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16.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213600

Landessozialgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 24.10.2019 – L 6 U 1582/19

Die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch unterliegt der Beurteilung des Berufungsgerichts, da sie zwar gemäß § 172 Abs. 2 SGG nicht anfechtbar, aber nicht unanfechtbar im Sinne von § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 512 ZPO ist.


Landessozialgericht Baden-Württemberg

Urteil vom 24.10.2019


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. April 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind von der Beklagten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 und wegen sämtlicher Unfallfolgen die Gewährung einer Verletztenrente.

Er wurde 1964 in der Republik Türkei geboren. In seinem Heimatland wurde er zum Schlosser ausgebildet. 1987 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Ab Januar 2011 arbeitete er als Montagehelfer bei der V. GmbH & Co. KG in T.. Am 17. Oktober 2012 war er gegen 11 Uhr dabei, ein Schraubenpaket aus einem Regal in einer Höhe von etwa 2 m zu nehmen. Hierbei fiel ihm dieses als Rechtshänder auf die linke Schulter. Nach diesem Ereignis war er bis August 2013 arbeitsunfähig. Von September 2013 bis Februar 2017 nahm er seine berufliche Tätigkeit wieder auf. Seit März 2017 bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, welche bis Februar 2020 befristet wurde.

Dr. Mo., Facharzt für Allgemeinmedizin, erstattete der Beklagten die Unfallmeldung vom 19. Oktober 2012. Der Kläger habe ein Paket mit Schrauben aus einem Hochregal herunterholen wollen. Dieses sei abgerutscht und ihm auf die linke Schulter sowie den linken Arm gefallen. Das Gewicht des Paketes habe etwa 25 bis 30 kg betragen. Er habe ihn an die Durchgangsärztin Dr. Sh., Fachärztin für Chirurgie, verwiesen. Diese suchte der Kläger am 22. Oktober 2012 auf, woraufhin sie Distorsionen der linken Schulter sowie der Hals- und Brustwirbelsäule diagnostizierte. Bei der röntgenologischen Untersuchung habe sich keine frische knöcherne Verletzung gefunden. Bei dem Zustand nach einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule handele es sich um eine Vorerkrankung.

Dr. En., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, berichtete nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 25. Oktober 2012, der Schraubenkasten sei ihm auf die linke Schulter gefallen. Er habe Schmerzen gehabt, allerdings noch weitergearbeitet. In den nächsten Tagen habe er dann zunehmend Probleme im Bereich des Schulterblattes entwickelt und einen ausstrahlenden Schmerz in den linken Arm verspürt, insbesondere im Bereich der Ulnarregion bis in den vierten und fünften Finger. Nachdem es am 17. Oktober 2012 zu einer Schulterprellung oder -zerrung gekommen sei, hätten sich in den folgenden Tagen Brachialgien auf der linken Seite entwickelt, wobei sich elektrophysiologisch keine Pathologica gefunden habe.

Dr. Ma., Oberarzt, Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie des Krankenhauses W., diagnostizierte nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 26. Oktober 2012 eine traumatische Ruptur der Supraspinatussehne vom Typ Snyder C2, Patte I, Thomazeau I links. Er habe angegeben, seit dem Unfall unter massiven Schmerzen im Bereich der linken Schulter zu leiden. Anamnestisch sei er vor dem erlittenen Trauma im Bereich des linken Schultergelenks vollständig beschwerdefrei gewesen. Bei der radiologischen Untersuchung habe sich keine Arthrose des Glenohumeral- oder Akromioklavikulargelenkes gezeigt. In Anbetracht der erhobenen Befunde bestehe die dringliche Indikation zur Durchführung einer Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. Ob möglicherweise eine degenerative Komponente bestehe, könne ohne diagnostische Arthroskopie und entsprechende histologische Beurteilung nicht bestimmt werden.

Die Arbeitgeberin des Klägers zeigte der Beklagten den Unfall im November 2012 an. Ein Schraubenpaket sei beim Herausheben auf seine linke Schulter gefallen. Er habe versucht, den herabfallenden Gegenstand aufzufangen. Dabei sei es zu einem stechenden Schmerz in der linken Schulter gekommen. Der Kläger habe die Arbeit nicht wiederaufgenommen. Einen Augenzeugen habe es nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 15. November 2012, welcher mit "Abbruch Heilbehandlung" überschrieben war, teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Kosten für die medizinische Behandlung nicht mehr zu übernehmen, weil kein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der teilweisen Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne bestehe. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Priv.-Doz. Dr. Bo., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, diagnostizierte nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 15. November 2012 eine Rotatorenintervallläsion mit Bizepsinstabilität (ICD-10 M75.1) und eine Partialruptur der Supraspinatussehne, jeweils links. Dem Kläger sei am Unfalltag ein etwa 30 bis 40 kg schweres Paket, welches sich in einer Höhe von 2 m in einem Regal befunden und nach dem er gegriffen habe, auf die linke Schulter "geschlagen". Beim Versuch, dieses aufzufangen, habe es einen Riss in der linken Schulter gegeben. Seitdem habe er starke Schmerzen. Bei der röntgenologischen Untersuchung der linken Schulter hätten sich keine degenerativen Veränderungen gezeigt. Kalk oder eine Arthrose seien nicht gesehen worden.

Am 20. November 2012 erfolgte durch Priv.-Doz. Dr. Bo. eine offene Rekonstruktion des Rotatorenintervalls und eine Tenodese der langen Bizepssehne in der linken Schulter. Weiter nahm er insoweit eine arthroskopische Tenotomie und eine partielle glenohumerale Synovektomie vor. Hierüber berichtete er, anterior superior entlang des Glenoids und im Bereich des Rotatorenintervalls habe eine massive Synovitialitis bestanden. Der Humeruskopf und das Glenoid seien ohne Knorpelschäden gewesen. Das Labrum sei kranial stark aufgefasert, hingegen inferior, dorsal und ventral intakt gewesen. Anterior und superior sei es abgelöst gewesen. Der Bizepspulley sei eingerissen und Habermeyer IV zuzuordnen gewesen. Die Tasthakenuntersuchung habe eine instabile SLAP-IV-Läsion mit einem instabilen Bizepsanker und einem stark eingerissenen, instabilen Labrum gezeigt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2013 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 19. Juni 2013 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG), welche mit dem Aktenzeichen S 3 U 1992/13 geführt wurde.

