23.04.2015 · IWW-Abrufnummer 144309
Sozialgericht Augsburg: Urteil vom 27.11.2014 – S 12 KR 183/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sozialgericht Augsburg
Urt. v. 27.11.2014
Az.: S 12 KR 183/14
Tenor:
I.
Die Bescheide der Beklagten vom 22. Juli 2013 und 8. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2014 werden aufgehoben.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für eine Laserepilation an Oberlippe und Wangen der Klägerin durch die Praxis Dr. O/G zu übernehmen, begrenzt auf höchstens 600,00 EUR im Wege einer Sachleistung.
III.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Gegenstand des Klageverfahrens ist Kostenübernahme für die Entfernung eines Haarwuchses an Oberlippe und Wangen mittels Laserepilation.
Bei der Beklagten ist am 11.06.2013 ein Attest der dermatologischen Gemeinschaftspraxis Dr. Oblinger/Dr. Gass vom 11.06.2013 eingegangen. Danach besteht bei der am 01.02.1996 geborenen Klägerin ein störender Hirsutismus bei Hyperandrogenämie an den Wangen und der Oberlippe. Zur Therapie werde eine Laserepilation mit Kosten von insgesamt ca. 600 EUR empfohlen. Um Übernahme der Kosten bei hormonell bedingtem Erkrankungsbild werde gebeten. Beigefügt war ein Bericht des Zentralklinikums Augsburg, Klinik für Kinder und Jugendliche vom 23.04.2013, wonach sich unter Hormontherapie klinisch unverändert der Hirsutismus zeigt.
Die Beklagte schaltete zur Beurteilung den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. Reinartz führte in einer gutachtlichen Stellungnahme vom 08.07.2013 aus, dass die Epilation (Enthaarung) eines Hautareals mittels Laser in dem derzeit gültigen EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab Ärzte) nicht mit einer Gebührenposition vertreten sei. Eine Erlaubnis des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für diese Behandlungsmethode liege nicht vor. Somit handle es sich um keine Kassenleistung. Als vertragliche Alternative könne nach der Gebührenposition 10340 des EBM eine Epilation durch Elektrokoagulation (Nadelepilation) im Gesicht und/oder an den Händen bei krankhaftem und entstellendem Haarwuchs im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung angeboten werden.
Laut Gesprächsnotiz vom 08.07.2013 erfolgte an diesem Tag ein Telefonat der Sachbearbeiterin mit der Mutter der Klägerin. Der Vermerk lautet: "Frau A. wurden die Gründe der Ablehnung für die Epilation mittels Laser telefonisch mitgeteilt und als Alternative die Epilation mittels Elektrokoagulation angeboten. Frau A. war mit der Alternative nicht zufrieden und hat bereits im Telefonat angekündigt, dass sie Widerspruch einreichen wird. Sie meint, die Epilation mittels Elektrokoagulation sei zu schmerzhaft und mit Narben verbunden." Mit schriftlichem Bescheid vom 22.07.2013 lehnte die Beklagte dann eine Kostenübernahme ab und verwies auf die Epilation durch Elektrokoagulation.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 24.09.2013 Widerspruch ein. Das Schreiben, das unter einem Briefkopf der Praxis Dr. Oblinger/Dr. Gass verfasst und offensichtlich auch von einem der Ärzte unterzeichnet ist, führte zur Begründung aus, dass die Elektrokoagulation der Haare besonders im Bereich der Oberlippe mit deutlichen Schmerzen verbunden sei. Außerdem sei eine Narbenfreiheit bzw. eine Hyperpigmentierung im behandelten Areal nicht auszuschließen. Daher sei die genannte Methode der Klägerin nicht zumutbar.
