10.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221047
Finanzgericht Münster: Urteil vom 06.11.2020 – 4 K 1326/17 F
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Steuerbarkeit eines Veräußerungs-/Entnahmegewinns in Ansehung von veräußertem bzw. unentgeltlich übertragenem Grund und Boden sowie hilfsweise über den Erlass der auf diesen Veräußerungs-/Entnahmegewinn entfallenden Einkommensteuer.
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Der Kläger ist vermittelt über einen weiteren Erbfall der Gesamtrechtsnachfolger von Herrn J. V. Letzterer war in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts Eigentümer folgender Flächen, die er zuvor gemeinsam mit seiner Ehefrau und sodann allein bewirtschaftete:
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0,3949 ha Grünland („A“, I-Stadt Flur 1, Flurstück 1), das ab dem 01.10.1965 verpachtet war (an W-Pächter);
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3,0159 ha Ackerland („B“, I-Stadt Flur 1, Flurstück 2), das ab dem 01.10.1965 verpachtet war (an O-Pächter, dann I-Pächter, dann B-Pächter);
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0,2523 ha Hof- und Gebäudefläche (I-Stadt, Flur 5, A-Straße, später B-Straße 1, im Folgenden: „Hofstelle“); das Wohnhaus wurde von J. V. bis zu seinem Tod bewohnt. Die Wirtschaftsgebäude standen leer;
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0,7100 ha Waldgrundstück („C, B-Ortsteil, Flur 2, Flurstück 3, im Folgenden nur: „Waldgrundstück“)
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Das Waldgrundstück war (und ist) in Hanglage mit Mischwald aus Buchen, Eichen, Birken und Fichten bestockt. Es befindet sich ca. 2 km entfernt von der Hofstelle. Bezüglich der Lage im Verhältnis zur Hofstelle und den anderen landwirtschaftlichen Flächen wird auf den Flurauszug (Blatt 110 der Gerichtsakte) verwiesen, wo das Flurstück 1 mit einem X markiert ist. Das Waldgrundstück war seit dem Jahr 1973 in die Forstbetriebsgemeinschaft B-Ortsteil‒ eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ‒ einbezogen. § 2 der Satzung der Forstbetriebsgemeinschaft vom 25.05.1973 formulierte als Zweck „die Bewirtschaftung der angeschlossenen Waldflächen und der zur Aufforstung bestimmten Grundstücke zu verbessern, insbesondere die Nachteile geringerer Flächengrößen, ungünstiger Flächengestaltung, der Besitzzersplitterung, der Gemengelage, des unzureichenden Waldaufschlusses oder anderer Strukturmängel zu überwinden. Die Tätigkeit der Forstbetriebsgemeinschaft für ihre Mitglieder umfasste die gemeinsame Wegeerhaltung, Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten, Bewirtschaftungsunterstützung, Grenzermittlung, Holzverkaufsvermittlung u.Ä.
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Am 00.00.1977 verstarb Herr J. V. Erbin und damit neue Eigentümerin der vorgenannten Flächen wurde seine Tochter Frau S (Ehefrau des Kl.).
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Ende 1979 erbat die Einheitswertstelle des Beklagten von Frau S. Auskunft darüber, wer seit dem Tod von Herrn J. V. den landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschafte. Für den Fall, dass der Hof nicht selbst bewirtschaftet werde, wurde unter anderem um Mitteilung gebeten, an wen die landwirtschaftlichen Flächen verpachtet worden seien. Auf dem Schreiben der Einheitswertstelle vom 02.11.1979 fand sich als Antwort sinngemäß folgende Mitteilung: Der Betrieb ist seit dem 01.10.1965 verpachtet an O-Pächter (01.10.1965 bis 30.09.1972), dann an I-Pächter und schließlich an B-Pächter. Es folgt auf der zweiten Seite nach dem Wort „Pächter“: „Wald 0,71, B-Pächter 3,01, W-Pächter 0,51“.
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Mit an Frau S. als Rechtsnachfolgerin von Herrn J. V. adressiertem Schreiben vom 18.08.1980 teilte die Veranlagungsstelle des Beklagten Frau S. mit, dass dem Beklagten bekannt geworden sei, dass der landwirtschaftliche Betrieb „Stückland zu I-Stadt, B-Straße 2“ nicht mehr selbstbewirtschaftet werde. Der Beklagte forderte Frau S. auf, Fragen zum landwirtschaftlichen Betrieb I-Stadt zu beantworten, um die Frage einer Betriebsaufgabe beurteilen zu können.
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Der Landwirtschaftliche Kreisverband M-Stadt richtete folgendes, auf den 11.11.1980 datiertes und mit dem Betreff „Aufgabe des landw. Betriebes B-Straße 2, I-Stadt“ versehenes Schreiben an den Beklagten (Blatt 44 der Gerichtsakte):
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„Wie bereits auf Anfrage der Bewertungsstelle vom 02.11.1979 dem Finanzamt M-Stadt mitgeteilt, hat bereits Herr V., […], den Betrieb B-Straße 2, I-Stadt, zur Erlangung des landwirtschaftlichen Altersgeldes zum 01.10.1965 parzellenweise verpachtet. Pächter waren zunächst der Landwirt O-Pächter, B-Ortsteil, danach I-Pächter, I-Stadt, ab 01.10.1976 fortlaufend dann B-Pächter, I-Stadt und W-Pächter, P-Bauernschaft.
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Die Wohnung wurde bis zu dessen Tode vom Eigentümer, Herrn V., bewohnt. Die Wirtschaftsgebäude stehen seit Verpachtung in 1965 leer.
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Mit Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und Veräußerung des lebenden und toten Inventars zum 01.10.1965 wurden die wesentlichen Grundlagen eines landwirtschaftlichen Betriebes abgegeben, so dass eine Aufgabe im Ganzen anzunehmen ist.“
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In den Akten des Beklagten wurde aus Anlass dieses Schreibens verfügt: „1. Der landwirtschaftliche Betrieb ist mit parzellierter Verpachtung in 1965 aufgegeben worden. 2. Wegen Verjährung ist nichts weiter zu veranlassen.“
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S. verstarb am 00.00.1982 und wurde vom Kläger beerbt, der selbst einen aktiven landwirtschaftlichen Betrieb in ca. 20 km Entfernung von der (vormaligen) Hofstelle B-Straße 2 und den ererbten landwirtschaftlichen Flächen unterhielt.
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Im Juli 1984 fand im Hinblick auf einen geplanten Grundstückstausch ein Telefonat zwischen dem Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes M-Stadt (Herrn K.) und der Veranlagungsbeamtin des Beklagten (Frau F.) statt. Die Mitarbeiterin des Beklagten teilte Herrn K. mit, dass der Betrieb in I-Stadt aufgegeben worden sei.
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Der Kläger tauschte mit Tauschvertrag vom 28.09.1984 ein Teilstück der Fläche „B“, I-Stadt Flur 1, Flurstück 2 im Umfang von 25.259 qm = 2,5259 ha (= vom Kläger weggegebenes Grundstück) gegen ein Gemeindegrundstück („N“, I-Stadt Flur 3, Flurstück 5) mit 29.808 qm = 2,9808 (= vom Kläger erhaltenes Grundstück). Die Restfläche des Ackerlandes „B“, I-Stadt Flur 1, Flurstück 2 verblieb beim Kläger.
