16.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205512
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 28.05.2018 – 7 K 123/18 Kg
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf
7 K 123/18 Kg
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 20.10.2017 und der Einspruchsentscheidung vom 19.12.2017 verpflichtet, Kindergeld für die Monate August 2013 bis Juni 2016 festzusetzen.
Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen
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T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin begehrt Kindergeld für die Tochter A, geb. ()1992, ab August 2013.
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A machte zunächst eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten, die sie im Juli 2013 abschloss, Die Klägerin teilte der Beklagten mit, das Ausbildungsverhältnis sei beendet. A arbeitet seit Juli 2013 als vollbeschäftigte Verwaltungsangestellte. Vom 30.11.2013 bis zum 07.07.2016 besuchte sie daneben den Verwaltungslehrgang II beim Studieninstitut (). Das Abschlusszeugnis wurde unter dem 29.06.2016 erstellt.
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Die Klägerin beantragte im Oktober 2017 die Zahlung von Kindergeld ab August 2013, die Beklagte lehnte die Kindergeldgewährung am 20.10.2017 ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies sie am 19.12.2017 zurück.
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Hiergegen richtet sich die am 15.01.2018 erhobene Klage.
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Die Klägerin trägt vor,
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sie habe im Juli 2013 gar nicht mitteilen können, dass die Tochter ein weiteres Berufsziel anstrebte. Die Zulassung zur Fortführung der Ausbildung habe vom Dienstherrn schriftlich beantragt und vom Studienleiter beschieden werden müssen, die Zulassung habe der Dienstherr erst beantragen müssen. Der Lehrgang habe erst im November 2013 begonnen.
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Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.10.2017 und der Einspruchsentscheidung vom 19.12.2017 zu verpflichten, Kindergeld für die Monate August 2013 bis Juli 2016 festzusetzen.
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Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Sie trägt vor, die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld seien ab August 2013 nicht mehr erfüllt. Der Verwaltungslehrgang II stelle keine Erstausbildung dar.
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Die Klägerin habe mehrfach, zuletzt im Juli 2013 erklärt, A werde ihre Ausbildung im Sommer 2013 beenden. Erstmals im Oktober 2017 habe sie erklärt, A strebe ein weiteres Berufsziel an. Erklärungen könnten erst für den Zeitraum ab ihrem Eingang Wirkung entfalten.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A, hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist nur zum Teil begründet.
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Nicht begründet ist sie, soweit die Klägerin Kindergeld für den Monat Juli 2017 begehrt. A war im Monat Juli 2017 nicht mehr in Berufsausbildung und erfüllte daher die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG nicht. Eine Ausbildung endet in dem Zeitpunkt, in dem das Prüfungsergebnis bekannt geben wird, BFH-Urteil vom 24.05.2000 VI R 143/99, BStBl II 2000, 473. Das war im Juni 2017, das Zeugnis datiert vom 29.06.2017. Von einer Beendigung der Ausbildung in diesem Monat ging auch die Klägerin in ihrem abschlägig beschiedenen Kindergeldantrag aus, sie hat Kindergeld nur bis einschließlich Juni 2017 beantragt. Auch aus letzterem Grund kann Kindergeld nicht darüber hinaus für den Monat Juli 2017 gewährt werden.
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Die Klage ist im Übrigen begründet. Der Klägerin steht für den weiteren streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Kindergeld für die Tochter A zu.
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Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
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Die Tochter der Klägerin befand sich bis zum Abschluss des Angestelltenlehrgangs II in der Erstausbildung zur Verwaltungsfachwirtin. Mit der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten lag noch keine abgeschlossene Erstausbildung vor.
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Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (BFH-Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152; vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378; vom 3. September 2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15 BFHE 253,145, BStBl II 2016, 615). Da es im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, muss der Tatbestand "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss (z.B. in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang) erfüllt sein (BFH vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152). Ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, richtet sich danach, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (vgl. BFH vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152).
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Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind nach der Rechtsprechung des BFH dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) und im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH-Urteil III R 52/13 aaO.).
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Der erforderliche fachliche Zusammenhang ergibt sich hier daraus, dass sich die Ausbildungsgänge inhaltlich und schwerpunktmäßig auf denselben Fachbereich (Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung) beziehen und nach den Ausbildungsplänen aufeinander aufbauen. Für den zeitlichen Zusammenhang reicht es aus, dass die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und zur Verwaltungsfachwirtin im direkten Anschluss erfolgt sind.
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Angestrebtes Berufsziel der Tochter der Klägerin war eine Tätigkeit im gehobenen Dienst der Kommunalverwaltung. Nach ihrer schlüssigen und glaubhaften Zeugenaussage hatte sie sich hierfür bereits nach dem Abitur beworben, aber keine Zusage erhalten, so dass sie den Einstieg über die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten genommen hat, um unmittelbar danach den Angestelltenlehrgang II zu besuchen.
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Nichts anderes folgt daraus, dass die Klägerin in ihrer Erklärung gegenüber der Beklagten zunächst selbst davon ausging, nach Beendigung des ersten Studienabschnittes und mit Aufnahme der Berufstätigkeit durch die Tochter stehe ihr kein Kindergeld mehr zu. Entgegen der Verwaltungsauffassung in DA-KG 2017 V 6.1 Abs. 1 S. 8, nach der Erklärungen, die eine Absicht glaubhaft machen sollen, nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung bei der Familienkasse gelten, genügt es, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind, Urteil des FG Düsseldorf vom 11.01.2018 9 K 994/17 Kg, juris. Zwar kann der Zeitpunkt, am dem der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet worden ist, ein Indiz gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrages sein, ebenso, dass ein Sachverhalt nicht oder falsch dargestellt wurde, weil die Rechtslage unzutreffend beurteilt worden war. Dies führt aber nicht dazu, dass der Anspruch auf die Leistung entfällt. Entscheidend ist nicht, was erklärt wurde, sondern die tatsächliche Lage, denn es handelt sich hier nicht um eine rechtsgestaltende Erklärung, sondern um eine im Wege der Glaubhaftmachung zu würdigende Tatsachenbekundung.
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Danach steht es hier dem Anspruch nicht entgegen, dass die Klägerin zunächst selbst erklärt hat, die Ausbildung der Tochter sei beendet und den Antrag auf Kindergeld erst wesentlich später gestellt hat. Dies beruht offensichtlich auf einer fehlerhaften Beurteilung der Rechtslage, ändert aber nichts daran, dass die Tochter, wie sie glaubhaft versichert hat, von vorne herein eine Tätigkeit im gehobenen Dienst angestrebt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 3 FGO.
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Die Revision war zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.