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04.07.2016 · IWW-Abrufnummer 186964

Hessisches Landessozialgericht: Urteil vom 26.02.2016 – L 5 R 152/13

Der gesetzliche Betreuer eines Versicherten, der in Unkenntnis von dessen Tod Überweisungen von dessen Konto tätigt, ist nicht Verfügender im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI und deshalb dem Rentenversicherungsträger nicht zur Erstattung von Geldleistungen verpflichtet, die nach dem Tod des Versicherten zu Unrecht erbracht worden sind.


Landessozialgericht Hessen

Urt. v. 26.02.2016

Az.: L 5 R 152/13

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 844,66 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung zu Unrecht gezahlter Rentenleistungen.

Die als Rechtsanwältin tätige Klägerin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Fritzlar - Betreuungsgericht - vom 1. Juni 2010 zur Betreuerin des Versicherten B. für die Aufgabenbereiche Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post bestellt (Az. 10 XVII 857/09). Dies zeigte sie mit Schriftsatz vom 21. Juni 2010 der Beklagten an.

Der Versicherte bezog von der Beklagten seit dem 1. Dezember 1993 Altersrente für langjährig Versicherte, die zuletzt auf sein bei der D. Landesbank (D-Bank) geführtes Konto überwiesen wurde. Der Versicherte verstarb am 28. Oktober 2010.

Am 29. Oktober 2010 wurde dem Konto des Versicherten, das zuvor ein Soll von 2.943,40 EUR aufwies, ein Rentenbetrag von 895,68 EUR gutgeschrieben. Noch am selben Tag überwies die Klägerin Beträge von 144,47 EUR (Buchungsvorgang: "X. Rechtsanwalt") und 712,81 EUR (Buchungsvorgang: "C.") vom Konto des Versicherten.

Am 1. November 2010 unterrichtete die Tochter des Versicherten die Klägerin telefonisch über dessen Tod, die ihrerseits die Beklagte hiervon noch am selben Tag in Kenntnis setzte.

Mit Schreiben vom 23. November 2010 erklärte die D-Bank gegenüber der Beklagten, dass sie nur eine Teilrückzahlung von 39,48 EUR leisten werde, da das Konto des Versicherten nicht ausreichend gedeckt gewesen sei.

Mit Schreiben vom 7. Februar 2011 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Rückforderung von 844,66 EUR an. Die Klägerin sei als Verfügende zur Rückzahlung verpflichtet.

Hierauf antwortete die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011, dass mit dem Tod des Versicherten das Betreuungsverhältnis und ihre Vertretungsmacht geendet hätten. Das Vermögen des Versicherten sei auf dessen Erben übergegangen.

Mit Bescheid vom 3. März 2011 forderte die Beklagte einen Betrag von 844,66 EUR von der Klägerin zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. März 2011 Widerspruch, indem sie die Beklagte vorrangig auf eine Inanspruchnahme der Erben, die leiblichen Kinder des Versicherten (E. B. und F. G.) verwies. Sie habe erst am 1. November 2010 vom Tod des Versicherten erfahren. Der Betreuer dürfe die Geschäfte solange fortführen, bis er Kenntnis von der Beendigung der Betreuung habe oder er die Beendigung hätte kennen müssen. Hierdurch werde eine Haftung des Betreuers ausgeschlossen. Sie habe daher wirksam die beiden Banküberweisungen von dem Konto des Versicherten vornehmen können.

Durch Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei Verfügende, auch wenn die Betreuung mit dem Tod des Versicherten geendet habe. Über den Tod hinaus bestünden noch nachgehende Rechte und Pflichten des Betreuers. Alles, was der Betreuer nach dem Tod des Betreuten unternehme, bleibe wirksam, solange er vom Tod des Betreuten nicht wisse und auch nicht wissen müsse. Es sei nicht maßgeblich, in welcher Eigenschaft der Verfügende tätig geworden sei.