In einer Stellungnahme vom 03.01.2014 führte der MDK-Gutachter Dr. E. aus, dass eine aktuelle Literaturrecherche zur Laserepilation keine prospektiven, kontrollierten, verblindeten Studien mit einheitlichen Parametern und ausreichend langen Nachbeobachtungszeiträumen ergeben habe, was für die Beurteilung des Stellenwertes einer Laserepilation notwendig sei. Auch in den Leitlinien und Empfehlungen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft werde die unzureichende Studienlage hervorgehoben und von einer Haarreduktion gesprochen, die im allgemeinen nicht dauerhaft sei und regelmäßige Wiederholungsbehandlungen erfordere. Als vertragsärztliche Therapie stehe die Elektroepilation zur Verfügung. Ergänzend bestehe die Möglichkeit der Verordnung von Vaniqa Creme auf Kassenrezept. Eine Überlegenheit der Laserepilation gegenüber der Elektroepilation insbesondere hinsichtlich der Langzeitwirkung habe bisher nicht anhand einwandfreier wissenschaftlich valider Studien gezeigt werden können. Fachmännisch ausgeführt sei die Elektroepilation bezüglich Langzeitwirkung und Komplikationen (Narbenbildung) zumindest als befriedigend zu bezeichnen. Dadurch entstehende Schmerzen könnten durch Auftragen von lokalanästhetisch wirkenden Cremes gut kupiert werden. Die Beklagte teilte dieses Ergebnis der Klägerin mit einem weiteren mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 08.01.2014 mit.
Auch hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 13.02.2014 Widerspruch ein. Beigefügt waren Atteste des Prof. Dr. Frühwald, Zentralklinikum Augsburg, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche, vom 22.01.2014 sowie des Hausarztes Dr. Kenngott vom 12.02.2014. Prof. Dr. Frühwald führt aus, dass aufgrund des extremen Leidensdruckes, der auch psychische Konsequenzen haben könne, die Kostenübernahme für eine Lasertherapie zur Behandlung des Hirsutismus empfohlen werde. Auch Dr. Kenngott verweist auf den extremen Leidensdruck. Die Beklagte wies den Widerspruch dann mit Bescheid vom 29.04.2014 als unbegründet zurück.
Am 05.06.2014 haben die Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und am 06.06.2014 zusätzlich Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Im Klageverfahren wurde vorgetragen, dass einzig vernünftige Therapie eine Laserepilation sei, die nachhaltig helfen würde, die störende Behaarung loszuwerden, was auch auf die Psyche eine positive Auswirkung hätte. Die Bevollmächtigten haben sich auf das Attest des Prof. Dr. Frühwald vom 22.01.2014 berufen, aus dem sich ergebe, dass die Lasertherapie das einzig mögliche Behandlungskonzept mit Nachhaltigkeit sei.
Im Antragsverfahren (S 12 KR 185/14 ER) haben die Bevollmächtigten auf eine deutlich störende Behaarung insbesondere im Bereich der Wangen und der Oberlippe hingewiesen; dazu komme auch eine erhebliche Behaarung im Bereich des Rückens, der Schultern und des Bauches. Die hormonelle Behandlung habe nicht zum Erfolg geführt; einzig nachhaltiges Mittel sei eine Laserbehandlung. Diese müsse so schnell wie möglich erfolgen, da sich die Antragstellerin noch im Wachstum befinde und bei entsprechender Verfestigung der Haut nachhaltige Schäden entstehen könnten. Dies sei auch bei der jetzigen Hautqualität im Alter der Antragstellerin der beste Weg, eine dauerhafte Entfernung der störenden Haare zu erreichen. Zudem sei sie in erheblicher Weise psychisch belastet. Diese psychische Belastung könne abgewendet werden, wenn mittels Laser sämtliche störende Behaarung entfernt werde. Daher sei ein sofortiges Handeln geboten. Die Kosten würden sich in einem übersichtlichen Rahmen bis 1.000 EUR, sogar deutlich darunter halten. Ansonsten müsse die Antragstellerin psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, was die Kosten der Lasertherapie bei weitem übersteigen werde. Da zwischen dem Antragseingang am 11.06.2013 und dem schriftlichen Bescheid vom 22.07.2013 mehr als fünf Wochen vergangen sind, hat das Gericht auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hingewiesen. Die Beklagte hatte sich demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, dass zum einen die 5-Wochen-Frist gewahrt sei, da bereits am 08.07.2013 telefonisch mit Verwaltungsakt die Leistung abgelehnt worden sei. Zudem könne über die Genehmigungsfiktion nur eine Leistung erbracht werden, die auch tatsächlich zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehöre. Den Eilantrag lehnte das Gericht mit Beschluss vom 02.07.2014 ab mangels ausreichender Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das BayLSG mit Beschluss vom 11.09.2014 zurück.
