23.05.2018 · IWW-Abrufnummer 201387
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 30.10.2017 – II-13 UF 256/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 12.10.2016verkündeten Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bocholt wird
zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 1.638,00 EUR.
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I.
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Der Antragsteller macht als Träger von Sozialhilfeleistungen aufgrund übergegangenen Rechts rückständige Ansprüche der Mutter des Antragsgegners auf Zahlung von Elternunterhalt geltend. Die Mutter des Antragsgegners war und ist in einem Seniorenheim untergebracht. Hierfür erhält sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) XII in einer die Klageforderungen durchgehend übersteigenden Höhe. Sie hat neben dem Antragsgegner noch drei weitere Kinder, welche unstreitig nicht leistungsfähig sind.
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In der Beschwerdeinstanz steht nur noch im Streit, ob die Mutter bedürftig war.
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Die Mutter hatte im Jahr 2008 eine Immobilie veräußert und aus dem Verkaufserlös ein Erbbaurecht an einer Eigentumswohnung erworben. Ein weiterer Sohn von ihr nahm sie gerichtlich auf Begleichung von Forderungen in Anspruch. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Münster vom 21.05.2010 wurde sie daraufhin verurteilt, an den Sohn 15.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Der Sohn ließ wegen dieser Forderung eine Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch der Mutter eintragen. Um die drohende Zwangsversteigerung des Erbbaurechts abzuwenden, veräußerte die Mutter das Erbbaurecht mit notariellem Vertrag vom 10.03.2011 an ihren Enkel, dem Zeugen X, und dessen Ehefrau für einen Kaufpreis von 70.000 €. Im Gegenzug verpflichteten sich der Zeuge und seine Ehefrau zur Einräumung eines Wohnungsrechts für seine Großmutter. Der Wert dieses Wohnungsrechts wurde mit einem Betrag von 24.840 € auf den Kaufpreis angerechnet. Bei der Berechnung des Wertes des Wohnungsrechtes gingen die Vertragsparteien unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung der Großmutter von einer neunjährigen Dauer und einem erzielbaren Mietzins von 230 € monatlich aus. Das Wohnungsrecht sollte erlöschen, falls die Großmutter durch andere Umstände als durch das Verhalten der Käufer ohne eigenes Verschulden genötigt sein sollte, die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume dauernd, d.h. länger als sechs Monate, zu verlassen. Für diesen Fall verzichtete die Mutter in dem Vertrag auf etwaige Ausgleichsansprüche wegen des Wegfalls der Pflicht zur Gewährung des Wohnungsrechtes. Sie bewilligte in dem Vertrag für diesen Fall zudem die Löschung des Wohnungsrechts im Grundbuch.
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Für den Fall, dass die Großmutter von ihrem Wohnungsrecht länger Gebrauch machen sollte, als dies der statistischen Lebenserwartung entsprechen würde, vereinbarten die Kaufvertragsparteien, dass die weitere Nutzung unentgeltlich sein sollte. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts des Vertrages wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung der Vertragsurkunde, Bl. 30 ff. d. A., Bezug genommen.
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Von dem Veräußerungserlös wurden die durch die Zwangssicherungshypothek gesicherten Forderungen des anderen Sohnes der Mutter des Antragsgegners getilgt.
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Die Mutter des Antragsgegners befindet sich seit Anfang des Jahres 2013 in einem Seniorenheim. Das Wohnungsrecht wurde daraufhin, entsprechend der Vertragsklausel, gelöscht.
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Der Antragsteller hat mit der Begründung, dass die Geschwister des Antragsgegners nicht leistungsfähig seien, der Antragsgegner daher das einzig - teilweise - leistungsfähige Kind sei, gegen den Antragsgegner Antrag auf Zahlung erhoben, wobei er zunächst auch laufende Zahlung begehrt hat, seinen Anspruch im Laufe des Verfahrens aber auf den Zeitraum April und Dezember 2013 sowie auf das gesamte Jahr 2014 beschränkt hat. Für den Monat April 2013 hat er zuletzt 60 €, für den Monat Dezember 2013 102 € sowie für das Jahr 2014 monatlich 123 €, insgesamt also 1.638 € begehrt.
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Der Antragsgegner hat die Abweisung des Antrags beantragt.
