Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

19.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223563

Finanzgericht Münster: Urteil vom 20.05.2021 – 5 K 730/19 U

Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



Tenor:

Die Umsatzsteuerbescheide für 2015 und 2017 vom 31.07.2018, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019, werden aufgehoben. Der Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 20.07.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer auf xx€ herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 92 % und der Kläger zu 8 %.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
 
1

Tatbestand:
2

Streitig ist die Steuerbarkeit und Steuerpflichtigkeit der Übernahme der seelischen Versorgung der Bewohner eines Altenheims.
3

Der Kläger ist eine im Jahr 19xx gegründete landeskirchliche Gemeinschaft in Form eines eingetragenen, als gemeinnützig anerkannten Vereins. Der Kläger ist Mitglied im Y Gemeinschaftsverband, welcher als Dachverband zugleich als innerkirchliches, freies Werk der B Kirche von Y anerkannt ist. Über die Mitgliedschaft im Y Gemeinschaftsverband ist der Kläger im B … Gemeinschaftsverband organisiert, der als Dachorganisation verschiedener Verbände im Rahmen der landeskirchlichen Gemeinschaftsbewegung in Deutschland, P und in O gilt. In diesem … Verband sind neben Gemeinschaftsverbänden auch Diakonissenmutterhäuser, diverse Auslandsmissionen und auch Bibelschulen organisiert. Landeskirchliche Gemeinschaften sind Zusammenschlüsse im Wesentlichen von Mitgliedern verschiedener B Landeskirchen, die ihre Wurzeln im Pietismus und in der Erweckungsbewegung haben.
4

In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts gründete der Kläger ein Altenheim „C“, in X, und trat dem Diakonischen Werk bei. Das Altenheim „C“ wurde über Jahrzehnte hinweg durch die Mitarbeiter des Klägers geistlich betreut durch das Abhalten von Gottesdiensten, Bibelstunden und Einzelseelsorge.
5

Der Kläger fasste am 15.05.2014 seine ursprüngliche Satzung neu. Es wird auf die Satzung des Klägers Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 30 ff.).
6

Mit Vertrag vom 27.02.2008 (Urkundenrolle Nr. xxx/2008) veräußerte der Kläger das Altenheim „C“ mit den dazugehörigen Grundstücken an die Stiftung W in Y (W). Die W übernahm die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schulden in Höhe von knapp 3 Millionen € und zahlte darüber hinaus 1 Million € als Kaufpreis. Des Weiteren wurde eine schriftliche Vereinbarung getroffen, nach der der Kläger weiterhin die seelische Versorgung der Bewohner des Altenheims mithilfe von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern durch Gottesdienste, Bibelstunden, Bibelgruppen und einzelne Seelsorge aufrechterhalten sollte. Zur Unterstützung der theologischen Arbeit des Klägers wurde vereinbart, dass die W monatliche Nettozahlungen von xx€ an den Kläger vornimmt. Die Vereinbarung sollte für eine Laufzeit von 20 Jahren gelten. Es wird auf die Vereinbarung Bezug genommen (Vertragsakte).
7

Der Kläger ordnete in den Streitjahren seine Einnahmen dem Bereich Vermögensverwaltung und dem ideellen Bereich (z.B. Spenden, Kollekten, Zuschüsse, Erstattung Personalkosten), dem Zweckbetrieb (Freizeiten, Veranstaltungen und Fortbildungen, Büchertisch) und dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb („C-Vertrag“, Feste, Privatfahrten Auto) zu. Die Nettoerlöse „C-Vertrag“ betrugen:
8

2014                            xx €
9

2015                            xx €
10

2016                            xx €
11

2017                            xx €.
12

Nach den Aufzeichnungen des Klägers ergaben sich folgende Gesamtumsätze seiner vier Tätigkeitsbereiche:
13
    

2014
    

2015
    

2016
    

2017

Vermögens-verwaltung
    

xx €
    

xx €
    

xx €
    

xx €

Ideeller Bereich
    

xx €
    

xx €
    

xx €
    

xx €

Zweckbetrieb
    

xx €
    

xx €
    

xx €
    

xx €

Wirtschaftl. Geschäftsbetr.
    

xx €
    

xx €
    

xx €
    

xx €
14

Der Kläger machte in den Streitjahren 2015 bis 2017 von der Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) Gebrauch, so dass keine Umsatzsteuer erhoben wurde.
15

Bei dem Kläger fand in 2018 eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Jahre 2014-2017 statt.
16

Zum „C-Vertrag“ führte der Kläger im Rahmen der Prüfung an, dass er die Erlöse hieraus nur fälschlich als solche aus steuerpflichtigem wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb erfasst habe. Tatsächlich seien diese Umsätzen als Personalgestellung durch geistliche Vereinigungen nach § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei. Berichtigte Erklärungen gab der Kläger jedoch nicht ab.
17

Der Umsatzsteuersonderprüfer kam zu dem Ergebnis, dass ab dem Jahr 2015 die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung nicht vorliegen würden. Die im Zweckbetrieb erklärten Freizeiten und der Büchertisch seien dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen. Die Veranstaltungen und Fortbildungen würden dem Regelsteuersatz und nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a Satz 3 UStG unterfallen. Hinsichtlich des laufenden „C-Vertrags“ handele es sich um Umsätze im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Die Personalgestellung sei steuerbar und nicht nach § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG steuerbefreit, weil der Kläger nicht zum begünstigten Personenkreis gehöre. Insgesamt betrage die Summe der steuerpflichtigen Bruttoumsätze aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb für die Prüfungszeiträume:
18
    

