12.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205347
Landgericht Magdeburg: Urteil vom 11.09.2018 – 11 O 217/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Magdeburg
Im Namen des Volkes!
Urteil
In dem Rechtsstreit
xxx
hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg durch den Richter Dr. Jocksch als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 14.08.2018
für R e c h t erkannt:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.922,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Kaskoversicherung wegen eines Fahrzeugdiebstahls in Anspruch.
Die Parteien sind durch eine Kaskoversicherung (Versicherungsnummer: ____________) verbunden. Gegenstand der Kaskoversicherung war ein BMW der 5er-Reihe, amtliches Kennzeichen: ______.
Im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 10.10.2017 heißt es u. a.:
„Die Tarifierung erfolgt unter Berücksichtigung folgender Merkmale:
[…]
- nächtlicher Einstellplatz: Garage […]“.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abschrift des Nachtrags zum Versicherungsschein vom 10.10.2017 (Bl. 8 d. A.) verwiesen.
Ferner wurden die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (im Folgenden „AKB 2014ˮ) in das Versicherungsverhältnis einbezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B5 (Bl. 77-88 d.A.) Bezug genommen.
Nutzer des versicherten Fahrzeugs war der Ehemann der Klägerin, der Zeuge Frank Z.
Am Abend des 14.09.2017 stellte der Zeuge Frank Z das Fahrzeug gegen 21.30 Uhr unmittelbar vor der Garage ab. Am nächsten Morgen musste er gegen 07.00 Uhr feststellen, dass das Fahrzeug verschwunden war.
Der Widerbeschaffungswert des Fahrzeuges lag bei 19.805,00 €.
Die Beklagte hat den Schaden gegenüber der Klägerin reguliert. Allerdings brachte sie 40 % Eigenverschulden in Ansatz, weil der Zeuge Frank Z das Fahrzeug nach ihrer Ansicht nicht ordnungsgemäß gegen unbefugte Benutzung gesichert habe. Insbesondere habe er das Fahrzeug nicht wie im Versicherungsvertrag vorausgesetzt, in die Garage gebracht, sondern lediglich vor der Garage abgestellt.
Die Klägerin ist der Meinung, dass die Beklagte nicht zur Kürzung der auszuzahlenden Versicherungssumme berechtigt sei. Sie verlangt die Auszahlung des einbehaltenen Eigenverschuldensanteils und beantragt:
1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.922,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über Basiszinssatz seit dem 10.11.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Das Fahrzeug sei finanziert und sicherungsübereignet gewesen.
Darüber hinaus sei die Beklagte zur vorgenommenen Kürzung berechtigt gewesen, da sich der Zeuge Frank Z grob fahrlässig i. S. v. §§ 23, 26 VVG verhalten habe. Indem er das Fahrzeug über Nacht außerhalb der Garage abgestellt habe, habe er die Gefahr eines Diebstahls signifikant erhöht.
Die Kürzung mit einer Quote von 40 % liege dabei noch unterhalb der mittleren anzusetzenden Quote bei Fällen grober Fahrlässigkeit von 50 %.
Hinzu käme, dass die Klägerin bei der Schadensanzeige offensichtlich falsche Angaben getätigt habe. Bei der Anzeige des Schadensfalls habe die Klägerin seinerzeit angegeben, dass der Kilometerstand des Fahrzeugs 130.000 km betragen habe. Tatsächlich habe eine Auswertung der Fahrzeugschlüssel ergeben, dass der Kilometer am 14.09.2017 gegen 21.10 Uhr 140.937 km betragen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Mit Anwaltsschreiben vom 07.12.2017 hatte die Klägerin der Beklagten angetragen, ihre Ansprüche gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Mit Schreiben vom 05.01.2018 hatte die Beklagte daraufhin eine vollständige Regulierung des Schadensfalles nochmals verweigert. Die daraufhin beim Landgericht Magdeburg eingereichte Klageschrift vom 08.12.2018 wurde der Beklagten am 17.03.2018 zugestellt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Frank Z. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 14.08.2018 (Bl. 105-107 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 1.980,50 € aus der Kaskoversicherung (Versicherungsnummer: ____________) i. V. m. Ziffer A.2.2.2 der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2014) i. V. m. § 1 S. 1 VVG verlangen.
1.
