09.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146349
Verwaltungsgericht Köln: Urteil vom 14.12.2015 – 7 K 14/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verwaltungsgericht Köln
7 K 14/15
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
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Tatbestand
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Die am 00.00.1944 geborene Klägerin zu 1) und der am 00.00.1937 geborene Kläger zu 2) sind seit dem Jahr 1968 verheiratet. Sie haben drei erwachsene Söhne und vier Enkelkinder. Sie leben beide im Ruhestand.
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Mit einem ausführlichen Schreiben vom 12.06.2014 beantragten sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ihnen die Erlaubnis zum Erwerb von jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Durchführung eines gemeinschaftlichen Suizids oder zur Abgabe durch eine Apotheke auf Verschreibung eines Arztes zu erteilen. Zur Begründung trugen sie vor, sie hätten aufgrund reiflicher Überlegung beschlossen, nach einer langen und glücklichen Ehezeit gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Hierdurch wollten sie sich und ihren Angehörigen einen qualvollen Tod oder einen jahrelangen körperlichen oder geistigen Verfall ersparen, den sie im Verwandten- und Freundeskreis bereits mit großer Betroffenheit erlebt hätten. Auch sei es ihr Wunsch, den Lebensabend nicht ohne den langjährigen Partner oder unter beschwerlichen Umständen verbringen zu müssen und anderen mit ihrer Hinfälligkeit nicht zur Last zu fallen.
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Seit 2011 habe sich bei dem Kläger zu 2) ein Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte gezeigt. Die bisherigen Aktivitäten seien immer beschwerlicher geworden, die erbrachten Leistungen geringer und die notwendigen Erholungsphasen länger. Diese Symptome seien in einem geringen Ausmaß auch bei der Klägerin zu 1) aufgetreten. Hierdurch hätte sich der schon seit langem gehegte Wunsch des selbstbestimmten Sterbens, zu dem der Kläger zu 2) auch mehrere Publikationen verfasst habe, konkretisiert.
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Aus den Gewährleistungen einer unantastbaren Menschenwürde und unveräußerlichen Menschenrechten in Art. 1 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 2 des Grundgesetzes ergebe sich, dass die Bundesrepublik Deutschland dafür Sorge tragen müsse, das Bürger des Staates den freiwilligen Selbsttod ohne unzumutbare Risiken, ohne Schmerzen und ohne Zwang wählen könnten, ohne die Bundesrepublik zu diesem Zweck verlassen zu müssen. Diese Auffassung werde zudem gestützt durch das Grundrecht auf Religionsfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG, das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Art. 2 Abs. 1 GG und die staatliche Pflicht zum Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 GG.
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Ferner müsse der Staat das in Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Recht auf Privatleben achten, wozu auch das Recht gehöre, das eigene Leben selbstbestimmt zu beenden. Dies sei auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in drei Urteilen anerkannt worden (Fälle Haas, Gross und Koch). Diese Rechte seien nicht nur theoretisch gewährt, sondern müssten wirksam und praktisch sein. Damit habe der einzelne auch ein Recht auf ein positives staatliches Handeln, wenn ohne dieses die Verwirklichung des Rechts praktisch nicht möglich sei. Dies sei hier der Fall, da es eine andere Art, ohne Schmerzen und Risiken für sich und Dritte aus dem Leben zu scheiden, praktisch nicht gebe. Insbesondere hätten bereits zwei Ärzte die Gewährung von Sterbehilfe unter Hinweis auf das ärztliche Standesrecht und die Gefahr eines Strafverfahrens abgelehnt.
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Mit dem Antrag legten sie zwei psychiatrische Gutachten von PD Dr. med. K. G. T. vom 15.01.2014 und von Dr. med. X. U. vom 23.03.2014 vor, in denen den Klägern uneingeschränkte geistige Gesundheit und eine selbstbestimmte Willensbildung im Hinblick auf ihren Suizid-Wunsch bescheinigt wird. Aus den Gutachten ergibt sich auch, dass die Kläger an keiner unheilbaren, lebensbedrohlichen oder beschwerlichen körperlichen Erkrankung leiden.
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Mit Bescheid vom 01.10.2014 wurde der Antrag abgelehnt. In der Begründung wurde ausgeführt, der Antrag sei zulässig, soweit er auf den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Durchführung eines Suizids gerichtet sei. Er sei jedoch unbegründet, da ihm der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG entgegenstehe. Die beabsichtigte Anwendung zur Selbsttötung sei mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen, nicht vereinbar. Der Schutzzweck sei darauf gerichtet, Leben und Gesundheit der Bevölkerung vor den schädlichen Auswirkungen von Betäubungsmitteln zu schützen. Die Benutzung eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung verstoße daher gegen den Gesetzesweck. Dies habe das VG Köln in seinem Urteil vom 13.05.2014 – 7 K 254/13 – bestätigt. Die Ausführungen zum Grundgesetz und zur Europäischen Menschenrechtskonvention führten im Rahmen der betäubungsmittelrechtlichen Regelungen nach der aktuellen Rechtsprechung nicht zu einer anderen Entscheidung.
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Hiergegen legten die Kläger am 31.10.2014 durch ihre Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, die medizinische Versorgung der Bevölkerung umfasse schon nach dem Gesetzeswortlaut auch die Versorgung mit lebensbeendenden Betäubungsmitteln zur Vermeidung von Krankheit und Leiden am Lebensende. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass am Lebensende, insbesondere bei schweren Erkrankungen, Betäubungsmittel verwendet werden k önnten, auch wenn hierdurch aufgrund einer zu hohen Dosierung der Tod eintrete.
