26.02.2021 · IWW-Abrufnummer 220809
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 27.11.2020 – L 9 KR 90/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
L 9 KR 90/18
S 56 KR 569/16 Sozialgericht Berlin
Beschluss
In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Prof. W S und M J,
Edamm , B
Az.:
gegen
Techniker Krankenkasse,
Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg
Az.:
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 9. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg am 27. November 2020 durch den Richter am Landessozialgericht xxx als Vorsitzenden, die Richterin am Landessozialgericht xxx und den Richter am Landessozialgericht xxx beschlossen:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Versorgung mit Hörgeräten der Marke Siemens Pure 7px über den Festbetrag hinaus.
Der im Jahre 1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist mittelgradig schwerhörig und verfügt über einen Grad der Behinderung von 60, u.a. wegen einer Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen beidseitig.
Ohne eine vertragsärztliche Verordnung von Hörgeräten wandte der Kläger sich an „Das Hörakustik Studio“ und erhielt dort am 20. Mai 2014 einen Kostenvoranschlag für die Versorgung mit Hörgeräten der Marke Siemens Pure micon 7mi zum Preis von insgesamt 5.523,80 Euro. Mit Schreiben vom 30. Juni 2014 beantragte er bei der Beklagten Kostenübernahme; er habe verschiedenste Hörhilfen getestet und sich für die bezeichneten Geräte entschieden, weil sie die besten seien.
Mit Bescheid vom 1. August 2014 bewilligte die Beklagte eine Zahlung in Höhe des Festbetrages von 1.594,00 Euro.
Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger an, er sei auf die ausgewählten Geräte angewiesen. Nur sie gewährleisteten eine ausreichende Versorgung. Er habe bei verschiedenen Akustikern etwa 15 Hörhilfen getestet.
Am 26. Mai 2015 erhielt der Kläger eine ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe aufgrund der Diagnose „Schallempfindungsschwerhörigkeit bds. mit Hochtonabfall bds.“ und legte diese der Beklagten vor.
Im Juni 2015 ließ der Kläger die Hörgeräte Siemens Pure 7bx von „Das Hörakustik Studio“ testen; der Test ergab ein Sprachverstehen im Freifeld von 80 Prozent und im Freifeld unter Störschall von 70 Prozent. Einen Kostenvoranschlag vom 4. Juni 2015 über die Versorgung mit diesen Geräten zum Preis von insgesamt 4.000,00 Euro reichte er bei der Beklagten ein. Auf Nachfrage der Beklagten teilte „Das Hörakustik Studio“ mit Schreiben vom 29. Juni 2015 mit, dass zum Festbetrag erhältliche Hörgeräte nicht getestet worden seien; insoweit kämen etwa die in audiologischer Hinsicht geeigneten Geräte Riva 2 P in Betracht.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2015 und 1. Oktober 2015 teilte die Beklagte dem Kläger hierauf mit, an ihrer Entscheidung festzuhalten, lediglich den Festbetrag zu bewilligen. Zu empfehlen sei eine erneute Testung unter Einbeziehung von Festbetragsgeräten.
In einer Stellungnahme für die Beklagte vom 12. Januar 2016 stellte der Hörakustiker C H unter Berücksichtigung der konkreten Hörbeeinträchtigung des Klägers die Festbetragsgeräte Riva 2 P und das vom Kläger gewählte Siemens Pure 7bx einander gegenüber. Aus dem Hörkurvenverlauf des Klägers ergäben sich keine Hinweise, die eine spezielle technische Hörgeräteanforderung begründeten. Die eigenanteilsfreien Geräte verfügten über die erforderlichen technischen Eigenschaften, um ein bestmögliches Sprachverstehen zu erzielen. Aufgrund verschiedener Faktoren wie etwa der besonders kleinen Bauweise sei es nachvollziehbar, dass das gewählte Siemens Pure 7bx subjektiv angenehmer erscheine; jedoch seien diese Faktoren dem Komfort zuzuschreiben und nicht für einen objektiven Ausgleich grundlegend erforderlich.