2014
    

2015
    

2016
    

2017

Feste
    

xx €
    

xx €
        

Privatfahrten Auto
        

xx €
        

„C-Vertrag“
    

xx €
    

xx €
    

xx €
    

xx €

Büchertisch
        

xx €
    

xx €
    

Freizeiten
    

xx €
    

xx €
    

xx €
    

xx €

Summe brutto
    

xx €
    

xx €
    

xx €
    

xx €

Summe netto
    

xx €
    

xx €
    

xx €
    

xx €
19

Außerdem seien aus den Zweckbetrieben Veranstaltungen und Fortbildungen Nettoumsätze zu 7% Umsatzsteuer in Höhe von xx € (2015), xx € (2016) und xx € (2017) zu berücksichtigen.
20

Demnach seien die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 nicht mehr erfüllt. Wegen der Prüfungsfeststellungen im Einzelnen wird auf den Prüfungsbericht vom 22.06.2018 Bezug genommen.
21

Der Beklagte folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende erstmalige Umsatzsteuerbescheide für 2015 und 2017 vom 31.07.2018 und für 2016 vom 20.07.2018. Die Umsatzsteuer wurde auf xx € (2015), xx € (2016) und xx € (2017) festgesetzt.
22

Hiergegen legte der Kläger am 20.08.2018 Einsprüche ein. Die Umsätze aus dem „C-Vertrag“ seien mangels synallagmatischen Verhältnisses zwischen Leistung und Zahlung nicht steuerbar, zumindest aber nach § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG steuerfrei.
23

Am 07.03.2019 hat der Kläger Untätigkeitsklage nach § 46 Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Umsatzsteuer 2015 bis 2017 erhoben.
24

Mit Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Die erzielten Erlöse des W seien zu Recht als umsatzsteuerpflichtige Umsätze aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers berücksichtigt worden. Gemäß § 58 Nr. 4 Abgabenordnung (AO) dürfe ein gemeinnütziger Verein zwar seine Arbeitskräfte anderen Personen, Unternehmen oder Einrichtungen für steuerbegünstigte Zwecke zur Verfügung stellen. Dies sage aber noch nichts darüber aus, ob die Zurverfügungstellung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründe oder nicht. Im Streitfall führe die entgeltliche Personalgestellung zu einem steuerbaren und steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Zwischen Leistung und Zahlung bestehe eine enge wirtschaftliche Verknüpfung, weil sich der Zahlende einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil verspreche. Mit der ab 2015 geltenden Fassung des § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG habe der Gesetzgeber weitgehend die Formulierung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. k der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) übernommen. Unter den Begriff der religiösen und weltanschaulichen Einrichtungen würden alle Einrichtungen fallen, die den Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG) und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) in Anspruch zu nehmen berechtigt seien. Es komme nicht darauf an, ob die Einrichtung die Verkündung oder Verbreitung bestimmter religiöser oder weltanschaulicher Ansichten zum Ziel habe oder ob der Hauptzweck der Einrichtung in unmittelbar u.a. mit der Religionsausübung zusammenhängenden Tätigkeiten bestehe (BR-Drucks. 184/14, S. 95). Damit seien die in § 2 der Satzung des Klägers genannten Zwecke nicht maßgeblich. Der Kläger gehöre nicht zum begünstigten Personenkreis.
25

Der Kläger hat seine Klage wie folgt begründet:
26

Die W habe sich bereit erklärt, die geistliche Arbeit des Klägers über einen Zeitraum zu unterstützen, ohne dass es zwischen den Vereinbarungen ein Synallagma gegeben habe. Damit fehle es bereits an einem Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuerrechts.
27

Selbst wenn ein steuerbarer Vorgang vorliegen sollte, seien die Umsätze nach § 4 Nr. 27 Buchst. a letzte Alternative UStG steuerfrei. Es handele sich um Tätigkeiten zum Zwecke des geistigen Beistands. Er, der Kläger, sei zudem eine religiöse oder weltanschauliche Einrichtung. Als Landeskirchliche Gemeinschaft sei er ein Musterbeispiel einer religiösen Vereinigung ohne Körperschaftsstatus in Form eines Vereins, der dadurch auch über die Weimarer Reichsverfassung als religiöse Vereinigung geschützt sei. Die Aufzählung der begünstigten Einrichtungen in der Gesetzesbegründung sei nicht vollständig und habe keinen Ausschließlichkeitsstatus. Letztlich sei auch eine unionsrechtskonforme Auslegung erforderlich. Zur damals noch unmittelbaren Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. k MwStSystRL habe der Bundesfinanzhof (BFH) ausführlich dargelegt, wieso Gemeinschaften hinsichtlich der Gestellung von geistlichem Beistand befreit seien. Dies sei im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung direkt anzuwenden und führe zur Steuerbefreiung.
28

Der Kläger sei aus einem Zusammenschluss von mehreren zum Großteil nichtrechtsfähigen Gemeinschaften entstanden. Er habe mit seinem Dachverband schon vor Jahrzehnten eine entsprechende Regelung zu Art. 165 und 166 der Kirchenordnung der B Landeskirche von Y getroffen, die überarbeitet worden sei. Die aktuelle Version der Verabredung sei von der Landeskirche am xx.xx.2019 verabschiedet worden (Gerichtsakte Bl. 88 ff.).
29

Er sei (noch) nicht Voll-Gemeinde im Rahmen der verfassten B Kirche. Die B Kirche in Y sei bereits seit mehreren Jahren in Überlegungen, ob Gemeinschaften und ähnlichen Verbünden von Mitgliedern der B Kirchen nicht ein kirchenrechtlicher Status einer Gemeinde mit besonderer Aufgabenstellung zuerkannt werde. Selbst wenn der Kläger diesen Status noch nicht erreicht habe, sei aufgrund der Satzung und des Gemeindeprofils davon auszugehen, dass es sich beim Kläger um eine religiöse Einrichtung handele. Der Kläger sei wie Diakonissenmutterhäuser und ähnliche Einrichtungen in einem Dachverband organisiert.
30