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Falls aber die Regelung in der Auslegung der Beklagten einen Einsatz zu lebensbeendenden Zwecken nicht umfasse, verstoße dies gegen das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention. Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Individuums auch bezüglich des eigenen Todes folge, dass der Staat dieses respektieren müsse und begründen müsse, warum ein Betäubungsmittel nicht zur Verfügung gestellt werden könne. Es gebe aber keine Verpflichtung des Staates zum Erhalt des Lebens bei einem entgegenstehenden Willen des Bürgers. Auch sei ein staatlicher Eingriff durch Verweigerung des Betäubungsmittels nicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder der Gesundheit der Bevölkerung erforderlich. Ein Missbrauch durch die beantragte Erlaubnis sei nicht zu befürchten.
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Der Staat habe es im Rahmen des Betäubungsmittelrechts versäumt, Ausnahmetatbestände bzw. Verfahrensregelungen zur Prüfung eines ernsthaften Suizidwillens – wie in der Schweiz - zu schaffen. Daraus ergebe sich, dass die Abgabe uneingeschränkt zulässig sei.
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Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 28.11.2014, der am 03.12.2014 zugestellt wurde, zurückgewiesen.
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Am 02.01.2015 haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie ihren Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital weiterverfolgen.
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Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihre Ausführungen im Verwaltungs- und im Widerspruchsverfahren. Sie halten insbesondere an der Auffassung fest, die restriktive Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG verstoße gegen Art. 1 und Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Die Beklagte habe nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen eine Abgabe des Mittels nicht erfolgen dürfe. Art. 8 Abs. 2 EMRK fordere, dass ein Eingriff in dieses Recht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein müsse. Insbesondere die bisweilen genannten Missbrauchsvorwürfe seien nicht belegt. In Ländern, die die Sterbehilfe zuließen, wie beispielsweise die Schweiz, Holland, Belgien, Luxemburg und die US-Bundesstaaten Oregon und Washington, gebe es keine Anzeichen für einen Missbrauch.
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Im vorliegenden konkreten Fall sei ein Betäubungsmittelmissbrauch durch die Kläger aufgrund der freien, gutachterlich bestätigten Willensentschließung der Kläger ausgeschlossen. Auch ein anderweitiger Missbrauch sei nicht ersichtlich. Ein generelles besonderes Schutzbedürfnis für Suizidwillige bestehe nicht.
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Im Übrigen sei der Staat gehalten, eine Missbrauchsgefahr durch entsprechende regulierte Verfahren auszuschließen bzw. Ausnahmen für ernsthafte Suizidentscheidungen zuzulassen. Im Fall „Gross“ habe der EGMR einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK darin gesehen, dass klare gesetzliche Leitlinien für die Beurteilung von Fällen fehlten, in denen ein Selbstbestimmungsrecht auf Beendigung des Lebens ohne eine lebensbedrohliche Krankheit geltend gemacht werde.
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Jedenfalls dürfe der Staat einen würdigen Tod nicht dadurch verhindern, dass er ihn durch selbst errichtete gesetzliche Hürden ausschließe und damit die Kläger auf unzumutbare Methoden eines nicht medizinisch herbeigeführten Suizides verweisen. Hierdurch werde den Klägern die Möglichkeit genommen, ihr Leben auf die von ihnen gewählte Weise zu beenden. Hierfür gebe es keine Rechtfertigung. Insbesondere seien die Voraussetzungen, unter denen gemäß Art. 2 Abs. 1 GG die Einschränkung des Rechtes auf freie Persönlichkeitsentfaltung zulässig sei („Schrankentrias“) nicht erfüllt.
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Auf eine Anfrage des Gerichts vom 30.04.2015, ob einem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf ein geplantes Gesetz zur Neuregelung der Sterbehilfe gegen Ende des Jahres 2015 zugestimmt werde, haben die Kläger am 15.05.2015 eine Verzögerungsrüge erhoben.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.10.204 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2014 zu verpflichten,
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den Erwerb von jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Durchführung eines Suizids zu gestatten,
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hilfsweise,
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den Erwerb von jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Durchführung eines begleiteten Suizids zu gestatten,
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hilfsweise,
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den Antragstellern zu gestatten, dass sie jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital von Ärzten verschrieben und von Apothekern ausgehändigt erhalten,
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weiter hilfsweise,
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den Antragstellern zu gestatten, jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital von Ärzten verschrieben und Apothekern für die Durchführung eines begleiteten Suizids ausgehändigt bekommen zu dürfen, insbesondere zur Durchführung eines jeweiligen Suizids in Begleitung/Obhut eines in Deutschland bestehenden Vereins, der Gewähr für die Durchführung von Freitodbegleitungen bietet, sofern dieser erklärt, dafür Gewähr zu leisten, dass das Mittel jeweils lediglich zum Zwecke der Durchführung eines gemeinsamen oder jeweils einzelnen Suizids der Antragsteller eingesetzt wird,
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weiter hilfsweise,
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den Antragstellern zu gestatten, dass Ärzte ihnen zum Zwecke der Durchführung eines Suizids jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital verschreiben und Apotheker ihnen aushändigen dürfen zu Händen eines Notars, sofern dieser gegenüber dem Arzt und Apotheker die notarieller Erklärung dafür abgibt, Gewähr zu leisten, dass die Antragsteller einzeln oder gemeinsam ihm gegenüber erklärt haben, das Mittel zu Durchführung eines Suizids erhalten zu wollen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass der Erteilung der begehrten Erlaubnis der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zwingend entgegenstehe und verweist insoweit ergänzend auf die Rechtsprechung des VG Köln (Urteil vom 21.02.2006 – 7 K 2040/05 – und Urteil vom 13.05.2014 – 7 K 254/13 - ).