Die Klägerin ist zur Durchsetzung der Forderung aktivlegitimiert. Als Versicherungsnehmerin ist sie dazu befugt, Ansprüche aus der Kaskoversicherung geltend zu machen.
Da sich der Versicherungsschutz gem. Ziffer A.1.2 AKB 2014 sowohl auf den Fahrzeughalter als auch auf den Fahrzeugeigentümer erstreckt, ist es unerheblich, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom Ehemann der Klägerin genutzt und finanziert wurde.
2.
Der Ehemann der Klägerin hat durch den Fahrzeugdiebstahl einen Schaden in Höhe des einbehaltenen Eigenverschuldensanteils von 7.922,00 € erlitten.
Zwar war das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Schadensfalles finanziert und an die BMW Financial Services sicherungsübereignet. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung war die Finanzierung jedoch beendet. Das geht aus dem Schreiben der BMW Financial Services vom 10.08.2018 (Bl. 103 d. A.) hervor und wurde im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 14.08.2018 unstreitig gestellt.
Der Zeuge Frank Z – der im Rahmen der Finanzierung der Darlehensnehmer war – führte bei seiner Vernehmung glaubhaft aus, dass er nach dem Diebstahl insgesamt 11.000,00 € an die BMW Financial Services habe zahlen müssen. Dieser Betrag setzte sich zum einen aus der von der Beklagten nicht regulierten Forderung in Höhe von 7.922,00 € und zum anderen aus einem Betrag in Höhe von 4.000,00 € zusammen, der aus der Diskrepanz zwischen Laufleistung und Wiederbeschaffungswert resultierte.
3.
Die Beklagte war jedoch dazu berechtigt, die Leistung aus der Kaskoversicherung wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadensfalles gem. §§ 23 Abs. 1, 26 Abs. 1 VVG i. V. m. Ziffer A.2.20.2 AKB 2014 zu kürzen.
a)
Gem. §§ 23 Abs. 1, 26 Abs. 1 VVG ist der Versicherer bei einer grob fahrlässigen Gefahrerhöhung des Versicherungsnehmers dazu berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Dabei trägt die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit der Versicherungsnehmer.
Nach § 23 Abs. 1 VVG darf der Versicherungsnehmer nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten. Tritt der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung ein, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1 VVG vorsätzlich verletzt hat (§ 26 Abs. 1 S. 1 VVG). Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistungen einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer (§ 26 Abs. 1 S. 2 VVG). Der Versicherer ist jedoch zur Leistung verpflichtet, soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls oder dem Umfang der Leitungspflicht war (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG).
Auch gem. Ziffer A.2.20.2 AKB 2014 wurde vereinbart:
„Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens gem. § 81 VVG verzichten wir darauf, unsere Leistungen einem der Schwere Ihres Verhaltens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Das gilt nicht bei grob fahrlässiger Ermöglichung des Diebstahls des Fahrzeuges […].“
Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten zu berücksichtigen Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Zu diesem besonders schweren Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt muss der Vorwurf eines subjektiven nicht entschuldbaren Verhaltens hinzukommen, das erheblich über das gewöhnliche Maß hinausgeht (BGHZ 10, 16; NJW-RR 2014, 90).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Versicherungsvertrag hatte ausdrücklich vorgesehen, dass als nächtlicher Einstellplatz die Garage genutzt wird. Auf dieser Grundlage hatte die Beklagte die Höhe der Versicherungsprämie kalkuliert.
Gegen diese Obliegenheit hatte der Zeuge Frank Z verstoßen, indem er am Abend des 14.09.2017 das Fahrzeug vor der Garage stehen ließ. Im Rahmen seiner Vernehmung sagte der Zeuge Frank Z aus, dass er es schlicht vergessen hatte, das Fahrzeug noch in die Garage zu fahren. Es kam sicherlich so ca. einmal pro Woche vor, dass er das Fahrzeug hat vor der Garage stehenlassen.
Durch dieses Verhalten hatte der Zeuge Frank Z die Gefahr eines Diebstahls deutlich erhöht, da die Täter nicht mehr in die Garage eindringen mussten, um das Fahrzeug zu entwenden. Dies war dem Zeugen bewusst, zumal sich die Klägerseite in dem Versicherungsvertrag ausdrücklich dazu verpflichtet hatte, das Auto nachts in die Garage zu bringen. Insbesondere der von der Klägerseite gemutmaßte Tatverlauf, wonach die Täter im Wege des „Homejacking“ die Daten des Fahrzeugschlüssels ausgespäht haben könnten, wäre wesentlich erschwert worden, wenn die Täter noch in die Garage hätten eindringen müssen.
