.