Im Klageverfahren haben die Bevollmächtigten noch Fotos vom Gesicht der Klägerin vorgelegt. Die Beklagte hat nach Ladung zur mündlichen Verhandlung mit Zeugenladung derjenigen Sachbearbeiterin, die am 08.07.2013 das Telefonat mit der Mutter der Klägerin geführt haben sollte, erklärt, dass das Datum der Gesprächsnotiz fehlerhaft sei. Am 15.07.2013 sei ein Schreiben verschickt worden, worin die Klägerin um Rückruf gebeten wurde, da sie bislang telefonisch nicht zu erreichen war. Daraufhin habe die Klägerin zurückgerufen, und ihr sei die Ablehnung des Antrages mitgeteilt worden. Dazu hätten zwei Telefongespräche stattgefunden, einmal mit einem Sachbearbeiter E. und einmal mit der Sachbearbeiterin D., jedoch beide nach dem 15.07.2013. Der genaue Zeitpunkt könne nicht mehr nachvollzogen werden. Das erste Telefonat mit dem Sachbearbeiter E. habe im Zeitraum zwischen dem 15.07.2013 und dem 22.07.2013 stattgefunden. Telefonnotizen hierzu würden nicht mehr existieren. Auch der Sachbearbeiter E. könne sich nicht mehr daran erinnern, ob und wann er ein etwaiges Gespräch geführt habe. Das Gericht hat daraufhin die Zeugenladung der Sachbearbeiter aufgehoben.
In der mündlichen Verhandlung hat die als Zeugin geladene Mutter der Klägerin keine Angaben gemacht. Wegen der Angaben der Klägerin und der Feststellungen der Kammer zu ihrem Aussehen wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 22.07.2013 und 08.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Laserepilation an Oberlippe und Wangen der Klägerin durch die Praxis Dr. O/G zu übernehmen, begrenzt auf höchstens 600 EUR.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1, 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig. Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, und erweist sich auch als begründet.
Die Bescheide der Beklagten vom 22.07.2013 und 08.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2014 waren aufzuheben, da eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V für den Antrag auf eine Behandlung mittels Laserepilation an Oberlippe und Wangen der Klägerin mit Kosten von bis zu 600 EUR eingetreten ist.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn Sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Krankheitswert im Rechtssinne kommt daher nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (Bundessozialgericht - BSG - vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R mit weiteren Nachweisen).
Zur Überzeugung der Kammer aufgrund des Augenscheins in der mündlichen Verhandlung liegt hier eine entstellende Wirkung der Behaarung an Oberlippe und Wangen der Klägerin und damit eine behandlungsbedürftige Krankheit vor.
Nach § 27 Abs. 2 SGB V haben Versicherte nur Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dabei dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der G-BA eine entsprechende positive Empfehlung abgegeben hat u.a. zum diagnostischen und therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der neuen Methode (§ 135Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Ist eine neue Methode vom Bundesausschuss noch nicht in die Liste der anerkannten Methoden aufgenommen worden, dann kann nach ständiger Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 135 Nr. 4) ein Anspruch auf Kostenübernahme für die noch nicht empfohlene Methode nur dann entstehen, wenn ein sog. "Systemversagen" beim Bundesausschuss vorliegen würde. Ein Systemversagen ist dann gegeben, wenn die Einleitung oder Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert würde (SozR 3-2500 § 135 Nr. 14). Auch bei einem Systemversagen muss jedoch die Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen auf Grund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt werden. Nur ausnahmsweise, wenn ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, darf darauf abgestellt werden, ob sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 und 14).
