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04.05.2017 · IWW-Abrufnummer 193672

Landessozialgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 24.03.2017 – L 8 SB 3879/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landessozialgericht Baden-Württemberg

L 8 SB 3879/16

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19.09.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - erhebliche Gehbehinderung -; Merkzeichen "G") zusteht.

Der 1930 geborene Kläger beantragt am 21.10.2014 beim Landratsamt K. (LRA) die (Erst-)Feststellung des GdB und von Merkzeichen (Blatt 1/2 der Beklagtenakte). Der Kläger verwies in seinem Antrag auf eine Hüftprothese rechts, Knieprothesen beidseitig, eine Karpaltunnel-Operation, einen Grauen Star beidseitig, einen Herzinfarkt mit einem Stent, eine Hörbehinderung und eine Apnoe mit Beatmungsgerät.

Das LRA zog Befundscheine des Augenarztes Prof. Dr. R. (dazu vgl. Blatt 6 der Beklagtenakte), des HNO-Arztes Dr. M. (dazu vgl. Blatt 9/12 der Beklagtenakte), des HNO-Arztes Dr. G. (dazu vgl. Blatt 15/17 der Beklagtenakte), des hausärztlichen Internisten Dr. C. (dazu vgl. Blatt 20/30 der Beklagtenakte) sowie des Orthopäden Dr. B. (dazu Blatt 34/35 der Beklagtenakte) bei.

Der Versorgungsarzt Dr. Dr. J. (vgl. Stellungnahme vom 07.01.2015, Blatt 36/37 der Beklagtenakte) bewertete den GdB mit 60 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Kniegelenkstotalprorthese beidseits, Hüftgelenksprothese rechts: GdB 30; abgelaufener Herzinfarkt, Stentimplantation, koronare Herzkrankheit: GdB 20; Schlafapnoe-Syndrom: GdB 20; Schwerhörigkeit beidseits: GdB 20; Mittelnervendruckschädigung (Carpaltunnelsyndrom): GdB 10; eingepflanzte Kunstlinse beidseits, Sehminderung: GdB 10) und verneinte das Vorliegen der Merkzeichen.

Das LRA stellte mit Bescheid vom 13.01.2015 (BIatt 38/41 der Beklagtenakte) den GdB seit 21.10.2014 mit 60 fest und lehnte die gesundheitlichen Merkmale "G", "Gl", "B", "H", "aG", "Bl" und "RF" ab.

Mit seinem Widerspruch vom 22.01.2015 (Blatt 44 der Beklagtenakte) machte der Kläger geltend, seine Gehbehinderung sei so ausgeprägt, dass er nur mit erheblichen Beschränkungen Wegstrecken im Ortsverkehr zurücklegen könne.

Nachdem die Versorgungsärztin Dr. M.-K. in ihrer Stellungnahme vom 06.02.2015 (Blatt 47 der Beklagtenakte) ausgeführt hatte, dass keinerlei Komplikationen, Reizerscheinungen oder erhebliche Bewegungseinschränkungen nach Implantation der Prothesen beschrieben seien, wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2015, Blatt 49/50 der Beklagtenakte).

Am 30.03.2015 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben. Er hat ein Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. B. vom 27.03.2015 (Blatt 44 der SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Antwort vom 21.06.2015 (Blatt 17/20 der SG-Akte) u.a. ausgeführt, es bestehe keine Störung der Orientierungsfähigkeit. Insgesamt könnten Wegstrecken von 50 m zurückgelegt werden.

Darüber hinaus hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 25.01.2016 (Blatt 32/61 der SG-Akte) eine Funktionsbeeinträchtigung rechtes Hüftgelenk bei fest einliegender Hüftendoprothese rechts ohne Lockerungszeichen, eine Funktionsbeeinträchtigung rechtes Kniegelenk bei fest einsitzender Knietotalendoprothese (keine Lockerungszeichen), eine schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigungen des linken Kniegelenkes bei fest einliegender Knietotalendoprothese ohne Lockerungszeichen, ein lokales zervikales und lumbales Wirbelsäulensyndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule mit pseudoradikulärem zervikobrachialem Wirbelsäulensyndrom, eine Handgelenkarthrose rechts (stattgehabte CTS-Operation rechts) und eine Verstellung des Kleinfingermittelgelenkes rechts festgestellt. Gehhilfen würden in Form eines Fritzstockes benötigt. Aus orthopädischer Sicht sei eine wesentliche Einschränkung der Gehstrecke aus den erhobenen Befunden nicht ableitbar.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 08.03.2016 (Blatt 65 der SG-Akte) u.a. ausgeführt, es sei ihm unverständlich, dass seine andauernde schmerzhafte Gehbehinderung so in Abrede gestellt werde, direkt konträr zum Attest von Dr. B ... Ganz wesentlich sei, dass er sich nur mit Schmerzen bewegen könne. Dr. B. habe ihn als therapieresistent beschrieben. Er könne sich nur unter Schmerzen im kleinen Umkreis bewegen.