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Das vom Kläger weggetauschte Grundstück wurde in dem Tauschvertrag mit 579.188,87 DM bewertet (22,93 DM je qm). Die Gemeinde zahlte dem Kläger fernereinen Barausgleich in Höhe von 50.000,00 DM. Zugleich verpflichtete sich die Gemeinde, für namentlich im Tauschvertrag genannte, weitere Grundstücke des Klägers die Voraussetzungen für eine Bebauung zu schaffen. Dies betraf (1) „die bei dem [Kläger] verbleibende Fläche aus dem Grundstück Gemarkung I-Stadt, Flur 1, Flurstück 2 entlang der P-Straße und (2) das Grundstück „N“, I-Stadt Flur 3, Flurstück 5 (also das durch den Tausch erlangte Grundstück).“
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Da die Gemeinde die Voraussetzungen für eine Bebauung nicht schaffen konnte, vereinbarten der Kläger und die Gemeinde in einer Ergänzungsvereinbarung zum Tauschvertrag eine Entschädigungsverpflichtung der Gemeinde gegenüber dem Kläger in Höhe von 240.364,93 DM (Blatt 47 der Gerichtsakte).
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Mit Vertrag vom 23.05.1988 veräußerte der Kläger den Rest der Fläche „B“, I-Stadt Flur 1, Flurstück 2 an die Gemeinde I-Stadt. Im Anschluss hieran ergab sich folgender Grundstücksbestand:
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0,3949 ha Grünland („A“, I-Stadt Flur 1, Flurstück 1); das weiterhin verpachtet war (an W-Pächter);
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2,9809 ha Ackerland („N“, I-Stadt Flur 3, Flurstück 5, später Flurstücke 51, 52 und sodann Flurstück 53), das weiterhin verpachtet war (an O-Pächter);
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0,2523 ha Hof- und Gebäudefläche (I-Stadt, Flur 5, Flurstück 3, A-Straße, später B-Straße 2); die Hofstelle wurde in den 1980er Jahren abgerissen;
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0,7100 ha Mischwald („C, B-Ortsteil, Flur 2, Flurstück 3).
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Mit gerichtlichem Vergleich vom 04.03.1993 verpflichtete sich die Gemeinde I-Stadt, dem Kläger weitere 65.000,00 DM als Entschädigung für die im Tauschvertrag vom 28.09.1984 zugesagte, aber verspätet erfolgte Baureifmachung eines bzw. mehrerer Grundstücke zu zahlen.
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Der Kläger erklärte in Ansehung der verpachteten Grundstücke jedenfalls ab dem Veranlagungszeitraum 1983 fortlaufend Verpachtungseinkünfte. Wie die Einnahmen in den Jahren davor erklärt wurden, lässt sich nicht mehr ermitteln.
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Anlässlich einer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1983 bis 1985 differenzierte der Betriebsprüfer in seinem Betriebsprüfungsbericht vom 14.09.1988 (Blatt 48 ff. der Gerichtsakte) zwischen den Flächen des landwirtschaftlichen Betriebes („selbst bewirtschaftete Flächen 8,28 ha und Zupachtung 23,58 ha“) und anderem Grundvermögen, wozu der Betriebsprüfer u. a. das Grundvermögen „I-Stadt, B-Straße 3“ (richtigerweise müsste es 2 heißen) rechnete. Dem Betriebsprüfungsbericht lässt sich nicht entnehmen, ob der Betriebsprüfer der Frage nachgegangen war, ob das Grundstück„B“, I-Stadt Flur 1, Flurstück 2 (= weggetauschtes Grundstück) Betriebs- oder Privatvermögen gewesen und der Tausch im Jahr 1984 deshalb je nach Einordnung steuerbar oder nicht steuerbar gewesen war.
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Für die Jahre 1987 bis 1989 wurde beim Kläger im Jahr 1991 erneut eine Betriebsprüfung durchgeführt. Die Einordnung der Einkünfte aus der Verpachtung der Flächen „A“ und „N“ als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung blieb unbeanstandet.
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Entsprechendes gilt für die weitere beim Kläger durchgeführte Betriebsprüfung für die Jahre 1993 bis 1995: Die Einordnung der Vermietungseinkünfte aus dem „Objekt I-Stadt, B-Straße“ blieb unbeanstandet. Zudem qualifizierte der Betriebsprüfer die weitere Entschädigung in Höhe von 65.000,00 DM, die der Kläger für die unterlassene Baureifmachung der Grundstücke erhalten hatte (gerichtlicher Vergleich vom 04.03.1993), insoweit als Zinseinkünfte als hierin ein Zinsanteil enthalten war. Der Kläger hatte zuvor den gesamten Betrag als Einkünfte aus Kapitalvermögen deklariert.
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Nach Auskunft des Beklagten sind die Akten betreffend die Betriebsprüfungen 1988 und 1991 nicht mehr vorhanden.
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In den Jahren 2012 und 2013 kam es zur Veräußerung von folgenden Teilflächen des Grundstücks „N“:
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Mit Vertrag vom 31.10.2012 veräußerte der Kläger das Grundstück I-Stadt, Flur 3, Flurstück 51 (mit 877 qm) für 92.085,00 EUR (im Folgenden: „Flurstück 51“);
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Mit Vertrag vom 16.11.2012 veräußerte der Kläger das Grundstück Flur 3, Flurstück 52 (841 qm) für 84.100,00 EUR (im Folgenden: „Flurstück 52“);
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Mit Vertrag vom 02.10.2013 veräußerte der Kläger das Grundstück I-Stadt, Flur 3, Flurstück 53 (928 qm) für 87.500 EUR (im Folgenden: „Flurstück 53“).
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Ferner übertrug der Kläger das Grundstück Flur 3, Flurstück 54 (486 qm) unentgeltlich auf seine Tochter (im Folgenden: „Flurstück 54“).
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Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E-Stadt führte für die Streitjahre eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch. Der Betriebsprüfer vertrat die Ansicht, dass das Grundstück N im Zeitpunkt der Veräußerungen bzw. der Entnahme nach wie vor zu einem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört habe. Ursprünglich habe es sich angesichts der Selbstbewirtschaftung durch Herrn J. V. um notwendiges Betriebsvermögen dessen landwirtschaftlichen Betriebes gehandelt. Diese Eigenschaft haben die 1965 vorhandenen landwirtschaftlichen Grundstücke nicht mit der Verpachtung verloren. Vielmehr sei in Ermangelung einer ausdrücklichen Aufgabeerklärung der vormals aktiv bewirtschaftete Betrieb zu einem Verpachtungsbetrieb geworden. Sodann habe sich die Betriebsvermögenseigenschaft der Fläche B im Nachgang zu dem Tausch im Jahr 1984 an der erworbenen und hier streitigen Fläche N fortgesetzt. Daher sei in 2012 und 2013 steuerverstricktes Betriebsvermögen veräußert bzw. entnommen worden. Im Übrigen wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 30.11.2016 Bezug genommen.