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Er hat geltend gemacht, dass seine Mutter nicht bedürftig sei, da sie vermögend sei. Sie könne das vormals vorhandene Barvermögen nicht ausgegeben haben. Sollte dem so gewesen sein, hätte sie ihre Bedürftigkeit schuldhaft selbst herbeigeführt. Ferner stünden ihr wegen der Übertragung des Erbbaurechts an ihren Enkel und dessen Ehefrau Rückforderungsansprüche wegen Verarmung zu. Bei der Übertragung handele sich um eine gemischte Schenkung.
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Das Amtsgericht hat den Enkel der Mutter des Antragsgegners, den Zeugen X, unter anderem zu den näheren Umständen des Zustandekommens der Übertragung des Erbbaurechts an ihn und seine Ehefrau vernommen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung von 1.638 € nebst Zinsen verpflichtet.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Antragsteller in dieser Höhe ein Anspruch aus übergegangenem Recht zustehe, da der Antragsgegner in dieser Höhe rückständigen Elternunterhalt schulde.
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Entgegen der Darstellung des Antragsgegners sei dessen Mutter bedürftig gewesen. Der Antragsteller habe durch Vorlage von Belegen hinreichend nachgewiesen, dass die Mutter zum Zeitpunkt der Sozialhilfegewährung über kein Vermögen mehr verfügt habe.
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Ihr stehe auch kein Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB gegen ihren Enkel und dessen Ehefrau im Zusammenhang mit der Veräußerung des Erbbaurechts zu. Bei der Übertragung handele es sich nicht um eine – gemischte - Schenkung. Das Argument des Antragsgegners, das in dem teilweisen Verzicht der Mutter auf Ausgleichszahlungen für den Fall, dass das Wohnungsrecht vorzeitig erlösche, eine Schenkung liege, verfange nicht. Der Antragsgegner übersehe hierbei nämlich, dass auch für den Fall, dass die Mutter länger leben würde als in dem Vertrag angenommen, Ausgleichsansprüche der Mutter in dem Vertrag ausgenommen seien. Für beide Vertragsparteien habe daher ein wirtschaftliches Risiko bestanden, welches von der tatsächlichen Lebensdauer der Mutter abhängig gewesen sei.
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Zudem fehle es an dem subjektiven Tatbestand zum Wissen und zur Einigung in Bezug auf eine teilweise unentgeltliche Zuwendung.
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Der Anspruch sei auch nicht nach § 1611 BGB ausgeschlossen. Es habe der Mutter des Antragsgegners bei nicht absehbarer Pflegebedürftigkeit freigestanden, über ihr Barvermögen grundsätzlich frei zu verfügen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass sie ihr Geld in Kenntnis bzw. konkrete Erwartung einer Pflegetätigkeit ausgegeben habe, um es nicht für die anfallenden Kosten einsetzen zu müssen. Ihr sei daher nicht eine schwere, eine sittliche Missbilligung verdienende Verfehlung vorzuwerfen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
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Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde, der hiermit, wie bereits in erster Instanz,
die Antragsabweisung im vollen Umfang begehrt.
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Er rügt, dass das Amtsgericht zu Unrecht die Bedürftigkeit seiner Mutter bejaht habe. Die Mutter verfüge über einzusetzendes Vermögen in Form eines Anspruchs auf Schenkungsherausgabe gemäß § 528 Abs. 1 BGB gegen ihren Enkel und dessen Ehefrau. Bei der Frage, ob es sich bei dem Vertrag um eine Schenkung handele, sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Mutter bereits in dem Vertrag eine Löschungsbewilligung erteilt habe, welche einen eigenständigen Wert darstelle. Die Erteilung der Löschungsbewilligung sei bereits eine Schenkung. Ohne die Löschungsbewilligung hätte die Mutter Mietzinsansprüche vereinnahmen können.
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Zumindest aber sei die in dem Vertrag vereinbarte Wegzugsklausel, wonach das Wohnungsrecht für den Fall des Verlassens der Räumlichkeiten durch seine Mutter unter in dem Vertrag näher definierten Umständen habe erlöschen sollen und seine Mutter für diesen Fall auf etwaige Ausgleichsansprüche verzichtet habe, sittenwidrig. Seiner Mutter stünden daher restliche Kaufpreisansprüche gegen die Käufer zu. Zudem hätte sie sich anstelle eines Wohnungsrechts ein Nießbrauchsrecht vorbehalten müssen, da dieses auch im Falle einer längerfristigen Abwesenheit bestehen bleibe.
