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21.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223619

Oberverwaltungsgericht Hamburg: Urteil vom 23.06.2020 – 4 Bf 173/16

1. Eine nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähige berufsbildende Ausbildung liegt dann nicht vor, wenn sie in einem so hohen Alter (hier: 65 Jahre) aufgenommen wird, dass sie erst nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen sein wird (im Anschluss an OVG Weimar, Beschl. v. 30.1.2001, 3 EO 862/00, juris Rn. 31 ff.).

2. Einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG bedarf es angesichts dessen in derartigen Fällen nicht.


Oberverwaltungsgericht Hamburg

Urteil vom 23.06.2020


In der Verwaltungsrechtssache
- Kläger -
gegen
- Beklagte -
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, aufgrund mündlicher
Verhandlung vom 23. Juni 2020 durch

.....

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. August 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollsteckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.

Der am ....................... geborene Kläger erlangte im Juli 1964 den Hauptschulabschluss. Anschließend absolvierte er eine dreijährige Lehre als Kellner. Bis September 1993 war er teils als Selbstständiger, teils im Angestelltenverhältnis u.a. in der Gastronomie, als Autoverkäufer, als Vertriebsbeauftragter, im EDV-Bereich, im Versicherungs- und Kapitalanlagenbereich und im Bereich Brokerage beruflich tätig. Von April 1996 bis August 1998 durchlief er eine Umschulung zum Steuerfachangestellten. Er war danach von Mai 1999 bis Mai 2000 als kaufmännischer Mitarbeiter tätig. Von Juni 2000 bis Juli 2009 war er arbeitssuchend und durchlief verschiedene Weiterbildungen u.a. zum Schuldnerberater. Von August bis November 2009 war er als Angestellter im Vertrieb tätig. Danach war er erneut bis zum Eintritt in das Rentenalter arbeitssuchend. Seit Februar 2016 bezieht der Kläger eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung sowie ergänzend Leistungen der Grundsicherung.

Vom 17. August 2005 bis zum 19. Dezember 2006 besuchte der Kläger das Staatliche Abendgymnasium mit Abendschule ...... Vom 1. Februar bis zum 19. Mai 2008, vom 1. Februar bis zum 15. November 2011 und vom 1. Februar 2012 bis zum 19. Dezember 2014 besuchte er die Staatliche Abendschule .....................in .................... Dort erlangte er im Dezember 2014 die Allgemeine Hochschulreife.

Am 21. August 2015 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für das Studium "................... "(Abschluss: Bachelor of Arts). Dieses Studium, welches an der Universität ...... jeweils nur zum Wintersemester angeboten wird, nahm er dort zum Wintersemester 2015/16 auf. Er war zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt.

Mit Bescheid vom 11. November 2015 lehnte die Beklagte den Förderungsantrag des Klägers ab. Zur Begründung führte sie aus: Die von ihm aufgenommene Ausbildung sei dem Grunde nach nicht förderungsfähig, weil er nicht eine berufsbildende Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG durchlaufe. Bei einem Abschluss hätte er die gesetzliche Altersgrenze bereits überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Altersgrenze in § 10 BAföG erwogen, dass aus allgemeinen Erwägungen einer Ausbildungsförderung Grenzen gezogen sein könnten, wenn der Betreffende die Ausbildung in einem so hohen Alter beginne, dass eine Erwerbstätigkeit nach deren Abschluss praktisch ausgeschlossen sei. Dahinter stehe die tragende rechtliche Überlegung, dass nach Sinn und Zweck des Gesetzes insoweit nicht mehr von einer berufsbildenden Ausbildung gemäß § 7 Abs. 1 BAföG zu sprechen sei. Auf in diesem Sinne irreguläre Ausbildungen, die im Regelfall nicht mehr auf eine künftige berufliche Tätigkeit hinführten, sei das Gesetz nicht zugeschnitten. Dem jugendpolitischen Charakter des Gesetzes entsprechend sei es dessen Ziel, einen hinreichend qualifizierten Nachwuchs zu sichern und entsprechend dem im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) die qualifizierenden Ausbildungsstätten allen Bürgern - unabhängig von der wirtschaftlichen Situation ihrer Familie - zugänglich zu machen. Die Sozialleistung Ausbildungsförderung habe danach die Funktion, den einzelnen Menschen in den Stand zu setzen, sich frei, insbesondere ohne wirtschaftliche Zwänge, in einer qualifizierenden Ausbildung persönlich zu entfalten und auf ein Berufsleben vorzubereiten. Indes werde in Abgrenzung dazu eine Ausbildung, bei deren Abschluss der Auszubildende zwangsläufig die allgemeine Altersgrenze erreicht oder überschritten habe, nicht mehr dem so beschriebenen Zweck des Gesetzes gerecht. Dem stehe auch nicht entgegen, dass für eine selbstständige Berufsausübung die allgemeine Altersgrenze nicht maßgeblich sei.