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Der Beklagte folgte dieser Einschätzung dem Grunde nach und ermittelte den Veräußerungsgewinn wie folgt:
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Ermittlung des Buchwertes €/qm des Grundstücks „N“
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Wert des Grundstücks Y (beim Tausch hingegebene Fläche) 579.188,87 DM
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./. Ausgleichsbetrag der Gemeinde 50.000,00 DM
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./. Ausgleichsbetrag aus Vergleich 40.170,00 DM
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+ Grunderwerbsteuer 11.583,00 DM
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Summe 500.601,87 DM
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EUR 255.953,67 EUR
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= 8,59 EUR / qm
50
+ Erschließungskosten 17,89 EUR / qm
51
= 26,48 EUR Buchwert / qm
52
Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Höhe nach ‒ vor allem die Ermittlung der Buchwerte ‒ ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
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Damit ergaben sich folgende Einzelveräußerungs- bzw. entnahmegewinne:
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für 2012
55
Veräußerungsgewinne in Ansehung von Flurstück 51 und 52
56
Veräußerungspreise insgesamt 176.185,00 EUR
57
Buchwert (1.718 qm x 26,48 EUR) ./. 45.492,64 EUR
58
130.692,36 EUR
59
Entnahmegewinn in Ansehung von Flurstück 54
60
Entnahmewert 48.429,90 EUR
61
Buchwert (486 qm x 26,48 EUR) ./. 12.869,28 EUR
62
35.560,62 EUR
63
Den Teilwert für das Flurstück 54 leitete der Beklagte aus den durchschnittlichen qm-Preisen der drei Verkaufsvorgänge ab (= 99,65 EUR / qm).
64
für 2013
65
Veräußerungsgewinne in Ansehung von Flurstück 53
66
Veräußerungspreise insgesamt 87.500,00 EUR
67
Buchwert (928 qm x 26,48 EUR) ./. 24.573,44 EUR
68
62.926,56 EUR
69
Hinsichtlich der Veräußerungsgewinne begehrte der Kläger die Anwendung der §§ 6b, 6c des Einkommensteuergesetzes (EStG), womit nur noch der Entnahmegewinn in Höhe von 35.560,62 EUR verblieb. Dieser wiederum wurde je zur Hälfte auf die Veranlagungszeiträume 2012 und 2013 verteilt.
70
Der Beklagte setzte dies dergestalt um, dass er mit Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2012 vom 21.04.2017 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als laufende Einkünfte in Höhe von 17.780,71 EUR und mit Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2013 vom 21.04.2017 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als laufende Einkünfte in Höhe von ebenfalls 17.780,71 EUR feststellte.
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Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 08.03.2017 hilfsweise den Erlass der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuern. Zur Begründung verwies er auf die Ländererlasse vom 17.12.1965 (sog. Verpachtungserlass, BStBl. II 1966, 34), in denen die Finanzverwaltung die Ansicht vertreten hatte, dass die parzellenweise Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen zu einer Betriebsaufgabe führe. Dies möge der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 15.10.1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl. II 1988, 260 anders gesehen haben, geht dieser nämlich davon aus, dass die parzellenweise Verpachtung der bisher selbst bewirtschafteten Ländereien aus Rechtsgründen jedenfalls dann keine Betriebsaufgabe darstellt, wenn die wesentlichen Grundlagen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in ihrer bisherigen Funktion erhalten bleiben. Die Finanzverwaltung habe aber gleichwohl im Nachgang hierzu für Altfälle, zu denen auch der Kläger rechne, an ihrer vormaligen Ansicht festgehalten. Der Kläger verweist insoweit vor allem auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Münster vom 07.01.1991. Dort heißt es: „Ist die parzellenweise Verpachtung des Betriebes vor Veröffentlichung des [BFH-Urteils vom 15.10.1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl. II 1988, 260] im BStBl erfolgt, so soll nach einem Beschluss der ESt-Referenten des Bundes und der Länder das BFH-Urteil nicht dazu führen, dass Betriebe, die nach der alten Verwaltungsauffassung mangels Abgabe einer Fortführungserklärung bei der parzellenweisen Verpachtung als aufgegeben zu behandeln waren, nachträglich wieder zu bestehenden Betrieben werden. In Fällen, in denen in der Vergangenheit keine Fortführungserklärung abgegeben worden ist, soll es grundsätzlich bei der Betriebsaufgabe verbleiben.“ In diesem Sinne seien sodann auch die Betriebsprüfer verfahren, die beim Kläger geprüft haben. Sie hätten den Kläger stets so behandelt, als ob er seinen Betrieb aufgegeben habe.
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Der Beklagte lehnte die Billigkeitsmaßnahme mit Bescheid vom 04.04.2017 ab. Dem Kläger könne kein Vertrauensschutz entsprechend der Verfügung der OFD Münster vom 07.01.1991 gewährt werden. Mit dieser Verfügung wolle die Finanzverwaltung zwar dem Umstand Rechnung tragen, dass sie mit ihrem Erlass vom 17.12.1965 noch die Ansicht vertreten hatte, dass die parzellenweise Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen zueiner Betriebsaufgabe führe, der BFH diese Auffassung in seinem Urteil vom 15.10.1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl. II 1988, 260, so indes nicht geteilt habe. Diese Verwaltungsvorschrift vom 17.12.1965 sei aber nicht einschlägig, weil der Kläger bzw. sein Rechtsvorgänger vor der Veröffentlichung des Urteils am 15.04.1988 im Bundessteuerblatt II nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen an verschiedene Pächter verpachtet habe. Vielmehr habe der Kläger die forstwirtschaftlichen Flächen, die ebenfalls einewesentliche Betriebsgrundlage darstellen sollen, weiterhin selbstbewirtschaftet. Die„Wesentlichkeit“ dieser Betriebsgrundlage folge aus der funktionalen Betrachtung und dafür sei die Selbstbewirtschaftung des Bauernwaldes ausreichend. Auch nach der Verpachtung sei die forstwirtschaftliche Fläche noch selbstbewirtschaftet worden, weil hierfür das natürliche Wachstum des Holzbestandes ausreichend sei. Da die forstwirtschaftliche Fläche ob ihrer geringen Größe von 0,71 ha auch keinen ‒ aus der Betrachtung des landwirtschaftlichen Betriebes auszuscheidenden ‒ forstwirtschaftlichen Teilbetrieb darstelle, liege letztlich eine für den Vertrauensschutz „schädliche Selbstbewirtschaftung“ vor. Wenn der Kläger indes schon nicht unter die Verwaltungsvorschrift vom 17.12.1965 gefallen sei, dann könne auch die Verfügung der OFD Münster vom 07.01.1991 nicht zu seinen Gunsten wirken.
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Ferner komme auch kein Vertrauensschutz aufgrund des konkreten Vorverhaltens des Beklagten in Betracht. Die Mitarbeiter des Beklagten mögen sich bei der sachlichen Zurechnung der Grundstücke geirrt haben. Deren irrige Annahme, es habe sich bei den Grundstücken um Privatvermögen gehandelt, begründe aber auch keinen Anspruch auf einen Billigkeitserlass.
74
Im Übrigen wird auf die Entscheidung des Beklagten vom 04.04.2017 Bezug genommen (Blatt 9 der Gerichtsakte).
75
Der Kläger hat am 03.05.2017 Klage erhoben.
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Er vertritt nach wie vor die Ansicht, dass jedenfalls in dem Schreiben des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes vom 11.11.1980 die für eine Betriebsaufgabe notwendige ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung zu sehen sei. Dessen ungeachtet habe es einer solchen Betriebsaufgabeerklärung auch nicht bedurft, um die Betriebsvermögenseigenschaft des weggetauschten Grundstücks „B“ zu beenden und damit eine solche des erworbenen Grundstücks „N“ gar nicht erst eintreten zu lassen. Erstens sei schon deshalb von einer Betriebsaufgabe auszugehen, weil es dem Kläger nach der Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht mehr möglich gewesen sei, den Betrieb jederzeit wieder aufzunehmen. Zweitens übersehe der Beklagte, dass einzelne verpachtete Grundstücke nur gewillkürtes Betriebsvermögen sein können, ein solches existierte damals bei einem Überschussrechner (§ 4 Abs. 3 EStG) wie dem Kläger nicht und müsse daher jedenfalls deshalb schon mit Verpachtung zwangsentnommen worden sein. Drittens müsse zumindest die Einfügung des § 16 Abs. 3b EStG (i. V. m. § 14 EStG) dahin gehend verstanden werden, dass es jedenfalls nach dem Willen des Gesetzgebers bis zur Geltung dieser Norm, also für Altfälle wie den vorliegenden Fall, keiner ausdrücklichen Betriebsaufgabeerklärung (mehr) bedürfe.
