03.11.2016 · IWW-Abrufnummer 189660
Amtsgericht Ludwigsburg: Urteil vom 30.09.2016 – 2 XVII 446/16
1. Für die Entscheidung über die Beendigung lebenserhaltenden Maßnahmen bedarf es der Bestellung eines besonderen, nur mit diesem Aufgabenkreis betrauten, Betreuers (Arg.: § 1899 Abs. 2 BGB)
2. Jedenfalls kann der Betreuer eine Entscheidung über die Beendigung lebenserhaltenden Maßnahmen (§ 1904 Abs. 2 BGB) nur dann treffen, wenn ihm dieser Aufgabenkreis im Rahmen der Betreuerbestellung ausdrücklich zugewiesen wurde (Arg.: § 1896 Abs. 4 BGB).
AG Ludwigsburg
2 XVII 446/16
Tenor
Der Antrag der Betreuerin auf betreuungsgerichtliche Genehmigung des Widerrufs der Einwilligung in die künstliche Beatmung und Versorgung der Betroffenen mittels der PEG-Sonde (Genehmigung der Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen) wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Für die Betroffene war mit Beschluss des Notariats II Markgröningen vom 10.03.2014 eine Betreuung angeordnet worden (Bl. 36 d. A.). Zum Betreuer war ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann bestellt worden.
2
Mit Beschluss des Notariats II Markgröningen vom 30.06.2016 (Bl. 3 d. A.) wurde nunmehr die Tochter der Betroffenen zur Betreuerin bestellt, unter anderem mit dem Aufgabenkreis „Sorge für die Pflege und Gesundheit, einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen und Behandlungen“.
3
Mit Beschluss des Notariats II Markgröningen vom 07.09.2016 (Bl. 96 d. A.) wurde der Aufgabenkreis dahingehend erweitert, dass nunmehr auch Entscheidungen über lebenserhaltende und lebensverlängernde Maßnahmen (Einwilligung/Nichteinwilligung oder Widerruf einer Einwilligung) darin enthalten sind.
4
Ausweislich des ärztlichen Attests von Dr. ... vom 04.08.2016 (Bl. 5 d. A.) erlitt die Betroffene im November 2013 einen hämorrhagischen Apoplex durch Aneurysma der Arteria communicans anterior mit subarachnoidaler Blutung.
5
Nach der ersten Hirnblutung bestand eine Halbseitenlähmung mit Aphasie.
6
Im Oktober 2014 erlitt die Betroffene einen zweiten hämorrhagischen Apoplex mit Hirnstammeinklemmung und Hirnstammblutung und Subarachnoidalblutung sowie der Entwicklung einer Epilepsie.
7
Seit dem zweiten Aneurysma ist die Betroffene komatös. Es besteht eine spastische Tetraparese mit Beugesynergismen und nur noch eine Spontanatmung, die durch O2 Gabe über ein Tracheostoma unterstützt wird. Ferner ist eine PEG-Sonde gelegt.
8
Nach dem ärztlichen Attest liegt eine Palliativsituation vor. Eine Änderung dieser Situation ist aus Sicht des Arztes nicht mehr möglich.
9
Nach dem zweiten ärztlichen Attest des Dr. ... vom 08.09.2016 (Bl. 91 d. A.) ist aus seiner Sicht medizinisch indiziert die lebensverlängernden Maßnahmen wie Atmungsunterstützung und hochkalorische künstliche Ernährung einzustellen.
10
Nach dem ärztlichen Bericht des Neurozentrums des Klinikums ... vom 22.12.2013 wurde die Betroffene am 24.11.2013 von ihrem Ehemann nicht ansprechbar in der Badewanne vorgefunden. Nach Einlieferung in die Notaufnahme des K.-hospitals in ... wurde ein Aneurysma diagnostiziert.
11
Die Betroffene wurde nach Hause entlassen. Am 25.10.2014 wurde eine intracerebrale Blutung beidseitig frontal mit Verbindung zu einem überstenteten und coilembolisierten Aneurysma diagnostiziert. Des Weiteren eine inkomplette Hirnstammeinklemmung mit Hirnstammblutung.
12
Es bestand ein Subduralhämatom linkshemisphärisch sowie eine Subarachnoidalblutung der basalen Zisternen.
13
Es wurde eine Palliativsituation diagnostiziert, die einem therapeutischen Vorgehen nicht mehr zugänglich war. Die Betroffene blieb komatös. Der Atemantrieb blieb erhalten.