Bei der Laserepilation handelt es sich formal um eine neue Behandlungsmethode, da sie nicht mit einer Gebührenziffer in den EBM aufgenommen ist, der Grundlage für die Abrechenbarkeit ambulanter vertragsärztlicher Leistungen in der GKV ist. Eine Entscheidung des G-BA zur Zulassung der Laserepilation bei Hirsutismus in der vertragsärztlichen Versorgung existiert nicht. Es ist auch kein Antragsverfahren anhängig, wie sich aus der Internetseite des G-BA ergibt. Auch ein Systemversagen ist für das Gericht nicht erkennbar. Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass der G-BA die Einleitung eines Verfahrens zur Laserepilation bei Hirsutismus aus willkürlichen oder sachfremden Gründen blockiert oder verzögert hätte. Argumente hierzu wurden von Seiten der Klägerin auch nicht vorgetragen.
Daher scheidet die Kostenübernahme für eine Behandlung mittels Laserepilation aus. Ob die Laserepilation der Nadelepilation überlegen ist, ist daher vom Gericht nicht zu entscheiden. Entsprechende Ermittlungen sind auch nicht angezeigt.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen Anspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V berufen. Denn der bei der Klägerin vorliegende Hirsutismus stellt zweifelsfrei keine einer lebensbedrohlichen Erkrankung zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung dar.
Materiell rechtlich besteht daher kein Anspruch auf Kostenübernahme für eine Laserepilation. Dennoch hat die Klägerin hier einen Anspruch, da die Genehmigungsfiktion aus § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten ist.
Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Kann die Krankenkasse diese Frist nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Der Eintritt der Genehmigungsfiktion erfordert zunächst einen konkret bestimmten Antrag. Der aus dem Schriftsatz der Praxis Dr. O vom 11.06.2013 zu entnehmende Antrag ist zur Überzeugung des Gerichts so bestimmt, dass eine Genehmigungsfiktion eintreten kann. Es findet sich die klare Aussage, dass es um eine Laserepilation an Wangen und Oberlippe der Klägerin geht mit Kosten von insgesamt ca. 600 EUR.
Bei Antragseingang am 11.06.2013 ist die bei Einschaltung des MDK geltende 5-Wochen-Frist am 16.07.2013 abgelaufen. Die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass sie nicht belegen kann, dass bis spätestens 16.07.2013 ein Verwaltungsakt in mündlicher (telefonischer) Form erteilt wurde. Auch wurde die Klägerin nicht vor Ablauf der Frist schriftlich über deren Überschreitung informiert. Entsprechende Unterlagen finden sich nicht in der Verwaltungsakte und eine solche Information wird von der Beklagten auch nicht behauptet. Die objektive Beweislast dafür, dass innerhalb der Frist von 5 Wochen eine Information über die Fristüberschreitung mit Gründen oder ein Verwaltungsakt erstellt wurde, liegt bei der Beklagten.
Damit ist die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten.
Dem steht zur Überzeugung des Gerichts nicht entgegen, dass es sich bei der Laserepilation um eine Leistung handelt, die als neue Behandlungsmethode nicht zum Leistungsspektrum der GKV gehört. Die Beklagte beruft sich dabei auf Satz 7 des § 13 Abs. 3a SGB V, der für die Kostenerstattung auf den Begriff der "erforderlichen Leistung" Bezug nimmt. Hieraus schließt die Beklagte, dass es grundsätzlich im Bereich des § 13 Abs. 3a SGB V nur um eine Leistung innerhalb des Leistungsspektrums der GKV gehen kann. Dem folgt das Gericht nicht.