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Zumindest sei dem Kläger aber ‒ verfahrensrechtlich als Billigkeitsmaßnahme ‒ Vertrauensschutz zu gewähren. Der Kläger könne bereits abstrakten Vertrauensschutz nach Maßgabe der Verfügung der OFD Münster vom 07.01.1991 beanspruchen und nach den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung eine entsprechende Billigkeitsentscheidung verlangen. Denn der Sachverhalt falle unter die vom BFH in seinem Urteil vom 12.03.2020 VI R 35/17 (BFH/NV 2020, 849) als gesetzeskonform anerkannte Fallgruppe. So habe der Beklagte durchaus steuerliche Folgen aus der Betriebsaufgabe des Jahres 1965 gezogen, die sich allerdings nicht ausgewirkt hätten, weil der Beklagte vermutlich davon ausgegangen sei, dass die Teilwerte die jeweiligen Buchwerte der Flächen nicht überstiegen. Deshalb sei die Betriebsaufgabe im Ergebnis unversteuert geblieben. Die OFD-Verfügung sei auch im konkreten Fall anwendbar. Der Beklagte habe jedenfalls seit 1980 positive Kenntnis davon gehabt, dass Acker- und Grünland verpachtet gewesen sind und mit 0,71 ha ein forstwirtschaftliches Grundstück existiere. Danach sei die Privatvermögenseigenschaft aller Grundstücke nie in Zweifel gezogen, mitunter sogar ausdrücklich bestätigt worden. Wäre das Verständnis des Beklagten in Bezug auf die Ländererlasse vom 17.12.1965 richtig, hätten vor allem anlässlich der nachfolgenden Betriebsprüfungen hieraus ganz andere Konsequenzen gezogen werden müssen, als dies die jeweiligen Prüfer getan haben: Vor allem anlässlich der Betriebsprüfung für die Jahre 1983 bis 1985 habe der damalige Betriebsprüfer keine Veranlassung gesehen, von einer Betriebsvermögenseigenschaft des weggetauschten Grundstücks auszugehen und einen Realisationsakt anzunehmen. Der Prüfer habe vielmehr sogar auf den Nachweis einer möglichen Verpachtung des Waldgrundstücks verzichtet, da Waldflächen bei der Beurteilung einer Betriebsaufgabe durch parzellenweise Verpachtung nicht beachtet würden. Dies sei die gängige Praxis des Beklagten auch in anderen Fällen gewesen. Im Ergebnis wurde die weggetauschte Teilfläche B im Einklang mit den Ländererlassen vom 17.12.1965 als oder zumindest wie Privatvermögen behandelt. Ferner sei auch anlässlich der Betriebsprüfung für die Zeiträume 1987 bis 1989 die Veräußerung der restlichen Teilfläche B nicht aufgegriffen worden. Dies ließe sich nur erklären, wenn man sie als oder zumindest wie Privatvermögen behandelt. Und schließlich sei auch die dritte Betriebsprüfung davon ausgegangen, dass sowohl das weggetauschte Grundstück „B“ als auch das durch Tausch erlangte Grundstück „N“ Privatvermögen sei. Anderenfalls hätte die Betriebsprüfung in Bezug auf die laufenden Einkünfte nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und in Bezug auf die weitere Entschädigung (65.000,00 DM) nicht zu bloßen Zinseinkünften gelangen können.
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Zumindest könne der Kläger aber Vertrauensschutz aufgrund eines konkret-individuell durch den Beklagten gesetzten Vertrauenstatbestands beanspruchen. Der Kläger verweist insoweit vor allem auf die telefonische Auskunft der Veranlagungsbeamtin des Beklagten vom 09.07.1984, wonach der Betrieb aufgegeben sei. Dies begründe einen ‒ von den Verwaltungsanweisungen des Beklagten losgelösten ‒ konkreten Vertrauenstatbestand. Das so gesetzte Vertrauen sei zudem durch jede weitere Betriebsprüfung verstärkt worden.
79
Der Kläger beantragt,
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die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2012 und 2013 aufzuheben,
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hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide für 2012 und 2013 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen im Wege der abweichenden Steuerfestsetzung nach § 163 der Abgabenordnung (AO) mit der Maßgabe zu ändern, dass eine Betriebsaufgabe in verjährter Zeit vorliegt und die ertragsteuerlichen Folgen einer Grundstücksveräußerung und Entnahme außer Ansatz zu lassen,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
83
Der Beklagte beantragt,
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die Klage mit Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen
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Der Beklagte hat der Sprungklage mit Schriftsatz vom 18.05.2017 zugestimmt.
86
Der Beklagte weist darauf hin, dass eine ausdrückliche Aufgabeerklärung fehle. Er ist der Ansicht, dass eine solche insbesondere nicht im Schreiben vom 11.11.1980 gesehen werden könne. Dass die Finanzverwaltung in der Vergangenheit irrtümlich von der Privatvermögenseigenschaft der Grundstücke ausgegangen sei, sei für die materiell-rechtliche Beurteilung irrelevant. Zudem begründe weder das konkrete Vorverhalten des Beklagten (unterlassener Hinweis auf die Notwendigkeit einer Betriebsaufgabeerklärung, Auskünfte der Veranlagungsstelle und Prüfungsergebnisse der verschiedenen Betriebsprüfungen) noch die OFD-Verfügung vom 07.01.1991 einen Anspruch des Klägers auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen. Im Einzelnen wird auf die Begründung der Einspruchsentscheidung und den vor dem Einspruchsverfahren gewechselten Schriftverkehr verwiesen.
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Der Berichterstatter hat die Sache mit den Beteiligten am 14.02.2020 erörtert. Auf das Protokoll zum Erörterungstermin wird Bezug genommen.
88
Am 06.11.2020 ist vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
89
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat der Beklagte der Sprungklage nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO fristgemäß zustimmt. Sie ist allerdings sowohl mit dem Haupt- als auch dem Hilfsantrag unbegründet.
I.
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Die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2012 und für 2013 vom 21.04.2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die veräußerten Grundstücke und das unentgeltlich übertragene Grundstück im Zeitpunkt der Veräußerung bzw. Übertragung Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes waren und daher ein laufender Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 EStG zu erfassen ist.
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Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Einkünfte aus dem Betrieb von Landwirtschaft und Forstwirtschaft, und zwar auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks realisiert werden. So verhält es sich mit den Grundstücken „Flurstück 52“, „Flurstück 51“ und „Flurstück 53“. In Ansehung des unentgeltlich übertragenen Grundstücks „Flurstück 54“ ist ein bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigender Entnahmegewinn (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) entstanden. Denn alle genannten Grundstücke waren im Veräußerungs- bzw. Entnahmezeitpunkt als Betriebsvermögen eines landwirtschaftlichen Verpachtungsbetriebes zu beurteilen. Die Grundstücke „Flurstück 54“, „Flurstück 52“, „Flurstück 51“ und „Flurstück 53“ sind aus dem Grundstück „N“ hervorgegangen, das wiederum an die Stelle des Grundstücks „B“ getreten ist. Letzteres gehörte im Tauschzeitpunkt zum Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers und damit setzte sich die Betriebsvermögenseigenschaft an dem erworbenen Grundstück „N“ und sodann an den streitgegenständlichen Grundstücken fort.