14
In Übereinstimmung mit dem Ehemann wurde die Betroffene nach Hause entlassen. Es erfolgte eine plastische Tracheotomie. Am 10.11.2014 wurde eine PEG-Sonde gelegt.
15
Als Entlassbefund wurde eine komatöse Patientin mit spastischer Tetraparese festgestellt.
16
Seitdem befindet sich die Betroffene zu Hause und wird einerseits über die PEG-Sonde versorgt und erhält andererseits zur Atmungsunterstützung 24-stündig eine O2 Gabe.
17
Die weiteren Ermittlungen des Betreuungsgerichts haben ergeben, dass, so die Aussage der jetzigen Betreuerin, die Ärzte nach dem zweiten Aneurysma die Betroffene als in einem Zustand befindlich ansahen, in dem sie eine Organentnahme für angezeigt hielten. Diese wurde vom Ehemann, damals Betreuer der Betroffenen, untersagt und es wurde die Beatmung und die Versorgung über eine PEG-Sonde von ihm angeordnet.
18
Dies sei, so die Angaben der jetzigen Betreuerin, nicht im Sinne der Betroffenen und nicht im Sinne der jetzigen Betreuerin gewesen.
19
Nachdem der Ehemann der Betroffenen verstorben war und die Tochter zur Betreuerin bestellt wurde hat diese mit Schriftsatz vom 20.08.2016 beim Betreuungsgericht Ludwigsburg einen Antrag auf Genehmigung der Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen gestellt.
20
Am 30.08.2016 wurde eine Anhörung zu Hause bei der Betroffenen durchgeführt im Beisein eines Verfahrenspflegers, der Betreuerin und deren Ehemann. Die Betroffene war nicht ansprechbar, eine Kontaktaufnahme mit ihr, gleich welcher Art, nicht möglich.
21
Am 19.09.2016 wurde eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen ... und ... durchgeführt. Insoweit wird auf das Protokoll vom selben Tag (Bl. 92 - 95 d. A.) verwiesen.
22
Zur Abklärung der Voraussetzungen des § 1906 Abs. 4 BGB, d. h. ob ein Einvernehmen zwischen behandelndem Arzt und Betreuerin festgestellt werden kann, dass der Widerruf der Einwilligung demnach § 1901 a BGB festgestellten Willen der Betroffenen entspricht wurde der behandelnde Arzt, der erklärte zur angesetzten Beweisaufnahme am 19.09.2016 keine Zeit zu haben, um eine schriftliche Stellungnahme zur Frage gebeten, ob er jemals mit der Betroffenen über das Einstellen der künstlichen Beatmung und der Versorgung über eine PEG-Sonde gesprochen habe. Hierauf reichte der behandelnde Arzt Dr. ... ein Schreiben vom 20.09.2016 zu den Akten (Bl. 98 d. A.) in dem er lediglich ausführte, mit der Tochter der Betroffenen, also der Betreuerin, mehrere Gespräche über die Frage des Abbruchs der lebensverändernden Maßnahmen durchgeführt zu haben.
23
Nach Abschluss der dem Betreuungsgericht derzeit möglichen Ermittlungen ist festzustellen, dass die Voraussetzungen der betreuungsgerichtlichen Genehmigung in den Widerruf der Einwilligung des Betreuers in einen ärztlichen Eingriff nach § 1904 Abs. 2 BGB nicht gegeben sind und daher der Antrag der Betreuerin zurückzuweisen war.
24
Formal sind an der jetzigen Gesetzeslage zwei Dinge zu beanstanden.
25
Zum einen fehlt es an einer gesetzlichen Bestimmung, die die Bestellung eines separaten Betreuers nur für den Aufgabenkreis der Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen vorsieht, wie dies im Fall der Sterilisation nach § 1899 Abs. 2 BGB für erforderlich gehalten wurde.
26
Mit der Entscheidung über die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen wird der denkbar stärkste Eingriff in das Grundrecht auf Leben ausgeübt. Weshalb für diese Befugnis vom Gesetzgeber nicht die Bestellung eines nur auf diesen Aufgabenkreis beschränkten zusätzlichen Betreuers zwingend vorgeschrieben wurde ist nicht nachvollziehbar und wäre nach Auffassung des Betreuungsgerichtes dringend zu korrigieren. Für diesen Bereich wäre erst recht die Bestellung eines Betreuers mit „neutraler Außensicht“ geboten.