Der Grundsatz der WRV sei nicht der Grundsatz der verfassten Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern der des Vereins nach dem bürgerlichen Recht. Die in den Raum gestellte Frage des Beklagten, ob man eine Werkseigenschaft aus der Mitgliedschaft eines Dachverbandes schließen könne, sei etwas kurz geraten. Ein solcher Rechtsgrundsatz existiere nicht. Es existiere im Recht der B Kirche die Verordnung über die Zuordnung diakonischer Einrichtungen zur B Kirche von Y ‒ Zuordnungsverordnung (ZuVo) ‒ vom 13.12.2007, welche die Frage regele, wann eine Vereinigung ein Werk im Sinne der Kirche und damit Teil der Kirche sei. Dies sei unter dem Punkt 798.2 der kirchenrechtlichen Sammlung zu finden (…). § 3 ZuVo „Zuordnungsentscheidung“ laute:
31

„(1) Die Zuordnung erfolgt durch eine förmliche Entscheidung. Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine kirchliche Zuordnung.
32

(2) Im Regelfall trifft das Diakonische Werk Z e.V. (Diakonisches Werk) für die EKvW die kirchliche Zuordnungsentscheidung durch Aufnahme der betreffenden Einrichtung als Mitglied.
33

(3) Darüber hinaus kann eine Zuordnung durch oder auf Grund dieser Verordnung zwischen der EKvW und der diakonischen Einrichtung im Einzelfall erfolgen. Das Diakonische Werk ist rechtzeitig in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.
34

(4) Ob ein Werk oder eine Einrichtung die Kennzeichen nach § 2 dieser Richtlinie erfüllt, bemisst sich anhand einer Gesamtschau der Zuordnungsvoraussetzungen in § 4 dieser Richtlinie.
35

(5) Bei Wegfall der Grundlage für die Zuordnungsentscheidung kann die Zuordnung aufgehoben werden.“
36

Aus § 3 Abs. 2 ZuVo ergebe sich, dass er, der Kläger, durch die Aufnahme in das Diakonische Werk direkt Werk der B Kirche gewesen sei. Zwar habe er die Mitgliedschaft beim Diakonischen Werk Z e.V. zum Ablauf des xx.xx.2016 beendet, doch sei eine Aufhebung der Zuordnung, wie sie gemäß § 3 Abs. 5 ZuVo explizit hätte erfolgen müssen, nicht erfolgt. Insofern habe ihm das Landeskirchenamt der B Kirche in Y mit Schreiben vom xx.xx.2019 ‒ auf welches hier Bezug genommen wird (Gerichtsakte Bl. 108) ‒ bestätigt, dass sowohl aus zuordnungsrechtlicher Sicht nach der ZuVo als auch nach dem kirchlichen Selbstverständnis die Zuordnung zur B Kirche von Y fortbestehe. Der Kläger führt hierzu weiter aus, dass er damit Werkseigenschaft im Sinne der Kirchengesetze habe. Als Werk der Kirche sei er Teil der Kirche und somit zweifelsohne als religiöse Einrichtung im Sinne von § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG anzusehen. Im Übrigen folge die religiöse Eigenschaft einer Einrichtung nicht allein aus formellem Grund, sondern auch aufgrund tatsächlicher Handlung. Die seelsorgerische Betreuung sei Teil der Satzung des Klägers.
37

Die Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen aus dem „C-Vertrag“ ergebe sich zudem aus § 4 Nr. 18 UStG.
38

Im Übrigen seien zur Einzelseelsorge ähnliche Leistungen wohl die Tätigkeit eines Psychotherapeuten und eines Trauerredners. Das streitige Entgelt, welches hier bei ca. 50 € pro Stunde vereinbart sei, liege weit unter den Sätzen, die ein Psychotherapeut oder Trauerredner abrechnen könne.
39

Der Kläger beantragt,
40

die Umsatzsteuerbescheide für 2015 und 2017 vom 31.07.2018 und für 2016 vom 20.07.2018 sowie die Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 aufzuheben.
41

Der Beklagte beantragt,
42

die Klage abzuweisen.
43

Er ist der Auffassung, dass die Umsätze aus dem „C-Vertrag“ nicht gemäß § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG steuerbefreit sind. Der Kläger gehöre nicht zu dem von dieser Befreiungsvorschrift begünstigten Personenkreis, zu dem z.B. die Kirchen in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, geistige Genossenschaften oder Mutterhäuser fielen. Keine andere Schlussfolgerung sei aus den Mitgliedschaften des Klägers zu ziehen. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung seien ausschließlich im Hinblick auf die jeweilige Einrichtung, hier den Kläger, zu prüfen. Daher könne auch eine Verabredung zwischen der B Kirche von Y und dem … Gemeinschaftsverband vom xx.xx.2019 für die Beurteilung beim Kläger keine Relevanz haben.
44

Darüber hinaus sei im Schriftsatz des Klägers an den Beklagten vom 05.09.2018 mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, einzelne Gemeinschaften ‒ wie auch den Kläger ‒ als Personalgemeinde näher in die Kirche einzubinden, was jedoch aufgrund kirchenrechtlicher Hürden bisher noch nicht geschehen sei. Der Kläger, der dadurch nicht als Kirche in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts habe eingetragen werden können, erfülle folglich nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 27a UStG.
45

Die Sache ist am 20.05.2021 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Es wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
46