95
1.
96
Ursprünglich betrieb J. V. den landwirtschaftlichen Betrieb. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Das Grundstück „B“ gehörte zum Betriebsvermögen dieses landwirtschaftlichen Betriebes.
97
Mit der Verpachtung der landwirtschaftlich genutzten Flächen „A“ an W-Pächter (ab 01.10.1965) und „B“ an O-Pächter (ab 01.10.1965, später I-Pächter und B-Pächter) wurde der Betrieb nicht aufgegeben. Zwar ist es möglich, dass ein Grundstück des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens diese Eigenschaft durch eine Änderung der Nutzung erfährt (BFH-Beschluss vom 05.07.2006 IV B 91/05, BFH/NV 2006, 2245). Eine solche zur zwingenden Privatvermögenseigenschaft führende Nutzungsänderung liegt aber nicht in einer parzellenweisen Verpachtung an andere Landwirte. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass (auch) die parzellenweise Verpachtung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen nicht zu einer Betriebsaufgabe führt, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen erhalten bleiben, so dass die Möglichkeit besteht, den Betrieb selbst oder durch einen Nachfolger wiederaufzunehmen (grundlegend BFH-Urteil vom 15.10.1987 IV R 91/85, BStBl. II 1988, 257; zuletzt z. B. BFH-Urteile vom 17.05.2018VI R 73/15, BFH/NV 2018, 1249 und vom 12.03.2020 VI R 35/17, BFH/NV 2020, 849). Dass die Finanzverwaltung dies ursprünglich anders gesehen hat, ist irrelevant. Maßgeblich ist das Verständnis des Gesetzes durch die Gerichte.
98
Diese Grundsätze sind im Streitfall anwendbar. J. V. bewirtschaftete die zunächst erwerbswirtschaftlich genutzten Flächen zuerst selbst und verpachtete sie sodann parzellenweise an mehrere Pächter. Ob J. V. in Anbetracht seines Alters den Betrieb nach Ablauf der Pachtverträge selbst noch aktiv bewirtschaften können würde, ist irrelevant. Eine Fortführungsmöglichkeit durch einen Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger ist ausreichend.
99
Der Betriebsvermögenseigenschaft des Grundstücks „B“ steht ‒ anders als der Kläger womöglich meint ‒ auch nicht entgegen, dass bis zum 30.06.1970 keine Bodengewinnbesteuerung stattfand. Vor der Einführung der Bodengewinnbesteuerung wurde der Wert von Grund und Boden zwar nicht in der Gewinnermittlung der Land- und Forstwirte erfasst. Dies schloss jedoch seine Zugehörigkeit zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen vor dem 01.07.1970 nicht aus (BFH-Urteil vom 18.05.2000 IV R 27/98, BFHE 192, 287, BStBl. II 2000, 524). War das Grundstück aber einmal notwendiges Betriebsvermögen gewesen (hier jedenfalls aufgrund der Eigenbewirtschaftung bis 1965), dann behielt es diese Eigenschaft mit Ablauf des 30.06.1970 selbst dann, wenn es zwischenzeitlich zu gewillkürtem Betriebsvermögen geworden sein sollte (BFH-Urteil vom 14.05.2009 IV R 44/06, BFHE 225, 367, BStBl. II 2009, 811). Daher ist von einer Betriebsvermögenseigenschaft des Grundstücks „B“ von der Eigenbewirtschaftung, sodann über den Verpachtungsbeginn und schließlich auch über den 01.07.1970 hinaus auszugehen.
100
2.
101
Die Betriebsvermögenseigenschaft des Grundstücks „B“ konnte damit nur entfallen, wenn in Ansehung dieses Grundstücks eine Entnahmeerklärung vorliegt (BFH-Urteil vom 02.03.1995 IV R 52/94, BFH/NV 1996, 110) oder der Betrieb insgesamt durch Aufgabeerklärung aufgegeben worden ist. Letzteres erfordert eine ausdrückliche, unmissverständliche Erklärung, der zweifelsfrei zu entnehmen ist, dass der betriebliche Organismus erlöschen und die zuvor im Betriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter nunmehr - unter Aufdeckung der stillen Reserven - dem Privatvermögen zuzuordnen sein sollen (BFH-Urteil vom 07.02.2002 IV R 32/01, BFH/NV 2002, 1135; BFH-Beschluss vom 05.07.2006 IV B 91/05, BFH/NV 2006, 2245; BFH-Beschluss vom 04.06.2007 IV B 88/06, BFH/NV 2007, 2088; Senatsurteil vom 13.06.2014 4 K 4560/11 F, EFG 2014, 1668 Rz. 32). Die Feststellungslast für das Vorliegen einer Betriebsaufgabeerklärung trägt grundsätzlich der Steuerpflichtige, da er sich darauf beruft, dass eine Betriebsaufgabe in der Vergangenheit abgegeben wurde und somit einen steuerentpflichtenden Vorgang vorträgt (BFH-Beschluss vom 26.02.2010 IV B 25/09, BFH/NV 2010, 1116; Senatsurteil vom 13.06.2014 4 K 4560/11, EFG 2014, 1668 Rz. 36). Fehlt die Entnahme- bzw. Aufgabeerklärung ist solange von Betriebsvermögen auszugehen, wie dies rechtlich möglich ist (BFH-Urteil vom 15.10.1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl. II 1988, 260).
102
a.
103
Herr J. V. hat eine solche Entnahme- oder Aufgabeerklärung nicht abgegeben.
104
Eine solche Entnahme- oder Aufgabeerklärung kann auch nicht anlässlich der Einführung der Bodengewinnbesteuerung unterstellt („fingiert“) werden. Es ist für eine Entnahme vor dem 01.07.1970 jedenfalls nicht ausreichend, wenn Pachteinnahmen für den Veranlagungszeitraum 1969 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt worden sind. Falls die Finanzverwaltung dies aus „Vertrauensschutzgründen“ anders gesehen haben sollte (Bundesministerium der Finanzen vom 29.02.1972, BStBl. II 1972, 102), so könnte dem jedenfalls nicht gefolgt werden. Wenn der Steuerpflichtige die Einbeziehung verpachteter Grundstücke in die sog. Bodengewinnbesteuerung, die letztlich nur die Verwirklichung des allgemeinen Grundsatzes einer Veräußerungsgewinnbesteuerung bei Gewinneinkünften bedeutet, vermeiden wollte, dann musste er rechtzeitig vor Geltung des neuen Rechts das Grundstück entnehmen bzw. die Betriebsaufgabe erklären. Dies setzt eine ausdrückliche Entnahme- bzw. Aufgabeerklärung voraus. Hierfür reicht die Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht aus, weil es sich dabei nicht um eine unmissverständliche Kundgabe eines Entnahmewillens, sondern gegebenenfalls um eine objektiv unrichtige Einkommensteuererklärung handelt (BFH-Urteil vom 07.02.2002 IV R 32/01, BFH/NV 2002, 1135; BFH-Beschluss vom 04.06.2007 IV B 88/06, BFH/NV 2007, 2088). Die Finanzverwaltung kann auch nicht von dem gesetzlichen Erfordernis einer Entnahme- bzw. Aufgabeerklärung dispensieren. Dessen ungeachtet ist hier auch nicht mehr aufklärbar, wie die Verpachtungseinkünfte vor 1983 behandelt worden sind. Dies geht zu Lasten des insoweit die Feststellungslast tragenden Klägers.