27
Der zweite formale Mangel im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen besteht darin, dass, wenn schon die Einrichtung einer speziellen Betreuung für diesen Fall nicht für notwendig erachtet wird, wenigstens die ausdrückliche Anordnung dieses Aufgabenkreises durch das Betreuungsgericht zwingend vorgeschrieben wird, wie dies im Fall des § 1896 Abs. 4 BGB bei Entscheidungen über den Fernmeldeverkehr oder das Öffnen und Anhalten der Post geschehen ist.
28
Auch dort handelt es sich um extreme Grundrechtseingriffe, die jedoch in der Intensität weit unter dem vorliegenden Fall der Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen liegen. Nachdem der Gesetzgeber für die dortigen Grundrechtseingriffe die ausdrückliche Anordnung im Aufgabenkreis des Betreuers für erforderlich gehalten hat, wäre dies um ein vielfaches gebotener gewesen im Fall der Beendigung des menschlichen Lebens.
29
Unabhängig von diesen beiden Mängeln des Gesetzgebungsverfahrens, die das Betreuungsgericht selbstverständlich zu akzeptieren hat, sind vorliegend die Voraussetzungen der betreuungsgerichtlichen Genehmigung des Widerrufs der Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff nach § 1904 Abs. 2 BGB nicht gegeben.
30
Der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichtes wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt.
31
Vorliegend sind sowohl die Atmungsunterstützung durch die dauerhafte Sauerstoffgabe als auch die Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr mittels der PEG-Sonde zur Lebenserhaltung unerlässlich. Ohne die beiden Maßnahmen stirbt die Betroffene. Auch wenn nur eine entfällt ist der Todeseintritt gewiss.
32
Eine Ausnahme der Genehmigungspflicht postuliert § 1904 Abs. 4 BGB. Danach ist eine betreuungsgerichtliche Genehmigung nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901 a BGB festgestellten Willen des Betreuten entspricht.
33
Die Betreuerin hat sowohl schriftlich als auch bei den beiden Anhörungen deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nach ihrer Auffassung ihre Mutter die jetzige Situation in der sie sich befindet nicht gewollt habe.
34
Eine Erklärung des behandelnden Arztes darüber, dass der jetzt beabsichtigte Widerruf der Einwilligung in das Legen der PEG-Sonde und der Beatmung dem Willen der Betroffenen entspreche liegt nicht vor.
35
Eine diesbezügliche Anfrage des Betreuungsgerichts beantwortet der behandelnde Arzt lediglich damit, dass er mit der Tochter der Betroffenen über die Frage des Abbruchs dieser Maßnahmen gesprochen habe.
36
Somit kann bereits kein Konsens zwischen der Betreuerin und dem behandelnden Arzt darüber erkannt werden, dass das jetzt beabsichtigte Einstellen der Beatmung und das Entfernen der PEG-Sondenernährung einem festgestellten Willen der Betroffenen im Sinne des § 1901 a BGB entspricht.
37
Eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a BGB in schriftlicher Form existiert nicht.
38
Ein Behandlungswunsch der Betroffenen dahingehend, einmal angewandte lebensverlängernde Maßnahmen wie Beatmung und Ernährung zu beenden ist gleichfalls nicht festzustellen. Darüber, ob die Beendigung der Beatmung und der Ernährung dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen entspricht schweigt der Arzt.
39
Somit verbleibt es bei dem Grundsatz der Notwendigkeit einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung in den Widerruf der Einwilligung der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen.
40
§ 1904 Abs. 3 BGB schreibt vor, dass die betreuungsgerichtliche Genehmigung dann zu erteilen ist, wenn der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht.
41
Wie oben ausgeführt, existiert eine schriftliche Patientenverfügung nicht. Des Gleichen ist ein Behandlungswunsch der Betroffenen bezüglich der konkreten Situation nicht zu erkennen.
42
Somit war vom Betreuungsgericht zu prüfen, ob der mutmaßliche Wille der Betroffenen im Sinne des § 1901 a Abs. 2 BGB dahingehend feststellbar ist, angewandte lebenserhaltende Maßnahmen zu beenden.
43
Diese Feststellung eines mutmaßlichen Willens der Betroffenen war dem Betreuungsgericht nicht möglich.
44
Bei ihrer Anhörung am 30.08.2016 gab die Betreuerin an, dass sie nach dem ersten Aneurysma und dem Schlaganfall zu irgendeinem Zeitpunkt mit ihrer Mutter bei schönem Wetter auf der Terrasse gesessen sei und sie aufgefordert habe das Leben wieder zu genießen. Daraufhin habe ihr die Mutter gesagt, dass sie nicht mehr möchte, so nicht mehr leben wolle und nichts mehr genießen könne.