Entscheidungsgründe:
47

Die zulässige Klage ist begründet.
48

I. Die Klage ist zulässig.
49

Die Zulässigkeit der ursprünglich als Untätigkeitsklage erhobenen Klage kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil die Klage durch das Ergehen der Einspruchsentscheidung jedenfalls in die Zulässigkeit erwachsen ist. Wird im Laufe eines Klageverfahrens nach § 46 Abs. 1 FGO der Einspruch zurückgewiesen, wird das Klageverfahren fortgesetzt. Die Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 ist zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
50

II. Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
51

Die Umsatzsteuerbescheide für 2015 und 2017 vom 31.07.2018 und für 2016 vom 20.07.2018, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Kläger führte hinsichtlich des „C-Vertrags“ umsatzsteuerfreie Leistungen aus und unterlag in den Streitjahren 2015 und 2017 als Kleinunternehmer auch insgesamt nicht der Umsatzbesteuerung. Für das Streitjahr 2016 findet die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG jedoch keine Anwendung, so dass Umsatzsteuer erhoben wird.
52

1. Leistungen „Altenheim C“
53

Der Kläger führte an die W steuerbare, aber nach § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG steuerbefreite Leistungen in Form einer seelsorgerischen Tätigkeit aus.
54

a) Die Leistungen „Altenheim C“ sind steuerbar. Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
55

Der Kläger hat in Ausführung seiner Verpflichtungen aus dem „C-Vertrag“ sonstige Leistungen gegenüber der W erbracht, welche in der seelsorgerischen Versorgung der Bewohner des Altenheims C bestanden. Hierdurch hat die W einen „verbrauchsfähigen“ Vorteil erlangt.
56

Diese Leistungen erfolgten auch gegen Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs. Nach ständiger EuGH- und BFH-Rechtsprechung setzt eine „Leistung gegen Entgelt“ das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einer Leistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraus. Dazu muss zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (EuGH-Urteile vom 03.03.1994, C-16/93, Tolsma, HFR 1994, 357, Rz 13 und 14; vom 02.06.2016, C-263/15, Lajver, HFR 2016, 665, Rz 26; BFH-Urteile vom 10.07.1997, V R 94/96, BStBl II 1997, 707; vom 14.03.2012, XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667, Rz 52; vom 12.08.2015, XI R 43/13, BStBl II 2015, 919, Rz 25; vom 02.08.2018, V R 21/16, BStBl II 2019, 339, Rn. 22).
57

In § 1 Abs. 2.1 des mit W geschlossenen notariell beglaubigten Vertrags war vereinbart, dass die W an den Kläger monatlich einen Betrag von xx€ netto „zur Unterstützung der theologischen Arbeit“ zahlt. Dass diese finanzielle Unterstützung nur im Hinblick auf die von der W in Anspruch genommene seelsorgerische Arbeit des Klägers im Altenheim C gezahlt wird, wird aus den weiteren vertraglichen Vereinbarungen deutlich. Der Betrag von xx € war ausweislich § 1 Abs. 2.1 offenbar an der aktuellen Fassung des BAT-KF ausgerichtet und sollte bei Änderung des BAT-KF oder dessen Nachfolgeregelung um den Prozentsatz einer näher bestimmten tariflichen Gehaltssteigerung angepasst werden. Der Senat geht davon aus, dass sich die Höhe des von der W monatlich zu zahlenden Betrags damit an der zehnstündigen Wochenstundenanzahl ausrichtete, zu der sich der Kläger zu einer seelsorgerischen Unterstützungstätigkeit verpflichtet hatte. Allein die Aufnahme des Passus in § 1 Abs. 1 der Vereinbarung, dass die Inanspruchnahme der seelsorgerischen Versorgung unabhängig von der finanziellen Regelung jederzeit mit einer Frist von drei Monaten durch die W kündbar ist, kann das bestehende Gegenseitigkeitsverhältnis, das Synallagma von Leistung und Gegenleistung, nicht beseitigen. Denn nach den weiteren vertraglichen Vereinbarungen hat das Eine nicht ohne das Andere Bestand. Kündigt die W die seelsorgerische Versorgung mit einer Frist von drei Monaten (§ 1 Abs. 1 der Vereinbarung), hat sie zugleich die Möglichkeit, mit einer ebenfalls dreimonatigen Frist die laufende finanzielle Unterstützung bei Zahlung eines Wertausgleichs einzustellen (§ 1 Abs. 2.3 der Vereinbarung). Kündigt der Kläger die seelsorgerische Versorgung mit einer Frist von drei Monaten, läuft zum gleichen Zeitpunkt die laufende finanzielle Unterstützung seitens der W ohne Berechnung eines Wertausgleichs aus (§ 1 Abs. 2.2 der Vereinbarung).
58

b) Die nach dem „C-Vertrag“ geschuldeten Leistungen des Klägers sind gemäß § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG steuerfrei.
59

Nach § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung ist umsatzsteuerfrei die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für die in § 4 Nr. 14 Buchst. b, Nrn. 16, 18, 21, 22 Buchst. a, 23 und 25 UStG genannten Tätigkeiten und für Zwecke geistigen Beistands. Unionsrechtlich beruht die Vorschrift auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. k MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für die in den Buchst. b, g, h und i des Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL genannten Tätigkeiten und für Zwecke geistlichen Beistands von der Steuer.
60

(1) Der Kläger erbringt, das wird auch vom Beklagten nicht bestritten, nach § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG begünstigte Leistungen, welche in der Gestellung von Personal für Zwecke des geistlichen Beistands liegen. Denn der Kläger übernimmt die seelsorgerische Versorgung des Altenheims C im Umfang von 10 Wochenstunden durch Gottesdienste, Bibelstunden, Bibelgruppen und Einzelseelsorge.
61

