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08.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141383

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 17.05.2013 – 23 U 276/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Kammergericht

Beschluss
Geschäftsnummer: 23 U 276/12 17.05.2013

15 O 181/12 Landgericht Berlin

In dem Rechtsstreit
P -
hat der 23. Zivilsenat durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Domke, den Richter am Kammergericht Wagner und die Richterin am Kammergericht Gabriel beschlossen:

I. Der Senat weist die Beklagte darauf hin, dass die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 ZPO als unbegründet zurückgewiesen werden soll, da der Senat nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen gemäß § 522 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 ZPO gegeben sind:

Das Landgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben, da dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen vier Klauseln gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG und damit auch ein Anspruch auf Zahlung der Abmahnpauschale gemäß § 12 UWG in Höhe von 214,00 € zusteht.

1. Der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB ist neben den Vorschriften des WBVG eröffnet. Denn mit dem neuen Gesetz über den Wohn- und Betreuungsvertrag hat der Gesetzgeber schuldrechtliche Regelungen über einen eigenständigen zivilrechtlichen Vertragstypus geschaffen und damit lediglich einen Rückgriff auf das besondere Schuldrecht, soweit im WBVG Regelungen dazu enthalten sind, ausgeschlossen. Die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts und damit auch die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB bleiben jedoch nach ganz herrschender Auffassung anwendbar (Gitter/Schmitt/Küfner-Schmitt, Heimrecht des Bundes und der Länder, Stand 2012, § 16 WBVG Ziffer 2 a.E.; s. auch Dahlem/Giese/Igl, Heimrecht, Juli 2012, § 4 WBVG Rn. 28). Soweit sich die Beklagte zur Stützung ihrer gegenteiligen Ansicht auf die Kommentierung bei Rasch, WBVG, 1. Aufl., Einführung Ziffer 5, Seite 18, bezieht, geht dies fehl. Denn auch dort ist ein Hinweis darauf zu finden, dass die Normen des allgemeinen Zivilrechts anwendbar bleiben. Hätte der Gesetzgeber im Übrigen durch § 16 WBVG eine abschließende Regelung für den Verbraucherschutz schaffen wollen, hätte sich dies aus dem Gesetzestext oder zumindest aus den Gesetzesmaterialien ergeben müssen. Die Begründung für den Gesetzesentwurf in der Bundestagsdrucksache 16/12409, Seite 10 f., 31, lässt eine solche Absicht jedoch nicht erkennen.

2. a) § 13 Ziffer 6 der AGB

Die Klausel, wonach die Beklagte eine Erhöhung der Entgeltbestandteile durch einseitige Erklärung verlangen kann, verstößt evident gegen §§ 15 Abs. 1, 16 WBVG und ist damit gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unwirksam. Soweit es sich um einen Verbraucher handelt, dessen Kosten durch eine Pflegeversicherung übernommen werden, erfordert die Beanspruchung erhöhter Entgeltbestandteile eine Vereinbarung mit dem Kostenträger; die alte Vereinbarung wird damit unwirksam und es bedarf nicht der zusätzlichen Zustimmung des Verbrauchers (Rasch, WBVG, 1. Aufl., § 8 Rn. 9). Ein einseitiges Änderungsrecht des Unternehmers besteht gerade nicht.

Ebenso unwirksam ist die Regelung in Bezug auf Verbraucher, die keine Leistungen nach dem SGB XI oder XII erhalten. Denn nach dem Gesetzestext ist eben eine Zustimmung des Verbrauchers erforderlich, die entweder ausdrücklich oder zumindest konkludent erteilt werden muss. Dies ergibt sich aus dem Vergleich der Fassung von § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 WBVG und der früheren Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 HeimG, die gerade nicht übernommen wurde. Stimmt der Verbraucher nicht zu, muss der Unternehmer klagen (allgemeine Meinung, Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 9 WBVG, Rn. 3; Rasch, WBVG, 1. Aufl., § 9 Rn. 9), wie dies auch die Beklagte selbst einräumt auf Seite 7 der Berufungsbegründung.

Soweit sie die Klausel im Sinne des Gesetzestextes verstanden wissen will, so ist die Klausel durch die Aufnahme des Zusatzes „ durch einseitige Erhöhung“ jedenfalls aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot der Klarheit und Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