Das SG beauftrage Prof. Dr. Lo., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, mit der Erstattung eines Gutachtens. Nach der ambulanten klinischen und sonographischen Untersuchung des Klägers am 18. Dezember 2013 führte er aus, im Bereich der linken Schulter lägen ein Funktionsdefizit mit einer aktiven und passiven Bewegungseinschränkung sowie einer Kraftminderung mit Narbenbildung nach einer Tenodese der langen Bizepssehne bei einer SLAP-IV-Läsion vor. Daneben habe er ein Impingementsyndrom festgestellt. Es sei wahrscheinlich, dass sich der Kläger bei dem Unfall im Oktober 2012 eine Verletzung des Bizepssehnenkomplexes im Sinne einer SLAP-IV-Läsion zugezogen habe. Das plötzliche Auffangen eines fallenden Gegenstandes mit gebeugtem Ellenbogen könne über eine Teilverrenkung des Oberarmkopfes aus dem Gelenk im Sinne einer inferioren Luxation zu einer Überdehnung des oberen Labrumkomplexes und zum Ausriss desselben beitragen. Hierbei komme es neben der passiven Überdehnung zu einer maximalen exzentrischen Anspannung des Bizepsmuskels. Dieser Mechanismus sei experimentell von Bey et al. 1998 nachgewiesen worden. Vorliegend sei es zu einer überfallartigen Gewalteinwirkung auf die linke Schulter gekommen, als der Kläger versucht habe, ein schweres Paket mit dem linken Arm abzufangen. Dieser Unfallmechanismus könne zu einer Überdehnung des oberen Labrumkomplexes und zum Ausriss desselben beitragen. Es läge kein Hinweis darauf vor, dass der Unfall auf einen bereits regelwidrigen Zustand der linken Schulter getroffen sei. Der Kläger habe angeführt, zuvor beschwerdefrei gewesen zu sein. Das Vorerkrankungsverzeichnis sei diesbezüglich leer. Eine exzessive Überkopfbelastung durch eine private Sportausübung sei vom Kläger ebenfalls verneint worden. Die geklagten Beschwerden seien in ihrer deutlichen Ausprägung durch die erhobenen Befunde jedoch nicht allein zu erklären. Nach der Tenodese, also der Durchtrennung der langen Bizepssehne an ihrem Ursprung, dem Versetzen aus dem glenohumeralen Gelenk hinaus und dem Wiederbefestigen außerhalb davon, sollten die Beschwerden nach etwa sechs Monaten postoperativ deutlich rückläufig sein. Die noch vorhandenen Beschwerden mit einer ausgeprägten schmerzhaften Einschränkung der Beweglichkeit ließen sich nicht allein durch die mittels Tenodese der langen Bizepssehne versorgten SLAP-IV-Läsion erklären. Ferner habe sich der Kläger der Untersuchung durch muskuläres Gegenspannen widersetzt, sodass eine geregelte funktionelle Erhebung nicht möglich gewesen sei.

Dr. He., Ärztin für Chirurgie und Unfallchirurgie, wies in ihrer von der Beklagten eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme von April 2014 darauf hin, nach der gängigen Literatur seien SLAP-Läsionen vom Typ IV meistens unfallbedingt. Charakteristisch seien Einrisse des Bizepsankers am oberen Schulterpfannenpol, deren Rissverläufe in die lange Bizepssehne hineinreichten. Bei einem aktiven Gegenspannen könne davon ausgegangen werden, dass kein wesentliches Kraftdefizit im Bereich der linken Schulter vorliege und die Funktion wesentlich besser sei als dargestellt. Bei einer fehlenden muskulären Atrophie seien zudem keine wesentlichen Funktionseinschränkungen objektiviert.

In der vom SG anberaumten mündlichen Verhandlung im Oktober 2014 schlossen die Beteiligten einen das Verfahren beendenden Vergleich, wonach die Beklagte als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 eine SLAP-IV-Läsion der linken Schulter mit einer nachfolgenden Tenodese der langen Bizepssehne anerkannte. Die Kosten der weiteren Heilbehandlung wurden über den 26. Oktober 2012 hinaus bis 17. Dezember 2013 übernommen.

Die Beklagte, die sich zudem bereit erklärte, über die Gewährung von Verletztengeld und -rente mittels eines Bescheides zu entscheiden, holte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. Ku., Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, von Januar 2015 ein. Es gebe keinen objektiven Hinweis auf eine wesentliche Gebrauchseinschränkung des linken Armes. Die Armmuskulatur am Ober- und Unterarm sei links an der nicht dominanten Hand um 0,5 cm vermindert, was der Norm entspreche. Eine Kraftminderung bei der Ellenbeugung habe nicht festgestellt werden können. Die kraftvolle Beugung im Ellenbogen sei bei der gutachterlichen Untersuchung gut möglich gewesen. Eine Atrophie der Schultermuskulatur links sei nicht festgestellt worden. Gleichwohl sei eine weitere Begutachtung des Klägers sinnvoll.