Nicht erwiesen hatte sich indes der Vorwurf der Beklagten, dass der Zeuge Frank Z das Fahrzeug am Abend des 14.09.2017 nicht gem. § 14 Abs. 2 S. 2 StVO und § 38 a StVZO ordnungsgemäß gesichert habe. Nach diesen Vorschriften sind Personenkraftwagen gegen unbefugte Benutzung zu sichern und zusätzlich mit einer Wegfahrsperre auszurüsten.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge Frank Z diese Sicherheitsvorkehrungen ergriffen hatte. Er sagte im Rahmen seiner Vernehmung aus, dass er das Fahrzeug über den Sensor verschlossen hatte. Daraufhin seien sowohl das akustische Signal (das Klicken der Verriegelung) als auch das optische Signal (kurzes Aufblinken der Scheinwerfer) deutlich zu vernehmen gewesen.
An der Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussage bestanden keine Zweifel. Die Aussage des Zeugen Frank Z war lebensnah und in sich widerspruchsfrei.
b)
Die von der Beklagten mit 40 % bemessene Anspruchskürzung war indes übersetzt. Nach Auffassung des Gerichts ist angesichts der hier vorliegenden Obliegenheitsverletzung lediglich eine Anspruchskürzung in Höhe von 30 % gerechtfertigt.
Dabei orientiert sich die Kammer an Entscheidungen anderer Gerichte. So hat beispielsweise das LG Traunstein (Urteil vom 12.05.2011 – 1 O 3826/10, zitiert nach juris) eine Leistungskürzung um 50 % für gerechtfertigt erachtet, wenn ein Versicherungsnehmer den Diebstahl eines hochwertigen Kraftfahrzeugs grob fahrlässig dadurch herbeiführt, dass er das Fahrzeug auf einem unbewachten Parkplatz in S abstellt, den Fahrzeugschein und den Zweitschlüssel im Handschuhfach zurücklässt und weitere Wertgegenstände sichtbar im Fahrzeuginnen belässt.
Im Vergleich dazu bleibt die hier streitgegenständliche Obliegenheitsverletzung des Zeugen Frank Z erheblich zurück.
4.
Die ungenauen Angaben der Klägerin in der Schadensmeldung zur Laufleistung des entwendeten Fahrzeuges waren weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten ursächlich. Im Zeitpunkt der Abrechnung des Schadensfalles am 10.11.2017 (Anlage K 5) lag der Beklagten das Gutachten des Sachverständigenbüros W GmbH & Co. KG vom 31.10.2017 bereits vor. Darin fand der ermittelte Kilometerstand in Höhe von 140.973 km offensichtlich bereits Berücksichtigung, da der ursprünglich veranschlagte Wiederbeschaffungswert in Höhe von 20.300,00 € (Anlage B 3) in der Schadensabrechnung vom 10.11.2017 nur noch mit 19.805,00 € veranschlagt wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte das Gutachten des Sachverständigenbüros W GmbH & Co. KG auf eigene Initiative und auf eigene Kosten eingeholt hatte.
Für eine arglistige Obliegenheitsverletzung der Klägerin i. S. v. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Zum einen war die Klägerin aufgrund des Diebstahlsereignisses nur noch in der Lage, den Kilometerstand zu schätzen. Das hatte sie bei der Schadensmeldung auch kenntlich gemacht, da der Kilometerstand mit einem „ca.“ versehen wurde. Im Übrigen beträgt die Abweichung zwischen dem angegebenen und dem tatsächlichen Kilometerstand lediglich 8,44 %.
5.
Der Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. § 286 Abs. 1 BGB. Dabei kann die Klägerin ihre außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem berechtigten Streitwert von bis zu 2.000,00 € ersetzt verlangen. Die Kosten setzen sich im Einzelnen folgendermaßen zusammen:
Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG: 1,3 195,00 €
Auslagen Nr. 7001 und 7002 VV RVG: 20,00 €
Mehrwertsteuer: 40,85 €
Summe: 255,85 €
Die Klägerin wurde unstreitig von ihrer Rechtsschutzversicherung dazu ermächtigt, die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 ZPO und §§ 709 S. 1 und S. 2, 708 Nr. 11 und 711 S. 1 und S. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhöhen als Nebenforderung den Streitwert nicht (§ 4 Abs. 1 ZPO).