105
b.
106
Auch die Rechtsnachfolgerin von Herrn J. V., Frau S., die den landwirtschaftlichen Verpachtungsbetrieb nach § 6 Abs. 3 EStG unter Aufrechterhaltung der sachlichen Zurechnung der Grundstücke zum Betriebsvermögen nach dessen Tod am 08.05.1977 fortgeführt hat und auf die das Recht zur Erklärung einer Betriebsaufgabe übergegangen ist (BFH-Urteil vom 15.10.1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl. II 1988, 260; Kube in Kirchhof/Seer, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2020, § 13 EStG Rz. 36), hat keine Entnahme- oder Betriebsaufgabeerklärung abgegeben.
107
Vor allem kann in dem Schreiben vom 11.11.1980 keine Betriebsaufgabeerklärung erblickt werden. Es ist zwar möglich, dass sich der Steuerpflichtige bei der Abgabe der Betriebsaufgabeerklärung vertreten lässt. Hier kann allerdings dem Schreiben des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes M-Stadt vom 11.11.1980 nicht der nach dem objektivierten Empfängerhorizont zu bestimmende Erklärungswert entnommen werden, dass der betriebliche Organismus erlöschen und die zuvor im Betriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter nunmehr - unter Aufdeckung der stillen Reserven - dem Privatvermögen zuzuordnen sein sollen. Weder aus dem Betreff „Betriebsaufgabe“ noch aus dem Inhalt des Schreibens lässt sich eine Betriebsaufgabeerklärung herleiten. Namentlich die Passage „Mit Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und Veräußerung des lebenden und toten Inventars zum 01.10.1965 wurden die wesentlichen Grundlagen eines landwirtschaftlichen Betriebes abgegeben, so dass eine Aufgabe im Ganzen anzunehmen ist“ ist aus der objektivierten Empfängerperspektive lediglich als Hinweis auf die damalige Verwaltungsansicht zu verstehen. Es wird ein Sachverhalt beschrieben und hieraus die ‒ sich letztlich als unzutreffend erwiesene ‒ Schlussfolgerung gezogen, dass deshalb längst, nämlich im Jahr 1965, eine Betriebsaufgabe verwirklicht wurde. Diese Erklärung lässt aber nicht erkennen, ob der Steuerpflichtige auch wirklich die Rechtsfolgen einer Betriebsaufgabe ziehen will (also im Jahr 1980 auch die stillen Reserven versteuern will etc.; so auch BFH-Urteil vom 15.10.1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl. II 1988, 260 in einem insoweit weitgehend vergleichbaren Fall).
108
c.
109
Schließlich hat auch der Kläger selbst, auf den mit dem Tod von Frau S. am 00.00.1982 der Verpachtungsbetrieb nach § 6 Abs. 3 EStG übergegangen ist und dem fortan das Aufgabewahlrecht zustand, keine Entnahme- bzw. ‒ was in Bezug auf den geerbten (nicht mit dem selbstbewirtschafteten Betrieb identischen) Betrieb weiterhin möglich war ‒ keine Aufgabeerklärung abgegeben.
110
Insoweit gilt insbesondere das bereits zur Einführung der Bodengewinnbesteuerung Gesagte: Dass Pachteinnahmen in einer Steuererklärung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt werden, was der Kläger hier immerhin unstreitig seit dem Veranlagungszeitraum 1983 für das Grundstück „B“ (und bis zur Veräußerung auch für das Grundstück „N“) getan hat, ist für eine Entnahme- bzw. Aufgabeerklärung nicht ausreichend. Hierin liegt lediglich die Mitteilung des Steuerpflichtigen über tatsächliche Geschehnisse und eine rechtliche Beurteilung, nicht aber ohne Weiteres eine steuerrechtliche Gestaltungserklärung. Die Einordnung der Einnahmen kann auch die Folge einer fehlerhaften steuerrechtlichen Beurteilung sein. Aus diesem Grunde ist zu verlangen, dass neben der Erklärung einer bestimmten Einkunftsart noch weitere Umstände hinzutreten, die auf einen Aufgabewillen schließen lassen (BFH-Urteil vom 15.10.1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl. II 1988, 260; BFH-Beschluss vom 04.06.2007 IV B 88/06, BFH/NV 2007, 2088; FG Münster, Urteil vom 26.04.2018, 6 K 4135/14 F, EFG 2018, 1362 Tz. 79). Hieran fehlt es.
111
3.
112
Die Betriebsvermögenseigenschaft des Grundstücks „B“ setzt sich an dem aufgrund des Tauschvertrages vom 28.09.1984 erworbenen Grundstücks „N“ fort. Denn wird ein Grundstück des Betriebsvermögens gegen ein anderes Grundstück getauscht, so wird das erworbene Grundstück ebenso Betriebsvermögen, und zwar ungeachtet der Frage, wie es nachfolgend genutzt wird. Die Betriebsvermögenseigenschaft folgt aus der betrieblichen Veranlassung des Tauschvorganges und nicht aus der Nutzung (BFH-Urteile vom 09.08.1989 X R 20/86, BFHE 158, 316, BStBl. II 1990, 128 und vom 06.12.2017 VI R 68/15, BFHE 260, 264, BStBl. II 2019, 128). Daher ist der Zugang des angeschafften Gegenstands zum Betriebsvermögen notwendige Folge des betrieblich veranlassten Erwerbs. Im Streitfall wurde das erworbene Grundstück „N“ sogar genauso verpachtet wie das weggetauschte Grundstück „B“. Das Grundstück „N“ hat das weggetauschte Grundstück mithin funktional substituiert und damit seine Funktion im Verpachtungsbetrieb übernommen. Es war daher ebenso notwendiges Betriebsvermögen des Verpachtungsbetriebes wie zuvor auch das sodann weggetauschte Grundstück.
113
4.
114
Eine zwangsweise Betriebsaufgabe ist schließlich auch nicht dadurch eingetreten, dass in den 1980er Jahren die Gebäude der vormaligen Hofstelle abgerissen wurden. Zwar kann die Veränderung und Umgestaltung der zum vormals aktiven Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter zu einer Betriebsaufgabe führen. Dies ist dann der Fall, wenn wegen der Veränderung und Umgestaltung eine identitätswahrende Fortführung des Betriebes nicht mehr möglich ist (statt vieler mit Nachweisen Seer in Kirchhof/Seer, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2020, § 16 EStG Rz. 232). Die Hofstelle mit ihren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden ist allerdings nicht derart prägend für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, dass mit ihrem Wegfall eine identitätswahrende Fortführung unmöglich wird. Nach der Rechtsprechung des BFH kann es nämlich auch land- und forstwirtschaftliche Betriebe ohne Hofstelle geben. Die Hofstelle ist also keine unabdingbareVoraussetzung für die steuerliche Anerkennung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Hieraus hat der BFH für die Betriebsverpachtung den überzeugenden Schluss gezogen, dass es dann auch nicht zur Zwangsaufgabe eines verpachteten Betriebs führen kann, wenn die Hofstelle veräußert wird (BFH-Urteil vom 26.06.2003 IV R 61/01, BFHE 202, 525, BStBl. II 2003, 755). Dies gilt für den hier in Rede stehenden Abriss der Gebäude entsprechend.
115
5.