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Eine Auslegung der Bestimmung im Lichte des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention führe nicht zu einem anderen Ergebnis.
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Es sei zunächst fraglich, ob der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK durch die hier begehrte Versagung der Erlaubnis zum Erwerb eines tödlichen Betäubungsmittels überhaupt tangiert sei. Es gebe keine eindeutige Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs dahingehend, dass Art. 8 EMRK den Staat verpflichte, einen würdigen Tod aktiv zu ermöglichen. Vielmehr werde eine solche Verpflichtung in den einschlägigen Urteilen des Gerichtshofs lediglich erwogen.
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Demgegenüber werde in den klaren Äußerungen des EGMR stets der weite Entscheidungsspielraum der Mitgliedsstaaten in dieser Frage betont und hervorgehoben, dass in den Staaten insoweit keine Einigkeit bestehe. Vielmehr lehnten die meisten Staaten eine Sterbehilfe ab. In der Entscheidung „Pretty gegen das Vereinigte Königreich“, Nr. 2346/02, habe der Gerichtshof selbst das strafbewehrte Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung in UK als verhältnismäßig angesehen. Damit sei die Regelung in der Bundesrepublik, die zwar die Nutzung von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung, aber nicht zu lebensverkürzenden Maßnahmen im Rahmen der Palliativmedizin untersage, erst recht verhältnismäßig.
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Jedenfalls finde das in Art. 8 Abs. 1 EMRK verbriefte Selbstbestimmungsrecht des Sterbewilligen seine Grenze in der in Art. 2 EMRK enthaltenen Schutzpflicht des Staates für das Leben und die Gesundheit verwundbarer Personen. Diese Rechtsgüter müssten gegeneinander abgewogen werden, wobei den Vertragsstaaten ein erheblicher Ermessensspielraum zustehe. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG sei folglich Ausdruck der Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten des Schutzes von Leben und Gesundheit von suizidwilligen Personen (vgl. die Urteile des VG Köln vom 21.02.2006 und vom 13.05.2014, a.a.O.). Auf die Frage, ob im Einzelfall tatsächlich eine Beeinträchtigung der Willensfreiheit des suizidsuchenden Menschen vorliege, komme es nicht an. Der Gesetzgeber sei nämlich aufgrund des besonderen Schutzbedürfnisses dieser Gruppe auch zu allgemeinen Regelungen berechtigt (EGMR, „Pretty gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 2346/02, Rn. 74).
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Soweit die Kläger mit den Hilfsanträgen teilweise die Erteilung einer Erlaubnis zur Abgabe oder zur Verschreibung von Pentobarbital-Natrium durch Dritte beantragt hätten, seien die Hilfsanträge bereits wegen der fehlenden Klagebefugnis unzulässig.
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Im Übrigen seien die Hilfsanträge, die auf eine Erlaubnis zum Erwerb unter bestimmten Einschränkungen oder Auflagen abzielten, ebenfalls unbegründet.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere besteht hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung umformulierten Hilfsanträge eine Klagebefugnis der Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Die Kläger begehren in allen Fällen eine Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels der Anlage III des BtMG aufgrund der von ihnen geltend gemachten Grundrechte und der Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. Damit machen sie geltend, durch die Ablehnung der Erlaubnis in eigenen Rechten verletzt zu sein. Soweit mit den Hilfsanträgen bestimmte Modalitäten der Beschaffung des begehrten Betäubungsmittels beschrieben werden, richten sich auch diese Anträge letztlich auf die Erlangung des Besitzes durch die Kläger, und damit auf den Erwerb eines Betäubungsmittels.
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Die Klage hat jedoch weder mit dem Hauptantrag noch mit den Hilfsanträgen Erfolg. Der Bescheid des BfArM vom 01.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis von Natriumpentobarbital zum Zweck der gemeinschaftlichen oder der getrennten Selbsttötung. Dieser Anspruch besteht auch nicht, wenn der Erwerb mit den Sicherungsmaßnahmen erfolgt, die mit den Hilfsanträgen beschrieben werden.
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Für den Erwerb dieses Mittels ist gemäß § 3 Abs. 1 BtMG eine Erlaubnis des BfArM erforderlich, da es sich um ein in der Anlage III des BtMG aufgeführtes Betäubungsmittel handelt (unter dem Stoffnamen „Pentobarbital“). Zwar sind die in der Anlage III genannten Betäubungsmittel auch im Wege der ärztlichen Verschreibung zugänglich. Dies gilt jedoch nicht für die von den Klägern begehrte Menge des Stoffes. Da sie den Tod herbeiführen kann, wird sie von Ärzten nicht verschrieben. Denn nach der überwiegenden Zahl der landesrechtlichen Berufsordnungen der Ärztekammern ist die Hilfe zur Selbsttötung von Patienten verboten und daher auch nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG nicht zulässig,
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vgl. Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte in der Fassung des Beschlusses des 118. Deutschen Ärztetages 2015, § 16; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 19.08.2015 – 13 A 1299/14 – juris, Rn. 48 - 50.
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Der Erteilung der erforderlichen Erlaubnis steht aber ein zwingender Versagungsgrund entgegen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn die Art und der Zweck des beantragten Verkehrs nicht mit dem Zweck dieses Gesetzes vereinbar ist. Der Zweck besteht nach dem Wortlaut der Vorschrift darin, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, daneben aber den Missbrauch von Betäubungsmitteln und die Entstehung einer Betäubungsmittelabhängigkeit zu verhindern.