Mit ihrer am 20. Juli 2011 vor dem Sozialgericht Kassel erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trug sie vor, dass mit dem Tod des Versicherten das Betreuungsverhältnis endete. In diesem Zeitpunkt seien das Vermögen und die sonstige Vertretungsmacht auf die Erben übergegangen. Die Betreuung endete, ohne dass sie hiervon gewusst habe. Ihre Haftung sei ausgeschlossen, weil sie ihre Aufgabe als Betreuerin ordnungsgemäß wahrgenommen habe. Die Vertretungsmacht habe solange fortbestanden, bis sie vom Tod des Versicherten Kenntnis erlangt habe.

Demgegenüber erwiderte die Beklagte, dass eine Inanspruchnahme von kontobevollmächtigten Personen als Verfügende möglich sei. Die Klägerin sei zumindest zeichnungsberechtigt gewesen und somit als kontoverfügungsberechtigte Person anzusehen. Ihre fehlende Kenntnis vom Tod des Versicherten oder der daraus resultierenden Rentenüberzahlung spiele bei der Rückforderung von über den Tod hinaus zu Unrecht gezahlten Rentenleistungen keine Rolle.

Durch Urteil vom 26. Februar 2013 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2011 auf. Zur Begründung führte es aus, dass mit dem Tod des Versicherten dessen Rentenanspruch mit Wirkung ab 1. November 2010 endete, ohne dass es einer Aufhebung des zugrundeliegenden Bescheides bedurft hätte. Die Beklagte sei aber nicht berechtigt gewesen, die Klägerin als Verfügende in Anspruch zu nehmen. Verfügungen müssten vorab einem Rechtssubjekt zugeordnet werden. Werde die handelnde Person in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes oder eines ihr hoheitlich übertragenen privatrechtlichen Amtes tätig, durch das sie zum gesetzlichen Vertreter eines anderen bestimmt worden sei, sei ihr Verhalten dem "Vertretenen" zuzurechnen. Die Klägerin komme somit nicht als Verfügende in Betracht, weil sie als hoheitlich bestellte gesetzliche Vertreterin (Betreuerin) gehandelt habe.

Gegen das ihr am 5. März 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. März 2013 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt vertiefend aus, dass die Rechtsbeziehung des Erstattungspflichtigen zu anderen Personen für die Erstattungspflicht unerheblich sei. Es komme daher nicht darauf an, dass die Klägerin bei der Vornahme der betreffenden Überweisungen als Betreuerin gehandelt habe. Die Ansicht, dass die in Ausübung eines öffentlichen Amtes vorgenommenen Verfügungen dem verstorbenen Versicherten als Vertretenen zuzurechnen seien, würde letztlich dazu führen, dass es keinen Personenkreis gäbe, der von der Definition "Verfügender" erfasst werde. Denn in den Fällen, in denen eine Kontoverfügung durch eine berechtigte Person getroffen werde, wäre diese Verfügung dann stets zunächst auch dem Kontoinhaber zuzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. Februar 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, dass ihr Verhalten dem Vertretenen, also dem Versicherten, zuzurechnen sei. Die Beklagte müsse sich darauf verweisen lassen, die Erben des Versicherten in Anspruch zu nehmen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Rentenakte betreffend den Versicherten. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) sowie form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Kassel ist nicht zu beanstanden, weil es zu Recht auf die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2011 (§ 95 SGG) aufgehoben hat. Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.
Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 3. März 2011 ist § 118 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI). Erstattungsansprüche wie den hier streitigen hat der Rentenversicherungsträger gemäß § 118 Abs. 4 Satz 2 SGB VI durch Verwaltungsakt geltend zu machen.

Der Bescheid ist materiell rechtswidrig. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Klägerin auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zur Erstattung von überzahlten Rentenleistungen heranzuziehen.

Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI trägt dabei dem öffentlichen Interesse Rechnung, dass Rentenzahlungen, die von Dritten zu Unrecht empfangen oder über die Dritte gegenüber dem Rentenversicherungsträger zu Unrecht verfügt haben, von dem Empfänger oder Verfügenden zurückerstattet werden (vgl. Pflügler, in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand: 16. Juli 2015, § 118 SGB VI Rn. 39). Dieser Gesetzeszweck gebietet eine möglichst weitgehende Auslegung der Begriffe "Empfänger" und "Verfügender" im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI.