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Der Antragsgegner beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antrag abzuweisen.
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Der Antragsteller beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen
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II.
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Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung von insgesamt 1.638 € nebst Zinsen verurteilt. Die Einwendungen des Antragsgegners gegen den angefochtenen Beschluss bleiben ohne Erfolg.
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Dem Antragsteller, der für die Mutter des Antragsgegners durchgehend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII in einer die Klageforderungen übersteigenden Höhe erbracht hat, stehen gegen dem Antragsgegner aus übergegangenem Recht (§ 94 SGB XII) die – zuletzt nur noch geltend gemachten – rückständigen Ansprüche auf Elternunterhalt nach § 1601 BGB für den Monat April 2013 in Höhe von 60 €, für den Monat Dezember 2013 in Höhe von 102 € und für das Jahr 2014 in Höhe von 123 € pro Monat zu.
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1.
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In der Beschwerdeinstanz ist unstreitig geworden, dass die Mutter des Antragsgegners über kein ausreichendes Vermögen mehr verfügte und somit sozialhilfebedürftig im Sinne von § 90 SGB XII war. Unstreitig ist ferner, dass die durch die Unterbringung in dem Seniorenheim angefallenen Kosten unter dem Lebensbedarf der Mutter des Antragsgegners nach § 1610 BGB fallen. Auch die – teilweise – Leistungsfähigkeit des Antragsgegners für den hier in Rede stehenden Zeitraum steht außer Streit.
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2.
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Entgegen der Darstellung des Antragsgegners war und ist seine Mutter bedürftig im Sinne von § 1602 Abs. 1 BGB.
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Ihr standen und stehen wegen der Übertragung des Erbbaurechts weder Ansprüche, etwa aus § 812 BGB, unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit des Vertrages noch Rückforderungsansprüche wegen Verarmung aus § 528 Abs. 1 BGB gegen ihren Enkel und dessen Ehefrau zu.
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Ansprüche, etwa aus § 812 BGB, unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit des Vertrages bestehen nicht, da die in dem Vertrag vereinbarte Wegzugsklausel nicht sittenwidrig ist (vgl. nachfolgend unter a)).
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Ein Rückzahlungsanspruch aus § 528 Abs. 1 BGB, der ebenfalls grundsätzlich zum einzusetzenden Vermögen des Unterhaltsbedürftigen gehört (BGH FamRZ 2001, 1137 ff.) scheitert daran, dass es sich bei der Übertragung des Erbbaurechts an den Enkel und dessen Ehefrau nicht um eine gemischte Schenkung handelt (vgl. nachfolgend unter b)).
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a)
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Die unter § 8 des notariellen Vertrages vereinbarte Wegzugsklausel, wonach das Wohnungsrecht (bereits dann) erlöschen sollte, wenn die Mutter des Antragsgegners die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten dauernd, d. h. länger als Monate verlässt, ist nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB. Damit ist der notarielle Vertrag weder teilweise noch insgesamt nichtig.
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Zwar können Rechtsgeschäfte auch unter dem Gesichtspunkt der Benachteiligung der Allgemeinheit gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen und daher sittenwidrig sein. Voraussetzung hierfür ist aber, dass das Rechtsgeschäft dazu dient, in missbilligender Weise private Lasten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Prägender Zweck des Rechtsgeschäftes muss daher sein, die sonst nicht oder nicht im gleichen Ausmaß gegebenen Voraussetzungen für Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zu schaffen (vgl. Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 138 BGB, Rn. 75).
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Hiervon kann vorliegend keine Rede sein. Die Begründung des Antragsgegners hierzu verfängt nicht und liegt teilweise neben der Sache.
