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14.12.2017 · IWW-Abrufnummer 198367

Oberlandesgericht Nürnberg: Beschluss vom 24.04.2017 – 1 W 642/17

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Nürnberg

Beschl. v. 24.04.2017

Az.: 1 W 642/17

In Sachen
xxx
wegen Nachlassbeschwerde

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 1. Zivilsenat - durch den Richter am Oberlandesgericht Heckel, den Richter am Oberlandesgericht Weitner und die Richterin am Oberlandesgericht Ettl folgenden

Beschluss

Tenor:

  1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 29. November 2016, Az. 553 VI 2427/16, mit dem Antrag auf Einziehung des erteilten Erbscheins wird zurückgewiesen.
  2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Beschwerdewert wird auf 45.000 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Erblasserin war mit F... verheiratet. Dieser hatte zwei leibliche Kinder, den Beteiligten zu 1 und Frau G..., welche mit dem Beteiligten zu 2 verheiratet war.

Der Ehemann der Erblasserin verfasste am 10. September 1991 handschriftlich folgendes Schriftstück:

"Unser Testament
Regensburg, 10. September 1991
Wir, die Eheleute F... und A..., setzen uns gegenseitig als Erben ein.
Erben des Überlebenden von uns sollen unsere Kinder B... und G..., zu gleichen Teilen sein.
F..."
Die Erblasserin setzte handschriftlich auf dasselbe Schriftstück folgenden Passus:
"Regensburg 10.9.1991
Vorstehendes ist auch mein letzter Wille.
A..."

Der Ehemann der Erblasserin starb am 26. Dezember 2013.

Am 26. Februar 2014 errichtete die Erblasserin zu Urkundsnummer ... der Notarin I... in Regensburg folgendes notariellen Testament, das unter anderem vorsah:

"§ 1 Vorbemerkung
Ich bin wie im Eingang des Testaments erwähnt, verwitwet. Abkömmlinge, auch adoptierte, habe und hatte ich nicht.
Mein verstorbener Ehemann hatte aus seiner ersten Ehe zwei Kinder:
- B... [...]
- G... [...]
[...]
§ 3 Letztwillige Verfügungen
1. Zu meinen alleinigen und ausschließlichen Erben bestimme ich hiermit meine Stiefkinder, Herrn B... und Frau G... zu gleichen Teilen.
Ersatzerbe für Herrn B... ist dessen Ehefrau [...]
Ersatzerbe für Frau G... ist deren Ehemann, D... [...]
Weitere Ersatzerben bestimme ich heute nicht. Eine Vor- und nach Erbfolge ist hierdurch nicht angeordnet.
[...]"

Am 4. Juli 2016 verstarb Frau G... ohne Hinterlassung von Abkömmlingen. Zwischen dem 9. und dem 10. Juli 2016 verstarb die Erblasserin.
Der Beteiligte zu 1 hat zur Niederschrift des Amtsgerichts Regensburg am 25. Oktober 2016 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Erblasserin von ihm allein beerbt worden sei. Im gemeinschaftlichen Testament vom 10. September 1991 seien Ersatzerben nicht bestimmt worden. Der Anteil von Frau G... wachse gemäß § 2094 BGB dem übrigen Erben an. Die von der Erblasserin im notariellen Testament vom 26. Februar 2014 vorgenommene Ersatzerbeneinsetzung sei unwirksam, da die Erblasserin an die Schlusserbeneinsetzung im gemeinschaftlichen Testament gebunden gewesen sei.

Mit Beschluss vom 29. November 2016 hat das Amtsgericht die zur Begründung des Antrags auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Der Erbschein ist erteilt worden.

Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2017 hat der Beteiligte zu 2 beantragt, den Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen, und hat gegen den Feststellungsbeschluss des Amtsgerichts vom 29. November 2016 - seinen Prozessbevollmächtigten zwischen dem 21. Dezember 2016 und dem 28. Dezember 2016 zugestellt - Beschwerde eingelegt. Für die Erbfolge seien das gemeinschaftliche Testament und das notarielle Testament der Erblasserin maßgebend. Durch die Einsetzung des Beteiligten zu 2 als Ersatzerbe liege keine Beeinträchtigung des Erbrechts des Beteiligten zu 1 vor. Denn nach dem ursprünglichen gemeinschaftlichen Testament sei dieser auch nur als hälftiger Erbe eingesetzt worden. Der zwischenzeitliche Tod von Frau G... ändere daran nichts.

Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2017 hat der Beteiligte zu 1 ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments beide Stiefkinder der Erblasserin bereits verheiratet gewesen seien. Der Beteiligte zu 1 habe zu diesem Zeitpunkt schon zwei Töchter gehabt. Es sei eine bewusste Entscheidung der Erblasser gewesen, keine Ersatzerben zu bestimmen. Es sei der Wille erkennbar, dass das Erbe innerhalb der Familie erhalten bleiben solle. Bei dem Beteiligten zu 2 handele es sich nicht um einen Abkömmling der Erblasserin, somit um keinen gesetzlichen Ersatzerben. Damit er Ersatzerbe werde, hätte er als ein solcher im gemeinschaftlichen Testament benannt werden müssen. Der Nachlass umfasse im Wesentlichen das Vermögen des erstverstorbenen Vaters der im gemeinschaftlichen Testament bestimmten Schlusserben und deshalb könne ein Ersatzerbe außerhalb der verwandtschaftlichen Linie nicht als der Wille des Vaters unterstellt werden.

Mit Beschluss vom 23. März 2017 hat das Amtsgericht der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 29. November 2016 nicht abgeholfen. Der Feststellungsbeschluss sei zu Recht ergangen. Die Erblasserin sei von dem Beteiligten zu 1 allein beerbt worden. Die Einsetzung der Erblasserin zur Alleinerbin ihres Ehemannes im gemeinschaftlichen Testament sei nach der Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB wechselbezüglich hinsichtlich der Erbeinsetzung der Kinder des Ehemannes durch die Erblasserin. Gemäß § 2094 Abs. 1 BGB wachse der Erbteil eines testamentarisch bedachten Erben, der vor oder nach dem Eintritt des Erbfalles wegfalle, den übrigen Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile an. Die Anwachsung sei durch die Erblasserin und ihren Ehemann nicht gemäß § 2094 BGB ausgeschlossen worden. Das notarielle Testament beeinträchtige mithin hinsichtlich der darin enthaltenen Ersatzschlusserbenbestimmung das Erbrecht der im Testament bedachten Schlusserben insoweit, als eine Erbteilserhöhung mittels Anwachsung gemäß § 2094 BGB durch die Ersatzschlusserbeneinsetzung ausgeschlossen werde. Diese Beeinträchtigung habe gemäß § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB analog die Unwirksamkeit der Ersatzschlusserbeneinsetzung im Testament vom 26. Februar 2017 zur Folge.

Die Entscheidung über den Einziehungsantrag werde zunächst zurückgestellt und abgewartet, ob im Rahmen der Beschwerdeentscheidung eine Anweisung seitens des Oberlandesgerichts zur Einziehung des Erbscheins erfolge.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar ist der Erbschein bereits erteilt. Gemäß § 352e Abs. 3 FamFG ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts daher nur noch insoweit zulässig, als die Einziehung des Erbscheins beantragt wird. Diesen Antrag hat der Beteiligte zu 2 mit Schriftsatz vom 17. Januar 2017 gestellt.

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht dem Beteiligten zu 1 einen Erbschein erteilt, wonach er die Erblasserin allein beerbt hat.

Der Beteiligte zu 1 ist auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes Alleinerbe nach der Erblasserin geworden.

a) Dadurch, dass Frau G... vor der Erblasserin verstarb, fiel sie als Schlusserbin weg, so dass gemäß § 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB ihr Erbteil dem verbleibenden anderen Schlusserben, also dem Beteiligten zu 1, anwuchs.