Die Voraussetzungen des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sind vorliegend nicht erfüllt.

Die Rentenleistung in Höhe von 895,68 EUR, die am 29. Oktober 2010 dem Konto des Versicherten gutgeschrieben wurde, ist zwar zu Unrecht erbracht worden, weil der Rentenbezug des Versicherten infolge seines Todes am 28. Oktober 2010 zum 31. Oktober 2010 endete (§ 102 Abs. 5 SGB VI) und die Beklagte daher für den Monat November 2010 vorschüssig (vgl. § 272a Abs. 1 Satz 1 SGB VI) keine Altersrente mehr zu zahlen gehabt hätte.

Die Klägerin ist jedoch keine Verfügende im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Verfügende sind Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (§ 118 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbs. SGB VI), was mehr als nur die Verfügungsberechtigung über das Konto voraussetzt. Der Verfügende muss dem Geldinstitut gegenüber wirksam zu Lasten des Kontos verfügt, also Rechtsgeschäfte vorgenommen haben, die unmittelbar darauf gerichtet waren, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben. In Betracht kommt insofern jeder berechtigte Dritte, jedoch auch der Rentner vor seinem Ableben und der Kontoinhaber, der den Kontostand unter einen der überzahlten Rentenleistung entsprechenden Betrag gesenkt hat, so dass im Zeitpunkt der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers kein ausreichendes Guthaben vorhanden war (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2012, B 13 R 105/11 R - juris Rn. 29 m.w.N.).

Nach Auffassung des Senats handelte die Klägerin gleichwohl nicht als Verfügende, als sie die Beträge von 144,47 EUR und 712,81 EUR am 29. Oktober 2010 vom Konto des Versicherten überwies. Das folgt daraus, dass die Klägerin nicht für sich, sondern stets in Vertretung für einen anderen gehandelt hat. Im Falle einer rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertretung ist aber grundsätzlich nicht der Vertreter, sondern der Vertretene Verfügender im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI (vgl. BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2002, B 4 RA 44/02 R - juris; Kühn, in: Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl. 2013, § 118 Rn. 79). Eine solche Zurechnung der Verfügung auf eine andere Person scheidet hier auch nicht etwa deshalb aus, weil es seit dem Tod des Versicherten am 28. Oktober 2010 keinen Vertretenen mehr gegeben hat, dem das Handeln der Klägerin zuzurechnen gewesen wäre. Vielmehr müssen nunmehr die Erben des Versicherten die beiden Überweisungen gegen sich gelten lassen. Sie und nicht die Klägerin sind daher als Verfügende im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI anzusehen. Das ergibt sich aus § 1908i i. V. m. §§ 1893 Abs. 1, 1698a Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach der Betreuer im Falle der Beendigung der Betreuung die mit der Betreuung verbundenen Geschäfte fortführen darf, bis er von der Beendigung Kenntnis erlangt oder sie kennen muss. Hierdurch wird er vor Ersatzpflichten wegen Handelns ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB geschützt (vgl. von Crailsheim, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2014, § 1893 BGB Rn. 2). Das bedeutet, dass mit dem Tod des Betreuten kraft Gesetzes ein neues Vertretungsverhältnis - nunmehr zwischen dem Betreuer und den Erben - begründet wird, das solange fortbesteht, bis der Betreuer vom Tod des Betreuten Kenntnis erlangt bzw. er davon hätte Kenntnis haben müssen. In Anbetracht dessen hat also die Klägerin am 29. Oktober 2010 die beiden Überweisungen für die Erben getätigt, die deshalb über die zu Unrecht erbrachten Rentenleistungen verfügt haben. Die Klägerin wäre nur dann Verfügende im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI, wenn sie trotz Kenntnis bzw. Kennenmüssen vom Tod des Versicherten die Überweisungen getätigt hätte, sie mithin bösgläubig gewesen wäre. Eben das trifft auf die Klägerin nicht zu, weil sie vom Tod des Versicherten erst am 1. November 2010 erfahren hat. Dass die Klägerin am 29. Oktober 2010 insoweit bösgläubig die beiden Überweisungen tätigte, behauptet selbst die Beklagte nicht.