Auf dieser Grundlage wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 10. März 2016 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 31. März 2016 erhobene Klage. Er sei bislang unversorgt und auf die ausgewählten Geräte angewiesen, denn nur diese erzielten den gewünschten Erfolg. Das Gerät Riva 2 P habe er erfolglos getestet. Das Siemens-Gerät sei im Vergleich zu den Festbetragsgeräten eine andere Welt. Er habe damit sogar die Vögel wieder zwitschern gehört.
Im Laufe des Klageverfahrens hat der Kläger sich auf Anraten des Sozialgerichts einer erneuten Testung verschiedener Hörgeräte unterzogen. Aus einem Anpass- und Abschlussbericht der Amplifon Deutschland GmbH vom 30. August 2017 und einem Befundbericht dieses Akustikstudios vom 16. November 2017 ergibt sich insoweit, dass Geräte der Marke Siemens Pure 7px (aufzahlungspflichtig) und Vea 280 sowie Intuis 2 P (beide aufzahlungsfrei) getestet worden seien. Für alle drei Geräte sei ein Sprachverstehen im Freifeld von 90 Prozent und im Freifeld unter Störschall von 50 Prozent gemessen worden. Messunterschiede hätten sich nicht ergeben. Der Kläger habe sich für das Gerät von Siemens entschieden. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 75f. sowie Bl. 84f.der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 1. März 2018 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder könne auch mit einem eigenanteilsfreien Hörgerät gewährleistet werden. Die eigenanteilsfreien Geräte hätten dasselbe Messergebnis ergeben wie die zuzahlungspflichtigen Geräte. Zwar sei Hören von subjektiven Fak-toren geprägt und es sei kaum möglich, allein durch technische Messungen die bestmögliche Hörangleichung zu ermitteln. Gleichwohl sei die Kammer nicht überzeugt, dass nur mit dem ausgewählten zuzahlungspflichtigen Gerät eine bestmögliche Angleichung des Hörvermögens erzielt werden könne. Es sprächen nämlich gewichtige Anhaltspunkte für eine Vorabfestlegung des Klägers auf Geräte der Marke Siemens Pure. Erst nach Aufforderung des Gerichts seien überhaupt Messungen mit zuzahlungsfreien Geräten erfolgt. Das gewählte Gerät sei ein besonders hochwertiges mit 20-kanaliger Signalverarbeitung und anderen Eigenschaften, etwa Steuerungsmöglichkeit durch eine Smartphone-App. Es gebe gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bestrebt gewesen sei, eine luxuriöse Versorgung zu erhalten. Die Kammer müsse daher annehmen, dass auch eine Versorgung zum Festpreis bestmöglichen Behinderungsausgleich ermögliche.
Dagegen hat der Kläger am 23. März 2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen an: Die Messergebnisse vom 30. August 2017 seien nur eingeschränkt verwertbar, denn es komme auf das subjektive Hörempfinden an. Der entscheidende Vorteil des ausgewählten Geräts liege in der 20-kanaligen Signalverarbeitung mit Einstellungsmöglichkeiten. Das sei gutachterlich feststellbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn beidseitig mit dem Hörgerät Siemens Pure 7px ohne Beschränkung auf den Festbetrag zu versorgen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten vorher angehört worden sind.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Sachprüfung Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Sozialgericht hat sein Urteil, mit dem es die Klage abgewiesen hat, sorgfältig und überzeugend begründet.
Zu ergänzen bleibt:
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung u.a. mit Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die „Erforderlichkeit im Einzelfall“ grundsätzlich nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüberhinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. März 2011, B 3 KR 9/10 R, juris). Dass der Kläger zum Ausgleich seiner Schwerhörigkeit einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln in Gestalt der Hörgerätesysteme hat, wird auch von der Beklagten im Grundsatz nicht in Frage gestellt.