Geschäfts-Nr.: 11 O 217/18 (042)
Verkündet am: 11.09.2018
Im Namen des Volkes!
Urteil
In dem Rechtsstreit
xxx
hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg durch den Richter Dr. Jocksch als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 14.08.2018
für R e c h t erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.980,50 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2018 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 255,85 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.03.2018 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.922,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Kaskoversicherung wegen eines Fahrzeugdiebstahls in Anspruch.
Die Parteien sind durch eine Kaskoversicherung (Versicherungsnummer: ____________) verbunden. Gegenstand der Kaskoversicherung war ein BMW der 5er-Reihe, amtliches Kennzeichen: ______.
Im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 10.10.2017 heißt es u. a.:
„Die Tarifierung erfolgt unter Berücksichtigung folgender Merkmale:
[…]
- nächtlicher Einstellplatz: Garage […]“.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abschrift des Nachtrags zum Versicherungsschein vom 10.10.2017 (Bl. 8 d. A.) verwiesen.
Ferner wurden die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (im Folgenden „AKB 2014ˮ) in das Versicherungsverhältnis einbezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B5 (Bl. 77-88 d.A.) Bezug genommen.
Nutzer des versicherten Fahrzeugs war der Ehemann der Klägerin, der Zeuge Frank Z.
Am Abend des 14.09.2017 stellte der Zeuge Frank Z das Fahrzeug gegen 21.30 Uhr unmittelbar vor der Garage ab. Am nächsten Morgen musste er gegen 07.00 Uhr feststellen, dass das Fahrzeug verschwunden war.
Der Widerbeschaffungswert des Fahrzeuges lag bei 19.805,00 €.
Die Beklagte hat den Schaden gegenüber der Klägerin reguliert. Allerdings brachte sie 40 % Eigenverschulden in Ansatz, weil der Zeuge Frank Z das Fahrzeug nach ihrer Ansicht nicht ordnungsgemäß gegen unbefugte Benutzung gesichert habe. Insbesondere habe er das Fahrzeug nicht wie im Versicherungsvertrag vorausgesetzt, in die Garage gebracht, sondern lediglich vor der Garage abgestellt.
Die Klägerin ist der Meinung, dass die Beklagte nicht zur Kürzung der auszuzahlenden Versicherungssumme berechtigt sei. Sie verlangt die Auszahlung des einbehaltenen Eigenverschuldensanteils und beantragt:
1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.922,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über Basiszinssatz seit dem 10.11.2017 zu zahlen.
2. Die wird verurteilt, an die Klägerin 729,23 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Das Fahrzeug sei finanziert und sicherungsübereignet gewesen.
Darüber hinaus sei die Beklagte zur vorgenommenen Kürzung berechtigt gewesen, da sich der Zeuge Frank Z grob fahrlässig i. S. v. §§ 23, 26 VVG verhalten habe. Indem er das Fahrzeug über Nacht außerhalb der Garage abgestellt habe, habe er die Gefahr eines Diebstahls signifikant erhöht.
Die Kürzung mit einer Quote von 40 % liege dabei noch unterhalb der mittleren anzusetzenden Quote bei Fällen grober Fahrlässigkeit von 50 %.
Hinzu käme, dass die Klägerin bei der Schadensanzeige offensichtlich falsche Angaben getätigt habe. Bei der Anzeige des Schadensfalls habe die Klägerin seinerzeit angegeben, dass der Kilometerstand des Fahrzeugs 130.000 km betragen habe. Tatsächlich habe eine Auswertung der Fahrzeugschlüssel ergeben, dass der Kilometer am 14.09.2017 gegen 21.10 Uhr 140.937 km betragen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Mit Anwaltsschreiben vom 07.12.2017 hatte die Klägerin der Beklagten angetragen, ihre Ansprüche gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Mit Schreiben vom 05.01.2018 hatte die Beklagte daraufhin eine vollständige Regulierung des Schadensfalles nochmals verweigert. Die daraufhin beim Landgericht Magdeburg eingereichte Klageschrift vom 08.12.2018 wurde der Beklagten am 17.03.2018 zugestellt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Frank Z. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 14.08.2018 (Bl. 105-107 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 1.980,50 € aus der Kaskoversicherung (Versicherungsnummer: ____________) i. V. m. Ziffer A.2.2.2 der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2014) i. V. m. § 1 S. 1 VVG verlangen.