(2) Der Kläger fällt zudem in den persönlichen Anwendungsbereich des § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG. Begünstigt werden hiernach „religiöse und weltanschauliche Einrichtungen“. Der Kläger ist eine solche religiöse Einrichtung im Sinne der Befreiungsvorschrift.
62

Zunächst ist der Kläger eine „Einrichtung“ im Sinne der Vorschrift. § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG hat zur Umsetzung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. k MwStSystRL den Begriff der „Einrichtung“ übernommen. „Einrichtungen“ sind hierbei auch privatrechtlich organisierte Einrichtungen (EuGH-Urteile vom 07.09.1999, C-216/97, Gregg, HFR 1999, 1035; vom 21.01.2016, C-335/14, Les Jardins de Jouvence, HFR 2016, 287).
63

Der Kläger ist auch als „religiöse“ Einrichtung anzusehen. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 4.27.1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Umsatzsteuer-Anwendungserlass ‒ UStAE) und hier des Beklagten zu folgen ist, dass unter den Begriff der religiösen und weltanschaulichen Einrichtung nur Einrichtungen fallen, die den Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV in Anspruch zu nehmen berechtigt sind. Denn selbst wenn man den vom Gesetzgeber in § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG verwendeten, aber nicht legaldefinierten Begriff der religiösen Einrichtung im Sinne der Finanzverwaltung einschränkt, obwohl dies weder eine Wortlautauslegung noch eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift ergeben dürfte und eine Auslegung im Lichte der unionsrechtlichen Grundlage des Art. 132 Abs. 1 Buchst. k MwStSystRL erst recht keine Grundlage hierfür bietet, ist der Kläger eine hiernach begünstigte „religiöse Einrichtung“.
64

(aa) Der Kläger kann dem Gesetzeswortlaut nach als religiös angesehen werden. Das Wort „religiös“ ist das Adjektiv zum Hauptwort Religion und bezieht sich nach dem vorherrschenden Verständnis darauf, dass Menschen ihr Handeln an den Grundlagen ihres jeweiligen Glaubens, etwa an den von Gott gegebenen Grundlagen ausrichten. Eine neutrale Bedeutung des Begriffes bezieht sich ausschließlich auf die Ableitung von Normen aus den Vorstellungen einer Religionsgemeinschaft, ohne diese im Einzelfall moralisch zu werten (vgl. Quelle: https://definition-online.de).
65

Ausweislich der Satzung des Klägers verfolgt dieser kirchliche und damit religiöse Zwecke. Der Verein will nach § 2 Buchst. c der Satzung u.a. durch die Verkündigung des Evangeliums Menschen zum lebendigen Glauben an Jesus Christus rufen, in Gottesdiensten und Kleingruppen etc. Hilfe zum christlichen Leben geben und zur Festigung und Vertiefung des Glaubens führen und das Zeugnis des Evangeliums ausbreiten.
66

Der Kläger ist zudem Mitglied des … Gemeinschaftsverbands, der als Dachverband zugleich als innerkirchliches, freies Werk der B Kirche von Y anerkannt ist. Der … Gemeinschaftsverband ist wiederum Mitglied des … Gemeinschaftsverbands, der als Dachorganisation verschiedener Verbände im Rahmen der landeskirchlichen Gemeinschaftsbewegung in Deutschland, P und in O gilt. Die Struktur um den … Gemeinschaftsverband als Dachorganisation ist neben der verfassten Kirche die größte freie Bewegung in der B Kirche Deutschland (D).
67

Aus dem Profil des Klägers (Stand Frühjahr 2015, Gerichtsakte Bl. 49 ff.) als Teil der Untergliederung der freien Bewegung im D geht dessen religiöser Ansatz durchgängig deutlich hervor. Der Kläger ist zwar keine Gemeinde im kirchenrechtlichen Sinne, versteht sich aber als „Gemeinde“ nach dem biblischen Verständnis (Profil, S. 4, Gerichtsakte Bl. 52). Er ist in vielfältiger Gestalt innerhalb der B Kirche engagiert. Er bietet nicht nur Begegnungsorte, sondern ergänzt in einigen Orten generationenübergreifend auch das Gemeindeleben innerhalb der örtlichen Kirchengemeinden. Geistliche Grundlage der Arbeit des Klägers sind im Profil, Seite 5, im Einzelnen aufgeführte, zweifellos religiöse Schriften. Das Bekenntnis ist ein christliches (Profil, Seite 5, Gerichtsakte Bl. 53). Der Kläger sieht seinen Auftrag aus den Worten Jesu resultierend und möchte eine Gemeinde führen, die von diesem Auftrag geleitet wird, von Gott gewollt und gesegnet wird (Profil, Seite 6, Gerichtsakte Bl. 54). Der Kläger möchte Menschen jeden Alters einladen, Jesus kennenzulernen (Profil, Seite 7, Gerichtsakte Bl. 55). Den Gemeindemitgliedern werden vielfältige Programme zur Begegnung und zum christlichen Austausch geboten (Profil, Seiten 7 und 8, Gerichtsakte Bl. 55 f.).
68

Auch aus dem Schreiben der B Kirche von Y vom xx.xx.2019 (Gerichtsakte Bl. 108) wird die religiöse Ausrichtung des Klägers hinreichend deutlich. Dort wird ausgeführt, dass der Kläger seit langer Zeit nach kirchlichem Selbstverständnis als landeskirchliche Gemeinschaft der B Kirche von Y als zugehörig anerkannt ist, was sich auch aus § 3 ZuVo ergeben würde. Auch aus der Homepage des Klägers geht dessen religiöse Ausrichtung deutlich hervor.
69