Der Kläger erhob am 10. Dezember 2015 Widerspruch und trug vor, dass ihm ein Studienbeginn zum Sommersemester 2015 nicht möglich gewesen sei, da ein Studium mit dem Fokus ................................................. (.........................) bundesweit in dieser Form nur in ..... angeboten werde und auch andere Studiengänge, die annähernd vergleichbar seien, bundesweit nur zum Wintersemester Studienanfänger aufnähmen. Da er nur eine nicht existenzsichernde Altersrente beziehe, diene das Studium auch dazu, dass er danach nicht (oder zumindest weniger) auf aufstockende Leistungen der Grundsicherung angewiesen sei. Mit dem abgeschlossenen Studium böten sich ihm verschiedenste berufliche Möglichkeiten. In § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG werde allein darauf abgestellt, dass die Zugangsvoraussetzungen an einem Abendgymnasium erworben worden seien. Eine Höchstaltersgrenze gebe es für diesen Fall nicht. Eine solche müsste wegen des Verbots der Altersdiskriminierung eindeutig im Gesetzestext verankert sein. Auch in der BAföGVwV gebe es keine Einschränkung in Form eines Höchstalters, das einer Ausbildungsförderung entgegenstehe, wenn einer der Ausnahmegründe nach § 10 Abs. 3 BAföG vorliege.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2016 zurück: Der Kläger habe die Regelaltersgrenze am 12. Januar 2016 erreicht. Ein Förderanspruch für das von ihm aufgenommene Studium könne nicht anerkannt werden. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 und des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 BAföG mögen vom Wortlaut her gegeben sein, wobei offengelassen werde, ob die Unverzüglichkeitsanforderungen erfüllt seien. Nach Sinn und Zweck der förderungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere des § 10 BAföG und der darin bestimmten Altersgrenze mitsamt den Ausnahmegründen, könne ein Förderungsanspruch aber nicht anerkannt werden. Es sei davon auszugehen, dass es eine Altersobergrenze gebe, die jedenfalls beim Eintritt in das Alter der Regelaltersrente als überschritten anzusehen sei. Der Gesetzgeber wolle bei Überschreiten der Altersgrenze von 30 Jahren nur in einem sehr begrenzten Umfang Ausbildungsförderung leisten. Im Kern solle nur derjenige nach Überschreiten der Altersgrenze gefördert werden, der für die gesamte Zeit nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule bis zum Erreichen der Altersgrenze und bis zur Aufnahme des Studiums hindernde bzw. verzögernde unverschuldete Umstände nachweisen könne. Lediglich für Fälle einschneidender Veränderungen der Lebensgrundlagen in wirtschaftlicher Hinsicht und bei Beschreiten des klassischen Zweiten Bildungswegs habe sich der Gesetzgeber davon leiten lassen, dass es hier keinen Sinn ergeben würde, im Einzelfall darauf abzustellen, ob nicht schon früher eine Ausbildung hätte aufgenommen werden können, insbesondere ob nicht schon früher die Hochschulzugangsberechtigung erreichbar gewesen wäre. Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, dass der für die Gesamtregelung des § 10 Abs. 3 BAföG maßgebliche Grundgedanke überhaupt keine Rolle mehr spiele. In erster Linie verfolge das Gesetz den Zweck eines Ausgleichs der Chancengleichheit jüngerer Auszubildender. Anlass der Schaffung der Ausbildungsförderung sei der Umstand gewesen, dass einer großen Zahl ausbildungsfähiger und -williger junger Menschen, die selbst oder deren Eltern nicht in der Lage gewesen seien, die hohen Aufwendungen während der oft vieljährigen Ausbildungszeit zu tragen, eine gründliche qualifizierende Ausbildung versagt geblieben sei. Der Gesetzgeber habe erkannt, dass dies mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. GG nicht vereinbar sei. Dementsprechend habe die Ausbildungsförderung die Funktion, den einzelnen jungen Menschen in den Stand zu setzen, sich frei, insbesondere ohne wirtschaftliche Zwänge in einer qualifizierenden Ausbildung persönlich zu entfalten und auf sein Berufsleben vorzubereiten. Von daher könne es nicht als Sinn und Zweck des Förderungsrechts angesehen werden, eine Berufsausbildung zu finanzieren, die erst bei Eintritt des Alters für die Regelaltersgrenze beginne. Es sei daher nicht als unangemessen anzusehen, dass dieses Alter als absolute Altersgrenze gelte. Dahinstehen könne somit, ob beim Kläger nicht auch der Bedarf für eine Ausbildung fehle, weil er schon über erlernte berufliche Fähigkeiten verfüge, die verschiedene Bereiche beträfen und die für sich genommen bereits ausreichen könnten, um Nebeneinkünfte neben dem Rentenbezug zu ermöglichen.

Am 29. Februar 2016 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er geltend gemacht hat, dass er die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG für ein Überschreiten der Altersgrenze erfülle und es deshalb keinen Grund gebe, ihm die Ausbildungsförderung zu verweigern. Es sei unerheblich, dass er auch ohne das Studium noch arbeiten könne. Auf die Dauer der noch möglichen Erwerbstätigkeit sei nicht abzustellen. Es könne auch keine Rede davon sein, dass bei ihm eine Erwerbstätigkeit nach dem Abschluss der Ausbildung praktisch ausgeschlossen sei. Die Auffassung der Beklagten, es gebe auch bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG eine Altersobergrenze, die jedenfalls bei der Regelaltersgrenze liege, stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Für ein solches ungeschriebenes Kriterium fehle jegliche Rechtsgrundlage. Außerdem verstoße eine solche Altersgrenze gegen Unionsrecht. Eine Altersgrenze sei zumindest solange nicht zu rechtfertigen, wie sie nicht ausdrücklich durch den hierfür berufenen Gesetzgeber geschaffen werde. Bei der Auslegung von § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG dürfe ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal nicht angewandt werden. Der Gesetzgeber verlange auch nicht, dass der Zweite Bildungsweg unverzüglich zu beginnen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2016 zu verpflichten, dem Kläger Ausbildungsförderung für das Studium im Bachelorstudiengang ".....................................-..............................."an der Universität ..... für den Bewilligungszeitraum Oktober 2015 bis September 2016 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen

sowie

die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid bezogen und außerdem geltend gemacht: Es sei ersichtlich, dass grundsätzlich eine Ausbildungsförderung nur erfolgen solle bis zu einer bestimmten Altersgrenze. Neben der Knappheit der zur Verfügung stehenden Mittel sei Ansatzpunkt für die Begrenzung, dass der Auszubildende verpflichtet sei, in angemessener Zeit für eine Berufsausbildung zu sorgen. Der Gesetzgeber habe eine Privilegierung derjenigen Auszubildenden beabsichtigt, die den klassischen Zweiten Bildungsweg beschreiten. Dabei habe er darauf verzichtet, die Anforderung der Unverzüglichkeit in § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG auch auf die Frage zu beziehen, ob der Zweite Bildungsweg nicht früher hätte angetreten werden können und müssen. In diesem Zusammenhang werde er sich von der Vorstellung geleitet haben lassen, dass der Zweite Bildungsweg regelmäßig nicht kurz vor Erreichen der Regelaltersrente absolviert werde. Es möge sich jetzt als ein Versäumnis des Gesetzgebers herausstellen, dies nicht explizit geregelt zu haben. Gleichwohl könne im Wege der Gesetzesauslegung eine entsprechende Begrenzung hergeleitet werden. Auch wegen der begrenzten späteren Erwerbsmöglichkeiten sei die vorzuwerfende Verspätung des Ausbildungsvorhabens zu berücksichtigen, wenn zuvor hinreichend Gelegenheit bestanden habe, die Hochschulausbildung aufzunehmen bzw. die Voraussetzungen hierfür zu schaffen.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. August 2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei dem vom Kläger aufgenommenen Studium "........................................ - ....................... handele es sich um eine förderungsfähige Ausbildung. Dieser Bachelorstudiengang stelle eine berufsqualifizierende Ausbildung i.S.v. § 7 Abs. 1 BAföG dar. Es spreche aus systematischen Gründen viel dafür, im Rahmen dieser Vorschrift allein zu prüfen, welche Befähigung der Auszubildende - unabhängig von seinem Alter - durch das Absolvieren der Ausbildung erlangen könne, weil altersbezogene, d.h. persönliche Beschränkungen der Förderungsmöglichkeiten speziell in § 10 BAföG geregelt worden seien. Das Studium sei auch die Erstausbildung des Klägers i.S.v. § 7 Abs. 1 BAföG, denn weder seine Ausbildung als Kellner noch die spätere Umschulung zum Steuerfachangestellten sei nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig gewesen. Der Kläger erfülle jedoch nicht die persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung. Ihm könne nicht vorgehalten werden, dass er für die aufgenommene Ausbildung angesichts seines Alters nach § 9 Abs. 1 BAföG nicht geeignet sei. Aufgrund seines Alters sei er aber gemäß § 10 Abs. 3 BAföG nicht berechtigt, eine Förderung seines Studiums zu erhalten. Er überschreite die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG, da er zu Beginn seines Studiums bereits 65 Jahre alt gewesen sei. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG erfülle er allerdings, da er die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung an einem Abendgymnasium erworben habe. Zudem habe er das Studium unmittelbar nach seiner Abiturprüfung aufgenommen, sodass auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG vorlägen. Dahingestellt bleiben könne, ob der Leistungsgewährung entgegenzuhalten sei, dass sich der Kläger nicht schon früher um die Zugangsvoraussetzungen für das Hochschulstudium bemüht habe. Jedenfalls scheitere die Gewährung von Ausbildungsförderung nach einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG daran, dass er sein Studium erst im Alter von 65 Jahren aufgenommen habe und frühestens mit 69 Jahren beendet haben werde, sodass nach Abschluss des Studiums keine nennenswerte Berufstätigkeit mehr möglich sei. Für einen solchen Fall sei eine Rückausnahme anzunehmen, wie es einige Verwaltungsgerichte bereits entschieden hätten und wie es das Bundesverwaltungsgericht im Wege eines obiter dictums für möglich gehalten habe. Der Gesetzgeber bezwecke nicht die Förderung einer Ausbildung