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Zweck des Vertrages und der Wegzugsklausel war nicht, dass hiermit bei späterer Pflegebedürftigkeit der Mutter des Antragsgegners die Voraussetzungen für einen Sozialhilfebezug geschaffen werden sollten. Vielmehr trug die Wegzugsklausel nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen X dem Umstand Rechnung, dass er und seine Ehefrau das Erbbaurecht an der Wohnung von seiner Großmutter nur gekauft hatten, um dieser aus ihrer – unstreitigen - Notlage heraus zu helfen. Aufgrund der Eintragung einer Zwangshypothek durch einen anderen Sohn von ihr drohte ihr der baldige Verlust ihrer Wohnung. Der Sohn drohte mit der Zwangsversteigerung des Erbbaurechts. Der Zeuge X und seine Ehefrau haben sich daraufhin bereit erklärt, der Mutter des Antragsgegners die Wohnung abzukaufen. Hiermit hat er seiner Großmutter einen Gefallen erwiesen, da diese mit dem Veräußerungserlös die dinglich gesicherte Forderung ihres Sohnes begleichen und - aufgrund der Bestellung des Wohnungsrechts - in "ihrer" Wohnung weiter wohnen konnte.
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Aus Sicht des Zeugen und aus Sicht seiner Ehefrau bedurfte es angesichts dieser Ausgangslage für den Vertrag des Wohnungsrechts nicht mehr in dem Fall, dass seine Großmutter die Wohnung nicht mehr bewohnen konnte. Zwar mag es sein, dass die Vertragsparteien mit der späteren Pflegebedürftigkeit und Armut der Mutter des Antragsgegners rechnen konnten. Tragender Grund für die Wegzugsklausel war nach der Aussage des Zeugen gleichwohl, dass er und seine Ehefrau, die das Erbbaurecht nur erworben hatten, um der Großmutter die Wohnung zu erhalten, für den Fall der dauerhaften außerhäuslichen Unterbringung der Großmutter das Erbbaurecht wieder veräußern wollten. Das Erbbaurecht sollte nur für den Zeitraum, in welchem die Großmutter die Räumlichkeiten auch nutzen konnte, in ihren „Händen“ bleiben. Mit einem trotz auswärtiger Unterbringung der Großmutter weiterhin bestehenden Wohnungsrecht wäre das Erbbaurecht nur ungleich schwerer zu veräußern gewesen. Zudem diente diese Klausel nach den Bekundungen des Zeugen auch seiner eigenen finanziellen Absicherung, da er hiermit dafür Sorge tragen wollte, dass die eigene Immobilie des Zeugen und der Ehefrau "nicht auch noch dabei draufgeht".
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Aus den oben dargestellten Gründen ist auch der Einwand des Antragsgegners unerheblich, seine Mutter hätte sich anstelle eines Wohnungsrecht ein Nießbrauchsrecht vorbehalten sollen, damit sie auch im Falle eines dauerhaften Heimunterhalts durch Vermietung der Wohnung Mietzinsansprüche hätte generieren können. Bei vertraglicher Einräumung und grundbuchrechtlichen Eintragung eines Nießbrauchrechts hätte sich für den Zeugen X und seine Ehefrau keine andere Situation ergeben, als die Situation, die bestünde, falls hinsichtlich des Wohnungsrechts der Erlöschenstatbestand für den Fall des Verlassens der Räumlichkeiten für mehr als sechs Monate durch die Großmutter nicht vereinbart worden wäre. Auch in diesem Falle wäre nämlich eine Weiterveräußerung des Erbbaurechts für den Fall, dass die Großmutter dauerhaft auswärtig untergebracht werden würde und somit der eigentliche Grund den Kauf des Erbbaurechts - die Wohnung für die Großmutter zu erhalten- weggefallen wäre, ungleich schwerer gewesen. Auch wäre das persönliche finanzielle Risiko für den Zeugen und seine Ehefrau - zumindest nach ihren subjektiven Vorstellungen - zu hoch gewesen, da in diesem Fall der Verlust ihrer eigenen Immobilie gedroht hätte.
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Die Vertragsparteien, insbesondere der Zeuge X und seine Ehefrau, hatten nach alledem mehr als verständliche und zu billigende Gründe dafür, mit der Wegzugsklausel einen zusätzlichen Erlöschenstatbestand in Bezug auf das Wohnungsrecht zu schaffen. Von einer geplanten Abwälzung aufgrund absehbarer Pflegebedürftigkeit der Mutter des Antragsgegners kann keine Rede sein.