Relevant ist hier allein der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs. 1 Satz 1, 3. Variante SGB V. Zur Frage der Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zum Behinderungsausgleich wird vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung, der der Senat sich anschließt, stets unterschieden zwischen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel unmittelbar zum Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird (vgl. nur BSG, Urteil vom 18. Mai 2011, B 3 KR 10/10 R ‒ Sportrollstuhl). Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist. Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog. mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Fall hat die gesetzliche Krankenversicherung nur für den Basisausgleich einzustehen; es geht nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben zu führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der gesetzlichen Krankenversicherung daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2015, B 3 KR 13/13 R; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2018, L 11 KR 1153/18; jeweils juris).
Zwar hat das Bundessozialgericht zuletzt, beginnend mit der Entscheidung vom 15. März 2018, die Relevanz der Unterscheidung zunächst relativiert, aber seither nicht explizit aufgegeben. In der Entscheidung führt es aus: „An dieser Stelle bedarf es im Übrigen keiner weiteren Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich (…). Denn auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich steht nicht die Krankheitsbehandlung i.S. von § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V im Vordergrund“ (B 3 KR 18/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 33 ff.). In späteren Entscheidungen hat das Bundessozialgericht dann eine Abkehr dergestalt vorgenommen, dass es anstelle der obigen Unterscheidung zur Abgrenzung der Leistungszuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vom Aufgabenbereich anderer Rehabilitationsträger und der Eigenverantwortung Versicherter auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile im Hinblick auf das zu befriedigende allgemeine Grundbedürfnis abgestellt hat. Im Ergebnis komme es auf den Umfang der mit dem Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an, ohne dass hierfür maßgeblich die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich heranzuziehen sei (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Mai 2020, B 3 KR 7/19 R , zitiert nach juris, dort Rdnr. 27 [behindertengerechtes Dreirad]). Es besteht insoweit Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung (Bundessozialgericht, a.a.O.). Übertragen auf den Ausgleich einer Hörbehinderung folgt hieraus, dass das Hören zu dem (allgemeinen) Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört. Zu diesem Freiraum gehört u.a. die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw. eines Schulwissens (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 15/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17 [GPS-Uhr]). Für das Hören muss die Versorgung demnach gewährleisten, dass mit ihr die Funktionsbehinderung in typischen Alltagssituationen der Kommunikation mit anderen Menschen möglichst weitgehend ausgeglichen wird. Dazu gehört, dass der aktuelle Stand des medizinischen und technischen Fortschritts berücksichtigt wird. Versicherte müssen an diesem teilhaben. Es muss aber ‒ gerade bei unterschiedlich aufwändigen, gleichermaßen zur Verfügung stehenden Versorgungsalternativen ‒ für eine höherwertige Versorgung ein relevanter Gebrauchsvorteil für das allgemeine Grundbedürfnis nachgewiesen sein. Gebrauchsvorteile, die sich als bloßer Komfort erweisen, begründen (weiter) keinen Versorgungsanspruch.
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger auch zur Überzeugung des Senats keinen Anspruch auf das ausgewählte Hörgerätesystem Siemens Pure 7px. Es geht ‒ nach überkommenen Maßstab ‒ um ein Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich i.S. von § 33 Abs. 1 Satz 1, 3. Variante SGB V, denn das Gerät soll dem Ausgleich seines Hörverlustes bzw. der teilweisen Wiederherstellung des körpereigenen Hörvermögens und nicht nur dem Ausgleich mittelbarer Folgen des Funktionsverlusts dienen. Nach neueren Grundsätzen besteht hingegen kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 15/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19).