um ihrer selbst wegen, sondern um den Auszubildenden zu befähigen, im Anschluss daran im gesellschaftlichen Interesse und zur Verhinderung wirtschaftlicher Bedürftigkeit eine Berufstätigkeit auszuüben. Nach dem offenkundigen Willen des Gesetzgebers seien Leistungen nur dann zu gewähren, wenn aufgrund des erlangten berufsqualifizierenden Abschlusses eine Berufstätigkeit mit dem Ziel der eigenständigen Existenzsicherung im Interesse der Allgemeinheit auf Dauer angelegt ernsthaft in Betracht komme. Dieses Ziel sei vorrangig jugendpolitisch geprägt. Junge Menschen seien regelmäßig von den finanziellen Verhältnissen ihres Elternhauses abhängig, hätten keine eigenen Ersparnisse und müssten bei fehlenden finanziellen Mitteln auf eine Ausbildung verzichten, um ihre Existenz zu sichern. Befinde sich der Auszubildende jedoch im Rentenalter, werde seine Existenz regelmäßig bereits durch den Bezug einer Rente oder einer eigenständigen Altersversorgung bzw. mit Hilfe anderer Sozialleistungen wie der Grundsicherung gesichert, ohne dass er auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen sei. Eine gewünschte (weitere) Ausbildung könne er auch ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz absolvieren. Der Gesetzeszweck könne bei generalisierender Betrachtung nicht mehr erreicht werden, wenn eine Berufstätigkeit nach dem Abschluss der Ausbildung praktisch ausgeschlossen sei. Trotz der theoretischen Möglichkeit, auch im Rentenalter als Selbstständiger oder im Angestelltenverhältnis tätig zu sein, und trotz des Umstandes, dass der Arbeitsmarkt erfahrene Kräfte aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmend länger beschäftige, sei nicht ersichtlich, dass in dieser Lebensphase eine tragfähige existenzsichernde Berufstätigkeit als Berufsanfänger (noch) möglich sei. Dem stehe nicht entgegen, dass für eine selbstständige Berufsausübung die allgemeine Altersgrenze nicht maßgeblich sei. Die Vorstellung des Gesetzgebers, im Regelfall junge Auszubildende zu fördern, komme auch in der Konzeption zum Ausdruck, Leistungen der Ausbildungsförderung für den Besuch einer Hochschule in den meisten Fällen zur Hälfte oder vollständig als Darlehen zu gewähren, welches innerhalb von 20 Jahren zurückzuzahlen sei. Diese gesetzgeberische Vorgabe sei nicht umzusetzen, wenn ein Auszubildender erst im Rentenalter sein Studium aufnehme. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bewusst, d.h. sehenden Auges den höchst seltenen Fall eines Auszubildenden im Rentenalter gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG in den Genuss der Ausbildungsförderung habe kommen lassen wollen. Dem Gesetzgeber hätten auch für Auszubildende des Zweiten Bildungsweges nicht Konstellationen vor Augen gestanden, in denen der Auszubildende nicht lediglich unwesentlich das 30. Lebensjahr überschritten habe, sondern um mehr als 30 Jahre. Die teleologische Reduktion des § 10 Abs. 3 BAföG sei auch nicht unverhältnismäßig. Auch sei die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bestimmungen oder wegen einer Benachteiligung aus Gründen des Alters oder des Geschlechts unwirksam. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht festzustellen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sei bereits nicht anwendbar, da im Hinblick auf Leistungen der Ausbildungsförderung ausschließlich die Bestimmung des § 33c SGB I gelte, nach welcher eine an das Alter anknüpfende Differenzierung nicht ausgeschlossen sei. Ein Verstoß gegen die EG-Richtlinie 2000/78/EG liege ebenfalls nicht vor. Diese Richtlinie diene ausschließlich der Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und dürfte daher für die Frage, ob für eine Ausbildung Sozialleistungen zu gewähren seien, nicht anwendbar sein. Unabhängig hiervon dürfte eine gesetzliche Ungleichbehandlung wegen des Alters nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie keine Diskriminierung darstellen, da sie objektiv und angemessen sei und ein legitimes Ziel verfolge.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt.