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b)
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Der Mutter des Antragsgegners stand und steht auch nicht ein Rückzahlungsanspruch aus § 528 Abs. 1 BGB zu. Bei der Übertragung des Erbbaurechts an den Enkel und dessen Ehefrau handelt es sich nicht um eine gemischte Schenkung.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der objektive Tatbestand einer gemischten Schenkung vorliegt, der Wert der Leistung des Zeugen X und seiner Ehefrau dem Wert der Gegenleistung der Mutter des Antragsgegners also nur zu einem Teil entsprochen hat. Es fehlt nämlich jedenfalls am subjektiven Tatbestand.
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Der subjektive Tatbestand einer gemischten Schenkung setzt voraus, dass die Vertragsparteien um die Wertdifferenz zwischen den beiden Leistungen wissen und übereinstimmend wollen, dass der überschießende Wert unentgeltlich gegeben wird, die Gegenleistung also nicht lediglich ein gewollt günstiger Preis sein sollte (vgl. BGH NJW 2012, 605 ff). Ist dies zwischen den Beteiligten streitig, ist für die Würdigung, ob eine gemischte Schenkung vorliegt, von besonderer Bedeutung, ob die Vertragsparteien sich überhaupt einer Wertdifferenz zwischen den beiden Leistungsseiten bewusst und sich insoweit darüber einig waren, jedenfalls den überschießenden Leistungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden. Maßgebliche Bedeutung kommt hierbei dem Verhältnis zwischen dem Wert der Zuwendung und dem Wert der Gegenleistung zu. Besteht hierbei eine auffallende, über ein geringes Maß deutlich hinausgehende Diskrepanz, dann begründet dies im Einklang mit der Lebenserfahrung die tatsächliche, widerlegbare Vermutung für einen Schenkungswillen der Vertragsparteien. Hierfür sind nicht nur die objektiven Werte der Leistungen, sondern vor allem auch die Wertspannen zu berücksichtigen, innerhalb derer die Vertragsparteien den Wert der Leistungen auch unter Berücksichtigung der Beziehung, in der sie zueinander stehen, in einer noch vertretbaren Weise hätten annehmen können (vgl. BGH aaO).
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Vorliegend wollten die Vertragsparteien nicht, dass der überschießende Leistungsteil der Mutter des Antragsgegners dem Enkel und seiner Ehefrau unentgeltlich zukommen sollte. Dies steht nach dem Ergebnis der vor dem Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme und den gesamten übrigen Umständen fest. Dem Antragsteller, der Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht und daher die Beweislast unter anderem auch für die Bedürftigkeit der Mutter des Antragsgegners trägt, ist der ihm obliegende Beweis gelungen.
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Der Antragsgegner hat die Feststellungen des Amtsgerichts zum (fehlenden) subjektiven Tatbestand ebenso wenig angegriffen wie die diesen Feststellungen zugrunde liegende Aussage des Zeugen X. Anhaltspunkte, die gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen oder gegen seine Glaubwürdigkeit sprechen könnten, sind nicht ersichtlich und auch vom Antragsgegner nicht aufgezeigt worden. Im Gegenteil: Er hat sich in seiner Beschwerdebegründung Teile der Aussage des Zeugen als für ihn vermeintlich günstig zu Eigen gemacht.
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Demnach steht fest, dass der überschießende Leistungsteil der Mutter des Antragsgegners dem Enkel und seiner Ehefrau aus subjektiver Sicht der Vertragsparteien nicht unentgeltlich zukommen sollte. Für sie stellte nach ihren subjektiven Vorstellungen die Wertdifferenz von 9.000 € ein zulässiger "Abschlag" innerhalb der Familie, aber auch eine „Gegenleistung“ im weiteren Sinne für das Entgegenkommen des Zeugen X dar.
