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13.07.2017 · IWW-Abrufnummer 195101

Amtsgericht Rostock: Urteil vom 03.08.2016 – 47 C 103/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


47 C 103/16

Amtsgericht Rostock

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  4. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:    

Die Klägerin fordert die teilweise Rückzahlung des Reisepreises (Minderung) aufgrund der verspäteten Anlieferung von Reisegepäck sowie aufgrund einer Routenänderung während einer Kreuzfahrtreise.

Die Klägerin hatte für sich und ihren Ehemann bei der Beklagten eine Schiffsreise vom 26.09. - 10.10.2015 entlang der US-Küste gebucht. Der Reisepreis betrug insgesamt einschließlich der Kosten für eine Versicherung 4.973,00 € bzw. für die Klägerin 2.399,00 €. Ein Koffer, in dem sich „im Wesentlichen“ Kleidungsstücke und Hygieneartikel der Klägerin befanden, wurde durch die Fluggesellschaft verspätet befördert und konnte der Klägerin erst am 04.10.2015 ausgehändigt werden. In dem Koffer befand sich das gesamte Reisegepäck der Klägerin.

Aufgrund des Hurrikans Joaquin und des damit verbundenen starken Windes und hohem Seegangs im Seegebiet um die Bahamas konnte der Hafen Nassau am 03.10.2015 nicht angelaufen werden. Stattdessen fand ein weiterer Seetag statt. In den Vertragsbestandteil gewordenen allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten heißt es unter Ziffer 4.2 u.a.:

„Änderungen wesentlicher Reiseleistungen des vereinbarten Inhalts des Reisevertrages, die nach Vertragsabschluss notwendig werden und die von XYZ nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wurden, sind gestattet, soweit die Änderungen nicht erheblich sind und den Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere auch für die Änderung der Fahrt- und Liegenzeiten und/oder der Routen (vor allem auch aus Sicherheits- und Witterungsgründen), über die allein der für das Schiff verantwortliche Kapitän entscheidet.“

Aufgrund des fehlenden Gepäcks hatte die Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von  250,00 € als Bordguthaben zur Verfügung gestellt. Außerdem erstattete die Beklagte der Klägerin für den Erwerb von Ersatzbekleidung und Hygieneartikel einen Betrag in Höhe von 234,96 €. Nach Reiseende zahlte die Beklagte an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 370,00 €.

Mit der Klage fordert die Klägerin eine Minderung des gesamten Reisepreises im Umfang von 60 %.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr fehlendes Gepäck eine Minderung des gesamten Reisepreises in Höhe von 50 % rechtfertige. Da aufgrund der Tatsache, dass der Klägerin ihr gesamtes Reisegepäck nicht zur Verfügung gestanden habe, sei auch der Urlaub des Ehemanns entsprechend beeinträchtigt und damit ebenfalls in der beanstandeten Höhe gemindert gewesen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.613,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat aufgrund der verspäteten Anlieferung ihres Koffers während der Kreuzfahrt vom 26.09. - 10.10.2015 aufgrund der bereits erhaltenen Zahlungen durch die Beklagte keinen weiteren Anspruch auf Minderung und somit Rückzahlung des Reisepreises. Ein Minderungsanspruch ihres Ehemanns ist nicht festzustellen. Darüber hinaus besteht aufgrund des Nichtanlaufens des Hafens Nassau auf den Bahamas kein Anspruch auf Minderung des Reisepreises.

Die verspätete Anlieferung eines Koffers während der Kreuzfahrtreise stellt zweifellos einen Mangel im Sinne von § 651 c BGB dar, der gemäß § 651 d BGB zur Minderung des Reisepreises führen würde.

Bei nicht zur Verfügung stehendem Reisegepäck wird in der Regel eine Minderung zwischen 20 und 30 % pro betroffenem Urlaubstag für angemessen erachtet (LG Frankfurt RRa 2007, 269). Eine höhere Reisepreisminderung von 50 %, die das vorgenannte Gericht seiner Entscheidung zugrunde legte, kommt lediglich in besonders gelagerten Fällen (hier Antarktisreise, bei der die notwendige kälteabweisende Kleidung nicht zur Verfügung stand) in Betracht. Soweit in der Kommentierung die Auffassung vertreten wird, dass beim Fehlen des Gepäcks bei einer Kreuzfahrt in der Regel 50 % der Unterbringungskosten als Minderung gewährt werden (vgl. Führich Reiserecht 7. Aufl., § 9 Rn. 32) wird dieser Auffassung nicht gefolgt. Die zugrunde gelegte Entscheidung des Amtsgerichts Rostock vom 06.09.2013, Az.: 47 C 303/12, (RRa 2013, 287) trifft hierzu keine entsprechende Aussage. Vielmehr ging es dort um die verspätete Anreise, nachdem die Reisenden wegen Fehlverhaltens des Flughafenpersonals ihren Flug verpassten. Im Übrigen wird bei älteren Entscheidungen der Gerichte im Zusammenhang mit verspäteter Bereitstellung des Gepäcks auf Kreuzfahrtreisen, bei denen eine 40-50 %ige Minderung zugrunde gelegt wurde, berücksichtigt, dass auf Kreuzfahrtreisen vor 20 Jahren und mehr ein gewisser Kleidungszwang herrschte (vgl. Wortmann, Die Kreuzfahrtreise im Spiegel der Rechtsprechung, RRa 2007, 5).