Nach dem klaren Wortlaut der Norm gewährt Satz 6 mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch, Satz 7 dagegen einen Kostenerstattungsanspruch. Zwar hatte der Gesetzgeber im Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten zunächst lediglich einen Kostenerstattungsanspruch nach Fristsetzung durch den Patienten für erforderliche Leistungen ins Auge gefasst. Im Rahmen der Ausschussberatung wurde jedoch die Genehmigungsfiktion in den Gesetzestext übernommen (Bundestagsdrucksache 17/11710, S. 30). In der Begründung hierfür heißt es ausdrücklich "dies erleichtert es dem Versicherten, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen."
Mit der Genehmigungsfiktion wollte der Gesetzgeber offensichtlich die Benachteiligung eines Versicherten, der finanziell nicht dazu in der Lage ist, die begehrte Leistung vor zu finanzieren und später einen Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen, gegenüber einem finanziell gut gestellten Versicherten beseitigen. Durch die Genehmigungsfiktion gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Fingierte Verwaltungsakte haben dabei die gleichen Rechtswirkungen wie tatsächlich erlassene Verwaltungsakte (Bundesverwaltungsgericht NJW 2013, 99 Rz. 12) und sind dem Sozialrecht nicht fremd (vgl. z.B. § 32 Abs. 1b SGB V). Durch die Genehmigungsfiktion wird die Leistungsberechtigung des Versicherten wirksam verfügt. Die Krankenkasse ist daher mit allen Einwendungen gegen den Anspruch (wie hier den Einwand einer neuen, nicht genehmigungsfähigen Behandlungsmethode) ausgeschlossen. Mit Ein-
tritt der Genehmigungsfiktion besteht ein Anspruch auf Sachleistung, der - soweit von der Krankenkasse bestritten - mit Leistungsklage und im Wege des Eilrechtsschutzes mit einer einstweiligen Anordnung weiter verfolgt werden kann. Der Gesetzgeber wollte offensichtlich innerhalb der zur Entscheidung eingeräumten Fristen zu Gunsten der Versicherten zügig Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Nur auf oben genannte Weise kann der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die zügige Durchführung des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden. Dieses Ziel würde ins Leere laufen, wenn die Genehmigungsfiktion durch eine außerhalb der Frist erfolgende nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen könnte. Mit diesem Ziel ist es nicht vereinbar, dass dieselbe Situation eintritt bzw. eintreten kann, wie
sie vor der Einführung der Genehmigungsfiktion im Rahmen der Freistellung nach § 13 Abs. 3 SGB V bestanden hat, wo der Anspruch auf die erforderliche Leistung innerhalb des Systems der GKV zu überprüfen ist. Wenn Prüfungsumfang und Zeitdauer des Verfahrens durch die nachträglich mögliche Prüfung praktisch wieder identisch mit den Verfahren vor Inkrafttreten der Regelung werden, hätte die Neuregelung in der Praxis nicht die gewollten spürbar positiven Effekte für den Schutz der Patientenrechte. Ausgehend von Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung kann die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V daher nur so zu verstehen sein, dass nach Ablauf der Fristen der geltend gemachte Anspruch von der Krankenkasse ohne weitere Prüfungen zu erfüllen ist.
Die Beklagte war daher unter Aufhebung der einen Leistungsanspruch verneinenden Bescheide antragsgemäß zur Sachleistung zu verurteilen. Dabei hat grundsätzlich die Beklagte direkt gegenüber dem Leistungserbringer die Laserepilation als Sachleistung zu übernehmen und die Klägerin von entsprechenden Kosten (soweit diese 600 EUR nicht übersteigen) freizustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Das Gericht hat die Berufung nicht zugelassen, da es sich nicht um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt und das Urteil nicht von einer Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts oder des Bundessozialgerichts abweicht (§ 144 Abs. 1,
Abs. 2 SGG).