45
Zum damaligen Zeitpunkt konnte die Betroffene noch alleine atmen, essen und gehen.
46
Das zweite Aneurysma, das eine Zerstörung des Stammhirns zur Folge hatte, erfolgte knapp ein Jahr nach dem ersten Aneurysma.
47
Obwohl die Betreuerin, ihren eigenen Angaben zu folge, zumindest ihren Vater mehrfach darauf angesprochen hatte eine Patientenverfügung zu erstellen wurde dies nicht durchgeführt. Das Gericht übersieht nicht, dass die Erstellung einer Patientenverfügung im freien Willen eines jeden Menschen steht, jedoch wäre, wenn die Betroffene tatsächlich eine solche Situation für unerträglich gehalten hätte, das Errichten einer Patientenverfügung naheliegend gewesen.
48
Die Betreuerin gab an mit ihrer Mutter direkt nie über die Patientenverfügung gesprochen zu haben, weil diese einem solchen Thema nicht zugänglich gewesen sei. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Betroffene eine endgültige Regelung über eine solche Situation nicht wollte. Es können selbstverständlich aber auch andere Gründe für die Nichterrichtung der Patientenverfügung vorgelegen haben.
49
Ein weiterer Anhaltspunkt, der vom Ehemann der Betreuerin angeführt wurde, war ein Gespräch anlässlich eines Weihnachtsessens vor ca. 6 - 7 Jahren. Damals soll die Betroffene gesagt haben, sie wolle nie ins Pflegeheim und nie an Maschinen angeschlossen werden.
50
Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt am Wahrheitsgehalt dieser Angaben der Betreuerin und ihres Ehemannes zu zweifeln, jedoch reichen diese zwei Aussagen der Betroffenen nicht aus, einen mutmaßlichen Willen der Betroffenen zu konstatieren, im Hinblick auf das Abschalten der Sauerstoffzufuhr und der Ernährung zum jetzigen Zeitpunkt.
51
Hier erheben sich für das Betreuungsgericht deshalb Zweifel, weil eben zwischen dem ersten und dem zweiten Aneurysma eine entsprechende Anordnung durch die Betroffene nicht getroffen wurde. Dies hätte aber nahegelegen, wäre es der unzweifelhafte Wunsch der Betroffenen gewesen ein solches Leben, angeschlossen an Sauerstoff- und Ernährungszufuhr nicht zu führen.
52
Schließlich hat auch die Vernehmung der „Stiefcousine“ der Betroffenen und deren Ehemann am 19.09.2016 keinerlei Erkenntnis im Hinblick auf den mutmaßlichen Willen der Betroffenen erbracht.
53
Die Zeugin ... führte aus, dass die Betroffene einmal zu ihr gesagt habe, dass, wenn sie ins Koma fallen solle, sie nicht mehr weiter leben wolle. Auf Rückfrage gab sie jedoch an, dass dieses Gespräch vor über 30 Jahren stattgefunden hat. Daraus auf einen aktuellen mutmaßlichen Willen der Betroffenen zu schließen verbietet sich nach Auffassung des Betreuungsgerichts.
54
Weitere konkrete Gespräche insbesondere auch nach dem ersten Aneurysma gab es zwischen der Zeugin ... und der Betroffenen und auch zwischen dem Zeugen ... und der Betroffenen nicht.
55
Bei den Anforderungen an die Ermittlung des mutmaßlichen Willens eines betroffenen Wachkomapatienten gelten nach der Rechtsprechung des BGH strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter Rechnung zu tragen haben (BGH Beschluss vom 17.09.2014, Aktenzeichen: XII ZB 202/13; BGHZ 202, 226 f., zitiert nach Juris).
56
Betroffen sind zum einen das Selbstbestimmungsrecht aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz und zum anderen der in Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz garantierte Schutz des Lebens. Dies hat nach der Rechtsprechung der BGH insbesondere dann zu gelten, wenn es beim Fehlen einer schriftlichen Patientenverfügung um die Feststellung eines in der Vergangenheit mündlichen geäußerten Patientenwillens geht. Insbesondere bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Betroffenen ist darauf zu achten, dass nicht die Werte und Vorstellungen des Betreuers zum Entscheidungsmaßstab werden. Dasselbe gilt, wie bereits oben ausgeführt, für die Werte und Vorstellungen der übrigen Beteiligten, einschließlich derjenigen des Betreuungsgerichtes.