b) § 15 Ziffer 2 der AGB

Das nach der kundenfeindlichsten Auslegung mögliche Verständnis, die Klausel umfasse auch die Abtretung der Entgeltansprüche der Beklagten an ein Inkassounternehmen oder ein privates Abrechnungsinstitut, führt zur Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Bundessozialgericht hat wiederholt die Bedeutung der ärztlichen Schweigepflicht wie auch des Sozialdatenschutzes, insbesondere in Bezug auf sensible Gesundheitsdaten, hervorgehoben und betont, dass die Zulässigkeit einer Weitergabe von Sozialdaten an Dritte z.B. im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung von einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung abhängt (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/07 R, zitiert nach juris Rn. 21 f.). Um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in diesem Bereich besonders zu schützen, ist eine Erhebung bzw. Übermittlung von Daten gemäß den besonderen Vorschriften zum Sozialdatenschutz (§§ 93 ff. SGB XI, § 35 SGB I und §§ 67 ff. SGB X) nur in ganz bestimmten dort gesetzlich geregelten Ausnahmefällen zulässig, die sämtlich gerade nicht die Abtretung an ein Inkassounternehmen umfassen.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine Einwilligung des Betroffenen in die Datenverarbeitung als gleichwertige Legitimationsbasis zur gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gesehen werden kann oder ob im öffentlichen Bereich eine Einwilligung nicht ausreicht, weil die im Sozialrecht gesetzlich definierten Aufgaben nicht ohne weiteres geändert werden können (vgl. Berger, jurisPR-ITR 10/2009 Anm. 5). Ein Rückgriff auf die Vorschriften des BDSG dürfte bereits unzulässig sein, vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/07 R, zitiert nach juris Rn. 34. Jedenfalls wäre eine Einwilligung in die Erhebung personenbezogener Daten durch Allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich nicht möglich und es ist aufgrund der Formulierung in § 15 Ziffer 2 der AGB der Beklagten nicht einmal für den Verbraucher in der erforderlichen Deutlichkeit erkennbar, dass er dadurch der Datenerhebung zustimmen würde.

Unabhängig davon ist eine unangemessene Benachteiligung auch deshalb zu bejahen, als oftmals ein Verbraucher auf einen Heimplatz dringend angewiesen ist und ihm deshalb keine eigene Entscheidungsfreiheit zusteht, wenn das Unternehmen den Abschluss des Wohn- und Betreuungsvertrages von der Einwilligung des Verbrauchers in die AGB abhängig macht (Thüsing in Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Band 2, „Heimvertrag“ Rn. 34).

c) § 20 Ziffer 2 der AGB

Zu Recht hat das Landgericht auch die Klausel, wonach im Fall einer nicht rechtzeitigen Räumung die Beklagte die Sachen auf Kosten des Bewohners anderweitig einlagern kann, wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB als unwirksam angesehen.

Soweit man es überhaupt für zulässig erachtet, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vereinbarungen über die Räumung nach Auszug des Verbrauchers zu treffen (verneinend KG, Urteil vom 28.05.1997 - Kart U 5068/96, in NJW 1998, 829 ff., 831), hängt die Wirksamkeit jedenfalls davon ab, dass ein gerechter Ausgleich zwischen dem Schutz des Besitzes des Ausziehenden, wie u.a. in § 858 BGB zum Ausdruck kommt, und dem Interesse des Unternehmers an einer schnellen Neubelegung der Räumlichkeiten stattfindet. Eine Regelung wie die streitgegenständliche, die generell für den Fall der nicht rechtzeitigen Räumung den Unternehmer berechtigt, diese vorzunehmen und eingebrachte Gegenstände auf Kosten des Nachlassen einzulagern, ohne eine angemessen Frist einzuräumen bzw. danach zu differenzieren, ob der geringe Umfang bzw. Wert der zurückgelassenen Gegenstände auf einen Besitzaufgabewillen schließen könnten, ist deshalb aufgrund unangemessener Benachteiligung unwirksam (Gitter/Schmitt/Küfner-Schmitt, a.a.O., § 4 Ziffer V).

d) § 20 Ziffer 3 der AGB

Die Klausel, wonach für zwei Wochen nach dem Versterben des Verbrauchers noch die Entgeltbestandteile für Investitionskosten (und Unterkunft) zu zahlen sind, ist bereits deshalb gemäß §§ 15 Abs. 1 und 16 WBVG, 87 a Abs. 1 Satz 2 SGB XI, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, als nicht danach differenziert wird, ob es sich um einen Verbraucher, dessen Kosten des Wohn- und Betreuungsvertrages durch die Pflegeversicherung übernommen wird, handelt. Denn in diesem Fall endet die Zahlungspflicht sowohl des Heimbewohners als auch des Kostenträgers unmittelbar mit dem Tag des Versterbens (vgl. auch Rasch, WBVG, 1. Aufl., § 4 Rn. 33 m.w.N. in Fn. 29).

Unabhängig davon liegt ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 3 WBVG auch deshalb vor, als ein Entgelt nur für die Überlassung des Wohnraums im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WBVG gefordert werden kann, nicht jedoch für die gesondert angeführten Entgeltkosten für Investitionen im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WBVG. Aus der Stellungnahme der Bundesregierung auf Seite 11 der BT-Drucksache 16/12882 ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts Anderes, denn die dortigen Ausführungen beziehen sich ersichtlich allein auf § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WBVG, da der Bundesrat insoweit eine Änderung zur Angleichung an die Vorschriften des SGB XI vorgeschlagen hatte. Die Unterscheidung zwischen dem Entgelt für den Wohnraum und Investitionskosten ergibt sich im Übrigen auch deutlich aus § 82 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB XI.

II. Die Beklagte erhält Gelegenheit, binnen drei Wochen zu den obigen Hinweisen Stellung zu nehmen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich bei einer Berufungsrücknahme die Gerichtskostengebühr von 4,0 auf 2,0 ermäßigen würde.