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Die von den Klägern erstrebte Nutzung des Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung ist mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes nicht vereinbar. Es kann dahinstehen, ob der Einsatz von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung möglicherweise als Missbrauch eines Betäubungsmittels einzuordnen ist. Jedenfalls ist diese Verwendung kein Bestandteil der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung. In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wurde schon mehrfach entschieden, dass die notwendige medizinische Versorgung nur die therapeutische Behandlung umfasst, d.h. den Einsatz von Betäubungsmitteln zum Zweck der Heilung von Krankheiten oder der Linderung von Schmerzen und anderen Beschwerden. Dies schließt auch die Verwendung von Betäubungsmitteln im Rahmen der palliativen Versorgung von sterbenden Schmerzpatienten ein, selbst wenn der Eintritt des Todes hierdurch unabsichtlich beschleunigt wird. Die zielgerichtete Herbeiführung des eigenen Todes gehört jedoch nicht zur notwendigen medizinischen Versorgung,
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vgl. VG Köln, Urteile vom 21.02.2006 - 7 K 2040/06 - und vom 13.05.2014 - 7 K 254/13 - , bestätigt durch OVG NRW, Urteil vom 19.08.2015 - 13 A 1299/14 - juris, Rn. 54 – 79, nicht rechtskräftig.
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In dem zuletzt genannten Urteil des Oberverwaltungsgerichts wurde ausführlich begründet, warum der Wortlaut der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG, der systematische Zusammenhang mit anderen Rechtsvorschriften und der erkennbare Wille des historischen Gesetzgebers in den Jahren 1981 und 2012 eine restriktive Auslegung der Bestimmung in diesem Sinne gebietet. Insbesondere ist der dem gesamten Betäubungsmittelgesetz übergeordnete Zweck auf den Schutz der menschlichen Gesundheit, und nicht auf das Gegenteil, also gesundheits- und lebensgefährdende Maßnahmen, gerichtet. Auf diese Ausführungen wird in vollem Umfang Bezug genommen.
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Die Annahme, dass die Nutzung von Betäubungsmitteln zur gezielten Selbsttötung nicht unter den Begriff der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung fällt, wird nunmehr unterstützt durch die Verabschiedung des „Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ durch Beschluss des Deutschen Bundestages am 06.11.2015,
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vgl. Stenografischer Bericht über die 134. Sitzung am 06.11.2015, Plenarprotokoll 18/134.
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Durch das Gesetz wurde ein neuer Straftatbestand mit dem Titel „Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter der Vorschrift des § 217 StGB eingeführt. Dieser lautet:
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„Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. ...“
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Mit dem Kriterium der Geschäftsmäßigkeit wird keine Erwerbs- oder Gewinnerzielungsabsicht vorausgesetzt, sondern es genügt, dass der Täter die Wiederholung gleichartiger Taten zum Gegenstand seiner Beschäftigung macht bzw. es sich bei der Suizidhilfe um eine planmäßige Betätigung in Form eines regelmäßigen Angebotes handelt.
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vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese u. a. vom 01.07.2015, BT-Drs. 18/5373, S. 12.
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Mit diesem Gesetz wurde zwar das Betäubungsmittelrecht nicht geändert. Jedoch umfasst die dort strafrechtlich sanktionierte, planmäßige Förderung der Selbsttötung auch die Verschaffung von Betäubungsmitteln, die zur Herbeiführung eines Suizides eingesetzt werden können, durch private Einzelpersonen und Organisationen. Dieser Sachverhalt weist daher Gemeinsamkeiten mit der hier streitgegenständlichen behördlichen Erlaubnis zum Erwerb von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung auf. Insbesondere erforderte die Entscheidung des Gesetzgebers eine Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern, nämlich dem Selbstbestimmungsrecht des Suizidwilligen einerseits und dem Schutz des Lebens von verletzbaren Personengruppen andererseits. Die Bewertung des Gesetzgebers in dieser Abwägungsfrage kann daher im Sinne einer Einheitlichkeit der Rechtsordnung auch zur Auslegung der Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG herangezogen werden.
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Zwar ist es zutreffend, dass der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich ein Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Tod aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG anerkannt hat, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat. Die Mehrheit der Abgeordneten sah es jedoch als erforderlich an, dieses Recht einzuschränken und die Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen auf Fälle einer geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe auszudehnen und damit zu verschärfen.
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Ein Anspruch auf Zugang zu tödlichen Betäubungsmitteln mittels einer behördlichen Erlaubnis würde zur Zielsetzung des Gesetzgebers in einem unauflöslichen Wertungswiderspruch stehen. Zwar ist die - teilweise unseriöse - Tätigkeit von Sterbehilfeorganisationen mit dem Vorgang einer staatlichen Erlaubniserteilung nicht vergleichbar. Die gesellschaftliche Wirkung einer derartigen Erlaubnis wäre aber im Ergebnis gleichbedeutend mit den Wirkungen eines privaten, geschäftsmäßigen Angebotes zur Suizidbeihilfe.
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Die von den Klägern vertretene Rechtsauffassung, wonach die Erlaubnis zum Erwerb von Natriumpentobarbital an jeden Antragsteller erteilt werden müsse, der sein grundrechtlich geschütztes Selbstbestimmungsrecht freiwillig, autonom und nach reiflicher Überlegung ausgeübt habe, würde im Ergebnis zu einer regelmäßigen Verwaltungspraxis führen, mit der Suizidwillige unterstützt würden. Die staatliche Suizidbeihilfe würde daher zu einer gesellschaftlichen Normalisierung der Sterbehilfe und damit voraussichtlich zu einer Verbreitung des Suizides als einer gleichwertigen Option neben dem natürlichen Tod beitragen.