Die Beklagte beauftragte Prof. Dr. Ei., Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des C.-Krankenhauses B., mit der Erstattung einer Expertise. Nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 23. April 2015 führte er aus, bei der Untersuchung der linken Schulter sei er ausdrücklich darauf hingewiesen worden, mitwirken zu müssen und dementsprechend insbesondere die passiven Untersuchungen nicht zu beeinflussen. Er habe bestätigt, dies verstanden zu haben, dies während der gesamten Untersuchung der linken Schulter jedoch nicht eingehalten. Beim Beginn der passiven Bewegungsprüfung des Armes habe er bereits ab einer Abduktion und Flexion von 20° nicht lockerlassen können und gegen die Bewegung angespannt. Aktiv habe er mit einem schmerzverzerrten Gesicht und deutlicher Anstrengung den Arm seitwärts bis 80°, rückwärts bis 50° und vorwärts bis 90° angehoben. Die Innen- und Außenrotation bei angelegtem Arm hätten bei 50° und 70° gelegen. Bei der aktiv assistiven Unterstützung der demonstrierten Bewegungsumfänge ließen sich diese nicht unterstützend verbessern, sondern es sei eher eine Gegenspannung erzeugt worden. Bei der Messung der Muskelumfänge hätten sich keine wesentlichen Umfangsdifferenzen gezeigt. Im Rahmen der Anamnese habe der Kläger angeführt, Schmerzmittel nur bei Bedarf einzunehmen. Die Entkleidung sei ausweichend mit hauptsächlicher Bewegung durch den rechten Arm geschehen. Der linke sei weitestgehend geschont worden. Der erhobene klinische, anamnestische und radiologische, insbesondere kernspintomographische Befund habe sich mit den Beschwerden des Klägers nicht vollständig in Einklang bringen lassen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom Tag der Arbeitsfähigkeit bis 22. April 2015 und auch darüber hinaus schätze er auf 10 vom Hundert (v. H.), wobei der Zustand nach einer zweimaligen Bandscheibenoperation im Bereich der Lendenwirbelsäule eine vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderung sei.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2015 erkannte die Beklagte als Folge des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 eine Prellung der linken Schulter mit einer SLAP-IV-Läsion und einer nachfolgenden Tenodese der langen Bizepssehne an. Keine Folgen dieses Versicherungsfalls seien degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette mit einem Impingement-syndrom. Ein Anspruch auf Leistungen, insbesondere Heilbehandlung, Rehabilitation und sonstige Geldleistungen über den 17. Dezember 2013 hinaus, bestehe nicht. Zudem stellte die Beklagte fest, dass wegen der Folgen des Arbeitsunfalls kein Anspruch auf eine Rente begründet sei. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Nachdem er eine Verwaltungsentscheidung zu seinem geltend gemachten Anspruch auf Verletztengeld begehrt und deswegen im Verfahren S 3 U 4459/14 beim SG Untätigkeitsklage erhoben hatte, bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 23. November 2015 diese Leistung vom 22. Oktober bis 31. Dezember 2012 in Höhe von 67,65 € brutto und 60,09 € netto sowie vom 1. Januar bis 15. September 2013 in Höhe von 67,75 € brutto und 60,33 € netto, jeweils kalendertäglich. Ab dem 16. September 2013 bestehe kein Anspruch auf Verletztengeld mehr.

Im Dezember 2015 nahm der Kläger den Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2015 zurück.

Am 1. Dezember 2018 stellte der Kläger einen "Verschlimmerungsantrag". Zudem sei eine somatoforme Schmerzstörung als weitere Unfallfolge festzustellen.

Der Kläger legte hierzu den Bericht von Priv.-Doz. Dr. Bo. über die Behandlung von April 2016 bis Oktober 2017 vor. Bei den Anamnesen habe er anfangs über weiterhin bestehende Schmerzen in der linken Schulter mit einer Ausstrahlung in den Brustbereich sowie in das Schulterblatt geklagt. Bei der Kernspinresonanz der linken Schulter im November 2016 habe sich ein beginnendes Impingement zum linken Schultergelenk, partiell II. Grades, ergeben. Im August 2017 habe der Kläger berichtet, seine Arbeitsstelle verloren zu haben. Eine stationäre Schmerztherapie habe ihm nicht geholfen. Ende Oktober 2017 habe er über zunehmende Beschwerden der linken Schulter geklagt. Bei der klinischen Untersuchung im April 2016 sei die Beweglichkeit der linken Schulter bei der Flexion mit 140°, bei der glenohumeralen Abduktion mit 70° und bei der Außenrotation 20° demonstriert worden. Die Innenrotation sei bis gluteal erfolgt. Im Juli 2016 seien die Abduktion und Adduktion mit 100/0/0°, die Anteversion und Retroversion mit 160/0/30° sowie die Innen- und Außenrotation mit 70/0/70° bestimmt worden. Neurologische Ausfälle an den oberen Extremitäten hätten sich nicht gezeigt. Im Oktober 2016 sei das Vorwärtsheben bis 130°, das Seitwärtsheben bis 70° und die Außenrotation bis 70° gezeigt worden. Im Dezember 2016 habe sich eine Einschränkung der Abduktion der linken Schulter bei 40° ergeben. Die Anteversion und Retroversion seien frei gewesen. Im August 2017 habe der Kläger die Schulter praktisch nicht bewegen können. Er habe sehr starke Schmerzen geäußert. Im Oktober 2017 habe die Beweglichkeit für die Flexion 90°, die glenohumerale Abduktion 50° und die Außenrotation 0° betragen. Die Innenrotation habe seitlich bis zum Oberschenkel vorgenommen werden können. Im Oktober 2016 habe er erstmals eine Teilsteife der linken Schulter diagnostiziert, im August 2017 ein myofasziales Schmerzsyndrom. In der Tklinik W. sei ab Mitte Januar 2017 eine stationäre Behandlung erfolgt. Dort seien unter anderem ein chronisches Schmerzsyndrom (ICD-10 R52.2), eine chronisch depressive Verstimmung mit Mehrfachmedikation (ICD-10 F32.9) sowie eine "anhaltend somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.0)" diagnostiziert worden. Im Oktober 2017 sei eine Operation der linken Schulter keine Option gewesen, weil das Problem multifaktoriell sei.

Mit Bescheid vom 9. April 2018 stellte die Beklagte fest, dass wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 weiterhin kein Recht auf Rente besteht. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch, in dem er darüber hinaus eine mittlerweile manifestierte somatoforme Schmerzstörung geltend machte. Mit Bescheid vom 17. Juli 2018 lehnte es die Beklagte ab, eine somatoforme Schmerzstörung als Unfallfolge anzuerkennen. Sie führte an, dieser Verwaltungsakt werde gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2018 wies sie den Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. April 2018 in der Fassung desjenigen vom 17. Juli 2018 zurück. Die Unfallfolgen rechtfertigten keine rentenberechtigende MdE. Der ursächliche Zusammenhang hinsichtlich einer somatoformen Schmerzstörung könne vor dem Hintergrund der umfangreichen Befundlage nicht als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden.