57
Das Betreuungsgericht übersieht daher keinesfalls, dass die derzeitige Lebenssituation, in der sich die Betroffene befindet, sowohl für sie selbst als auch für die Angehörigen eine nahezu unerträgliche psychische Belastung darstellt. Daraus jedoch den mutmaßlichen Willen der Betroffenen festzustellen, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt eine Beendigung der Beatmung und der Ernährungsversorgung gewünscht hätte ist nach Auffassung des Betreuungsgerichtes nicht möglich.
58
Daher war der Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung zurückzuweisen.
2 XVII 446/16
Tenor
Der Antrag der Betreuerin auf betreuungsgerichtliche Genehmigung des Widerrufs der Einwilligung in die künstliche Beatmung und Versorgung der Betroffenen mittels der PEG-Sonde (Genehmigung der Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen) wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Für die Betroffene war mit Beschluss des Notariats II Markgröningen vom 10.03.2014 eine Betreuung angeordnet worden (Bl. 36 d. A.). Zum Betreuer war ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann bestellt worden.
2
Mit Beschluss des Notariats II Markgröningen vom 30.06.2016 (Bl. 3 d. A.) wurde nunmehr die Tochter der Betroffenen zur Betreuerin bestellt, unter anderem mit dem Aufgabenkreis „Sorge für die Pflege und Gesundheit, einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen und Behandlungen“.
3
Mit Beschluss des Notariats II Markgröningen vom 07.09.2016 (Bl. 96 d. A.) wurde der Aufgabenkreis dahingehend erweitert, dass nunmehr auch Entscheidungen über lebenserhaltende und lebensverlängernde Maßnahmen (Einwilligung/Nichteinwilligung oder Widerruf einer Einwilligung) darin enthalten sind.
4
Ausweislich des ärztlichen Attests von Dr. ... vom 04.08.2016 (Bl. 5 d. A.) erlitt die Betroffene im November 2013 einen hämorrhagischen Apoplex durch Aneurysma der Arteria communicans anterior mit subarachnoidaler Blutung.
5
Nach der ersten Hirnblutung bestand eine Halbseitenlähmung mit Aphasie.
6
Im Oktober 2014 erlitt die Betroffene einen zweiten hämorrhagischen Apoplex mit Hirnstammeinklemmung und Hirnstammblutung und Subarachnoidalblutung sowie der Entwicklung einer Epilepsie.
7
Seit dem zweiten Aneurysma ist die Betroffene komatös. Es besteht eine spastische Tetraparese mit Beugesynergismen und nur noch eine Spontanatmung, die durch O2 Gabe über ein Tracheostoma unterstützt wird. Ferner ist eine PEG-Sonde gelegt.
8
Nach dem ärztlichen Attest liegt eine Palliativsituation vor. Eine Änderung dieser Situation ist aus Sicht des Arztes nicht mehr möglich.
9
Nach dem zweiten ärztlichen Attest des Dr. ... vom 08.09.2016 (Bl. 91 d. A.) ist aus seiner Sicht medizinisch indiziert die lebensverlängernden Maßnahmen wie Atmungsunterstützung und hochkalorische künstliche Ernährung einzustellen.
10
Nach dem ärztlichen Bericht des Neurozentrums des Klinikums ... vom 22.12.2013 wurde die Betroffene am 24.11.2013 von ihrem Ehemann nicht ansprechbar in der Badewanne vorgefunden. Nach Einlieferung in die Notaufnahme des K.-hospitals in ... wurde ein Aneurysma diagnostiziert.
11
Die Betroffene wurde nach Hause entlassen. Am 25.10.2014 wurde eine intracerebrale Blutung beidseitig frontal mit Verbindung zu einem überstenteten und coilembolisierten Aneurysma diagnostiziert. Des Weiteren eine inkomplette Hirnstammeinklemmung mit Hirnstammblutung.
12
Es bestand ein Subduralhämatom linkshemisphärisch sowie eine Subarachnoidalblutung der basalen Zisternen.
13
Es wurde eine Palliativsituation diagnostiziert, die einem therapeutischen Vorgehen nicht mehr zugänglich war. Die Betroffene blieb komatös. Der Atemantrieb blieb erhalten.
14
In Übereinstimmung mit dem Ehemann wurde die Betroffene nach Hause entlassen. Es erfolgte eine plastische Tracheotomie. Am 10.11.2014 wurde eine PEG-Sonde gelegt.
15
Als Entlassbefund wurde eine komatöse Patientin mit spastischer Tetraparese festgestellt.
16
Seitdem befindet sich die Betroffene zu Hause und wird einerseits über die PEG-Sonde versorgt und erhält andererseits zur Atmungsunterstützung 24-stündig eine O2 Gabe.