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Dies sollte durch das neue Gesetz zur Bestrafung der organisierten Suizidbeihilfe aber gerade verhindert werden. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, durch die zunehmende Verbreitung des assistierten Suizids könnte der fatale Anschein einer Normalität und einer gewissen gesellschaftlichen Akzeptanz, schlimmstenfalls sogar der sozialen Gebotenheit der Selbsttötung entstehen und damit auch anfällige Menschen zur Selbsttötung verleitet werden. Insbesondere alte und kranke Menschen, die sich häufig als Last für die Gesellschaft und ihre Angehörigen empfänden, könnten sich einem gefährlichen Erwartungsdruck ausgesetzt sehen, das Angebot einer Suizidbeihilfe anzunehmen. Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs sei es, die Entwicklung der Beihilfe zum Suizid zu einem normalen Dienstleistungsangebot der gesundheitlichen Versorgung zu verhindern,
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vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese u. a. vom 01.07.2015, BT-Drs. 18/5373, S. 2, 8 und 11.
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Hierbei stützte sich der Gesetzgeber auch auf eine Empfehlung des Deutschen Ethikrates, der erklärt hatte, eine Suizidbeihilfe, die keine individuelle Hilfe in tragischen Ausnahmesituationen, sondern eine Art Normalfall wäre, etwa im Sinne eines wählbaren Regelangebots von Ärzten oder im Sinne der Dienstleistung eines Vereins, wäre geeignet, den gesellschaftlichen Respekt vor dem Leben zu schwächen,
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vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese u. a. vom 01.07.2015, BT-Drs. 18/5373, S. 9 f. unter Hinweis auf die „Ad-hoc-Empfehlung“ des Deutschen Ethikrates vom 18.12.2014, S. 4.
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Dieser beunruhigenden Entwicklung sollte durch den Ausbau der Palliativversorgung und die neue Strafvorschrift entgegengewirkt werden. Die Zielsetzung des Gesetzgebers, dass die Verschaffung eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung keine medizinische Regelleistung werden und im Fall von geschäftsmäßiger Förderung strafbar sein soll, ist daher unvereinbar mit der Annahme, dass derselbe Vorgang im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG als Bestandteil einer normalen medizinischen Versorgung zulässig sein soll. Damit würde der Staat einer gesellschaftlichen Entwicklung Vorschub leisten, die er durch das gerade verabschiedete Gesetz verhindern will.
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Es bleibt daher bei der Auslegung, dass eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG nicht zum Zweck der Selbsttötung erteilt werden kann.
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Ein derartiges restriktives Verständnis dieser Vorschrift verstößt nicht gegen Art. 8 EMRK oder gegen Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 oder Art. 6 GG. Aus diesen Schutzgarantien und Grundrechten folgt auch keine Pflicht des Gesetzgebers, einen „Ausnahmetatbestand“ für die Fälle eines autonomen Suizidentschlusses und entsprechende Verfahrensregeln für die Erteilung einer Erlaubnis durch das BfArM festzulegen.
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Art. 8 EMRK, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens schützt, umfasst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auch ein Selbstbestimmungsrecht über den Zeitpunkt und die Art des eigenen Todes. Die Verweigerung des Zugangs zu einem tödlichen Betäubungsmittel, die sich aus der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ergibt, verletzt jedoch nicht die aus Art. 8 EMRK resultierenden positiven Schutzpflichten des Staates. Denn in diesem Bereich müssen die unterschiedlichen betroffenen Interessen, nämlich einerseits das Selbstbestimmungsrecht des Sterbewilligen und andererseits die Schutzpflicht des Staates für das Leben und die Gesundheit verwundbarer Personen, gegeneinander abgewogen werden, wobei ein erheblicher Ermessensspielraum der Vertragsstaaten besteht,
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vgl. EGMR, Urteil vom 20.01.2011 – 31322/07 – „Haas/Schweiz“, juris, Rn. 53, 54; Urteil vom 19.07.2012 – 497/09 – „Koch/BRD“, juris, Rn. 70.
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Das erkennende Gericht hat bereits mit Urteil vom 13.05.2014 - 7 K 254/13 - entschieden, dass sich die gesetzliche Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG, die ausnahmslos keinen Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel zulässt, im Rahmen dieses Ermessensspielraums bewegt. Sie ist insbesondere nicht unverhältnismäßig, weil sie dem Schutz des Lebens und der Autonomie von verwundbaren Personen und damit der Durchsetzung hochrangiger Verfassungsgüter dient. Gleichzeitig bleiben noch Spielräume für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts erhalten,
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bestätigt durch OVG NRW, Urteil vom 19.08.2015 – 13 A 1299/14 – juris, Rn. 95.
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Daran hält die Kammer auch vor dem Hintergrund der Strafverschärfung durch die Einführung des neuen Straftatbestandes der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung fest. Der Gesetzgeber hat im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum Ausdruck gebracht, dass die zunehmende Betätigung von Sterbehilfevereinen und die Ausbreitung des Wunsches in der Bevölkerung, selbst über die Umstände des eigenen Todes zu entscheiden, eine neue Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des einzelnen und dem Schutzbedürfnis bestimmter verwundbarer Personengruppen erfordert,
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vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese u. a. vom 01.07.2015, BT-Drs. 18/5373, S. 10.