Der Kläger hat des Weiteren (Schreiben vom 14.04.2016, Blatt 67 der SG-Akte) den Bericht des Prof. Dr. L. vom 06.04.2016 (Blatt 68/69 der SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2016 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.

Gegen den ihm am 23.09.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.10.2016 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 18.10.2016) Berufung eingelegt. Sei als maßgebendes Kriterium für das Merkzeichen "G" festgelegt, das man eine Strecke von ca.2000 m in einer halben Stunde nicht mehr gehen könne, dann sei die Sachlage ganz eindeutig: Er könne nur ca. 50 m halbwegs mit Anfangsschmerzen gehen, dann müsse er schon aufgeben. Nachdem aber Schmerzen medizinisch objektiv nicht messbar seien, heiße das doch nicht, dass sie subjektiv auch nicht vorhanden seien. Im Umkehrschluss könne also auch ein Gutachter nicht attestieren, dass er keine gehbeeinträchtigenden Schmerzen haben könne. Er fungierte damit a priori schon als "heimlicher Richter". Das Vorhandensein von Schmerzen in seinem Zustand sei erneut von allen Ärzten - wenn auch nicht erklärbar - als durchaus möglich angesehen. Er sei jetzt 86 Jahre alt und sei ohnehin auf eine reduzierte Lebensqualität herabgestuft, was sich auch in seiner allgemeinen Behinderung von 60% ausdrücke, d.h. sein Tätigkeitsfeld sei auf einen kleinen Umkreis beschränkt- und er sei allein. Es gehe ihm hauptsächlich darum, an Orte näher heran zu können - sprich parken zu dürfen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19.09.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 13.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2015 zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" (Merkzeichen "G") ab dem 21.10.2014 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Eine Limitierung der Gehstrecke auf unter 2000 m in einer halben Stunde müsse objektiv nachvollziehbar sein. Dies sei hier nicht gegeben. Die subjektive Angabe von Schmerzen genüge allein nicht.

Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 05.01.2017 (Blatt 14 der Senatsakte) u.a. angegeben, sein geäußerter Wunsch habe eben in seine Vorstellung von Erleichterungen bei der Gehbehinderung, neben den anderen Berechtigungen, gepasst. Nach den Äußerungen des Beklagten fühle er sich dazu degradiert, Gehschmerzen einfach hinnehmen zu müssen, besonders weil auf das empörende Urteil des Gutachters verwiesen werde, der durch simples Vermessen der Gliedmaßen wissen wolle, dass er die bezeichnete Strecke in einer halben Stunde gehen könne. Schmerzen gehörten nach seinem Verständnis zu den größten Behinderungen überhaupt, weil sie die Lebensgeister zerstörten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 18, 19 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers über die der Senat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.

Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 19.09.2016 das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" zutreffend verneint. Der Bescheid des LRA vom 13.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 06.03.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit darin - was vorliegend alleine streitgegenständlich ist - die Feststellung des Merkzeichens "G" abgelehnt wurde. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "G".

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen – auch in ihrer differenzierten Anwendung bis zum 14.01.2015 bzw. ab dem 15.01.2015 – zutreffend dargestellt und angewandt. Der Senat weist die Berufung nach eigener Prüfung und Urteilsbildung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und verweist insoweit auf die Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid vom 19.09.2016. Im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Auch der Senat konnte aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten nicht feststellen, dass beim Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens vorliegt – weder unter Anwendung der bis zum 14.01.2015 anzuwendenden Maßstäbe, noch nach dem seit 15.01.2015 geltenden Recht.