116
Waren das Grundstück N bzw. die im Hinblick auf Veräußerung und Übertragung zwischenzeitlich verselbständigten Parzellen (Grundstücke: „Flurstück 54“, „Flurstück 52“, „Flurstück 51“ und „Flurstück 53“) somit im Jahr 2012 bzw. 2013 noch Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Verpachtungsbetriebes, führten die Veräußerungen zu Gewinnrealisierungen und die unentgeltliche Übertragung zu einer Entnahme, die ebenfalls zur Aufdeckung der stillen Reserven führte (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
117
Insoweit liegt ein laufender Gewinn i.S.v. § 13 EStG und kein Veräußerungs-/Aufgabegewinn i.S.v. § 14 EStG vor. Denn der Kläger hat nur einen im Verhältnis zur gesamten Verpachtungsfläche (0,3949 ha „A“ und 2,9809 ha Ackerland „N“) kleinen Teil veräußert (Grundstücke Flurstück 51 mit 877 qm = 0,0877 ha; Flurstück 52 mit 841 qm = 0,0841 ha, Flurstück 53 mit 928 qm = 0,0928 ha sowie Flurstück 54 mit 486 qm = 0,0486, insgesamt also 0,3132 ha).
118
Die Ermittlung des Veräußerungs- bzw. Entnahmegewinns steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit, weshalb der Senat hierauf grundsätzlich Bezug nehmen kann. Vorallem ist der Beklagte zu Recht (zu Gunsten des Klägers) davon ausgegangen, dass der Wert des Tauschgrundstücks als Anschaffungskosten des erworbenen Grundstücks („N“) anzusetzen ist, auch wenn anlässlich des Grundstückstausches fehlerhafter Weise keine stillen Reserven besteuert wurden (siehe BFH-Urteil vom 06.12.2017 VI R 68/15, BFHE 260, 264, BStBl. II 2019, 128).
119
Auch in Ansehung der Anwendung des § 6b EStG besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen, weshalb der Senat hierzu keine weiteren Ausführungen machen muss.
120
II.
121
Die Klage ist auch mit dem Hilfsantrag unbegründet.
122
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine abweichende ‒ den Veräußerungs- bzw. Entnahmegewinn eliminierende ‒ Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen noch kann er eine Neubescheidung seines Billigkeitsantrages verlangen. Der Beklagte hat den Erlass-antrag ermessensfehlerfrei abgelehnt (vgl. § 101 Satz 1 FGO).
123
Gemäß § 163 Satz 1 AO kann eine Steuer u.a. dann niedriger festgesetzt werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Die Finanzbehörden können ferner Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre (§ 227 AO). Diese Ermessensentscheidung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle allein nach Maßgabe des § 102 FGO. Das Gericht kann die behördliche Entscheidung nur darauf überprüfen, ob die Vor-aussetzungen einer Ermessensentscheidung vorlagen, die Behörde den der Ermessensausübung zugrunde zu legenden Sachverhalt zutreffend ermittelt, ob sie die Grenzen des Ermessensspielraums beachtet und das Ermessen unter Einbezug der zu berücksichtigenden Umstände ausgeübt hat.
124
Die Unbilligkeit i.S.d. §§ 163, 227 AO kann sich aus persönlichen oder aus sachlichen Gründen ergeben. Sachliche Unbilligkeit kann sich vor allem dann einstellen, wenn schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen enttäuscht wird. So kann die Verdrängung gesetzten Rechts durch eine Billigkeitsmaßnahme ‒ um nichts anderes geht es grundsätzlich bei einer Billigkeitsmaßnahme ‒ dort in Betracht kommen, wo das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. In diesem Zusammenhang verlangt der Grundsatz von Treu und Glauben einen Vertrauenstatbestand, aufgrund dessen der Steuerpflichtige disponiert hat (BFH-Urteil vom 12.03.2020 VI R 35/17, BFH/NV 2020, 849 Rz. 22; ferner Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO Rz. 53 ff. mit umfangreichen Nachweisen). Insoweit kann die Finanzverwaltung den Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften für eine Gruppe von Fällen verallgemeinern und sich damit über Art. 3 Abs. 1 GG selbst binden.
125
1.
126
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Billigkeitsentscheidung nach §§ 163, 227 AO in Verbindung mit den Grundsätzen der Selbstbindung der Finanzverwaltung (statt vieler BFH-Urteil vom 04.02.2010 II R 1/09, BFH/NV 2010, 1244), insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Verfügung der OFD Münster vom 07.01.1991. Der BFH hat zwischenzeitlich entschieden, dass weder die gleichlautenden Ländererlasse vom 17.12.1965, BStBl. II 1966, 34 noch die Verfügung der OFD Münster vom 07.01.1991 geeignet sind, einen (abstrakten) Vertrauensschutz für alle Altfälle der parzellenweisen Verpachtung zu begründen. Zwar könne die Finanzverwaltung auf der Grundlage von §§ 163, 227 AO durchaus abstrakte (gruppenbezogene) Übergangsregelungen schaffen und sich damit in Ansehung des von §§ 163, 227 AO gewährten Ermessens selbst binden. Die hierfür notwendige Unbilligkeit einer späteren Versteuerung von Veräußerungs- und Entnahmegewinnen, wie sie hier im Streitfall in Rede stehen, sei aber nur dann (gruppenbezogen) anzunehmen, wenn die Finanzverwaltung bei Beginn einer parzellenweisen Verpachtung nachteilige steuerliche Folgen aus einer vermeintlichen Zwangsbetriebsaufgabe gezogen hatte. Nur in dieser Fallgruppe könne die Verfügung der OFD Münster vom 07.01.1991 eine gesetzmäßige Billigkeitsregelung abbilden und damit als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung dem Steuerpflichtigen einen Anspruch auf Billigkeitserlass begründen (BFH-Urteil vom 12.03.2020 VI R 35/17, BFH/NV 2020, 849 Rz. 16 ff.). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung des VI. Senats des BFH.
127
Die eine Billigkeitsentscheidung rechtfertigende Konstellation liegt im Streitfall nicht vor. Zur Überzeugung des Senats sind 1965 nicht die Folgen aus der parzellenweisen Verpachtung gezogen worden, die sich konsequenter Weise nach der damaligen Verwaltungsansicht hätten ergeben müssen, nämlich die Aufdeckung der stillen Reserven. Schon das Schreiben des Beklagten vom 18.08.1980, mit dem Frau S. aufgefordert wurde, nähere Angaben zu einer etwaigen Betriebsaufgabe zu machen, dokumentiert, dass die Veranlagungsstelle des Beklagten bis 1980 oder zumindest bis 1979 nicht davon wusste, dass der Betrieb nicht mehr selbstbewirtschaftet wurde. Folgerichtig wurde beim Beklagten im Anschluss an das Schreiben des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes M-Stadt vom 11.11.1980 auch vermerkt, dass wegen Verjährung nichts weiter zu veranlassen ist. Die Bezugnahme auf die Festsetzungsverjährung ergibt nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass die (aus der Perspektive der Finanzverwaltung) zutreffenden steuerlichen Folgen nicht gezogen worden sind und nun auch nicht mehr gezogen werden können. Wenn der Kläger hingegen im Anschluss an das BFH-Urteil vom 12.03.2020 VI R 35/17, BFH/NV 2020, 849 nunmehr erstmals vorträgt, dass der Beklagte durchaus steuerliche Folgen aus der Betriebsaufgabe des Jahres 1965 gezogen habe, es aber mangels Aufgabegewinns nicht zu einer Steuerlast gekommen sei, wird dies ins Blaue hinein behauptet. Hierfür fehlt jeglicher tatsächlicher Anknüpfungspunkt. Vor allem aber fehlt dem Klägervortrag eine Auseinandersetzung mit dem Auskunftsverlangen des Beklagten im Jahr 1980, dessen Anlass sowie der Reaktion beim Beklagten auf die Antwort. Denn alle drei Aspekte sprechen ‒ wie bereits ausgeführt ‒ deutlich gegen die Behauptung des Klägers.