Hiergegen hat der Kläger am 26. September 2018 Klage beim SG erhoben, welches im Januar 2019 Dr. Th., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt hat. Nach seiner ambulanten klinischen Untersuchung am 11. Februar 2019 von 10:30 bis 12:00 Uhr hat Dr. Th. eine folgenlos ausgeheilte Prellung des linken Schultergelenkes im Rahmen des Unfallereignisses vom 17. Oktober 2012 und eine SLAP-IV-Läsion dieses Körperteiles mit einer im November 2012 stattgehabten operativen Therapie, nach der eine Funktionseinschränkung verblieben sei, festgestellt. Unfallbedingt sei lediglich die Prellung. Die SLAP-Läsion am linken Schultergelenk lasse sich nicht mit der notwendigen Sicherheit auf das Unfallereignis zurückführen. Eine unfallbedingte MdE habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Bei der Erstbehandlung durch Dr. Sh. am 22. Oktober 2012 sei eine knöcherne Verletzung ausgeschlossen worden. Am 20. November 2012 seien eine offene Rekonstruktion des Rotatorenintervalls, eine offene lange Bizepstenodese sowie arthroskopisch eine Tenotomie der langen Bizepssehne und eine Synovektomie erfolgt. Befragt nach den Beschwerden habe der Kläger angeführt, im Bereich des linken Schultergelenks einen dauerhaften drückenden und stechenden Schmerz zu verspüren. Die klinische Untersuchung habe im Bereich des linken Schultergelenkes einen leichten Druckschmerz über dem ventralen Schultergelenkspalt sowie eine mittelgradige Funktionseinschränkung bei der Armseitwärts- und -vorwärtsbewegung erbracht. Die Beschwielung der Hände sei seitengleich mittelkräftig ausgeprägt gewesen. Die Komplexgriffe wie der Spitz- und Schlüsselgriff sowie der Faustschluss seien beidseits problemlos möglich gewesen. Die grobe Kraft sei seitengleich vorhanden gewesen. Die vergleichenden Umfangmessungen hätten kein muskuläres Defizit im Bereich der oberen Extremitäten ergeben. Die Armlänge sei ausgeglichen gewesen. Die neurologische Untersuchung habe seitengleich mittellebhaft auslösbare Muskeleigenreflexe an den oberen Extremitäten ergeben. Die radiologische Untersuchung habe an beiden Schultergelenken einen altersentsprechenden Befund erbracht. Das Entkleiden des Oberkörpers bei der gutachterlichen Untersuchung sei ohne Schwierigkeiten erfolgt. Es sei eine ungestörte Motorik der Hände beobachtet worden. Aktuell sei eine Schmerztherapie der Stufe 2 nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation <WHO> mit Targin und Metamizol erfolgt. Die aktuelle Medikation habe aus den Schmerzmitteln Metamizol, 500 mg, zwei Tabletten täglich, Ibuflam, 600 mg, eine bis zwei Tabletten täglich und Targin, 20/10 mg, vier Tabletten täglich bestanden. Zur Therapie neuropathischer Schmerzen habe er Lyrica, 75 mg, vier Tabletten täglich, eingenommen. Weiter habe er auf die Antidepressiva Doxepin, 100 mg, Praxiten, 15 mg und Citalopram, 20 mg zurückgegriffen. Tavor, 10 mg, eine Tablette täglich, sei ihm zur Beruhigung verordnet worden.

Die Übersendung des Gutachtens an die Beteiligten hat das SG am 19. Februar 2019 verfügt. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2019, der sechs Tage später beim SG eingegangen ist, hat sich der Kläger gegen die Bestellung von Dr. Th. als Sachverständigen gewandt und angeregt, einen anderen Gutachter zu beauftragen. In anderen, früheren sozialgerichtlichen Verfahren seien negative Erfahrungen gemacht worden. Mit Schriftsatz vom 4. März 2019 hat der Kläger ihn wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er habe, ohne danach gefragt worden zu sein, eine SLAP-IV-Läsion als Unfallfolge geleugnet und die Tenodese der langen Bizepssehne nicht als Folgeerscheinung bewertet. Abgesehen davon, dass er sich mit den streitigen Aspekten nicht befasst habe, habe er damit sogar noch eine anerkannte Unfallfolge negiert. Dies zeige eine klare Negativhaltung ihm gegenüber. Dr. Th. habe ihn eigentlich auch nicht untersucht.

Das SG hat den Antrag, Dr. Th. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, mit Beschluss vom 1. April 2019 zurückgewiesen. Das Gesuch sei unzulässig, soweit angeführt worden sei, der Sachverständige bearbeite vorrangig Aufträge von Berufsgenossenschaften. Der Antrag sei insoweit verfristet, weil die zweiwöchige Frist zur Geltendmachung bereits abgelaufen gewesen sei. Im Übrigen sei das Begehren unbegründet. Dr. Th. habe die ihm explizit gestellten Beweisfragen beantwortet, die sich auch auf den Umfang der vorliegenden unfallbedingten Gesundheitsstörungen bezögen. Daraus ergebe sich offensichtlich keine Befangenheit. Soweit der Kläger angeführt habe, praktisch nicht untersucht worden zu sein, sei dies im Hinblick auf die im Gutachten ausführlich dokumentierten Bewegungsmaße und Untersuchungsergebnisse nicht einmal ansatzweise glaubhaft und damit auch nicht glaubhaft gemacht.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. April 2019 abgewiesen. Die Anerkennung einer somatoformen Schmerzstörung als Unfallfolge komme nicht in Betracht. Aufgrund der von Dr. Th. erhobenen Befunde könne nicht von einer Schmerzhaftigkeit ausgegangen werden, welche in ihrem Ausmaß über das angesichts der körperlichen Schädigung zu Erwartende hinausgehe. Ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente bestehe ebenfalls nicht. Die unfallbedingten Funktionsstörungen rechtfertigten keine MdE in einem rentenberechtigenden Maße.