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Die Vertragsparteien gingen nach der Aussage des Zeugen X von einem
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objektiven Verkehrswert des Erbbaurecht zum Zeitpunkt der Übertragung von 79.000 € aus. Zumindest aus ihrer subjektiven Sicht betrug der „Nachlass“ seitens der Großmutter daher nur 9.000 €. Der Zeuge und seine Ehefrau haben angesichts der oben bereits dargestellten Notlage der Mutter des Antragsgegners mit dem Erwerb des Erbbaurechts - es drohte der Verlust des Erbbaurechts und somit der "Wohnung" der Großmutter im Wege der Zwangsversteigerung - der Großmutter einen Gefallen erwiesen. Der Zeuge X konnte und durfte daher einen gewissen Abschlag vom Kaufpreis als "Gegenleistung" im Rahmen der zulässigen Preisgestaltung erwarten. Zudem wurde ihm nach seiner Aussage seitens des Notars mitgeteilt, dass ein gewisser „Abschlag“ innerhalb der Familie zulässig sei. Nach den Vorstellungen der Vertragsparteien wurde der überschießende Teil daher nicht unentgeltlich gegeben. Vielmehr bewegte sich der vereinbarte Kaufpreis nach den Vorstellungen der Parteien noch innerhalb des zulässigen Preisgestaltungsrahmens.
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Die - von den subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien umfasste - Wertdifferenz erhöhte sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht dadurch, dass seine Mutter bereits in dem Vertrag für den Fall des Erlöschens des Wohnrechts die Löschung im Grundbuch bewilligt hat. Zwar kann Gegenstand eines Schenkungsvertrages auch eine Löschungsbewilligung sein. Der Antragsgegner übersieht jedoch, dass dies nur bei einem Verzicht auf das Wohnungsrecht vorliegt. Die Mutter des Antragsgegners hat aber die Löschungsbewilligung nur für den Fall erteilt, dass das Wohnungsrecht - aufgrund der vertraglichen Regelungen - erlöschen würde. Dem Enkel und seiner Ehefrau als Käufer stand für diesen Fall ohnehin ein Anspruch auf Löschungsbewilligung zu. Ein – selbstständiger – Verzicht der Mutter liegt daher nicht in ihrer Löschungsbewilligung. Es liegt daher weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht eine selbständige bzw. eine weitere, werterhöhende Schenkung vor.
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Unerheblich ist es entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch, dass seine Mutter in dem Übertragungsvertrag auf Ausgleichsansprüche für den Fall des Erlöschens des Wohnungsrechtes verzichtet hatte. Auch hierin liegt weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht eine selbständige bzw. eine weitere, werterhöhende Schenkung.
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Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die entsprechende Vertragsklausel nicht einseitig dahin ausgelegt werden kann, dass diese sich nur zu Lasten der Mutter auswirken könne. Der Antragsgegner nimmt hingegen auch mit seiner Beschwerdebegründung nach wie eine einseitige Auslegung der Vertragsklausel vor, wobei er nur einen Teil dieser Klausel berücksichtigt. Diese Vertragsklausel konnte sich nämlich - zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - auch für den Enkel und seine Ehefrau als nachteilig erweisen. In § 8 des Vertrages ist nämlich auch vereinbart, dass nach Ablauf von neun Jahren die weitere Nutzung des Wohnungsrechts unentgeltlich sein soll. Hiermit haben der Enkel und seine Ehefrau auf alle Ansprüche für den Fall verzichtet, dass das Wohnungsrecht länger als neun Jahre bestehen bleiben würde. Zu Recht hat daher das Amtsgericht ausgeführt, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt nicht feststand, wer wirtschaftlich von der Taxierung des Wertes des Wohnungsrechts mit einer Dauer von neun Jahren profitieren würde, welche Grundlage für die Anrechnung auf den Kaufpreis war. Hätte die Mutter länger als neun Jahre in den dem Wohnungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten gelebt, hätten nicht der Enkel und seine Ehefrau, sondern ausschließlich die Mutter hiervon wirtschaftlich profitiert, da das Wohnungsrecht bei der Kaufpreisgestaltung wertmäßig mit einer Laufzeit von nur neun Jahren veranschlagt wurde.
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Unerheblich ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch, dass das Wohnungsrecht nach § 8 des Vertrages (bereits dann) erlöschen sollte, falls die Mutter des Antragsgegners die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten ohne eigenes Verschulden und auch nicht aufgrund des Verhaltens der Käufer dauernd, d. h. länger als sechs Monate, verlässt. Die Vereinbarung dieser "Wegzugsklausel" spricht ebenfalls dagegen, dass die Vertragsparteien den überschießenden Teil der Leistung der Großmutter als unentgeltlich angesehen haben.