Sein zum Wintersemester 2015/16 aufgenommenes Studium " ............................ -............................ hat der Kläger nach vier Semestern, also nach dem Sommersemester 2017, abgebrochen. Zum Wintersemester 2017/18 hat er an der Universität .......... ein Studium der ...............mit dem Nebenfach .............aufgenommen. Nach zwei Semestern, also nach dem Sommersemester 2018, hat er dieses Studium ebenfalls abgebrochen.

Mit Beschluss vom 12. Juli 2018 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Mit seiner am 2. August 2018 eingegangenen Berufungsbegründung macht der Kläger geltend: Er erfülle die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG für ein Überschreiten der Altersgrenze. Ferner habe er die Ausbildung unverzüglich nach Erreichen der Zugangsvoraussetzungen aufgenommen, sodass auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG erfüllt seien. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, sein Anspruch auf Ausbildungsförderung scheitere nach einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG, weil er sein Studium erst im Alter von 65 Jahren aufgenommen habe, sodass nach Abschluss des Studiums keine nennenswerte Berufstätigkeit mehr möglich sei, sei falsch. Die jugendpolitische Zielsetzung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes möge zwar die allgemeine Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG rechtfertigen, sie sei aber kein Grund, die uneingeschränkt formulierte Ausnahme nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ihrerseits teleologisch zu reduzieren. Er, der Kläger, betreibe das Studium nicht nur zu allgemeinen Bildungszwecken. Er wolle auf der Grundlage des Studiums auch im Alter berufstätig sein, um dadurch nicht mehr (oder zumindest weniger) auf aufstockende Leistungen der Grundsicherung angewiesen zu sein. Mit dem abgeschlossenen Studium böten sich ihm Möglichkeiten z.B. als Flüchtlingsbetreuer, als Übersetzer, im wissenschaftlichen oder journalistischen Bereich oder in der Tourismusbranche, z.B. als Reisebegleiter in Afrika. Weiter habe er Interesse an der afrikanischen Filmindustrie. Unzutreffend sei die Auffassung des Verwaltungsgerichts, im Rentenalter werde die Existenz eines Auszubildenden regelmäßig bereits durch den Bezug einer Rente oder einer eigenständigen Altersversorgung bzw. mit Hilfe anderer Sozialleistungen wie der Grundsicherung gesichert, sodass er nicht auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen sei. Die aufstockenden Grundsicherungsleistungen, die er derzeit erhalte, könnten ihm jederzeit entzogen werden. Sie deckten auch in keiner Weise den Ausbildungsbedarf ab, da Ausgaben für ein Studium bei der Ermittlung der Regelbedarfe nicht berücksichtigt würden. Besonders sei zu berücksichtigen, dass für den Bachelorstudiengang "............................-.............................."ein Auslandssemester vorgesehen sei. Für dieses Auslandssemester sei er auf Ausbildungsförderung angewiesen. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er über eine vielfältige Berufserfahrung verfüge und daher nicht als Berufsanfänger angesehen werden könne. Die Feststellung, dass es praktisch ausgeschlossen sei, dass er nach dem frühestens im Alter von 69 Jahren zu erwartenden Abschluss des Studiums noch erwerbstätig sein werde, sei rein spekulativ. Es hätte insoweit eines arbeitsmarkt- und berufskundlichen Gutachtens bedurft, das das Verwaltungsgericht aber nicht eingeholt habe. Eine Erwerbstätigkeit nach dem Studium sei bei ihm nicht praktisch ausgeschlossen. Eine derartige Annahme möge vielleicht bei einem 90-jährigen Greis gerechtfertigt sein, nicht jedoch bei ihm, dem körperlich und geistig regen Kläger. Das Bundesverwaltungsgericht habe gerade nicht entschieden, dass es eine zusätzliche Altersobergrenze für die Ausnahmebestimmungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG gebe, sondern diese Frage bisher mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen. Maßgeblich könne in diesem Zusammenhang auch nicht der allgemeine jugendpolitische Zweck des Bundesausbildungsförderungsgesetzes sein, sondern die bewusste Privilegierung des Zweiten Bildungsweges in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG. Eine verdeckte Regelungslücke könne nicht angenommen werden, weil es dem Gesetzgeber hätte bekannt gewesen sein müssen, dass insbesondere Abendgymnasien und Kollegs auch von Personen besucht würden, die die in § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG vorgesehene Altersgrenze weit überschritten und sich teilweise schon im Rentenalter befänden. Auch wenn diese Gruppe klein sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber diese von der Privilegierung des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG habe ausnehmen wollen. Für ein ungeschriebenes Kriterium einer zusätzlichen Altersobergrenze fehle jede Rechtsgrundlage. Eine teleologische Reduktion zu Lasten des Auszubildenden bei einer Rückausnahme überschreite die Grenze der Bindung an das Gesetz. Nicht gefolgt werden könne dem Verwaltungsgericht auch darin, dass die teleologische Reduktion des § 10 Abs. 3 BAföG nicht unverhältnismäßig sei.

Ein Verstoß einer zusätzlichen Altersgrenze gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und § 33c Satz 1 SGB I sei von ihm, dem Kläger, nie behauptet worden. Allerdings verstoße eine solche Altersgrenze entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gegen Unionsrecht. Nach Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG sei eine Diskriminierung wegen des Alters unzulässig. Zwar sehe Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie vor, dass sie nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes gelte. Dies ändere aber nichts daran, dass das Verbot der Altersdiskriminierung ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts sei. Eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG liege nicht vor. Es wäre nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 lit. c) der Richtlinie zwar zulässig, wenn der Gesetzgeber eine Höchstaltersgrenze für die Fälle des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG bestimme, jedoch müsse dies ausdrücklich gesetzlich vorgesehen werden und könne nicht in eine Ausnahmevorschrift zur allgemeinen Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG als Rückausnahme im Wege einer teleologischen Auslegung hineininterpretiert werden. Eine derartige Altersgrenze sei nicht objektiv und angemessen und werde auch nicht im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei geklärt, dass ein gegen die Richtlinie 2000/78/EG verstoßendes nationales Gesetz nicht anzuwenden sei, sodass auch bei der Auslegung von § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal nicht angewendet werden dürfe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2016 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2016 zu verpflichten, dem Kläger Ausbildungsförderung für das Studium im Bachelorstudiengang ".........................................-................................"an der Universität ........ für den Bewilligungszeitraum Oktober 2015 bis September 2016 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen

sowie

die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid sowie auf ihre Klageerwiderung im erstinstanzlichen Verfahren.