Das vom Kläger gewählte aufzahlungspflichtige Hörgerätesystem ist zum einen nicht „erforderlich“, um die Behinderung auszugleichen, zum anderen steht eine kostengünstigere Versorgung zur Verfügung, die den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise ausgleicht. Die begehrte Versorgung ist in jedem Fall unwirtschaftlich, denn auf der Basis der allein maßgeblichen Messergebnisse vom 30. August 2017 ist ein relevanter Gebrauchsvorteil des gewählten Hörsystems nicht belegt; das Hörergebnis bei Testung zweier Festbetragsergebnisse war identisch. Der vom Kläger vorgetragene Vorteil betrifft lediglich das subjektive Hörvermögen i.S. des bloßen Empfindens, welches nicht nachprüfbar ist (vgl. Urteil des Senats vom 11. Dezember 2019, L 9 KR 44/17, zitiert nach juris, dort Rdnr. 35). Der geschilderte bessere Hörkomfort wird nicht durch objektive Belege gestützt, das geschilderte subjektiv bessere Sprachverstehen bildet sich nicht in den durchgeführten Testungen ab. So haben auch die tätig gewordenen Hörgeräteakustiker betont, auch eine Versorgung mit der Marke nach benannten Festbetragsgeräten komme bei der konkreten Hörbehinderung des Klägers in Betracht. Demgegenüber war der Kläger von vornherein ‒ schon seit Mai 2014 ‒ auf Geräte der Marke Siemens Pure festgelegt (er habe sich „entschieden“). Das wirkt sich zu seinen Lasten aus, wenn Festbetragsgeräte zu denselben Messergebnissen führen und Vorzüge des zuzahlungspflichtigen Geräts nicht objektivierbar sind (vgl. insoweit auch Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 29. Januar 2019, L 3 KR 23/17, zitiert nach juris, dort Rn. 35ff [kein objektivierbarer Gebrauchsvorteil der gewünschten Versorgung]).
In eine Beweiserhebung von Amts wegen (§ 103 SGG) musste der Senat nicht eintreten. Ein konkreter Beweisantrag war nicht gestellt. Beweiserhebung wäre nur ins Blaue hinein erfolgt. Die Messergebnisse vom 30. August 2017 stellen eine für eine Sachentscheidung ausreichende Tatsachengrundlage dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf des § 193 SGG. Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
L 9 KR 90/18
S 56 KR 569/16 Sozialgericht Berlin
Beschluss
In dem Rechtsstreit
W A,
B Ring , B - Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Prof. W S und M J,
Edamm , B
Az.:
gegen
Techniker Krankenkasse,
Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg
Az.:
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 9. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg am 27. November 2020 durch den Richter am Landessozialgericht xxx als Vorsitzenden, die Richterin am Landessozialgericht xxx und den Richter am Landessozialgericht xxx beschlossen:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Versorgung mit Hörgeräten der Marke Siemens Pure 7px über den Festbetrag hinaus.
Der im Jahre 1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist mittelgradig schwerhörig und verfügt über einen Grad der Behinderung von 60, u.a. wegen einer Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen beidseitig.
Ohne eine vertragsärztliche Verordnung von Hörgeräten wandte der Kläger sich an „Das Hörakustik Studio“ und erhielt dort am 20. Mai 2014 einen Kostenvoranschlag für die Versorgung mit Hörgeräten der Marke Siemens Pure micon 7mi zum Preis von insgesamt 5.523,80 Euro. Mit Schreiben vom 30. Juni 2014 beantragte er bei der Beklagten Kostenübernahme; er habe verschiedenste Hörhilfen getestet und sich für die bezeichneten Geräte entschieden, weil sie die besten seien.
Mit Bescheid vom 1. August 2014 bewilligte die Beklagte eine Zahlung in Höhe des Festbetrages von 1.594,00 Euro.
Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger an, er sei auf die ausgewählten Geräte angewiesen. Nur sie gewährleisteten eine ausreichende Versorgung. Er habe bei verschiedenen Akustikern etwa 15 Hörhilfen getestet.
Am 26. Mai 2015 erhielt der Kläger eine ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe aufgrund der Diagnose „Schallempfindungsschwerhörigkeit bds. mit Hochtonabfall bds.“ und legte diese der Beklagten vor.