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Zwar ist richtig, dass mit dieser vertraglichen Regelung zu Gunsten der Käufer ein weiterer - zulässiger - Erlöschenstatbestand für das Wohnungsrecht geschaffen wurde, welcher über die gesetzlichen Regelungen hinausging. Ein Wohnungsrecht erlischt nämlich – neben anderen Tatbeständen - erst dann, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauernd unmöglich wird, was bei einer - auch bei dauerhaften - Aufnahme des Berechtigten in ein Pflegeheim nicht der Fall ist (vgl. BGH FamRZ 2007, 632 ff.).
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Diese vertragliche Klausel trug indes nach Bekundungen des Zeugen X dem Umstand Rechnung, dass er und seine Ehefrau das Erbbaurecht an der Wohnung von seiner Großmutter nur deshalb erworben hatten, um dieser aus ihrer Notlage heraus zu helfen. Aus Sicht des Zeugen seiner Ehefrau bedurfte es des Wohnungsrechts nicht mehr, falls seine Großmutter die Wohnung nicht mehr bewohnen könne. Grund für die Vertragsklausel war daher, dass die Wohnung für den Fall, dass die Großmutter dauerhaft auswärtig untergebracht werden musste, weiterveräußert werden konnte. Mit einem weiterhin - trotz auswärtiger Unterbringung der Großmutter – bestehenden Wohnungsrecht wäre das Erbbaurecht nur ungleich schwerer zu veräußern gewesen. Zudem diente diese Klausel nach den Bekundungen des Zeugen auch seiner eigenen finanziellen Absicherung, da er hiermit dafür Sorge tragen wollte, dass die eigene Immobilie des Zeugen und der Ehefrau "nicht auch noch dabei draufgeht".
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Aus diesem Grunde ist auch der Einwand des Antragsgegners irrelevant, seine Mutter hätte sich anstelle eines Wohnungsrecht ein Nießbrauchsrecht vorbehalten sollen, damit sie auch im Falle eines dauerhaften Heimunterhalts Inhaberin dieser Dienstbarkeit geblieben wäre und durch Vermietung der Wohnung Mietzinsansprüche hätte generieren können. Unabhängig
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davon, dass den Vertragsparteien die Vertragsgestaltung aufgrund der Vertragsfreiheit im Rahmen der durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen unbenommen bleibt, hätte sich bei vertraglicher Einräumung und Eintragung eines Nießbrauchrechts zugunsten der Mutter des Antragsgegners im Grundbuch für den Zeugen X und seine Ehefrau keine andere Situation ergeben, als die Situation, die bestünde, wenn die Vertragsparteien den vertraglich vereinbarten Erlöschenstatbestand für den Fall des Verlassens der Räumlichkeiten für mehr sechs Monate durch die Großmutter des Zeugen nicht vereinbart hätten. Auch in diesem Falle wäre nämlich eine Weiterveräußerung des Erbbaurechts für den Fall, dass die Großmutter des Zeugen dauerhaft auswärtig untergebracht werden würde und somit der eigentliche Grund den Kauf des Erbbaurechts - die Wohnung für die Großmutter des Zeugen zu erhalten - weggefallen wäre, ungleich schwerer gewesen. Auch wäre das persönliche finanzielle Risiko für den Zeugen und seine Ehefrau - zumindest nach ihren subjektiven Vorstellungen - zu hoch gewesen, da in diesem Fall der Verlust ihrer eigenen Immobilie gedroht hätte.
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Nach alledem liegt der subjektive Tatbestand einer gemischten Schenkung nicht vor.
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Die Beschwerde ist nach alledem auf Kosten des Antragsgegners zurückzuweisen.
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 70 Abs. 2 FamFG). Die Ausführungen des Antragsgegners hierzu sind unzutreffend und liegen neben der Sache. Die von ihm angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs haben mit dem hier zu entscheidenden Sachverhalt nichts gemeinsam. Der Antragsgegner verkennt die besonderen Umstände des vorliegenden Sachverhaltes, die zu der Übertragung des Erbbaurechts an den Zeugen X und dessen Ehefrau geführt haben.