In der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2020 hat der Kläger zwei Beweisanträge gestellt, die der Senat abgelehnt hat. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll und seine Anlage verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sachakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die vom Berufungsgericht zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die zulässige Klage des Klägers abgewiesen, weil sie nicht begründet ist. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 11. November 2015 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2016 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Bewilligung von Leistungen der Ausbildungsförderung für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum von Oktober 2015 bis September 2016 (= 1. und 2. Fachsemester), denn er hat das Studium im Bachelorstudiengang " .............................. -......................."erst im Alter von 65 Jahren aufgenommen.

1. Allerdings spricht § 10 BAföG, der das Alter des Auszubildenden als persönliche Voraussetzung der Ausbildungsförderung regelt, seinem Wortlaut nach nicht gegen einen Förderungsanspruch des Klägers. Die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG für den hier gewählten Studiengang (30 Jahre) gilt nämlich gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a) BAföG dann nicht, wenn der Auszubildende die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde Ausbildung an einem Abendgymnasium erworben hat. Dies ist beim Kläger der Fall, denn er erlangte die Allgemeine Hochschulreife an der Staatlichen Abendschule ...........(einer staatlichen Einrichtung des Zweiten Bildungswegs mit einem Abendgymnasium, einer Abendrealschule und einer Abendhauptschule). Auch die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG, wonach die den Kläger begünstigende Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG nur dann eingreift, wenn der Auszubildende die Ausbildung unverzüglich nach Erreichen der Zugangsvoraussetzungen aufnimmt, steht einem Förderungsanspruch des Klägers nicht entgegen, denn nach seinem im Dezember 2014 erlangten Abitur hat er im Oktober 2015, also zum Wintersemester 2015/16, das Studium im Bachelorstudiengang ".................. - ....................................... . Dieses Studium wird an der Universität ........... immer nur zum Wintersemester angeboten, womit die Studienaufnahme i.S.v. § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG "unverzüglich"(ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfolgte.

2. Die weitere Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen der Ausbildungsförderung, nämlich das Vorliegen einer nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähigen Ausbildung, ist jedoch im Falle des Klägers angesichts seines Alters von 65 Jahren bei Aufnahme des Studiums nicht erfüllt. Da das Bundesausbildungsförderungsgesetz eine jugendpolitische Zielsetzung hat (s. BT-Drs. 8/2467, S. 15; ferner z.B. Roggentin in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand Juli 2019, § 10 Rn. 3), liegt zur Überzeugung des erkennenden Senats eine förderungsfähige Ausbildung i.S.v. § 7 Abs. 1 BAföG dann nicht vor, wenn diese erst in einem so hohen Alter aufgenommen wird, dass der Auszubildende sich bei ihrem Abschluss bereits im Rentenalter befinden wird. Im Einzelnen:

a) Das Bundesverwaltungsgericht hat in drei Entscheidungen aus den Jahren 1985 (Urt. v. 9.5.1985, 5 C 48.82, BVerwGE 71, 268, juris Rn. 23; Urt. v. 4.7.1985, 5 C 55.82, FamRZ 1986, 108, juris Rn. 16) und 1991 (Beschl. v. 6.11.1991, 5 B 121.91, FamRZ 1992, 990, juris Rn. 5) den Gedanken geäußert, dass aus allgemeinen Erwägungen Ausbildungsförderung nach dem Überschreiten der Altersgrenze des § 10 Abs. 3 BAföG dann ausnahmsweise nicht mehr zu leisten sein könnte, wenn der Betreffende die Ausbildung in einem so hohen Alter beginnt, dass eine Erwerbstätigkeit nach dem Abschluss der Ausbildung praktisch ausgeschlossen sei. Für ein Hinausschieben der Aufnahme der Ausbildung "bis an die Grenzen des Ruhestandes" (so ausdrücklich Beschl. v. 6.11.1991, a.a.O.) wäre danach kein Raum. In allen drei Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht diese Frage aber offengelassen.

b) Das Thüringische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 30.1.2001 (3 EO 862/00, juris Rn. 31-33) in Anknüpfung an die genannten höchstrichterlichen obiter dicta die Auffassung vertreten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zwar jeweils im Zusammenhang mit der Altersgrenze des § 10 Abs. 3 BAföG geäußert habe, dass dahinter jedoch die tragende rechtliche Überlegung stehe, dass nach Sinn und Zweck des Gesetzes bei einer erst kurz vor dem Ruhestand (im Falle des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts war der Antragsteller 63 Jahre alt) aufgenommenen Ausbildung nicht mehr von einer berufsbildenden Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG gesprochen werden könne. Auf in diesem Sinne irreguläre Ausbildungen, die im Regelfall nicht mehr auf eine künftige berufliche Tätigkeit hinführten, sei das Gesetz nicht zugeschnitten. Zur Begründung hat das Thüringische Oberverwaltungsgericht ausgeführt (juris Rn. 32-33):