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Er hielt es für geboten, weitergehende staatliche Schutzmaßnahmen in diesem Bereich zu treffen, um zum Schutz des Lebens und der Autonomie von Menschen am Lebensende Manipulationen und Beeinflussungen der freien Verantwortlichkeit durch organisierte Formen des assistierten Suizids gegenzusteuern. Die Beihilfe zum Suizid, die in tragischen Einzelfällen aus Gründen menschlicher Verbundenheit geleistet werde, bleibe jedoch straffrei. Hiermit würden die Rechtsgüter Leben und Selbstbestimmung gleichermaßen berücksichtigt und in Einklang gebracht. Im Übrigen wurde betont, es bestehe auch bei Vorliegen einer autonomen Entscheidung zur Beendigung des Lebens keine verfassungsrechtliche Pflicht, rechtliche Mechanismen zur Umsetzung dieser Entscheidung bereitzustellen,
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vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese u. a. vom 01.07.2015, BT-Drs. 18/5373, S. 10.
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Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, „Ausnahmeregelungen“ für Personen zu schaffen, die eine selbstbestimmte und freiverantwortliche Suizidentscheidung getroffen haben und daher in dem oben genannten Sinn nicht schutzbedürftig sind. Er darf generell pauschalisierende Regelungen erlassen und kann auch abstrakten Gefahren entgegenwirken, die nicht in jedem Einzelfall verwirklicht werden.
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Zum einen ist jede Ausnahmeregelung geeignet, einen Missbrauch zu ermöglichen. Der Gesetzgeber hat insoweit das Recht, die Wahrscheinlichkeit von Missbrauchsfällen zu beurteilen, zumal ein eindeutiger Nachweis in diesem Bereich nur schwerlich geführt werden kann,
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vgl. EGMR, Urteil vom 29.04.2002 – 2346/02 – „Pretty/UK“, NJW 2002, 2851, 2855, Rn. 74.
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Zum anderen müsste der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung durch bestimmte Merkmale abgrenzen und ein Verfahren bestimmen, in dem die Merkmale, beispielsweise der freiverantwortliche Willensentschluss und/oder die unheilbare/unerträgliche Erkrankung festgestellt werden können.
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Der Gesetzgeber hat es aber in dem kürzlich durchgeführten Verfahren mehrheitlich und aus rechtlich zulässigen Gründen verworfen, Merkmale zu definieren, in denen die ärztliche Sterbehilfe oder die Sterbehilfe durch Vereine zulässig sein soll und dahingehende alternative Gesetzentwürfe abgelehnt,
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vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Renate Künast, Dr. Petra Sitte, u. a. für ein „Gesetz über die Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung“, BT-Drs. 18/5375 und Gesetzentwurf der Abgeordneten Peter Hintze, Dr. Carola Reimann u.a. für ein „Gesetz zur Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung“, BT-Drs. 18/5374.
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Vielmehr sollte „in einer sorgenden und solidarischen Gesellschaft ... die Antwort auf Einsamkeit, Leid und Not nicht der assistierte Suizid im Angebot, sondern Hilfe, Betreuung und eine sehr gute Palliativversorgung“ sein,
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vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese u. a. vom 01.07.2015, BT-Drs. 18/5373, S. 8; Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht über die 115. Sitzung am 02.07.2015, S. 11040.
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Als Argument gegen Ausnahmeregelungen wurde insbesondere angeführt, dass diese ein Einfallstor für eine immer weitergehende Liberalisierung der Beihilfe zur Selbsttötung sein könnten. Dies zeigten die zunehmenden Fallzahlen und die Ausdehnung der Fallgestaltungen einer zulässigen Suizidbeihilfe in den Niederlanden und in der Schweiz,
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vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese u. a. vom 01.07.2015, BT-Drs. 18/5373, S. 9; Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht über die 115. Sitzung am 02.07.2015, Plenarprotokoll 18/115, S. 11038 und Stenografischer Bericht über die 134. Sitzung am 06.11.2015 – Plenarprotokoll 18/134, S. 13082, 13085 f. und 13097.
84
Außerdem bestehe die Gefahr, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung von Bedingungen, unter denen eine Sterbehilfe zulässig sein soll, ein Urteil darüber abgebe, welche Lebensformen lebenswert oder nicht lebenswert seien. Der Respekt vor dem Leben „in allen Facetten, Unvollkommenheiten, in Versehrtheit und Verzweiflung“ solle aber nicht geschwächt werden,
85
vgl. Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht über die 115. Sitzung am 02.07.2015, Plenarprotokoll 18/115, S. 11040, 11058, 11059 und Stenografischer Bericht über die 134. Sitzung am 06.11.2015 – Plenarprotokoll 18/134, S. 13095.
86
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters fordert auch der EGMR nicht generell eine gesetzliche Regelung der Tatbestände und des Verfahrens für die Suizidbeihilfe. Dies gilt nur unter der Voraussetzung, dass sich ein Vertragsstaat des Europarats grundsätzlich für die Möglichkeit entscheidet, einen staatlich geregelten Zugang zu tödlichen Betäubungsmitteln zuzulassen, wie es in der Schweiz oder den Niederlanden der Fall ist. Nur dann muss er durch gesetzliche Vorschriften festlegen, bei welchen Fallgestaltungen und in welchem Verfahren dieser Zugang gewährt wird,
87
vgl. EGMR, Urteil 20.01.2011 – 31322/07 – „Haas/Schweiz“ – NJW 2011, 3773, 3774, Rn. 57; Urteil vom 14.05.2013 – Nr. 678/10 - „Gross/Schweiz“, Rn. 65 ff., NLMR 3/2013 – EGMR.