(bb) Die Begünstigung des Klägers in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins entspricht auch dem Sinn und Zweck der Befreiungsnorm, wonach privat-rechtlich organisierte religiöse und weltanschauliche Einrichtungen den öffentlich-rechtlichen Organisationen, welche bereits keine gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbaren Umsätze bewirken, gleichgestellt werden sollen (Kulmsee, in Reiß/Kraeusel/Langer § 4 Nr. 27 UStG, Rz. 8).
70

(cc) Außerdem folgt die Begünstigung des Klägers aus einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG. Die ab dem 01.01.2015 geltende Neufassung des § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG erfolgte, um eine Unionsrechtskonformität mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. k MwStSystRL herzustellen (BMF-Schreiben vom 03.09.2020, III C 3 - S 7187/20/10002:001, UR 2020, 858; Handzik, in Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 27 Rn. 10a). Dementsprechend hat sich der Gesetzgeber bei der Neufassung eindeutig an den Wortlaut der MwStSystRL gehalten.
71

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die in Art. 132 MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiungen autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindern sollen (vgl. EuGH-Urteile vom 28.01.2010, C-473/08, Eulitz, UR 2010, 174; vom 14.06.2007, C-434/05, Horizon College, UR 2007, 587; vom 14.06.2007, C-445/05, Werner Haderer, UR 2007, 592). Nach den Grundsätzen des EuGH (Urteil vom 28.11.2013, C 319/12, MDPP, DB 2014, 37 m.w.N.) sind die Begriffe, mit denen die in Art. 132 MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiungen bezeichnet sind, eng auszulegen, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Steuerbefreiungen verfolgt werden und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht.
72

Der Begriff der „religiösen und weltanschaulichen Einrichtung“, den der Gesetzgeber aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. k MwStSystRL zur Umsetzung der Richtlinienbestimmung in nationales Recht übernommen hat, ist nach den vorstehenden Grundsätzen einer eigenständigen Auslegung im Lichte des Unionsrechts zuzuführen. Diese kann nicht im nationalen Kontext unter Rückgriff auf die religionsverfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 4 Abs. 1 und 2, 140 GG iVm Art. 137 WRV gesehen werden, da dies eine Anknüpfung an nationale Vorschriften darstellt, die in anderen Mitgliedstaaten keine Anwendung finden. Eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems könnte durch einen Rückgriff auf die religionsverfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 4 Abs. 1 und 2, 140 GG i.V.m Art. 137 WRV damit nicht verhindert werden.
73

Zwar ist nur der EuGH rechtlich in der Lage, die Vorschriften des Unionsrechts einer Auslegung zuzuführen, wozu der EuGH hinsichtlich des Begriffs der religiösen Einrichtung (noch) keine Gelegenheit hatte. Doch ist der Senat überzeugt, dass die deutlich und uneingeschränkt christliche Ausrichtung des Klägers auch dessen Begünstigung im Lichte des Unionsrechts bedingt.
74

(dd) Die Anerkennung des Klägers als religiöse und damit als begünstigte Einrichtung entspricht auch dem unionsrechtlich verankerten Neutralitätsgebot des Mehrwertsteuerrechts, wonach Wirtschaftsteilnehmer, die untereinander im Wettbewerb stehende Umsätze tätigen, umsatzsteuerrechtlich gleichbehandelt werden müssen (EuGH, Urteil vom 06.11.2003, C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung für klinische Psychologie, HFR 2004, 70, Rz. 44). Dies erfordert, dass für privatrechtliche Einrichtungen in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung als begünstigte Einrichtung gelten müssen.
75

(ee) Selbst wenn der Kläger nicht in den Schutzbereich des Art. 137 WRV fallen würde, hätte dessen Begünstigung auch unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes Bestand. Denn auch dann wäre der Kläger Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG, so dass das Neutralitätsgebot der Umsatzsteuer auch ihm gegenüber grundsätzliche Geltung finden muss. Dies entspräche zudem dem Zweck der Befreiungsnorm, privat-rechtlich organisierte religiöse und weltanschauliche Einrichtungen den öffentlich-rechtlichen Organisationen steuerlich gleichzustellen. Durch eine Anknüpfung an Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV, wie sie die Finanzverwaltung und hier der Beklagte voraussetzt, könnte dies insofern nicht erreicht werden.
76

(ff) Der Kläger ist aber auch bei Anwendung der einschränkenden Auslegung der Finanzverwaltung, dass unter den Begriff der religiösen und weltanschaulichen Einrichtung nur Einrichtungen fallen, die den Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV in Anspruch zu nehmen berechtigt sind, begünstigte Einrichtung. Die einschränkende Auslegung der Finanzverwaltung und hier des Beklagten findet sich auch in der Gesetzesbegründung des mit Wirkung ab 01.01.2015 neugefassten § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG wieder (BT-Drucks. 18/1529, 77). Zu den religiösen und weltanschaulichen Einrichtungen sollen z.B. Kirchen in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, geistige Genossenschaften oder Mutterhäuser gehören. Für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG soll es danach nicht darauf ankommen, ob die Einrichtung die Verkündung oder Verbreitung bestimmter religiöser oder weltanschaulicher Ansichten zum Ziel hat oder ob der Hauptzweck der Einrichtung in unmittelbar u.a. mit der Religionsausübung zusammenhängenden Tätigkeiten besteht.
77

Der Kläger ist berechtigt, den Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV in Anspruch zu nehmen.
78