Der Senat konnte unter Anwendung des seit 15.01.2015 geltenden Rechts nach D Nr. 1 VG nicht feststellen, dass beim Kläger sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Bei dieser Bewertung ist der Senat nicht an die Bewertung der Versorgungsärzte in deren versorgungsärztlichen Stellungnahmen gebunden, ebenso wenig an die vom LRA in den jeweiligen Bescheiden zur Feststellung des GdB zugrunde gelegten Einzel-GdB-Werte, denn diese erwachsen anders als der festgestellte Gesamt-GdB nicht in Bestandskraft. Dem Kläger ist aber gerade kein Gesamt-GdB von wenigstens 50 wegen sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule zuerkannt worden. Der Senat konnte zwar Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 feststellen, doch wirken sich diese Behinderungen im Rechtssinne nicht besonders auf die Gehfähigkeit aus. Dieses ist anzunehmen bei einer Versteifung des Hüftgelenks, einer Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder einer arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40.

Für den Senat konnte der Gutachter Dr. K. überzeugend darlegen, dass im Bereich der Lendenwirbelsäule – für die vorliegend maßgebliche Bewertung sind Beeinträchtigungen der Hals- und Brustwirbelsäule nicht von Bedeutung – lediglich eine leichte Funktionsbeeinträchtigung besteht, wobei das Schober sche Maß mit 10:13 cm unterhalb der alterskorrigierten Norm von ca. 10:14 cm lag. Der Finger-Bodenabstand betrug bei der Untersuchung durch Dr. K. 23 cm. Muskel- und Sehnenreizerscheinungen der unteren Lendenwirbelsäule waren dort nachweisbar. Dies sah Dr. K. korrelierend zu den radiologischen Befunden eines Baastrup-Phänomens der unteren Lendenwirbelsäule und den radiologischen Befunden degenerativer Veränderungen der Lendenwirbelsäule. Prof. Dr. L. und Dr. B. haben gegenüber dem SG keine bzw. keine weitergehenden Funktionsbehinderungen bezüglich der Wirbelsäule mitgeteilt. Auch aus den Ausführungen von Dr. B. im Verwaltungsverfahren ergeben sich keine weitergehenden Behinderungen der Lendenwirbelsäule.

Hinsichtlich der Versorgung des Klägers mit einer Hüft-TEP rechts sowie Knie-TEP beidseits konnte Dr. B. , der behandelnde Orthopäde, weder gegenüber dem LRA noch dem SG angeben, dass die implantierten Prothesen schlecht sitzen, wackeln oder instabil seien. Dr. B. bezieht die von ihm beschriebenen Beschwerden auf Schmerzen und Schwellneigungen nicht auf mechanische oder statische Funktionsbeeinträchtigungen. Dr. K. konnte bei seiner Untersuchung auch nicht beschreiben, dass die Prothesen an Hüfte und Knien nicht gut funktionierten; vielmehr hat er Lockerungszeichen ausgeschlossen. Auch Prof. Dr. L. hat in seinem zuletzt vorgelegten Bericht vom 06.04.2016 nicht über mechanische Funktionsbehinderungen berichtet. Er hat zwar angedacht, ob es am Knie links bei Belastung zu einem Einklemmen der Gelenkinnenhaut kommen könnte, doch handelt es sich hierbei um eine bloße Vermutung, die auch die vom Kläger an den anderen prothetisch versorgten Gelenken beklagten Beschwerden nicht erklären. An Bewegungsausmaßen wurden beim Kläger gemessen:

Normalwerte Dr. B. Dr. B. Dr. K. Prof. Dr. L. Fundstelle 34/35 der Beklagtenakte 17/20 der SG-Akte 44 der SG-Akte 68 der SG-Akte Hüfte rechts Streckung/Beugung 5/10-0-130 Drehung 30/45-0-45/50 31.03.2014 Rotation außen/innen 20-0-5 20-0-10 Streckung/Beugung 0-0-90 0-0-100 Knie rechts Links Streckung/Beugung 5/10-0-130 31.03.2014 95-0-0 100-0-0 05.02.2015 Streckhemmung links 5 Grad, Beugung nur bis 70 Grad Streckung/Beugung 0-5-100 0-5-90 Beweglichkeit 0-3-90 Rechts nur geringfügig besser 04.09.2014 - 103-0

Insoweit ergibt sich hinsichtlich der Knie beidseits ein GdB von zusammen 30 (B Nr. 18.14 i.V.m. 18.12 VG) und hinsichtlich der Hüfte ergibt sich ein GdB von 10 (B Nr. 18.14 i.V.m. 18.12). Auch unter Berücksichtigung der Funktionsbehinderungen der (Lenden-)Wirbelsäule ergibt sich kein GdB von 50. Ebensowenig konnte der Senat beim Kläger einen GdB unter 50 begründende Behinderungen, aber mit besonderer Auswirkung auf die Gehfähigkeit feststellen. Solche Auswirkungen sind anzunehmen bei einer Versteifung des Hüftgelenks, einer Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder einer arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40, was beim Kläger nicht vorliegt. Auch sonst ist die bei ihm bestehende Behinderungssituation nicht mit diesen Regelbeispielen vergleichbar, weshalb sich der Senat nicht vom Vorliegen solcher besonderer Auswirkungen auf die Gehfähigkeit überzeugen konnte.