Im Juni 2015 ließ der Kläger die Hörgeräte Siemens Pure 7bx von „Das Hörakustik Studio“ testen; der Test ergab ein Sprachverstehen im Freifeld von 80 Prozent und im Freifeld unter Störschall von 70 Prozent. Einen Kostenvoranschlag vom 4. Juni 2015 über die Versorgung mit diesen Geräten zum Preis von insgesamt 4.000,00 Euro reichte er bei der Beklagten ein. Auf Nachfrage der Beklagten teilte „Das Hörakustik Studio“ mit Schreiben vom 29. Juni 2015 mit, dass zum Festbetrag erhältliche Hörgeräte nicht getestet worden seien; insoweit kämen etwa die in audiologischer Hinsicht geeigneten Geräte Riva 2 P in Betracht.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2015 und 1. Oktober 2015 teilte die Beklagte dem Kläger hierauf mit, an ihrer Entscheidung festzuhalten, lediglich den Festbetrag zu bewilligen. Zu empfehlen sei eine erneute Testung unter Einbeziehung von Festbetragsgeräten.
In einer Stellungnahme für die Beklagte vom 12. Januar 2016 stellte der Hörakustiker C H unter Berücksichtigung der konkreten Hörbeeinträchtigung des Klägers die Festbetragsgeräte Riva 2 P und das vom Kläger gewählte Siemens Pure 7bx einander gegenüber. Aus dem Hörkurvenverlauf des Klägers ergäben sich keine Hinweise, die eine spezielle technische Hörgeräteanforderung begründeten. Die eigenanteilsfreien Geräte verfügten über die erforderlichen technischen Eigenschaften, um ein bestmögliches Sprachverstehen zu erzielen. Aufgrund verschiedener Faktoren wie etwa der besonders kleinen Bauweise sei es nachvollziehbar, dass das gewählte Siemens Pure 7bx subjektiv angenehmer erscheine; jedoch seien diese Faktoren dem Komfort zuzuschreiben und nicht für einen objektiven Ausgleich grundlegend erforderlich.
Auf dieser Grundlage wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 10. März 2016 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 31. März 2016 erhobene Klage. Er sei bislang unversorgt und auf die ausgewählten Geräte angewiesen, denn nur diese erzielten den gewünschten Erfolg. Das Gerät Riva 2 P habe er erfolglos getestet. Das Siemens-Gerät sei im Vergleich zu den Festbetragsgeräten eine andere Welt. Er habe damit sogar die Vögel wieder zwitschern gehört.
Im Laufe des Klageverfahrens hat der Kläger sich auf Anraten des Sozialgerichts einer erneuten Testung verschiedener Hörgeräte unterzogen. Aus einem Anpass- und Abschlussbericht der Amplifon Deutschland GmbH vom 30. August 2017 und einem Befundbericht dieses Akustikstudios vom 16. November 2017 ergibt sich insoweit, dass Geräte der Marke Siemens Pure 7px (aufzahlungspflichtig) und Vea 280 sowie Intuis 2 P (beide aufzahlungsfrei) getestet worden seien. Für alle drei Geräte sei ein Sprachverstehen im Freifeld von 90 Prozent und im Freifeld unter Störschall von 50 Prozent gemessen worden. Messunterschiede hätten sich nicht ergeben. Der Kläger habe sich für das Gerät von Siemens entschieden. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 75f. sowie Bl. 84f.der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 1. März 2018 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder könne auch mit einem eigenanteilsfreien Hörgerät gewährleistet werden. Die eigenanteilsfreien Geräte hätten dasselbe Messergebnis ergeben wie die zuzahlungspflichtigen Geräte. Zwar sei Hören von subjektiven Fak-toren geprägt und es sei kaum möglich, allein durch technische Messungen die bestmögliche Hörangleichung zu ermitteln. Gleichwohl sei die Kammer nicht überzeugt, dass nur mit dem ausgewählten zuzahlungspflichtigen Gerät eine bestmögliche Angleichung des Hörvermögens erzielt werden könne. Es sprächen nämlich gewichtige Anhaltspunkte für eine Vorabfestlegung des Klägers auf Geräte der Marke Siemens Pure. Erst nach Aufforderung des Gerichts seien überhaupt Messungen mit zuzahlungsfreien Geräten erfolgt. Das gewählte Gerät sei ein besonders hochwertiges mit 20-kanaliger Signalverarbeitung und anderen Eigenschaften, etwa Steuerungsmöglichkeit durch eine Smartphone-App. Es gebe gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bestrebt gewesen sei, eine luxuriöse Versorgung zu erhalten. Die Kammer müsse daher annehmen, dass auch eine Versorgung zum Festpreis bestmöglichen Behinderungsausgleich ermögliche.