"Dem jugendpolitischen Charakter des Gesetzes entsprechend ist es dessen Ziel, einen hinreichend qualifizierten Nachwuchs zu sichern und - entsprechend dem im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) - die qualifizierenden Ausbildungsstätten allen Bürgern - unabhängig von der wirtschaftlichen Situation ihrer Familie - zugänglich zu machen (Rothe/Blanke a.a.O., Einf. Anm. 1). Die Sozialleistung Ausbildungsförderung hat danach die Funktion, den einzelnen Menschen in den Stand zu setzen, sich frei, insbesondere ohne wirtschaftliche Zwänge, in einer qualifizierenden Ausbildung persönlich zu entfalten und auf ein Berufsleben vorzubereiten (a.a.O., Anm. 2.1). Durch diesen Zweck rechtfertigt sich - nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, dass bei einer Ausbildung, die nach Erreichen der Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG begonnen wird - das Interesse der Allgemeinheit an der Ausschöpfung von Bildungsreserven im Hinblick auf die zu erwartende, nur noch relativ kurze Berufsdauer eher geringer ist - die Regelung einer oberen Altersgrenze im BAföG. Das heißt aber nicht, dass das Gesetz die Ausnahmen von der Altersgrenze nach Satz 2 der Vorschrift allgemein davon abhängig macht, der Auszubildende müsse nach Abschluss der zu fördernden Ausbildung noch eine ausreichend lange Zeit erwerbstätig sein bzw. auf dem Arbeitsmarkt noch eine Chance haben, eine Arbeitsstelle zu finden (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1985 - 5 C 48.82 - FamRZ 1985, 970, 973; Rothe/Blanke, a.a.O., § 10 Anm. 4 und 5 (Stand Februar 1999)).

Indessen wird in Abgrenzung dazu eine Ausbildung, bei deren Abschluss der Auszubildende zwangsläufig die allgemeine Altersgrenze erreicht oder überschritten hat, nicht mehr dem so beschriebenen Zweck des Gesetzes gerecht. Der in § 1 BAföG festgelegte Grundsatz der individuellen Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung steht unter dem Maßgabenvorbehalt der Einzelregelungen des Gesetzes (vgl. Rothe/Blanke, a.a.O., § 1 Anm. 3 (Stand März 1996)). § 7 Abs. 1 BAföG, der die Förderungsfähigkeit der Erstausbildung bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss normiert, und § 7 Abs. 2 BAföG, wonach eine einzige weitere Ausbildung (nur) gefördert wird, wenn sie die Erstausbildung ergänzt bzw. fortführt, bezwecken nicht, Ausbildungen um ihrer selbst Willen zu fördern, die regelmäßig nicht mehr geeignet sind, auf eine berufliche Tätigkeit hinzuführen. Dies ist jedenfalls bei Überschreiten der gesetzlichen Altersgrenze während der angestrebten oder begonnenen Ausbildung auf Grund des Lebensalters im Zeitpunkt des möglichen Ausbildungsabschlusses anzunehmen. Dem steht auch nicht entgegen, dass für eine selbstständige Berufsausübung die allgemeine Altersgrenze nicht maßgeblich ist. Eine im Einzelfall entgegen dem üblichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gleichwohl noch aufgenommene oder fortgeführte Tätigkeit durch eine Förderung zu ermöglichen, kann nicht Aufgabe des Gesetzes sein."

Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung. Eine nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähige berufsbildende Ausbildung dient dem Zugang zu einer Beschäftigung im Arbeitsleben. Das Arbeitsleben endet typischerweise mit dem Eintritt in den Ruhestand, also regelmäßig - und für viele Berufe zwingend - mit dem Erreichen der in §§ 35 Satz 2, 235 SGB VI bestimmten Regelaltersgrenze. Der Begriff des "Arbeitslebens"knüpft dabei nicht an die subjektiven Bedürfnisse und Wünsche des Betroffenen an, sondern an den gesellschaftlichen Rahmen der Arbeitsphase des menschlichen Lebens, welche mit dem Eintritt in das Rentenalter in der Regel ihren Abschluss findet (so ausdrücklich zu § 17 der Eingliederungshilfe-Verordnung: BVerwG, Urt. v. 21.12.2005, 5 C 26.04, NVwZ-RR 2006, 406, juris Rn. 14). Demzufolge kann von einer nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähigen berufsbildenden Ausbildung dann nicht mehr die Rede sein, wenn von vornherein feststeht, dass der Auszubildende nicht mehr am "Arbeitsleben"in diesem typisierenden Sinne teilnehmen wird, weil er nämlich die Ausbildung erst nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen haben wird. Wie das Thüringische Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht dem weder entgegen, dass für eine selbstständige Berufsausübung die Regelaltersgrenze nicht maßgeblich ist, womit eine selbstständige Berufsausübung auch noch bis in ein weitaus höheres Alter möglich ist, noch, dass es nicht wenige Fälle gibt, in denen Personen entgegen dem üblichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bei Erreichen der Regelaltersgrenze auch danach noch weiterarbeiten, etwa um die Altersrente aufzubessern. Dem Kläger kann zugestanden werden, dass es seit 2003 einen gesellschaftlichen Trend gibt, dass im Rentenalter mehr gearbeitet wird, und dass dieser Trend auch in den Jahren seit 2018 anhält (s. hierzu den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2020 gestellten ersten Beweisantrag). Es kann auch als wahr unterstellt werden, dass es nach den von ihm vorgelegten Lebenserwartungsberechnungen statistisch gesehen gute Chancen gibt, dass er mehr als das 82. Lebensjahr erreichen wird (s. hierzu den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2020 gestellten zweiten Beweisantrag). Ungeachtet beider Umstände ist jedoch bei der Auslegung des § 7 Abs. 1 BAföG eine am Regelfall orientierte typisierende Betrachtung vorzunehmen (vgl. zu einer typisierenden Annahme des Gesetzgebers BVerwG, Urt. v. 29.3.2018, 5 C 14.17, juris Rn. 25). Bei einer solchen Betrachtung ist nicht zu verkennen, dass es durchaus eine Vielzahl von Menschen gibt, die ihren bereits in jüngeren Jahren ergriffenen Beruf auch über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus fortführen, z.B. als selbstständiger Rechtsanwalt oder als niedergelassener Arzt. Es dürfte auch eine Vielzahl von Menschen geben, die nach dem Eintritt in den Ruhestand ungelernte Tätigkeiten ausüben, für die sie keine spezifische Berufsausbildung benötigen, z.B. als Nachtwächter oder Pförtner. Dass aber eine Person kurz vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze überhaupt erst die Ausbildungsvoraussetzungen dafür schaffen möchte, um nach dem Eintritt in den Ruhestand einen bestimmten Beruf zu ergreifen, ist ein seltener Ausnahmefall, wodurch er bei einer typisierenden Betrachtung unberücksichtigt bleiben kann. Das Gesetz ist auf einen solchen Ausnahmefall nicht zugeschnitten.