Gegen die den Bevollmächtigten des Klägers am 10. April 2019 zugestellte Entscheidung hat dieser am 9. Mai 2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die von der Beklagten bereits anerkannten Unfallfolgen hätten sich wesentlich verschlechtert und eine Schmerzstörung ausgebildet, weswegen er sich regelmäßig alle drei bei sechs Monate stationär behandeln lasse, zuletzt bis Mitte Oktober 2019 in der Rklinik W.. Unberücksichtigt geblieben sei bislang, dass er nach der Operation im November 2012 eine Lungenentzündung bekommen habe. Nach den von Priv.-Doz. Dr. Bo. erhobenen Befunden leide er unter endgradigen Bewegungsschmerzen, ausgeprägten, massiven Myogelosen und einer Teilsteife der linken Schulter. Diese sei kälteempfindlich und wetterfühlig. Mittlerweile liege sogar ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom vor. Eine multimodale Schmerztherapie Anfang 2017 habe keine Linderung verschafft. Er sei auf eine regelmäßige Schmerzmitteleinnahme angewiesen, insbesondere um schlafen zu können. Die Schmerzstörung sei durch die ihm verschriebene Schmerzmedikation objektiviert. Das Gutachten von Dr. Th. sei nicht verwertbar. Es habe bereits das Beweisthema verfehlt und trage zur Entscheidungsfindung nicht bei. Zudem habe er keinen Winkelmesser bei den Bewegungsprüfungen verwendet. Das SG, welches in medizinischen Fragen nicht sachkundig sei, habe sich bei seiner Entscheidung unzureichend auf die unfallmedizinische Literatur gestützt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. April 2019 und die Bescheide vom 9. April und 17. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2018 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 festzustellen und sie zu verurteilen, ihm wegen sämtlicher Unfallfolgen eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vom Hundert ab 1. Dezember 2018 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, seine Begehren seien nicht begründet.

Auf Anforderung des Senats hat Dr. Br., Facharzt für Chirurgie und Leiter des Medizincontrolling, Tklinik W., den Entlassungsbericht des niedergelassenen Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Ri., der sich auf dem Gebiet der speziellen Schmerztherapie weitergebildet hat, über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 18. bis 26. Januar 2017 übersandt, währenddessen eine multimodale Schmerztherapie durchgeführt worden ist. Im Vordergrund habe eine Zervikobrachialgie beidseits gestanden. Zudem seien unter anderem ein chronisches Schmerzsyndrom im Stadium III nach Gerbershagen, ein myofasziales Schmerzsyndrom, ein Ganzkörperschmerzsyndrom, eine Diazepinabhängigkeit, eine depressive Störung mit Mehrfachmedikation sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert worden. Der Kläger habe seit etwa 2013 infolge des Zustandes nach einer im Vorjahr durchgeführten operativen Versorgung des linken Schultergelenkes ständig persistierende Schmerzen im gesamten Schulterbereich beklagt. Bei der stationären Aufnahme sei eine teilweise fehlende Kontrolle beziehungsweise Unregelmäßigkeit bei der Einnahme der Medikamente aufgefallen. Die Beweglichkeit des linken Schultergelenkes sei bei der Abduktion um 70° massiv eingeschränkt gewesen. Die subjektiv erlebte Beeinträchtigung durch Schmerzen und der resultierende Behinderungsgrad seien als weit überdurchschnittlich zu bewerten gewesen. Ein auffällig hoher Zusammenhang mit einer Verursachung durch die Arbeit und Prognostik ihrer Wiederaufnahme habe bestanden. Das Krankheitsbild sei bereits psychosomatisch orientiert. Aktuell habe sich ein dringender Handlungsbedarf für weiterführende psychotherapeutische Maßnahmen ergeben. Der Kläger habe sich zurzeit in einer schmerztherapeutischen Behandlung befunden, die er habe weiterführen wollen. Bei der Entlassung sei die Schmerzsymptomatik reduziert gewesen. Mittels der invasiven Maßnahmen in Form von Facettengelenkinfiltrationen im Segment C7/Th1 habe eine vorübergehende Schmerzlinderung erreicht werden können. Eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit sei in jedem Fall anzustreben.

Dr. Br. hat zudem den nicht unterschriebenen Bericht der Gemeinschaftspraxis vom 21. Oktober 2019 vorgelegt, in der Priv.-Doz. Dr. Bo. und der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Ri. tätig sind. Die Vorstellung am 3. Januar 2013 sei sechs Wochen nach der Operation der linken Schulter im November des Vorjahres erfolgt. Postoperativ sei es beim Kläger zu einer Lungenentzündung gekommen, die stationär habe behandelt werden müssen. Zuletzt sei er im Juni 2019 trotz Tilidin und Targin sehr schmerzgeplagt gewesen. Eine strukturelle Schädigung der linken Schulter habe hingegen nicht erhoben worden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 5. April2019, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG) sowie kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 56 SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter Aufhebung der Bescheide vom 9. April und 17. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2018 (§ 95 SGG) die Verpflichtung der Beklagten zur behördlichen Feststellung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 sowie wegen sämtlicher Unfallfolgen die Gewährung einer Verletztenrente verfolgte, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die Klagearten der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 32), welche am 24. Oktober 2019 stattfand.

Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage nicht begründet. Diese ist zwar zulässig, da insbesondere nach durchgeführtem Vorverfahren als Prozessvoraussetzung grundsätzlich nur zu prüfen ist, ob die Frist des § 87 Abs. 2 SGG eingehalten wurde (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 4 RK 3/93 -, SozR 3-1500 § 87 Nr. 1, S. 4), was vorliegend der Fall ist. In Bezug auf die anhaltende somatoforme Schmerzstörung wendet er sich gegen Widerspruchsbescheid vom 28. August 2018 lediglich, soweit damit die Entscheidung über ihre Ablehnung als Unfallfolge aufrechterhalten wurde. Der Kläger hat indes weder Anspruch auf die begehrte behördliche Feststellung noch die Bewilligung einer Rente. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung als Folge des streitgegenständlichen Versicherungsfalls.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Verpflichtungsanspruch und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des entsprechenden feststellenden Verwaltungsaktes für die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ist § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII; vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 <277>). Der Anspruch besteht, wenn ein Gesundheitsschaden durch das Unfallereignis oder einen Gesundheitserstschaden dieses Versicherungsfalls (unmittelbare Unfallfolge) oder infolge der Erfüllung eines Tatbestandes des § 11 SGB VII als mittelbare Unfallfolge rechtlich wesentlich verursacht worden ist.

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche den Gesundheitserstschaden oder den Gesundheitsfolgenschaden der haftungsausfüllenden Kausalität bei unmittelbaren Unfallfolgen oder die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 11 SGB VII erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, juris, Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).