1.
Die Klägerin ist zur Durchsetzung der Forderung aktivlegitimiert. Als Versicherungsnehmerin ist sie dazu befugt, Ansprüche aus der Kaskoversicherung geltend zu machen.
Da sich der Versicherungsschutz gem. Ziffer A.1.2 AKB 2014 sowohl auf den Fahrzeughalter als auch auf den Fahrzeugeigentümer erstreckt, ist es unerheblich, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom Ehemann der Klägerin genutzt und finanziert wurde.
2.
Der Ehemann der Klägerin hat durch den Fahrzeugdiebstahl einen Schaden in Höhe des einbehaltenen Eigenverschuldensanteils von 7.922,00 € erlitten.
Zwar war das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Schadensfalles finanziert und an die BMW Financial Services sicherungsübereignet. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung war die Finanzierung jedoch beendet. Das geht aus dem Schreiben der BMW Financial Services vom 10.08.2018 (Bl. 103 d. A.) hervor und wurde im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 14.08.2018 unstreitig gestellt.
Der Zeuge Frank Z – der im Rahmen der Finanzierung der Darlehensnehmer war – führte bei seiner Vernehmung glaubhaft aus, dass er nach dem Diebstahl insgesamt 11.000,00 € an die BMW Financial Services habe zahlen müssen. Dieser Betrag setzte sich zum einen aus der von der Beklagten nicht regulierten Forderung in Höhe von 7.922,00 € und zum anderen aus einem Betrag in Höhe von 4.000,00 € zusammen, der aus der Diskrepanz zwischen Laufleistung und Wiederbeschaffungswert resultierte.
3.
Die Beklagte war jedoch dazu berechtigt, die Leistung aus der Kaskoversicherung wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadensfalles gem. §§ 23 Abs. 1, 26 Abs. 1 VVG i. V. m. Ziffer A.2.20.2 AKB 2014 zu kürzen.
a)
Gem. §§ 23 Abs. 1, 26 Abs. 1 VVG ist der Versicherer bei einer grob fahrlässigen Gefahrerhöhung des Versicherungsnehmers dazu berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Dabei trägt die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit der Versicherungsnehmer.
Nach § 23 Abs. 1 VVG darf der Versicherungsnehmer nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten. Tritt der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung ein, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1 VVG vorsätzlich verletzt hat (§ 26 Abs. 1 S. 1 VVG). Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistungen einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer (§ 26 Abs. 1 S. 2 VVG). Der Versicherer ist jedoch zur Leistung verpflichtet, soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls oder dem Umfang der Leitungspflicht war (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG).
Auch gem. Ziffer A.2.20.2 AKB 2014 wurde vereinbart:
„Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens gem. § 81 VVG verzichten wir darauf, unsere Leistungen einem der Schwere Ihres Verhaltens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Das gilt nicht bei grob fahrlässiger Ermöglichung des Diebstahls des Fahrzeuges […].“
Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten zu berücksichtigen Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Zu diesem besonders schweren Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt muss der Vorwurf eines subjektiven nicht entschuldbaren Verhaltens hinzukommen, das erheblich über das gewöhnliche Maß hinausgeht (BGHZ 10, 16; NJW-RR 2014, 90).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Versicherungsvertrag hatte ausdrücklich vorgesehen, dass als nächtlicher Einstellplatz die Garage genutzt wird. Auf dieser Grundlage hatte die Beklagte die Höhe der Versicherungsprämie kalkuliert.
Gegen diese Obliegenheit hatte der Zeuge Frank Z verstoßen, indem er am Abend des 14.09.2017 das Fahrzeug vor der Garage stehen ließ. Im Rahmen seiner Vernehmung sagte der Zeuge Frank Z aus, dass er es schlicht vergessen hatte, das Fahrzeug noch in die Garage zu fahren. Es kam sicherlich so ca. einmal pro Woche vor, dass er das Fahrzeug hat vor der Garage stehenlassen.