Dagegen hat der Kläger am 23. März 2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen an: Die Messergebnisse vom 30. August 2017 seien nur eingeschränkt verwertbar, denn es komme auf das subjektive Hörempfinden an. Der entscheidende Vorteil des ausgewählten Geräts liege in der 20-kanaligen Signalverarbeitung mit Einstellungsmöglichkeiten. Das sei gutachterlich feststellbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn beidseitig mit dem Hörgerät Siemens Pure 7px ohne Beschränkung auf den Festbetrag zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten vorher angehört worden sind.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Sachprüfung Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Sozialgericht hat sein Urteil, mit dem es die Klage abgewiesen hat, sorgfältig und überzeugend begründet.
Zu ergänzen bleibt:
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung u.a. mit Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die „Erforderlichkeit im Einzelfall“ grundsätzlich nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüberhinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. März 2011, B 3 KR 9/10 R, juris). Dass der Kläger zum Ausgleich seiner Schwerhörigkeit einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln in Gestalt der Hörgerätesysteme hat, wird auch von der Beklagten im Grundsatz nicht in Frage gestellt.
Relevant ist hier allein der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs. 1 Satz 1, 3. Variante SGB V. Zur Frage der Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zum Behinderungsausgleich wird vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung, der der Senat sich anschließt, stets unterschieden zwischen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel unmittelbar zum Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird (vgl. nur BSG, Urteil vom 18. Mai 2011, B 3 KR 10/10 R ‒ Sportrollstuhl). Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist. Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog. mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Fall hat die gesetzliche Krankenversicherung nur für den Basisausgleich einzustehen; es geht nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben zu führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der gesetzlichen Krankenversicherung daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2015, B 3 KR 13/13 R; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2018, L 11 KR 1153/18; jeweils juris).
Zwar hat das Bundessozialgericht zuletzt, beginnend mit der Entscheidung vom 15. März 2018, die Relevanz der Unterscheidung zunächst relativiert, aber seither nicht explizit aufgegeben. In der Entscheidung führt es aus: „An dieser Stelle bedarf es im Übrigen keiner weiteren Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich (…). Denn auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich steht nicht die Krankheitsbehandlung i.S. von § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V im Vordergrund“ (B 3 KR 18/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 33 ff.). In späteren Entscheidungen hat das Bundessozialgericht dann eine Abkehr dergestalt vorgenommen, dass es anstelle der obigen Unterscheidung zur Abgrenzung der Leistungszuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vom Aufgabenbereich anderer Rehabilitationsträger und der Eigenverantwortung Versicherter auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile im Hinblick auf das zu befriedigende allgemeine Grundbedürfnis abgestellt hat. Im Ergebnis komme es auf den Umfang der mit dem Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an, ohne dass hierfür maßgeblich die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich heranzuziehen sei (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Mai 2020, B 3 KR 7/19 R , zitiert nach juris, dort Rdnr. 27 [behindertengerechtes Dreirad]). Es besteht insoweit Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung (Bundessozialgericht, a.a.O.). Übertragen auf den Ausgleich einer Hörbehinderung folgt hieraus, dass das Hören zu dem (allgemeinen) Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört. Zu diesem Freiraum gehört u.a. die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw. eines Schulwissens (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 15/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17 [GPS-Uhr]). Für das Hören muss die Versorgung demnach gewährleisten, dass mit ihr die Funktionsbehinderung in typischen Alltagssituationen der Kommunikation mit anderen Menschen möglichst weitgehend ausgeglichen wird. Dazu gehört, dass der aktuelle Stand des medizinischen und technischen Fortschritts berücksichtigt wird. Versicherte müssen an diesem teilhaben. Es muss aber ‒ gerade bei unterschiedlich aufwändigen, gleichermaßen zur Verfügung stehenden Versorgungsalternativen ‒ für eine höherwertige Versorgung ein relevanter Gebrauchsvorteil für das allgemeine Grundbedürfnis nachgewiesen sein. Gebrauchsvorteile, die sich als bloßer Komfort erweisen, begründen (weiter) keinen Versorgungsanspruch.