Soweit der Kläger auf subjektiv empfundene und von Dr. B. notierte Schmerzen abstellt, weist der Arzt zutreffend darauf hin, dass diese nur schwer zu objektivieren sind, zumal vorliegend gerade objektive Anhaltspunkte für fehlerhaft eingesetzte oder fehlerhaft funktionierende Prothesen nicht bestehen. Insoweit konnte der Senat zwar die Schmerzen des Klägers berücksichtigen, mangels objektivierbarer wesentlicher funktioneller Beeinträchtigungen aber daraus nicht eine erhebliche bzw. relevante Auswirkung auf die Gehfähigkeit im Sinne des Behinderungsrechts feststellen, denn eine solche ist aus den erhobenen Befunden nicht nachzuvollziehen. Diesbezüglich ist auch darauf hinzuweisen, dass Dr. B. zunächst nicht die dem Kläger maximale Gehstrecke beschrieben hatte, sondern in seinem Attest vom 27.03.2015 die schmerzfreie Gehstrecke auf 100 m begrenzt. Dass die Gehstrecke i.S.d. Merkzeichens "G" aber schmerzfrei zurückzulegen wäre, ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Vielmehr stellen die maßgeblichen Regelungen darauf ab, dass die entsprechende Wegstrecke überhaupt bewältigt werden kann. Vor diesem Hintergrund kommt der Beschreibung der schmerzfreien Wegstrecke durch Dr. B. keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Soweit er aber in seiner zeugenschaftlichen Auskunft gegenüber dem SG die Maximalgehstrecke mit 50 m beschreibt, konnte der Senat diese Einschätzung weder anhand der Befunde von Dr. B. noch derjenigen von Dr. K. und Prof. Dr. L. nachvollziehen. Diesen Befunden ist ein derart ausgeprägtes Schmerzbild, das nach medizinischer Erfahrung zwingend eine Limitierung der Wegstrecke beinhaltet, nicht zu entnehmen. Der Senat stützt sich hierfür auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. , der neuromotorische Ausfallerscheinungen, eine belangvolle Schmerztherapie in der Medikamentation mit Novaminsulvon, was nach seinen Ausführungen der Schmerztherapiestufe 1 des WHO-Schmerztherapieschemas entspricht, nicht hatte beschreiben können und den im Kern nicht infrage gestellten, seinen erhobenen klinischen Befunden immanenten Schmerzen aber keine Bedeutung für eine Gehbeeinträchtigung im erforderlichen Ausmaß beigemessen hat. Die individuelle Schmerztoleranz, was nach den medizinischen Befunden und nach dem Vorbringen des Klägers die sonach allein feststellbare Einschränkung der Gehfähigkeit durch Schmerzen darstellt, ist dagegen kein geeigneter Beurteilungsmaßstab einer das Merkzeichen "G" rechtfertigenden Behinderung.

Innere Leiden, vor allem Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 oder Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades konnte der Senat beim Kläger nicht feststellen. So ist den Angaben des Internisten Dr. C. gegenüber dem LRA zwar eine koronare Herzerkrankung mit 2-Gefäß-Beteiligung zu entnehmen (vgl. Auskunft vom 12.11.2014, Blatt 20 der Beklagtenakte), doch war er in der Lage, 75 Watt zu leisten, ohne, dass Ischämien oder andere Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind (vgl. Auskunft. Dr. C. , a.a.O.; vgl. Bericht Dr. O. , Blatt 27/28 der Beklagtenakte). Auch das festgestellte Schlafapnoesyndrom mit Überdruckbeatmung bedingt ebenfalls keine dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades. Dies konnte der Senat den Angaben von Dr. M. gegenüber dem LRA und seinem Arztbrief vom 14.09.2011 und seinem Arztbrief vom 14.09.2011 entnehmen.