Die Zurechnung als unmittelbare Unfallfolge setzt voraus, dass die versicherte Einwirkungaufgrund eines sicher feststehenden Unfallereignisses den Gesundheitsschaden objektivund rechtlich wesentlich verursacht hat (vgl. dazu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 38 mit 31 ff.).

Voraussetzung für die Zurechnung ist daher zunächst, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-) Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursache sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio sine qua non"). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "Conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht ("ex post") nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie etwa auch zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der gegebenenfalls dadurch verursachte Gesundheitsschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Diese Voraussetzungen müssen für jede einzelne Gesundheitsstörung erfüllt sein. Eine solche ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht worden ist, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden, die infolge ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 39).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die solche Gesundheitsschäden erfüllen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, juris, Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, juris, Rz. 17).

Der Gesundheitsschaden muss darüber hinaus nicht nur sicher feststehen. Er muss auch durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18).

Nach diesen Voraussetzungen und Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die behördliche Feststellung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10-GM-2019 F45.40) als Folge des mit Bescheid vom 6. Oktober 2015 bindend (§ 77 SGG) anerkannten Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012. Denn keiner der den Kläger behandelnden Ärzte oder ein Gutachter beziehungsweise Sachverständiger ordnete sie in eines der gängigen Diagnosesysteme unter Verwendung der dortigen Schlüssel ein. Die von Priv.-Doz. Dr. Bo. ungenau mitgeteilte Fremddiagnose in der Tklinik W. "anhaltend somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.0)" stellte sich auf Nachfrage als chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10-GM-2019 F45.41) heraus.

Der Kläger hat zudem wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 keinen Anspruch auf eine Verletztenrente ab 1. Dezember 2018.

Rechtsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII). Renten an Versicherte werden gemäß § 72 Abs. 1 SGB VII von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeldendet (Nr. 1), der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeldentstanden ist (Nr. 2).

Der Anwendungsbereich von § 56 Abs. 1 SGB VII ist eröffnet. Um eine erstmalige, positive Feststellung eines Rechts auf Rente handelt es sich auch dann, wenn ihre Voraussetzungen nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach § 72 Abs. 1 SGB VII vorliegen, sondern erst später infolge einer Verschlimmerung eintreten. Diese Konstellation unterfällt nicht § 73 Abs. 1 bis 3 SGB VII in Verbindung mit § 48 SGB X, der nur Rentenregelungen mit Dauerwirkung, so genannte "laufende Renten", betrifft (vgl. Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2017, § 56 SGB VII, Rz. 38).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, BSGE 93, 63 <65>).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der Arbeitsunfall beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden.

Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen (z. B. ICD-10, DSM-IV) konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 <203> und vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18; Urteile des Senats vom 26. November 2015 - L 6 U 50/15 -, juris, Rz. 48 m. w. N. und vom 17. März 2016 - L 6 U 4796/13 -, juris, Rz. 37) die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.).

Dabei war der Senat nicht an den Inhalt des bestandskräftigen Verwaltungsakts vom 6. Oktober 2015 gebunden, mit dem bereits ein Anspruch auf eine Verletztenrente abgelehnt wurde. Dieser betraf nur das damals eingeleitete Verwaltungsverfahren, welches mit dieser Verwaltungsentscheidung abgeschlossen wurde. Entschieden wurde, dass dem Kläger kein Recht auf Rente einzuräumen ist. Eine der materiellen Bestandskraft (§ 77 SGG) fähige Feststellung ist nur insoweit getroffen worden, als das Begehren nach dem maßgeblichen Sach- und Rechtsstand bis zum Abschluss des damaligen Verwaltungsverfahrens beurteilt wurde. Eine solche negative Feststellung schließt diese ab, entfaltet jedoch keine Wirkung für die Zukunft. Wäre es anders, käme dem Verwaltungsakt Dauerwirkung zu (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 1999 - B 9 SB 4/98 R -, SozR 3-1500 § 77 Nr. 3), was nicht der Fall ist, da seine Regelungswirkung nach dem zu Grunde liegenden materiellen Recht nicht über die punktuelle Gestaltung des Rechtsverhältnisses der Beteiligten hinausreicht (vgl. Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 3 mit § 45 Rz. 64).

Ab dem Antragsdatum am 1. Dezember 2018, das nach dem Ende des Verletztengeldanspruches am 15. September 2013 (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB VII), wie ihn auch der Bescheid vom 23. November 2015 regelte, liegt, stützen die Prellung der linken Schulter und die SLAP-IV-Läsion mit nachfolgender Tenodese der langen Bizepssehne links keine MdE von wenigstens 10 v. H., weshalb dahinstehen kann, ob beim Kläger ein Stützrententatbestand (§ 56 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB VII) gegeben ist.

Wegen der vielfältigen dreidimensionalen Bewegungseinschränkung ist in Bezug auf die Schultergelenke die Vorhebung als Hauptkriterium zu werten, wobei daneben auch die Beweglichkeit des Armes beim Seitwärtsdrehen, die Drehbeweglichkeit des angelegten Oberarmes nach ein- und auswärts, die Ausführung von Hinterhaupt-, Nacken- und Schürzengriff, die Umfangmaße des Armes sowie die Ausbildung der Schultermuskulatur, insbesondere, wenn die Einsetzbarkeit des Armes unterhalb der Horizontalen noch gut ist (beim Impingement beginnt der schmerzhafte Bogen ab etwa 80°), Bedeutung haben. Stärkere schmerzhafte Funktionseinschränkungen führen zu einer Verschmächtigung der Muskulatur der betroffenen oberen Organe, zumindest der Schultermuskulatur. Der Raum zwischen der unbedeutenden Funktionsstörung der Verletzung und der Vorhebungsbeeinträchtigung bei einer operativen Schulterversteifung wird zwischen einer MdE unter 10 bis 30 v. H. gegliedert. Eine Schultergelenkversteifung mit einer Abduktion von 30°, bei nicht eingeschränktem Schultergürtel, hat eine MdE von 30 v. H. zur Folge. Für eine Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 90°, bei freier Rotation, wird eine MdE von 20 v. H. als angemessen angesehen, für vorwärts/seitwärts bis 120° eine solche von 10 v. H. Für eine Versteifung von Schultergelenk und Schultergürtel in Funktionsstellung, mit einer Vorwärts- und Seitwärtshebung sowie einer Innendrehung von jeweils 30°, wird eine MdE von 40 v. H. für angemessen erachtet (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 436, 560; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl. 2012, S. 168 f.).