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger auch zur Überzeugung des Senats keinen Anspruch auf das ausgewählte Hörgerätesystem Siemens Pure 7px. Es geht ‒ nach überkommenen Maßstab ‒ um ein Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich i.S. von § 33 Abs. 1 Satz 1, 3. Variante SGB V, denn das Gerät soll dem Ausgleich seines Hörverlustes bzw. der teilweisen Wiederherstellung des körpereigenen Hörvermögens und nicht nur dem Ausgleich mittelbarer Folgen des Funktionsverlusts dienen. Nach neueren Grundsätzen besteht hingegen kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 15/19 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19).
Das vom Kläger gewählte aufzahlungspflichtige Hörgerätesystem ist zum einen nicht „erforderlich“, um die Behinderung auszugleichen, zum anderen steht eine kostengünstigere Versorgung zur Verfügung, die den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise ausgleicht. Die begehrte Versorgung ist in jedem Fall unwirtschaftlich, denn auf der Basis der allein maßgeblichen Messergebnisse vom 30. August 2017 ist ein relevanter Gebrauchsvorteil des gewählten Hörsystems nicht belegt; das Hörergebnis bei Testung zweier Festbetragsergebnisse war identisch. Der vom Kläger vorgetragene Vorteil betrifft lediglich das subjektive Hörvermögen i.S. des bloßen Empfindens, welches nicht nachprüfbar ist (vgl. Urteil des Senats vom 11. Dezember 2019, L 9 KR 44/17, zitiert nach juris, dort Rdnr. 35). Der geschilderte bessere Hörkomfort wird nicht durch objektive Belege gestützt, das geschilderte subjektiv bessere Sprachverstehen bildet sich nicht in den durchgeführten Testungen ab. So haben auch die tätig gewordenen Hörgeräteakustiker betont, auch eine Versorgung mit der Marke nach benannten Festbetragsgeräten komme bei der konkreten Hörbehinderung des Klägers in Betracht. Demgegenüber war der Kläger von vornherein ‒ schon seit Mai 2014 ‒ auf Geräte der Marke Siemens Pure festgelegt (er habe sich „entschieden“). Das wirkt sich zu seinen Lasten aus, wenn Festbetragsgeräte zu denselben Messergebnissen führen und Vorzüge des zuzahlungspflichtigen Geräts nicht objektivierbar sind (vgl. insoweit auch Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 29. Januar 2019, L 3 KR 23/17, zitiert nach juris, dort Rn. 35ff [kein objektivierbarer Gebrauchsvorteil der gewünschten Versorgung]).
In eine Beweiserhebung von Amts wegen (§ 103 SGG) musste der Senat nicht eintreten. Ein konkreter Beweisantrag war nicht gestellt. Beweiserhebung wäre nur ins Blaue hinein erfolgt. Die Messergebnisse vom 30. August 2017 stellen eine für eine Sachentscheidung ausreichende Tatsachengrundlage dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf des § 193 SGG. Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.