17
Die weiteren Ermittlungen des Betreuungsgerichts haben ergeben, dass, so die Aussage der jetzigen Betreuerin, die Ärzte nach dem zweiten Aneurysma die Betroffene als in einem Zustand befindlich ansahen, in dem sie eine Organentnahme für angezeigt hielten. Diese wurde vom Ehemann, damals Betreuer der Betroffenen, untersagt und es wurde die Beatmung und die Versorgung über eine PEG-Sonde von ihm angeordnet.
18
Dies sei, so die Angaben der jetzigen Betreuerin, nicht im Sinne der Betroffenen und nicht im Sinne der jetzigen Betreuerin gewesen.
19
Nachdem der Ehemann der Betroffenen verstorben war und die Tochter zur Betreuerin bestellt wurde hat diese mit Schriftsatz vom 20.08.2016 beim Betreuungsgericht Ludwigsburg einen Antrag auf Genehmigung der Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen gestellt.
20
Am 30.08.2016 wurde eine Anhörung zu Hause bei der Betroffenen durchgeführt im Beisein eines Verfahrenspflegers, der Betreuerin und deren Ehemann. Die Betroffene war nicht ansprechbar, eine Kontaktaufnahme mit ihr, gleich welcher Art, nicht möglich.
21
Am 19.09.2016 wurde eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen ... und ... durchgeführt. Insoweit wird auf das Protokoll vom selben Tag (Bl. 92 - 95 d. A.) verwiesen.
22
Zur Abklärung der Voraussetzungen des § 1906 Abs. 4 BGB, d. h. ob ein Einvernehmen zwischen behandelndem Arzt und Betreuerin festgestellt werden kann, dass der Widerruf der Einwilligung demnach § 1901 a BGB festgestellten Willen der Betroffenen entspricht wurde der behandelnde Arzt, der erklärte zur angesetzten Beweisaufnahme am 19.09.2016 keine Zeit zu haben, um eine schriftliche Stellungnahme zur Frage gebeten, ob er jemals mit der Betroffenen über das Einstellen der künstlichen Beatmung und der Versorgung über eine PEG-Sonde gesprochen habe. Hierauf reichte der behandelnde Arzt Dr. ... ein Schreiben vom 20.09.2016 zu den Akten (Bl. 98 d. A.) in dem er lediglich ausführte, mit der Tochter der Betroffenen, also der Betreuerin, mehrere Gespräche über die Frage des Abbruchs der lebensverändernden Maßnahmen durchgeführt zu haben.
23
Nach Abschluss der dem Betreuungsgericht derzeit möglichen Ermittlungen ist festzustellen, dass die Voraussetzungen der betreuungsgerichtlichen Genehmigung in den Widerruf der Einwilligung des Betreuers in einen ärztlichen Eingriff nach § 1904 Abs. 2 BGB nicht gegeben sind und daher der Antrag der Betreuerin zurückzuweisen war.
24
Formal sind an der jetzigen Gesetzeslage zwei Dinge zu beanstanden.
25
Zum einen fehlt es an einer gesetzlichen Bestimmung, die die Bestellung eines separaten Betreuers nur für den Aufgabenkreis der Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen vorsieht, wie dies im Fall der Sterilisation nach § 1899 Abs. 2 BGB für erforderlich gehalten wurde.
26
Mit der Entscheidung über die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen wird der denkbar stärkste Eingriff in das Grundrecht auf Leben ausgeübt. Weshalb für diese Befugnis vom Gesetzgeber nicht die Bestellung eines nur auf diesen Aufgabenkreis beschränkten zusätzlichen Betreuers zwingend vorgeschrieben wurde ist nicht nachvollziehbar und wäre nach Auffassung des Betreuungsgerichtes dringend zu korrigieren. Für diesen Bereich wäre erst recht die Bestellung eines Betreuers mit „neutraler Außensicht“ geboten.
27
Der zweite formale Mangel im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen besteht darin, dass, wenn schon die Einrichtung einer speziellen Betreuung für diesen Fall nicht für notwendig erachtet wird, wenigstens die ausdrückliche Anordnung dieses Aufgabenkreises durch das Betreuungsgericht zwingend vorgeschrieben wird, wie dies im Fall des § 1896 Abs. 4 BGB bei Entscheidungen über den Fernmeldeverkehr oder das Öffnen und Anhalten der Post geschehen ist.