Insoweit entspricht die Leistungsfähigkeit von 75 Watt einem forschen Gehen bei fünf bis sechs Kilometer in der Stunde (vgl. B Nr. 9.1.1 VG). Damit konnte der Senat keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen durch Herz- oder Lungenerkrankungen feststellen. Auch andere innere Leiden, hirnorganische Anfälle, einen Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks oder Störungen der Orientierungsfähigkeit konnte der Senat nicht feststellen. Darüber hinaus besteht beim Kläger zwar eine Sehbehinderung, doch bedingt diese angesichts der von Dr. R. gegenüber dem LRA mitgeteilten Befunden (Blatt 6 der Beklagtenakte) keinen GdB von wenigstens 70 bzw. 50 oder 60. Vielmehr führen die beidseits eingesetzten Kunstlinsen bei nur geringen Sehschärfenminderungen beidseits nur zu einem GdB von 10.

Die vorliegenden Gesundheitsstörungen führen weder einzeln noch im Zusammenwirken auch unter Berücksichtigung der bestehenden Übergewichtigkeit (BMI 36 kg/m2; 174 cm, 110 kg) zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Eine Adipositas per magna (BMI 40 kg/m2) liegt nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" zwar auch dann vor, wenn die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erst durch ein Zusammenwirken von Gesundheitsstörungen und großem Übergewicht erheblich beeinträchtigt wird (BSG 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R). Solche Gesundheitsstörungen liegen beim Kläger aber nicht vor. Bei ihm können im Bereich des Bewegungsapparates außer Schmerzen an den Knien und der Hüfte wesentliche Bewegungseinschränkungen gerade nicht objektiviert werden, so dass eine so gravierende Verstärkung durch das Übergewicht, so dass der Zustand einem der in D Nr. 1 VG beschriebenen Fälle erheblicher Beeinträchtigungen der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vergleichbar wäre, nicht festgestellt werden konnte.

Angesichts dieser Befunde konnte der Senat den abweichenden Bewertungen von Dr. B. nicht folgen; insbesondere weichen dessen Befunde nicht wesentlich von denjenigen des Gutachters Dr. K. ab, sodass dessen abweichender Bewertung nicht gefolgt werden kann.

Damit konnte der Senat unter Maßgabe der seit 15.01.2015 anzuwendenden Bestimmungen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht feststellen.

Auch für die Zeit zuvor konnte der Senat dies nicht feststellen. Insoweit gelten die obigen Ausführungen ebenso. Die von Dr. K. erhobenen Befunde sind auch auf die Zeit vor dem 15.01.2015 zu beziehen. Es ist nicht ersichtlich, dass insoweit eine Befundänderung im Sinne einer Verbesserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes bis zu den Untersuchungen durch die Sachverständigen eingetreten sein soll. Anhaltspunkte für eine solche Befundänderung ergeben sich aus dem geschilderten Behandlungsverlauf der gehörten behandelnden Ärzte nicht. Darüber hinaus sind aber auch keine Gesundheitsstörungen diagnostiziert, die abweichend von den in den VG genannten im Hinblick auf Art und Ausprägung den Schluss auf eine erhebliche Gehbehinderung zulassen. Insoweit spricht zunächst die internistische Fähigkeit 75 Watt zu leisten, was bei einer dieser Belastbarkeit entsprechenden Gehgeschwindigkeit einer Wegstrecke von 5 bis 6 km in der Stunde, mithin von mehr als 2 km in einer halben Stunde entspricht, gegen eine relevant eingeschränkte Wegefähigkeit. Im Übrigen konnte der Senat zwar funktionelle Behinderungen beim Kläger feststellen, jedoch lassen sich aus den objektivierten Beeinträchtigungen keine Einschränkungen der Wegefähigkeit hinsichtlich Zeit und Länge ableiten. Soweit der Kläger auch insoweit auf die bestehenden Schmerzen verweist, lassen diese sich zwar in gewissem Umfang nachvollziehen, begründen aber als solche - wie dargelegt - nicht eine objektive Einschränkung der Fähigkeit Fußwege von ca. 2 km in einer halben Stunde zurücklegen zu können.

Damit ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger weder unter den bis 14.01.20015 anzuwendenden Voraussetzungen, noch nach dem ab 15.01.2015 geltenden Bestimmungen erheblich in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigt ist. Er kann 2 km in 30 Minuten zurücklegen und auch die Funktionsbehinderungen der LWS und der Beine sowie seine inneren Erkrankungen und die Schwerhörigkeit führen nicht dazu, dass der Kläger in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Somit hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "G", weshalb die Berufung zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

RechtsgebietSchwerbehinderung