88
Der deutsche Gesetzgeber hat sich aber in dem vergangenen Gesetzgebungsverfahren gerade gegen diese Möglichkeit ausgesprochen und eine Regelung von Ausnahmetatbeständen bewusst unterlassen.
89
Eine unangemessene Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes über das eigene Lebensende kann darin nicht gesehen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zuletzt in der Entscheidung vom 19.07.2012 – 497/09 – „Koch/BRD)“, betont, dass die Mehrheit der Vertragsstaaten des Europarats keine Form eines assistierten Selbstmords zulässt. Damit ist auch die Verschaffung von tödlichen Betäubungsmitteln durch Dritte oder den Staat ausgeschlossen. Der Gerichtshof hat sogar eine ausnahmslose Strafbarkeit der Beihilfe zur Selbsttötung bisher nicht als Verstoß gegen Art. 8 EMRK beanstandet. Demnach ist Art. 8 EMRK erst recht kein Anspruch auf Hilfe des Staates zu einer bestimmten selbstgewählten Form des Suizides zu entnehmen,
90
so auch der Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese u. a. vom 01.07.2015, BT-Drs. 18/5373, S. 13.
91
Ein derartiges Recht folgt auch nicht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Insoweit gelten die gleichen rechtlichen Maßstäbe wie in Art. 8 EMRK, da die geschützten Rechte vergleichbar sind.
92
Zwar hat der Gesetzgeber anerkannt, dass aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ein umfassendes Grundrecht auf Selbstbestimmung folgt, das auch das Recht umfasst, über den eigenen Tod zu entscheiden. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gilt jedoch nicht unbeschränkt. Es besteht nur insoweit, als nicht die Rechte anderer verletzt werden oder ein Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz vorliegt. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers erschöpfen sich die Anforderungen der verfassungsmäßigen Ordnung nicht in einer „Solidarpflicht zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung“, die für Menschen ab einer unbestimmten Altersgrenze nicht mehr gelten soll. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören auch die Vorschriften des Betäubungsmittelrechts und die Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit aller Bürger aus Art. 2 Abs. 2 GG sowie die Menschenwürde und das Selbstbestimmungsrecht alter und kranker Menschen aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Bei der Abwägung dieser Rechtsgüter steht dem Staat ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der hier nicht verletzt worden ist. Insofern kann nichts anderes gelten als bei der Abwägung der Rechtsgüter im Rahmen des Art. 8 EMRK.
93
Insbesondere ist der Ausschluss des Zugangs zu tödlichen Betäubungsmitteln keine unangemessene Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts. Denn die Einschränkung dient dem Schutz von Leben und Menschenwürde im Alter und damit den höchsten Verfassungsgütern. Ohne den Schutz des Lebens ist auch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts nicht möglich. Demgegenüber bleiben noch zahlreiche Möglichkeiten zur Gestaltung des eigenen Lebensendes erhalten. Insbesondere kann im Rahmen des natürlichen Sterbeprozesses eine palliative, lebensverkürzende Behandlung in Anspruch genommen werden oder eine Entscheidung zum Unterlassen oder Abbruch einer Behandlung getroffen werden. Im Übrigen kann auch eine vorzeitige Selbsttötung durch andere Mittel gewählt und ausgeführt werden. Insbesondere steht den Klägern die Möglichkeit offen, den leichteren Zugang zu tödlichen Betäubungsmitteln in den Nachbarländern zu nutzen. Es ist nicht erkennbar, warum dies unzumutbar sein soll.
94
Soweit die Kläger vortragen, es gebe keine risikolose und schmerzfreie Möglichkeit der Selbsttötung mit Ausnahme der Zufuhr von Natriumpentobarbital, ergibt sich daraus nicht die Pflicht des Staates, dieses Betäubungsmittel zur Verfügung zu stellen. Denn Art. 2 Abs. 1 GG schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit gegen Eingriffe des Staates, gibt aber nicht das Recht, vom Staat die Schaffung von Bedingungen zu verlangen, um bestimmte persönliche Lebensentscheidungen zu realisieren. Vielmehr besteht das Recht zur Selbstbestimmung nur im Rahmen der Rechtsordnung, die eine Tötung mit Natriumpentobarbital nicht vorsieht.
95
Ein Recht auf Hilfe des Staates zur Selbsttötung mit einem nicht verschreibungsfähigen Betäubungsmittel lässt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG ableiten. Danach ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Sie konkretisiert sich zum einen in der Ausgestaltung der einzelnen Grundrechte der Art. 2 ff. GG und ist insoweit auch den dort vorgesehenen Beschränkungen unterworfen. Zum andern gibt es aber auch einen unantastbaren Bereich, der sogar einer Verfassungsänderung entzogen ist, Art. 79 Abs. 3 GG. Hiermit ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch gemeint, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt,
96
vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.10.1992 – 1 BvR 698/89 - BVerfGE 87, 209, 228, juris Rn. 107.
97
Dieser Anspruch wird verletzt, wenn der Mensch zum bloßen Objekt der Staatsgewalt gemacht wird, indem durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird, z.B. durch Folter, Sklaverei, Ächtung, Frauen- oder Kinderhandel, gravierende Eingriffe in die Integrität und Identität oder den Kernbereich privater Lebensgestaltung, und jede sonstige erniedrigende oder menschenunwürdige Behandlung
98
vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 12. Aufl. 2012, Art. 1 Rn. 11.