Anders als die Beklagte meint, führt diese Betrachtungsweise nicht dazu, dass es dann letztlich keinen Personenkreis mehr gebe, der unter die Definition "Verfügender" fallen würde. Insoweit verkennt sie, dass die herangezogenen zivilrechtlichen Vorschriften nur bei Wegfall der elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) sowie bei Beendigung von Vormundschaft (§ 1773 BGB) und Betreuung (§ 1896 BGB) zum Tragen kommen können. Darüber hinaus knüpfen diese Vorschriften allesamt an die Gutgläubigkeit des Normadressaten an. Ein Widerspruch zu § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI mit dem weit zu verstehenden Begriff des "Verfügenden" bestünde allenfalls dann, wenn es überhaupt keinen Verfügenden mehr gäbe, den die Beklagte in Anspruch nehmen könnte. Nur in diesem Fall wäre dem durch § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI geschützten öffentlichen Interesse der Versichertengemeinschaft an der Rückzahlung zu Unrecht erbrachter Rentenleistungen nicht hinreichend Rechnung getragen. Als Verfügende und damit im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI Erstattungspflichtige kommen vorliegend aber die Erben des Versicherten in Betracht, wodurch die Rechte der Beklagten hinreichend gewahrt sind. Denn eine Inanspruchnahme als Verfügende gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ist wesentlich vorteilhafter für den Rentenversicherungsträgers als ein Vorgehen gegen die Erben nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. § 50 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), bei dem die Vertrauensschutzregeln des § 45 Abs. 2 SGB X und die einjährige Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X zu berücksichtigen sind.
Dass die Gutgläubigkeit der Erstattungspflicht von zu Unrecht erbrachten Rentenleistungen entgegensteht, ist dem Gesetz im Übrigen nicht fremd. Zwar besteht die Erstattungspflicht eines Empfängers im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI losgelöst von seiner Gut- oder Bösgläubigkeit, nicht jedoch die in § 118 Abs. 3 SGB VI geregelte Erstattungspflicht des Geldinstituts. Gemäß § 118 Abs. 3 SGB VI gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht (Satz 1). Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Rentenversicherungsträger zurückzuüberweisen (Satz 2). Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde (Satz 3). Die Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen im Sinne von § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI setzt jedoch stets die Gutgläubigkeit des Geldinstituts voraus. Hat das Geldinstitut bereits Kenntnis vom Tod des Versicherten, greift der Vorbehalt des § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI und der Grund für die Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen ist entfallen. Mit der Kenntnis des Vorbehalts hat das Geldinstitut ihn auch zu beachten (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2008, B 5a/4 R 79/06 R = SozR 4-2600 § 118 Nr. 6). Das Geldinstitut kann sich demnach nur dann auf seine fehlende Erstattungspflicht wegen anderweitiger Verfügungen nach § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI berufen, wenn es in Bezug auf das Ableben des Versicherten gutgläubig gewesen ist, also hiervon weder gewusst hat noch zu einer entsprechenden Prüfung Anlass gehabt hätte. Nichts anderes gilt vorliegend für die Klägerin, die in Unkenntnis vom Tod des Versicherten die Überweisungen vorgenommen hatte. Auch sie trifft letztlich wegen Gutgläubigkeit keine Erstattungspflicht.

Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last fallen, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Der Senat misst der Rechtsfrage, ob Betreuer, die in Unkenntnis vom Tod des Betreuten Überweisungen von dessen Konto tätigen, als Verfügende im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI anzusehen sind, grundsätzliche Bedeutung bei.

RechtsgebieteSGB VI, BGBVorschriftenSGB VI § 118 Abs. 4; SGB VI § 118 Abs. 3; SGB VI § 102 Abs. 5; SGB VI § 272a Abs. 1 S. 1; BGB § 1896; BGB § 1908i; BGB § 1893 Abs. 1; BGB § 1698a Abs. 1 S. 1; BGB § 179