Der Arbeitsunfall vom 17. Oktober 2012 führte neben der mit Bescheid vom 6. Oktober 2015 bindend anerkannten Prellung der linken Schulter auch zu einer SLAP-IV-Läsion mit nachfolgender Tenodese der langen Bizepssehne links, was die Beteiligten in dem Vergleichsvertrag (§ 54 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) materiell wirksam regelten, den sie im Verfahren S 3 U 1992/13 beim SG in der öffentlichen Sitzung im Oktober 2014 schlossen, ist hingegen nicht gegeben. Degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette mit einem Impingementsyndrom links sind bereits aufgrund der bindenden Verwaltungsentscheidung vom 6. Oktober 2015 keine Unfallfolge.

Die Prellung der linken Schulter war jedenfalls im Zeitpunkt der Begutachtung des Sachverständigen Prof. Dr. Lo. (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a Zivilprozessordnung - ZPO) im Dezember 2013 ausgeheilt und Folgeerscheinungen erhob er nicht. Die SLAP-IV-Läsion mit einer Tenodese der langen Bizepssehne links führte zu keiner erwiesenen Bewegungseinschränkung. Nach dieser arthroskopischen Maßnahme an ihrem Ursprung, dem Versetzen aus dem glenohumeralen Gelenk hinaus und dem Wiederbefestigen außerhalb davon, waren die Beschwerden postoperativ in der Regel nach etwa sechs Monaten deutlich rückläufig, also nach dem stattgehabten Eingriff im November 2012 jedenfalls ab Mitte 2013. Eine geregelte funktionelle Erhebung war Prof. Dr. Lo. nicht möglich, da sich der Kläger seiner klinischen Untersuchung durch muskuläres Gegenspannen widersetzte. Die noch vorhandenen Beschwerden mit einer demonstrierten ausgeprägten schmerzhaften Einschränkung der Beweglichkeit ließen sich ohnehin nicht allein durch die mittels Tenodese der langen Bizepssehne versorgten SLAP-IV-Läsion erklären. Nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsätzen der objektiven Feststellungslast trägt er indes die Folgen der Nichtfeststellbarkeit von anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 - B 1 KR 29/13 R -, SozR 4-2500 § 12 Nr. 5, Rz. 14 m. w. N.). Nach Auswertung des Gutachtens von Prof. Dr. Lo. führte Dr. He. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme von April 2014, welche rechtlich als qualifiziertes Beklagtenvorbringen zu werten ist (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - B 5 R 45/16 B -, juris, Rz. 19), schlüssig aus, dass eine fehlende muskuläre Atrophie gegen wesentliche Funktionseinschränkungen spricht. Zudem lag im Bereich der linken Schulter kein wesentliches Kraftdefizit vor.

Die bei der gutachtlichen Untersuchung von Dr. Ei. demonstrierten Einschränkungen bei der aktiven Bewegungsprüfung sind nicht objektiviert. Er wies ihn ausdrücklich darauf hin, mitwirken zu müssen und dementsprechend insbesondere die passiven Untersuchungen nicht zu beeinflussen, was der Senat dessen im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. ZPO) entnimmt. Der Kläger bestätigte, dies verstanden zu haben, hielt sich während der gesamten Untersuchung der linken Schulter jedoch nicht daran. Die von Priv.-Doz. Dr. Bo., der unter anderem eine Schultersteife links diagnostizierte, für den Behandlungszeitraum von April 2016 bis Oktober 2017 mitgeteilten Daten belegen ebenfalls keine unfallbedingte Funktionseinschränkung, da er keine Plausibilitätskontrolle mittels passiver Bewegungsprüfungen durchführte Zudem wies er zuletzt darauf hin, dass die Beeinträchtigung im Bereich der linken Schulter multifaktoriell und damit jedenfalls nicht monokausal auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.

Letztendlich ist mittels der Erhebungen von Dr. Th. sogar belegt, dass der Kläger keine maßgeblichen, auch nicht schmerzbedingten Funktionsstörungen (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 4. Mai 2016 - L 2 U 260/15 -, juris, Rz. 59; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 244) im Bereich der linken Schulter hat. Jedenfalls ist die von ihm behauptete Verschlimmerung nicht eingetreten.