Zwar kann gemäß § 2094 Abs. 3 BGB die Anwachsung ausgeschlossen werden und geht das Recht eines Ersatzerben dem Anwachsungsrecht vor (§ 2099 BGB).

Im gemeinschaftlichen Testament findet sich eine solche Regelung nicht. Indem die Erblasserin in dem notariellen Testament den Beteiligten zu 2 als Ersatzerben für Frau G... bestimmte, konnte sie die Anwachsung nicht mehr ausschließen.

Denn nach dem Tod ihres Ehemannes war die Erblasserin gehindert, die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Schlusserbeneinsetzung zu widerrufen oder eine Verfügung zu treffen, durch die das Recht der Schlusserben beeinträchtigt würde (vgl. § 2271 Abs. 2 Satz 1, § 2289 Abs. 1 BGB). Die Einsetzung der Erblasserin als Erbin und die Einsetzung der Kinder des Ehemanns der Erblasserin als Schlusserben im gemeinschaftlichen Testament sind sogenannte wechselbezügliche Verfügungen im Sinne des § 2077 Abs. 1 BGB, also Verfügungen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde.

Das Testament enthält keine Anordnungen zur Wechselbezüglichkeit. Legt man die Angaben des Beteiligten zu 1 zu Grunde, dass sich der Nachlass im Wesentlichen aus dem Vermögen des vorverstorbenen Ehemannes zusammensetze, und berücksichtigt man, dass die im gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Schlusserben die leiblichen Kinder des Ehemannes waren, spricht viel dafür, dass die Erblasserin von ihrem vorverstorbenen Ehemann zunächst als Erbin eingesetzt wurde, weil sie ihrerseits mit der Einsetzung der Kinder des Ehemannes als Schlusserben einverstanden war. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich zumindest aus der Regelung des § 2270 Abs. 2 BGB, dass es sich bei der Erbeinsetzung der Erblasserin und der Einsetzung der Kinder des Ehemannes als Schlusserben um wechselbezügliche Verfügungen handelt.

b) Die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen umfasst auch die Wirkungen der Anwachsung (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Januar 2015 - 15 W 503/14, [...] Rn. 27 ff.; BeckOK-BGB/Litzenburger, Stand 1. November 2016, § 2270 Rn. 4 und § 2094 Rn. 6; jurisPK-BGB/Reymann, Stand 15. März 2017, § 2270 Rn. 57; Keller, ZEV 2002, 439 ff.).

Geht man wiederum von den Angaben des Beteiligten zu 1 aus, ergibt sich dies daraus, dass den Regelungen im Testament der Wille zu entnehmen ist, dass das Vermögen bei den leiblichen Abkömmlingen des Ehemannes der Erblasserin verbleibt. Dieses Ziel wäre aber gefährdet, wenn es dem überlebenden Ehegatten überlassen bliebe, Ersatzerben nach seiner freien Wahl zu bestimmen.

Aber auch bei Anwendung der Regel des § 2270 Abs. 2 BGB sind die Wirkungen der Anwachsung von der Wechselbezüglichkeit umfasst.

§ 2270 Abs. 3 BGB bestimmt, dass andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts nicht wechselbezüglich sein können. Die Anwachsung ist von der Erbeinsetzung nicht getrennt zu beurteilen, da sie eine gesetzliche Ausgestaltung der Erbeinsetzung darstellt. Die Vorschrift des § 2094 BGB findet sich mit anderen Vorschriften unter dem Titel "Erbeinsetzung" und führt dazu, dass sich bei Vorliegen der Voraussetzungen die Erbteile der verbleibenden Erben von selbst erhöhen.

Der Erblasser kann eine Erbeinsetzung nur in dem Rahmen vornehmen, den das Gesetz zulässt. Macht er nicht von der Möglichkeit Gebrauch, die Anwachsung auszuschließen oder einen Ersatzerben einzusetzen, ist die Erbeinsetzung in der Form vorgenommen, dass sich der Erbteil der eingesetzten Personen durch Gesetz erhöhen kann.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2002 (IV ZB 20/01, [...]).