28
Auch dort handelt es sich um extreme Grundrechtseingriffe, die jedoch in der Intensität weit unter dem vorliegenden Fall der Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen liegen. Nachdem der Gesetzgeber für die dortigen Grundrechtseingriffe die ausdrückliche Anordnung im Aufgabenkreis des Betreuers für erforderlich gehalten hat, wäre dies um ein vielfaches gebotener gewesen im Fall der Beendigung des menschlichen Lebens.
29
Unabhängig von diesen beiden Mängeln des Gesetzgebungsverfahrens, die das Betreuungsgericht selbstverständlich zu akzeptieren hat, sind vorliegend die Voraussetzungen der betreuungsgerichtlichen Genehmigung des Widerrufs der Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff nach § 1904 Abs. 2 BGB nicht gegeben.
30
Der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichtes wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt.
31
Vorliegend sind sowohl die Atmungsunterstützung durch die dauerhafte Sauerstoffgabe als auch die Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr mittels der PEG-Sonde zur Lebenserhaltung unerlässlich. Ohne die beiden Maßnahmen stirbt die Betroffene. Auch wenn nur eine entfällt ist der Todeseintritt gewiss.
32
Eine Ausnahme der Genehmigungspflicht postuliert § 1904 Abs. 4 BGB. Danach ist eine betreuungsgerichtliche Genehmigung nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901 a BGB festgestellten Willen des Betreuten entspricht.
33
Die Betreuerin hat sowohl schriftlich als auch bei den beiden Anhörungen deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nach ihrer Auffassung ihre Mutter die jetzige Situation in der sie sich befindet nicht gewollt habe.
34
Eine Erklärung des behandelnden Arztes darüber, dass der jetzt beabsichtigte Widerruf der Einwilligung in das Legen der PEG-Sonde und der Beatmung dem Willen der Betroffenen entspreche liegt nicht vor.
35
Eine diesbezügliche Anfrage des Betreuungsgerichts beantwortet der behandelnde Arzt lediglich damit, dass er mit der Tochter der Betroffenen über die Frage des Abbruchs dieser Maßnahmen gesprochen habe.
36
Somit kann bereits kein Konsens zwischen der Betreuerin und dem behandelnden Arzt darüber erkannt werden, dass das jetzt beabsichtigte Einstellen der Beatmung und das Entfernen der PEG-Sondenernährung einem festgestellten Willen der Betroffenen im Sinne des § 1901 a BGB entspricht.
37
Eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a BGB in schriftlicher Form existiert nicht.
38
Ein Behandlungswunsch der Betroffenen dahingehend, einmal angewandte lebensverlängernde Maßnahmen wie Beatmung und Ernährung zu beenden ist gleichfalls nicht festzustellen. Darüber, ob die Beendigung der Beatmung und der Ernährung dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen entspricht schweigt der Arzt.
39
Somit verbleibt es bei dem Grundsatz der Notwendigkeit einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung in den Widerruf der Einwilligung der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen.
40
§ 1904 Abs. 3 BGB schreibt vor, dass die betreuungsgerichtliche Genehmigung dann zu erteilen ist, wenn der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht.
41
Wie oben ausgeführt, existiert eine schriftliche Patientenverfügung nicht. Des Gleichen ist ein Behandlungswunsch der Betroffenen bezüglich der konkreten Situation nicht zu erkennen.
42
Somit war vom Betreuungsgericht zu prüfen, ob der mutmaßliche Wille der Betroffenen im Sinne des § 1901 a Abs. 2 BGB dahingehend feststellbar ist, angewandte lebenserhaltende Maßnahmen zu beenden.
43
Diese Feststellung eines mutmaßlichen Willens der Betroffenen war dem Betreuungsgericht nicht möglich.
44
Bei ihrer Anhörung am 30.08.2016 gab die Betreuerin an, dass sie nach dem ersten Aneurysma und dem Schlaganfall zu irgendeinem Zeitpunkt mit ihrer Mutter bei schönem Wetter auf der Terrasse gesessen sei und sie aufgefordert habe das Leben wieder zu genießen. Daraufhin habe ihr die Mutter gesagt, dass sie nicht mehr möchte, so nicht mehr leben wolle und nichts mehr genießen könne.
45
Zum damaligen Zeitpunkt konnte die Betroffene noch alleine atmen, essen und gehen.
46
Das zweite Aneurysma, das eine Zerstörung des Stammhirns zur Folge hatte, erfolgte knapp ein Jahr nach dem ersten Aneurysma.