In der Rechtsform eines eingetragenen Vereins unterfällt er als Religionsgemeinschaft dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG; ihm wird Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit und das Recht zur ungestörten Religionsausübung gewährleistet. Es sind keine einschränkenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich der Kläger nicht auf die Grundrechte nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen kann. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährt zudem eine religiöse Vereinigungsfreiheit, nämlich die Freiheit, Religionsgemeinschaften/Religionsgesellschaften (d.h. Zusammenschlüsse auf dem Boden der staatlichen Rechtsordnung und nicht etwa nur eine rein geistliche Kultgemeinschaft) und religiöse Vereine (d.h. Zusammenschlüsse mit nur partieller Zielsetzung) zu gründen. Durch die Gründung des Klägers und die Errichtung eines eingetragenen Vereins ist dem Kläger bereits die religiöse Vereinigungsfreiheit gewährt worden.
79

Darüber hinaus fällt der Kläger auch in den Schutzbereich von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV.
80

Historisch gab Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 4 WRV den Religionsgemeinschaften einen Anspruch darauf, die Rechtsfähigkeit nicht schwerer als nichtreligiöse Vereine erwerben zu können (Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, 5. Aufl. 2021, § 7 Rn. 22; Maunz/Dürig/Korioth GG Art. 140/WRV Art. 137, Rn. 59). Heute bekräftigt die Vorschrift verfassungsrechtlich den einfachrechtlichen Anspruch, bei Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen die Rechtsfähigkeit zu erlangen (Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, 5. Aufl. 2021, § 7 Rn. 22; v. Mangoldt/Klein/Starck/Unruh WRV Art. 137, Rn. 183; Maunz/Dürig/Korioth GG Art. 140/WRV Art. 137, Rn. 59). Gleichzeitig bedeutet dies, dass auch Religionsgemeinschaften die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts nur nach den geltenden Vorschriften erwerben können und keine privilegierende Sonderbehandlung erfahren (Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, 5. Aufl. 2021, § 7 Rn. 23, 24).
81

Religionsgesellschaften oder Religionsgemeinschaften sind Verbände mit dem Zweck, gemeinsam religiöse Überzeugungen zu betätigen. Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion und sei eine Religionsgemeinschaft, rechtfertigen die Berufung auf die Religionsfreiheit im Übrigen freilich nicht; vielmehr muss es sich auch tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion und eine Religionsgemeinschaft handeln (BVerfG 5.2.1991, 2 BvR 263/86, NJW 1991, 2623, 2624; BVerfG 28.8.1992, 1 BvR 632/92, NVwZ 1993, 357, 358). Auf die soziale Relevanz, kirchliche Organisationsformen oder die zahlenmäßige Stärke einer derartigen Gruppierung kommt es nicht an. Der Schutzbereich der Religionsfreiheit beschränkt sich nicht auf die traditionellen (groß-) kirchlichen Strukturen, sondern umfasst gleichfalls religiöse Minderheiten, „Sekten“ und „Häretiker“. Es müssen aber einige begriffsnotwendige Eigenschaften vorliegen, damit von einer Religionsgemeinschaft gesprochen werden kann (Maunz/Dürig/Korioth, Stand Oktober 2020, WRV Art. 137 Rn. 14). Es muss sich erstens um einen auf Dauer angelegten Zusammenschluss von mindestens zwei Personen innerhalb eines bestimmten Gebietes im Geltungsbereich des Grundgesetzes handeln. Die Rechtsform ist dabei unerheblich, worauf Art. 137 Abs. 2 Satz 2 WRV hinweist („Der Zusammenschluss […] unterliegt keinen Beschränkungen.“). Hinsichtlich des Schutzes durch die Religionsfreiheit, die den verfassungsrechtlichen Grundstatus betrifft, besteht kein Unterschied, ob die Religionsgemeinschaft öffentlich-rechtlichen (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV) oder privatrechtlichen Status aufweist. Die Vereinigung muss zweitens von einem gewissen religiösen Konsens getragen werden, der sich auf den Sinn menschlicher Existenz bezieht und wesentliche Prinzipien der Lebensgestaltung umfasst. Drittens muss der Zusammenschluss auf eine umfassende Bezeugung des ihn prägenden religiösen Konsenses durch ein Bekenntnis nach außen abzielen und die umfassende Erfüllung aller religiös motivierten Aufgaben anstreben, die er stellt. Gemeinsame Glaubensüberzeugungen können auch Gruppierungen innerhalb einer Religion aufweisen, deren Glaubensrichtung sich von derjenigen anderer Gemeinschaften unterscheidet. Die verbindliche Entscheidung, ob eine Gemeinschaft diese Anforderungen für eine Religionsgemeinschaft erfüllt, obliegt letztlich staatlichen Gerichten. Der Schutzbereich der religiösen Vereinigungsfreiheit erstreckt sich nur auf die Gründung und den Bestand der Religionsgemeinschaft, nicht auf ihre Betätigung.
82

Die Gründung religiöser Vereine unterfällt hingegen nicht Art. 137 Abs. 2 WRV, weil dessen Wortlaut nur Religionsgesellschaften erfasst. Gleichwohl werden religiöse Vereine, die hinsichtlich der Pflege des religiösen Lebens ihrer Mitglieder ‒ anders als Religionsgesellschaften / Religionsgemeinschaften ‒ eine nur partielle Zielsetzung haben, durch die religiöse Vereinigungsfreiheit geschützt, die in diesem Zusammenhang allein aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG abgeleitet wird. Religiöse Vereine beschränken sich im Unterschied zu Religionsgesellschaften / Religionsgemeinschaften auf einzelne Aufgaben und beanspruchen nicht, alle Fragen des menschlichen Daseins zu behandeln. Zu ihnen gehören ‒ im kirchlichen Bereich ‒ Vereine der Caritas und Diakonie, der Mission, der Bildungs- und Jugendarbeit, kirchliche Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen. Alle Vorschriften, die das Merkmal der Religionsgesellschaft / Religionsgemeinschaft voraussetzen, sind auf religiöse Vereine nicht anwendbar. Religiöse Vereine werden zwar durch die religiöse Vereinigungsfreiheit geschützt, die in diesem Zusammenhang allein aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG abgeleitet wird, nicht jedoch durch Art. 137 WRV (Maunz/Dürig/Korioth, Stand Oktober 2020, WRV Art. 137 Rn. 16).
83