Für die Berechnung der von der Klägerin zu beanspruchenden Minderung ist ausschließlich der auf ihre Person entfallende Anteil des Gesamtreisepreises zu berücksichtigen. Soweit die Klägerin behauptet, auch die Reise ihres Ehemanns sei im gleichen Umfang beeinträchtigt gewesen, ist dies nicht nachzuvollziehen. Zwar kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine Beeinflussung der Reise auch für die übrigen, wie hier nicht unmittelbar betroffenen Familienmitglieder vorliegt. Dass diese jedoch über eine Unannehmlichkeit hinaus geht und einen Mangel darstellt bzw. zur Minderung berechtigt muss gesondert im Einzelfall festgestellt werden. Einzelheiten hierzu trägt die Klägerin jedoch nicht vor, obwohl die Beklagte in der Klageerwiderung ausdrücklich darauf verweist, dass dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden könne, inwieweit der Urlaub des Ehemanns der Klägerin beeinträchtigt gewesen sei.

Die Beklagte schrieb der Klägerin auf deren Bordguthaben einen Betrag in Höhe von 250,00 € gut und zahlte weitere 370,00 €. Insgesamt hat die Klägerin damit von der Beklagten 620,00 € erhalten. Unter Berücksichtigung des Reisepreises nur für die Klägerin in Höhe von 2.399,00 € betrug der Tagesreisepreis 171,36 €. Unter weiterer Berücksichtigung von neun Tagen, an denen der Klägerin ihr Reisegepäck nicht zur Verfügung stand, hat die Beklagte der Klägerin den anteiligen Reisepreis für neun Tage im Umfang einer Minderung von knapp über 40 % des Tagesreispreises zurückgezahlt. Dies ist unter Berücksichtigung der o. g. Rechtsprechung ausreichend. Es bedarf daher keiner konkreten Entscheidung dazu, ob evtl. auch nur eine geringere Minderung hätte beansprucht werden können.

Kein Minderungsanspruch besteht im Zusammenhang mit dem witterungsbedingten Ausfall des Anlaufens des Hafens auf den Bahamas. Unstrittig konnte der Hafen wegen starken Windes und hohem Seegang im Zusammenhang mit einem Hurrikan nicht angelaufen werden. Die Parteien hatten mit den Reisebedingungen der Beklagten vereinbart, dass eine Änderung wesentlicher Reiseleistungen, die nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wurde, gestattet ist, soweit die Änderung nicht erheblich ist und den Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt. Insbesondere wurde hier auf Sicherheits- und Witterungsgründe Bezug genommen.

Die Änderung der Reiseroute durch das Nichtanlaufen eines Hafens ist zwar als erhebliche Änderung zu bewerten. Eine unzulässige Änderung vertraglicher Reiseleistungen liegt jedoch nur dann vor, wenn diese Änderung auch den Gesamtzuschnitt der Reise beeinträchtigte. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Der von der Beklagten als Anlage B 1 (Bl. 20 d.A.) vorgelegten Reservierungsbestätigung ist zu entnehmen, dass die Reise von und nach New York über sechs Häfen führen sollte. Der Ausfall eines Hafens bei gleichzeitiger Beibehaltung der wesentlichen Reiseroute stellt daher keine den Gesamtzuschnitt der Reise beeinträchtigende Änderung der Reiseleistung dar.

Letztlich liegt es auch auf der Hand, dass das Nichtanlaufen des Hafens auf den Bahamas von der Beklagten nicht wider Treu und Glauben erfolgte.
Zusammenfassend besteht über die bereits erhaltenen Leistungen kein weiterer Anspruch der Klägerin auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.    

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriften§§ 651c, 651d BGB