99
Art. 1 GG verpflichtet den Staat, derartige Eingriffe zu unterlassen (achten) und den Bürger vor den Eingriffen Dritter zu bewahren (schützen). Es ist bisher nicht geklärt, ob der Staat auch tödliche Betäubungsmittel zur Verfügung stellen muss, und damit eine sonst nicht zustehende Leistung erbringen muss, um einen würdigen Sterbeprozess zu ermöglichen.
100
Dagegen spricht, dass ein Suizidwilliger durch das Verbot des Zugangs zu solchen Betäubungsmitteln nicht zum Objekt staatlichen Handelns wird. Eine Person wird nicht schon dann zum Objekt, wenn sie gesetzlichen Bestimmungen unterworfen ist, die ihren Interessen zuwiderlaufen. Hinzukommen muss, dass sie einer Behandlung ausgesetzt ist, die ihre Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt bzw. die eine willkürliche Missachtung ihres Wertes als Mensch darstellt,
101
vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberg/Burghart, Grundgesetz, Kommentar, Lfg. 61 März 2013, Art. 1 Rn. 10.
102
Der Wert des Menschen als selbstbestimmtes Wesen wird aber durch die fragliche Regelung nicht in Frage gestellt; vielmehr sollen Menschen in einer subjektiv ausweglosen Situation in ihrer Menschenwürde und Autonomie vor einem nicht frei verantwortlichen Entschluss zur Selbsttötung gerade geschützt werden,
103
vgl. bereits VG Köln, Urteil vom 21.02.2006 – 7 K 2040/05 – und OVG NRW, Urteil vom 19.08.2015 – 13 A 1299/14 – juris, Rn. 101.
104
Eine willkürliche Missachtung des Selbstbestimmungsrechtes kann darin nicht gesehen werden.
105
Es ist auch nicht erkennbar, dass Menschen durch die Verhinderung des Zugangs zu tödlichen Betäubungsmitteln einem menschenunwürdigen Sterben, beispielsweise durch andere gewaltsame Methoden der Selbsttötung, ausliefert werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn alle anderen Formen des Todes mit einem menschenunwürdigen Leiden verbunden wären. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der natürliche Tod in der Regel eine menschenwürdige Art des Sterbens darstellt. Wenn er ausnahmsweise durch große Schmerzen, Ängste oder andere Leiden zur Qual wird, kann ein menschenwürdiges Sterben durch eine ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln und eine gute menschliche Betreuung ermöglicht werden. Es ist daher durch die staatliche Schutzpflicht für die Würde des Menschen nicht geboten, eine vorzeitige Selbsttötung durch einen schmerz- und risikolosen Suizid zu gewährleisten.
106
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass das Verbot des Erwerbs tödlicher Betäubungsmittel sterbewillige Menschen zu einer Fortsetzung ihres Lebens zwingt und hierdurch das Recht auf ein menschenwürdiges Leben verletzt. Nach der Werteordnung des Grundgesetzes ist auch ein Leben mit Einschränkungen durch nachlassende Kräfte, Krankheiten, Behinderungen, Demenz oder Pflegebedürftigkeit ein menschenwürdiges Leben. Denn die Menschenwürde kommt jedem Menschen zu, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen oder seinen sozialen Status, oder auf die Fähigkeit zu sinnvollem Handeln,
107
vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 - BVerfGE 87, 209, 228, juris Rn. 107; vgl. auch Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht über die 134. Sitzung am 06.11.2015, Plenarprotokoll 18/134, S. 13082.
108
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Fortsetzung des Lebens im subjektiven Empfinden eines individuellen Menschen aufgrund besonderer Umstände nicht mehr als menschenwürdig darstellt. In diesen Fällen sind trotz des Verbots von Natriumpentobarbital noch Möglichkeiten gegeben, sich individuelle - auch ärztliche - Hilfe bei der Selbsttötung zu verschaffen, die nach wie vor straflos ist.
109
Durch die Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG wird auch Art. 4 GG nicht verletzt. Danach sind die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts liegt nicht vor. Die Versagung der Erlaubnis zum Erwerb von tödlichen Betäubungsmitteln lässt die Gewissensfreiheit unberührt. Ebenso wenig wird die freie Religionsausübung eingeengt. Die Verwirklichung einer Selbsttötung kann nicht als Ausübung einer Religion oder Weltanschauung eingeordnet werden.
110
Schließlich wird auch Art. 6 GG durch das Verbot des Erwerbs eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung nicht verletzt. Nach Art. 6 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Hierzu hat bereits das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 04.11.2008 ausgeführt, dass aus Art. 6 GG kein Recht zur Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Suizid eines Ehepartners folgt. Ebenso wenig folgt daraus ein Recht zur gemeinschaftlichen Beendigung der Lebensgemeinschaft durch gleichzeitigen Suizid der Ehepartner. Denn der Schutz des Grundgesetzes bezieht sich auch das eheliche Zusammenleben und seine Ausgestaltung, aber nicht auf seine Beendigung,
111
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.06.2007 – 13 A 1504/06 – juris, Rn. 5 – 8; BVerfG, Beschluss vom 04.11.2008 – 1 BvR 1832/07 – juris, Rn. 6.
112
Ein Anspruch der Kläger auf Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb einer tödlichen Dosis von Natriumpentobarbital - auch im Wege einer ärztlichen Verschreibung und Abgabe durch Apotheken - wird somit durch die verfassungskonforme Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ausgeschlossen.
113
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
114
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der angesprochenen Rechtsfragen, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist, hat die Kammer die Berufung zugelassen, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.