Der Kläger ist Religionsgesellschaft i.S.v. Art. 137 WRV und nicht nur ein religiöser Verein, welcher vom Schutzbereich des Art. 137 WRV nach dessen Wortlaut nicht erfasst wäre. Der Kläger ist ein seit Jahren existenter eingetragener Verein und damit ein auf Dauer angelegter Zusammenschluss von mindestens zwei Personen im Geltungsbereich des GG. Er ist zudem ‒ wie oben bereits ausgeführt ‒ von einem religiösen Konsens getragen, bekennt sich seines religiösen Konsenses auch nach außen und strebt die umfassende Erfüllung seiner religiös motivierten Aufgaben an. Zudem deckt er nicht nur einzelne Aufgaben ab, sondern beansprucht, alle Fragen des menschlichen Daseins zu behandeln. Bereits aus § 2 der Satzung des Klägers ist ersichtlich, dass dessen Zweck sehr umfassend ist und nicht auf einzelne Bereiche beschränkt ist. Der Kläger möchte sich in sämtlichen Lebensbereichen einbringen und dort insbesondere christliche Werte einbringen und verbreiten. Hierdurch beansprucht er für sich, alle Fragen des menschlichen Daseins zu behandeln. Er beschränkt sich hierbei nicht nur z.B. auf den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit oder der Dienste an Älteren oder Kranken, sondern betätigt sich auch ausweislich seines Profils und seiner Homepage sehr vielfältig. Er bringt sich in das Gemeindeleben insgesamt, also in der Breite ein und entwickelt auch ein stellvertretendes, generationenübergreifendes Gemeindeleben innerhalb des B Kirchenkreises. Er bietet auch eigene wöchentliche Gottesdienste in den Gemeinden an. Das Handeln des Klägers geht damit weit über nur partielle Zielsetzungen hinaus. So war auch das Altenheim „C“ nur ein Teilbereich des Betätigungsfeldes des Klägers. Unmaßgeblich ist nach den vorstehenden Ausführungen, dass der Kläger (noch) nicht Voll-Gemeinde im Rahmen der verfassten B Kirche ist.
84

c) Die nur subsidiär eingreifende Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung findet vorliegend keine Anwendung, weil der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG als speziellere Steuerbefreiung nach der Art der im Streitfall erbrachten Leistungen ‒ wie unter II.1.b) ausgeführt ‒ eröffnet ist.
85

Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer ist § 4 Nr. 18 UStG teleologisch dahingehend einzuschränken, dass eine andere Steuerbefreiung nach § 4 UStG, die eine steuerbefreite Leistung genau bezeichnet (wie z.B. § 4 Nr. 14 und § 4 Nr. 16 UStG), der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 18 UStG als lex specialis vorgeht. Eine derartige durch den Anwendungsbereich dieser spezielleren Befreiungsnorm begrenzte Wirkung des § 4 Nr. 18 UStG kommt aber nur in Betracht, wenn die betreffenden Leistungen im Falle ihrer Ausführung durch privatrechtliche Einrichtungen mit Gewinnstreben ihrer Art nach von dieser anderen Steuerbefreiungsnorm umfasst werden könnten (vgl. BFH-Urteil vom 08.08.2013, V R 13/12, HFR 2014, 333, Rn. 29; vom 28.06.2017, XI R 23/14, HFR 2017, Rn. 49). Vorliegend können die streitigen Leistungen von § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG umfasst werden (siehe unter II.1.b)).
86

2. Die Steuer auf die weiteren Tätigkeiten des Klägers, die vom Beklagten dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet wurden oder aber im Rahmen eines Zweckbetrieb zu erfassen waren und umsatzsteuerpflichtig sind, wird nur für das Streitjahr 2016 erhoben.
87

Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer wird gemäß § 19 Abs. 1 UStG i.d.F. der Streitjahre nicht erhoben, wenn der Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird.
88

Auch die Umsätze aus den Bereichen Feste, Privatfahrten Auto, Freizeiten sowie Büchertisch sind dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen, was zwischen den Beteiligten auch ‒ ebenso wie die Höhe der jeweiligen Umsätze ‒ unstreitig ist. Ebenso ist die Höhe der Umsätze aus den Zweckbetrieben Veranstaltungen und Fortbildungen zwischen den Beteiligten unstreitig.
89

Für die Streitjahre 2015 und 2017 übersteigen die maßgebenden Umsätze nicht die Kleinunternehmergrenzen des § 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 UStG, so dass insgesamt keine Umsatzsteuer vom Kläger zu erheben ist.
90

Für das Streitjahr 2016 hingegen findet die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG keine Anwendung, so dass Umsatzsteuer erhoben wird. Denn der Vorjahresumsatz, also der Gesamtumsatz des Jahres 2015 zuzüglich der darauf entfallenden Steuer zu 19 % und 7 % betrug xx € und überstieg somit die Grenze von 17.500 €. Die dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnenden steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, mit Ausnahme der nach § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze „C-Vertrag“ (§ 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG), betrugen in 2016 netto xx €. Hierauf fällt eine Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz i.H.v. xx € an. Außerdem sind Umsätze aus dem Zweckbetrieb Fortbildung i.H.v. xx € zzgl. xx € zu berücksichtigen. Vorsteuern können nicht berücksichtigt werden, weil solche nicht beziffert wurden. Die Umsatzsteuer für 2016 ist damit auf insgesamt xx € festzusetzen.
91

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs.1 Satz 1 FGO.