Nach allem ist das vom Kläger erst im Alter von 65 Jahren aufgenommene Studium, für welches eine Regelstudienzeit von 8 Semestern gilt (s. hierzu https .......................) und dessen Abschluss somit erst im Alter von 69 Jahren zu erwarten war, keine im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähige Ausbildung.

c) Diese Auslegung von § 7 Abs. 1 BAföG verstößt nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Dieses Gesetz gilt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. Ausbildungsförderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sind gemäß §§ 18 und 68 Nr. 1 SGB I Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch.

Ein Verstoß gegen § 33c SGB I liegt ebenfalls nicht vor. Diese Bestimmung nennt das Alter nicht als verbotenen Differenzierungsgrund (vgl. BSG, Urt. v. 25.6.2009, B 3 KR 7/08 R, juris Rn. 18; OVG Hamburg, Beschl. v. 6.9.2010, 4 So 97/10, n.v.).

d) Auch Unionsrecht steht der hier vorgenommenen Auslegung des § 7 Abs. 1 BAföG nicht entgegen.

aa) Ein Verstoß gegen Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ist bereits deswegen nicht gegeben, weil diese Richtlinie nach ihrem Art. 3 Abs. 3 nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes gilt. Mit seinem Antrag auf Ausbildungsförderung begehrt der Kläger eine Leistung eines staatlichen Systems in diesem Sinne. Außerdem findet die Richtlinie nach ihrem Erwägungsgrund 13 keine Anwendung auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung zum Ziel haben. Leistungen der Ausbildungsförderung sollen aber gerade den Zugang zu einer Beschäftigung ermöglichen.

bb) Das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung ist nicht verletzt. Das allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters hat seinen Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten, wie sich aus den Erwägungsgründen 1 und 4 der Richtlinie 2000/78/EG ergibt. Es ist durch die Richtlinie 2000/78/EG konkretisiert worden (EuGH, Urt. v. 19.4.2016, C-441/14, Dansk Industri, Rn. 22). Das nunmehr in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Verbot ist als ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzusehen (EuGH, Urt. v. 19.1.2010, C-555/07, Kücükdeveci, Rn. 21; Urt. v. 22.11.2005, C-144/04, Mangold, Rn. 75).

Im vorliegenden Fall ist bereits der Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Verbots der Altersdiskriminierung nicht eröffnet. Die Anwendung des allgemeinen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters auf einen Sachverhalt setzt voraus, dass der Sachverhalt in den Bereich der von der Richtlinie 2000/78/EG aufgestellten Diskriminierungsverbote fällt (EuGH, Urt. v. 19.4.2016, C-441/14, Dansk Industri, Rn. 24). Das Begehren des Klägers ist jedoch, wie oben dargelegt, gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG und deren Erwägungsgrund 13 nicht vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie erfasst.

3. Einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG, wie sie vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil befürwortet worden ist (ebenso VG Freiburg, Gerichtsbescheid v. 21.4.1997, 7 K 2212/96, NVwZ-RR 1998, 110, Orientierungssätze in juris; VG Frankfurt, Beschluss vom 17.2.2014, 3 L 247/14.F, juris Rn. 5 f.; vgl. auch VG München, Urt. vom 25.10.2012, M 15 K 115737, juris Rn. 25 ff.), bedarf es angesichts der obigen Ausführungen zu § 7 Abs. 1 BAföG nicht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es bedarf der höchstrichterlichen Klärung der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar mehrfach angesprochenen, aber bisher nicht beantworteten Frage, welche ausbildungsförderungsrechtlichen Folgen es hat, wenn ein Auszubildender, der dem Wortlaut nach die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BAföG für ein Absehen von der Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG erfüllt, die Ausbildung erst in einem so hohen Alter aufnimmt, dass er sich bei ihrem Abschluss bereits im Rentenalter befinden wird.

RechtsgebietBaFöGVorschriften§ 7 Abs. 1 BAföG; § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Buchst. a) BAföG; § 10 Abs. 3 S. 1, 2, 3 BAföG