Die gutachtlichen Feststellungen von Dr. Th. sind verwertbar, da das Befangenheitsgesuch vom SG im Beschluss vom 1. April zutreffend abgelehnt wurde. Diese Entscheidung unterliegt der Beurteilung des Berufungsgerichts, da sie zwar gemäß § 172 Abs. 2 SGG nicht anfechtbar, aber nicht unanfechtbar im Sinne von § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 512 ZPO ist (Lüdtke/Berchtold, Kommentar zum SGG, 5. Aufl. 2017, § 172 Rz. 11; a. A. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. November 2018 - 1 BvR 436/17 -, juris, Rz. 10; wohl auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 144 Rz. 33). Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG findet im sozialgerichtlichen Verfahren für die Beweisaufnahme, wozu die Einholung von Sachverständigengutachten gehört (§ 106 Abs. 3 Nr. 5 Alt. 2 SGG), § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprechende Anwendung. Danach kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Vorliegend hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren Dr. Th. im Kern deshalb wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt (§ 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 42 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 ZPO), weil er in Bezug auf die SLAP-IV-Läsion mit nachfolgender Tenodese der langen Bizepssehne links Aussagen traf, obwohl diese Gesundheitsstörung als Unfallfolge bereits aufgrund des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleichsvertrages geregelt wurde. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet indes insoweit nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Der Grund hierfür muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Beteiligten aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge der Betroffenen scheiden aus (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 2. April 2019 - L 3 SF 160/18 AB -, juris, Rz. 16). Nach diesem Maßstab liegt kein Ablehnungsgrund vor, weshalb der Antrag unbegründet ist. Nach dem ihm vom SG erteilten Gutachtensauftrag war er gehalten, aus medizinischer Sicht den Zusammenhang sämtlicher Gesundheitsstörungen mit dem Ereignis vom 17. Oktober 2012 zu bewerten. Eine Vorgabe, bestimmte Erkrankungen etwa aufgrund der rechtlichen Kategorie der Bindungswirkung eines Verwaltungshandelns nicht zu prüfen, enthielt er nicht. Eine dem Kläger gegenüber ablehnende Haltung lässt sich damit anhand der Gutachtenerstellung nicht ableiten. Selbst wenn Dr. Th. auch Expertisen für die Beklagte in anderen Verfahren erstattete und früher der von ihm verwendete Briefkopf den Begriff "Gutachteninstitut" enthielt, ergeben sich allein hieraus keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Abhängigkeit, die insoweit erst die Besorgnis der Befangenheit ergäbe (vgl. Keller, a. a. O., § 118 Rz. 12j). Im Übrigen, insbesondere in Bezug auf den Gang und die Dauer der gutachtlichen Untersuchung, rügt der Kläger fachliche Mängel des Gutachtens. Solche Rügen stellen keinen geeigneten Ablehnungsgrund dar, weil die Unparteilichkeit von Sachverständigen dadurch grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird. Ob die in der Expertise genannten Tatsachen zutreffen oder vollständig sind sowie ob der Sachverständige zutreffende Schlussfolgerungen gezogen hat, betrifft die inhaltliche Bewertung des Gutachtens. Diese obliegt den entscheidenden Richterinnen und Richtern im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Maßgebliche Funktionsstörungen des Klägers im Bereich der linken Schulter wurden durch Dr. Th. nicht objektiviert, wobei der Senat die nach der so genannten "Neutral-Null-Methode" dargestellten Werte unberücksichtigt ließ, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst die Art ihrer Erhebung bemängelte. Die Beschwielung der Hände war seitengleich mittelkräftig ausgeprägt. Die Komplexgriffe wie der Spitz- und Schlüsselgriff sowie der Faustschluss waren beidseits problemlos möglich. Die grobe Kraft war seitengleich vorhanden. Die vergleichenden Umfangmessungen belegten kein muskuläres Defizit im Bereich der oberen Extremitäten. Die Armlänge war ausgeglichen. Die neurologische Untersuchung ergab seitengleich mittellebhaft auslösbare Muskeleigenreflexe an den oberen Extremitäten. Die radiologische Untersuchung erbrachte an beiden Schultergelenken einen altersentsprechenden Befund. Das Entkleiden des Oberkörpers bei der gutachterlichen Untersuchung erfolgte ohne Schwierigkeiten. Auf der Grundlage der in der Expertise mitgeteilten klinischen Daten und der von Dr. Th. angegebenen Dauer der Untersuchung von eineinhalb Stunden, die der Kläger nicht konkret bestritten hat, ist eine eingehende und hinreichende gutachtliche Bewertung möglich, weshalb der Senat keine Bedenken hatte, auf sie zurückzugreifen. Damit in Einklang steht, dass in der Gemeinschaftspraxis, in der Priv.-Doz. Dr. Bo. sowie der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie tätig sind, zuletzt im Juni 2019 keine strukturelle Schädigung der linken Schulter erhoben wurde.

Maßgebliche schmerzbedingte Funktionseinschränkungen im Bereich der Schulter sind damit ebenfalls nicht belegt, sodass dahinstehen kann, ob es unfallbedingt überhaupt zu einer Schmerzkrankheit beim Kläger kam, etwa die von dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Ri. diagnostizierte chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Dagegen spricht jedenfalls, dass der Kläger neben einem myofaszialen Schmerzsyndrom, welches durch Schmerzen im Bewegungsapparat gekennzeichnet ist, welche insbesondere gerade nicht von Gelenken ausgehen, auch an einem Ganzkörperschmerzsyndrom leidet, die Beschwerden also nicht nur der linken Schulter zuordenbar sind. Auffällig war auch, dass zu Beginn der stationären multimodalen Schmerztherapie im Januar 2017 eine Schmerzen auslösende und unfallunabhängige Zervikobrachialgie beidseits im Vordergrund stand, wie der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Ri. berichtete. Eine Schmerzlinderung wurde mittels Infiltrationen in das Facettengelenk im Segment C7/Th1 erreicht, demgegenüber nicht maßgeblich durch eine Therapie im Bereich der linken Schulter. Weitere Ermittlungen von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG) waren daher nicht geboten, insbesondere war der Senat nicht gehalten, die Entlassungsberichte über die behaupteten regelmäßigen stationären Aufenthalte wegen der Schmerzen, zuletzt in der Rklinik W., beizuziehen.

Der Zustand nach einer zweimaligen Bandscheibenoperation im Bereich der Lendenwirbelsäule ist eine vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderung, wie Dr. Ei. überzeugend herausstellte. Dr. Sh. führte sie zeitnah zum Unfall als Vorerkrankung an. Die von ihr festgehaltene Distorsion der Hals- und Brustwirbelsäule führte zu keinen nachhaltigen Beschwerden, da sie in keinem der folgenden Arztberichte mehr erwähnt wurde. Unabhängig davon, ob die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angeführte, nach der Operation im November 2012 erlittene Lungenentzündung eine mittelbare Unfallfolge im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 SGB VII ist, wurde sie stationär behandelt, wie der Senat dem Bericht der Gemeinschaftspraxis, in der Priv.-Doz. Dr. Bo. und der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Ri. tätig sind, von Oktober 2019 über die Konsultation des Klägers Anfang Januar 2013 entnimmt. Die Krankheit war anschließend ausgeheilt, ohne dass Folgeschäden ab Dezember 2018 erwiesen sind.

Danach ließ sich bis zuletzt unfallbedingt einzig ein minimales Kraftdefizit der linken Schulter objektivieren, das keine MdE von wenigstens 10 v. H. stützt, wie Dr. Th. aus medizinischer Sicht zutreffend annahm. Selbst die Einschätzung von Dr. Ei., der eine MdE von 10 v. H. annahm, ist überhöht.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

RechtsgebieteSGG, ZPOVorschriften§ 60 Abs. 1 SGG; § 106 Abs. 3 Nr. 5 Alt. 2 SGG; § 118 Abs. 1 S. 1 SGG; § 128 Abs. 1 S. 1 SGG; § 202 S. 1 SGG; § 42 Abs. 1 Alt. 2 ZPO; § 42 Abs. 2 ZPO; § 512 ZPO