Nicht erwiesen hatte sich indes der Vorwurf der Beklagten, dass der Zeuge Frank Z das Fahrzeug am Abend des 14.09.2017 nicht gem. § 14 Abs. 2 S. 2 StVO und § 38 a StVZO ordnungsgemäß gesichert habe. Nach diesen Vorschriften sind Personenkraftwagen gegen unbefugte Benutzung zu sichern und zusätzlich mit einer Wegfahrsperre auszurüsten.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge Frank Z diese Sicherheitsvorkehrungen ergriffen hatte. Er sagte im Rahmen seiner Vernehmung aus, dass er das Fahrzeug über den Sensor verschlossen hatte. Daraufhin seien sowohl das akustische Signal (das Klicken der Verriegelung) als auch das optische Signal (kurzes Aufblinken der Scheinwerfer) deutlich zu vernehmen gewesen.
An der Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussage bestanden keine Zweifel. Die Aussage des Zeugen Frank Z war lebensnah und in sich widerspruchsfrei.
b)
Die von der Beklagten mit 40 % bemessene Anspruchskürzung war indes übersetzt. Nach Auffassung des Gerichts ist angesichts der hier vorliegenden Obliegenheitsverletzung lediglich eine Anspruchskürzung in Höhe von 30 % gerechtfertigt.
Dabei orientiert sich die Kammer an Entscheidungen anderer Gerichte. So hat beispielsweise das LG Traunstein (Urteil vom 12.05.2011 – 1 O 3826/10, zitiert nach juris) eine Leistungskürzung um 50 % für gerechtfertigt erachtet, wenn ein Versicherungsnehmer den Diebstahl eines hochwertigen Kraftfahrzeugs grob fahrlässig dadurch herbeiführt, dass er das Fahrzeug auf einem unbewachten Parkplatz in S abstellt, den Fahrzeugschein und den Zweitschlüssel im Handschuhfach zurücklässt und weitere Wertgegenstände sichtbar im Fahrzeuginnen belässt.
Im Vergleich dazu bleibt die hier streitgegenständliche Obliegenheitsverletzung des Zeugen Frank Z erheblich zurück.
4.
Die ungenauen Angaben der Klägerin in der Schadensmeldung zur Laufleistung des entwendeten Fahrzeuges waren weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten ursächlich. Im Zeitpunkt der Abrechnung des Schadensfalles am 10.11.2017 (Anlage K 5) lag der Beklagten das Gutachten des Sachverständigenbüros W GmbH & Co. KG vom 31.10.2017 bereits vor. Darin fand der ermittelte Kilometerstand in Höhe von 140.973 km offensichtlich bereits Berücksichtigung, da der ursprünglich veranschlagte Wiederbeschaffungswert in Höhe von 20.300,00 € (Anlage B 3) in der Schadensabrechnung vom 10.11.2017 nur noch mit 19.805,00 € veranschlagt wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte das Gutachten des Sachverständigenbüros W GmbH & Co. KG auf eigene Initiative und auf eigene Kosten eingeholt hatte.
Für eine arglistige Obliegenheitsverletzung der Klägerin i. S. v. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Zum einen war die Klägerin aufgrund des Diebstahlsereignisses nur noch in der Lage, den Kilometerstand zu schätzen. Das hatte sie bei der Schadensmeldung auch kenntlich gemacht, da der Kilometerstand mit einem „ca.“ versehen wurde. Im Übrigen beträgt die Abweichung zwischen dem angegebenen und dem tatsächlichen Kilometerstand lediglich 8,44 %.
5.
Der Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. § 286 Abs. 1 BGB. Dabei kann die Klägerin ihre außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem berechtigten Streitwert von bis zu 2.000,00 € ersetzt verlangen. Die Kosten setzen sich im Einzelnen folgendermaßen zusammen:
Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG: 1,3 195,00 €
Auslagen Nr. 7001 und 7002 VV RVG: 20,00 €
Mehrwertsteuer: 40,85 €
Summe: 255,85 €
Die Klägerin wurde unstreitig von ihrer Rechtsschutzversicherung dazu ermächtigt, die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 ZPO und §§ 709 S. 1 und S. 2, 708 Nr. 11 und 711 S. 1 und S. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhöhen als Nebenforderung den Streitwert nicht (§ 4 Abs. 1 ZPO).