In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob die aus § 2069 BGB folgende Berufung von Ersatzerben anstelle des vorverstorbenen Schlusserben aufgrund von § 2270 Abs. 2 BGB ebenso wechselbezüglich sei wie die ursprüngliche Schlusserbeinsetzung selbst (BGH, aaO Rn. 14). Fällt der in einem Ehegattentestament eingesetzte Schlusserbe weg, ist § 2270 Abs. 2 BGB nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf Ersatzerben nur anwendbar, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf deren Einsetzung gerichteten Willen der testierenden Eheleute feststellen lassen, die Ersatzerbeinsetzung also nicht allein auf § 2069 BGB beruht (BGH, aaO Leitsatz). Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass § 2270 Abs. 2 BGB die Annahme einer Wechselbezüglichkeit an die Einsetzung bestimmter Personen als Erben im gemeinschaftlichen Testament knüpft. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass zwischen der Einsetzung des überlebenden Ehegatten als Alleinerben unter Ausschluss der nächsten Verwandten oder sonst nahestehender Personen und der Einsetzung gerade dieser Verwandten oder nahestehenden Personen zu Schlusserben nach dem längstlebenden Ehegatten typischerweise ein Gegenseitigkeitsverhältnis derart besteht, dass die eine Verfügung nicht ohne die andere getroffen worden wäre, sie also miteinander stehen oder fallen sollen. Eine solche Interessenlage der Testierenden lässt sich indessen mangels konkreter Anhaltspunkte nur unterstellen, wenn sich ein Wille der Testierenden, bestimmte Verwandte oder nahestehende Personen oder auch die nach der gesetzlichen Erbfolge berufenen Abkömmlinge als Schlusserben einzusetzen, zumindest im Wege ergänzender Auslegung aus dem Testament entnehmen lässt (BGH, aaO Rn. 17). Die Regel des § 2270 Abs. 2 BGB muss also ihren Anknüpfungspunkt in einer Verfügung im gemeinschaftlichen Testament selbst haben und darf nicht lediglich in Verbindung mit einer anderen Auslegungsregel (wie der des § 2069 BGB) gebraucht werden.

Im Falle der Anwachsung knüpft die Regel des § 2270 Abs. 2 BGB weiterhin an die ursprünglich im gemeinschaftlichen Testament getroffene Schlusserbeneinsetzung an und somit an die Einsetzung bestimmter Verwandter als Schlusserben. Die Anwachsung stellt auch keine Auslegungsregel dar, sondern gestaltet unmittelbar den Erbteil des verbliebenen Schlusserben um.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Der Beschwerdewert wird auf die Hälfte des Nachlasswerts von 90.000 € und somit auf 45.000 € festgesetzt. Für den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers am Erfolg seines Rechtsmittels maßgeblich (§ 61 GNotKG). Dabei ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GNotKG grundsätzlich der Nachlasswert maßgeblich. Allerdings gilt § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GNotKG unmittelbar nur für das erstinstanzliche Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins. Richtet sich die Beschwerde gegen einen Feststellungsbeschluss (§ 352 FamFG) des Nachlassgerichts, kann sich die Beschwer nur daraus ergeben, dass der Beschwerdeführer eine Rechtsstellung als Erbe bzw. Miterbe für sich in Anspruch nimmt, die in dem nach dem Feststellungsbeschluss zu erteilenden Erbschein keine Berücksichtigung findet. Dann beschränkt sich die Beschwer auf den Erbteil, den der Beschwerdeführer im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge für sich in Anspruch genommen hat (OLG Hamm, Beschluss vom 05. August 2015 -15 W 341/14, [...], Rn. 7; ihm folgend - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung - auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Januar 2016 - 3 Wx 20/15, [...] Rn. 24). Das ist hier 1/2.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB §§ 2094 Abs. 1 S. 1, 2270 Abs. 2