47
Obwohl die Betreuerin, ihren eigenen Angaben zu folge, zumindest ihren Vater mehrfach darauf angesprochen hatte eine Patientenverfügung zu erstellen wurde dies nicht durchgeführt. Das Gericht übersieht nicht, dass die Erstellung einer Patientenverfügung im freien Willen eines jeden Menschen steht, jedoch wäre, wenn die Betroffene tatsächlich eine solche Situation für unerträglich gehalten hätte, das Errichten einer Patientenverfügung naheliegend gewesen.
48
Die Betreuerin gab an mit ihrer Mutter direkt nie über die Patientenverfügung gesprochen zu haben, weil diese einem solchen Thema nicht zugänglich gewesen sei. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Betroffene eine endgültige Regelung über eine solche Situation nicht wollte. Es können selbstverständlich aber auch andere Gründe für die Nichterrichtung der Patientenverfügung vorgelegen haben.
49
Ein weiterer Anhaltspunkt, der vom Ehemann der Betreuerin angeführt wurde, war ein Gespräch anlässlich eines Weihnachtsessens vor ca. 6 - 7 Jahren. Damals soll die Betroffene gesagt haben, sie wolle nie ins Pflegeheim und nie an Maschinen angeschlossen werden.
50
Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt am Wahrheitsgehalt dieser Angaben der Betreuerin und ihres Ehemannes zu zweifeln, jedoch reichen diese zwei Aussagen der Betroffenen nicht aus, einen mutmaßlichen Willen der Betroffenen zu konstatieren, im Hinblick auf das Abschalten der Sauerstoffzufuhr und der Ernährung zum jetzigen Zeitpunkt.
51
Hier erheben sich für das Betreuungsgericht deshalb Zweifel, weil eben zwischen dem ersten und dem zweiten Aneurysma eine entsprechende Anordnung durch die Betroffene nicht getroffen wurde. Dies hätte aber nahegelegen, wäre es der unzweifelhafte Wunsch der Betroffenen gewesen ein solches Leben, angeschlossen an Sauerstoff- und Ernährungszufuhr nicht zu führen.
52
Schließlich hat auch die Vernehmung der „Stiefcousine“ der Betroffenen und deren Ehemann am 19.09.2016 keinerlei Erkenntnis im Hinblick auf den mutmaßlichen Willen der Betroffenen erbracht.
53
Die Zeugin ... führte aus, dass die Betroffene einmal zu ihr gesagt habe, dass, wenn sie ins Koma fallen solle, sie nicht mehr weiter leben wolle. Auf Rückfrage gab sie jedoch an, dass dieses Gespräch vor über 30 Jahren stattgefunden hat. Daraus auf einen aktuellen mutmaßlichen Willen der Betroffenen zu schließen verbietet sich nach Auffassung des Betreuungsgerichts.
54
Weitere konkrete Gespräche insbesondere auch nach dem ersten Aneurysma gab es zwischen der Zeugin ... und der Betroffenen und auch zwischen dem Zeugen ... und der Betroffenen nicht.
55
Bei den Anforderungen an die Ermittlung des mutmaßlichen Willens eines betroffenen Wachkomapatienten gelten nach der Rechtsprechung des BGH strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter Rechnung zu tragen haben (BGH Beschluss vom 17.09.2014, Aktenzeichen: XII ZB 202/13; BGHZ 202, 226 f., zitiert nach Juris).
56
Betroffen sind zum einen das Selbstbestimmungsrecht aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz und zum anderen der in Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz garantierte Schutz des Lebens. Dies hat nach der Rechtsprechung der BGH insbesondere dann zu gelten, wenn es beim Fehlen einer schriftlichen Patientenverfügung um die Feststellung eines in der Vergangenheit mündlichen geäußerten Patientenwillens geht. Insbesondere bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Betroffenen ist darauf zu achten, dass nicht die Werte und Vorstellungen des Betreuers zum Entscheidungsmaßstab werden. Dasselbe gilt, wie bereits oben ausgeführt, für die Werte und Vorstellungen der übrigen Beteiligten, einschließlich derjenigen des Betreuungsgerichtes.
57
Das Betreuungsgericht übersieht daher keinesfalls, dass die derzeitige Lebenssituation, in der sich die Betroffene befindet, sowohl für sie selbst als auch für die Angehörigen eine nahezu unerträgliche psychische Belastung darstellt. Daraus jedoch den mutmaßlichen Willen der Betroffenen festzustellen, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt eine Beendigung der Beatmung und der Ernährungsversorgung gewünscht hätte ist nach Auffassung des Betreuungsgerichtes nicht möglich.
58
Daher war der Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung zurückzuweisen.