128
2.
129
Der Beklagte hat den Erlass ferner bezogen auf die Umstände des konkreten Einzelfalls ermessensfehlerfrei abgelehnt, indem er festgestellt hat, dass auch jenseits der Verwaltungsvorschriften keine Umstände vorgelegen haben, die eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen würden. Es fehlt an einem anzuerkennenden Vertrauenstatbestand ‒ sei es in der Person eines Rechtsvorgängers, auf den sich der Kläger als Rechtsnachfolger berufen kann, sei es originär in der Person des Klägers.
130
Herr J. V. und zuerst auch Frau S. haben dem Beklagten den Übergang zur parzellenweisen Verpachtung nicht offengelegt, obwohl sie dazu nach damaliger Verwaltungsansicht verpflichtet gewesen wären. Bis 1979/1980 konnte der Beklagte daher schon überhaupt keinen konkret-individuellen Vertrauenstatbestand setzen. Sodann war das Verhalten des Beklagten erst einmal nur durch Passivität geprägt. Er nahm (jedenfalls) ab 1983 Steuererklärungen entgegen, in denen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt wurden, und veranlagte erklärungsgemäß. Dies allein kann keinen konkret-individuellen Vertrauenstatbestand begründen.
131
Etwas anderes gilt auch nicht für die telefonische Auskunft der Veranlagungssachbearbeiterin des Beklagten im Juli 1984. Denn diese hat nicht mehr kundgetan, als dass der Betrieb aufgegeben sei. Diese Aussage war auf der Grundlage der bis dahin von der Rechtsprechung noch nicht als rechtswidrig erkannten Erlasslage jedenfalls aus der Perspektive der Finanzverwaltung folgerichtig. Mit einer konkret-individuellen Auskunft, die inhaltlich lediglich die Anwendung des Erlasses auf den konkret-individuellen Fall zum Gegenstand hat, kann der Beklagte keinen Vertrauenstatbestand setzten, der über den Erlass selbst hinausgeht. Was der Erlass an Vertrauensschutz nicht zu leisten vermag, kann dann auch eine hiermit identische Auskunft bezogen auf den Einzelfall nicht leisten. Abgesehen davon enthielt die Auskunft selbst keine ‒ vom BFH im Urteil vom 12.03.2020 VI R 35/17, BFH/NV 2020, 849 (unter Rz. 23) für einen konkret-individuellen Vertrauensschutz geforderte ‒ „Entscheidung“ über das Vorliegen einer zwangsweisen Betriebsaufgabe und die Auskunft einer Sachbearbeiterin erfüllt auch erkennbar nicht die ‒ seinerzeit zu beachtenden ‒ Voraussetzungen einer verbindlichen Auskunft oder Zusage auf der Grundlage von Treu und Glauben.
132
Dessen ungeachtet hat der Kläger in Bezug auf die damals avisierte Disposition, nämlich den Grundstückstausch, im Ergebnis sogar Vertrauensschutz erhalten. Denn die bis dahin im Grundstück „B“ angesammelten stillen Reserven sind nicht versteuert worden, obwohl dies bei objektiv richtiger Rechtsanwendung hätte erfolgen müssen. Diese Nichtversteuerung wirkt bis heute fort, weil sie aufgrund der (zutreffenden) Berechnung der Anschaffungskosten des erworbenen Grundstücks „N“ nicht mehr in die Berechnungsgrundlagen für den Veräußerungs- bzw. Entnahmegewinn einfließen können. Jenseits dieser tatsächlich vollzogenen Disposition ist bisher nicht vorgetragen worden, dass der Kläger gerade im Vertrauen auf die im Juli 1984 erteilte Auskunft weitere Dispositionen getroffen hat, die er ohne die Auskunft nicht getroffen hätte. So ist nicht vorgetragen worden, dass er ohne die Auskunft anderenfalls die Betriebsaufgabe erklärt hätte, um ‒ unter Inkaufnahme einer Aufgabegewinnversteuerung ‒ die Entstehung weiterer steuerverstrickter stiller Reserven zu vermeiden.
133
Aber selbst wenn man ‒ entgegen der Ansicht des erkennenden Senats ‒ die telefonische Auskunft ausreichen lassen wollen würde, um einen ausreichenden Vertrauenstatbestand des Klägers zu begründen, so könnte dieser allenfalls bis Anfang 1988 anzuerkennen gewesen sein. Denn nach Ansicht des erkennenden Senats konnte sich ‒ von den bereits unter II. 1. genannten Fallkonstellationen einer bereits tatsächlich erfolgten Aufgabegewinnbesteuerung abgesehen ‒ ab der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 15.10.1987 IV R 66/86 (BFHE 152, 62, BStBl. II 1988, 260) kein konkret-individuelles Vertrauen mehr dahingehend bilden, dass aus der Betriebsvermögenseigenschaft der parzellenweise verpachteten Grundstücke in der Zukunft nicht die rechtlich zutreffenden Konsequenzen gezogen werden. Denn letzteres stand im direkten Widerspruch zu der Entscheidung des BFH. Daher kommt es nicht darauf an, ob anlässlich der verschiedenen Betriebsprüfungen bzw. den nachfolgenden Veranlagungshandlungen konkret-individuelle Vertrauenstatbestände begründet worden sind. Solche kann der erkennendeSenat im Übrigen auch nicht erkennen. Selbst wenn die Betriebsprüfer und die Veranlagungsbeamten immer die Privatvermögenseigenschaft des Grundstücks „B“ und „N“ unterstellt haben sollten, so gilt allerdings wiederum das bereits in Bezug auf das Telefonat im Jahr 1984 Gesagte: Es ist nicht ersichtlich, warum das nachfolgende Prüfungs- und Veranlagungsverhalten des Beklagten in Ansehung des Vertrauensschutzes eine andere Qualität haben soll als die abstrakt-generelle Aussage in der Verfügung der OFD Münster vom 07.01.1991. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass auch hierin keine „Entscheidung“ über das Vorliegen einer zwangsweisen Betriebsaufgabe gesehen werden kann und es kein Vertrauen in eine Steuerfreiheit von stillen Reserven bei einer tatsächlich nicht erfolgten (zwangsweisen) Betriebsaufgabe gibt und kein Vertrauen darauf, dass eine überkommene fehlerhafte Rechtsansicht der Verwaltung dem Steuerpflichtigen gegenüber immerwährend Bestand hat (vgl. BFH-Urteil vom 12.03.2020VI R 35/17, BFH/NV 2020, 849).
134
III.
135
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
136
Der Senat lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO zu. Im Anschluss an das BFH-Urteil vom 12.03.2020 VI R 35/17, BFH/NV 2020, 849 ist noch die Frage klärungsbedürftig, ob konkret-individueller Vertrauensschutz zu gewähren sein kann, wenn durch konkrete Auskünfte eine für sich betrachtet keinen Vertrauensschutz gewährende abstrakt-generelle Verwaltungsvorschrift lediglich auf den Einzelfall angewendet wird.