16.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213604
Sozialgericht Dresden: Urteil vom 12.11.2019 – S 33 R 754/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sozialgericht Dresden
Urteil vom 12.11.2019
Az.: S 33 R 754/18
Tenor:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin hat die Beklagte nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Bewilligung einer Witwenrente.
Die 1949 geborene Klägerin ist die Ehefrau des 1947 geborenen und am 18.08.2017 verstorbenen L ... H ... (nachfolgend Versicherter genannt).
Die Klägerin und der Versicherte waren bereits in der Zeit vom 08.06.1973 bis 01.09.1980 miteinander verheiratet. Seit 1992 waren sie wieder ein Paar und führten ihr Leben gemeinsam. Am 24.12.2015 machte der Versicherte der Klägerin einen Heiratsantrag, den diese annahm. Ursprünglich sollte die Hochzeit im Juni 2017 erfolgen. Im Dezember 2016 erkrankte der Versicherte an einem Sarkom rechts mediastinal (bösartige Geschwulst im Brustbereich) mit mediastinaler Lymphknotenmetastasierung und unterzog sich deshalb einer Chemotherapie. Am 16.08.2017 heirateten die Klägerin und der Versicherte im Rahmen einer Nottrauung im Hospiz. Am 18.08.2017 verstarb der Versicherte.
Den am 28.08.2017 gestellten Antrag auf Witwenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.01.2018 mit der Begründung ab, die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei nicht entkräftet worden. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, bei dem Heiratsantrag am 24.12.2015 sei die Krankheit nicht bekannt gewesen. Die Hochzeit sei für den 08.06.2017 geplant gewesen, weil die Beziehung dann 25 Jahre Bestand gehabt hätte. Durch die Krankheit ihres Mannes sei die Hochzeit zweitrangig geworden. Wegen seines Gesundheitszustandes habe die Hochzeit nicht am 08.06.2017 stattgefunden. Um eine Versorgungsehe handle es sich nicht, denn ihr Ehemann habe sie bereits im Jahr 2001 testamentarisch abgesichert. Mit Bescheid vom 25.04.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Gesetzgeber lasse in Bezug auf die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bei kurzer Ehedauer nur dann Ausnahmen zu, wenn besondere Umstände vorlägen, die trotz kurzer Ehedauer diese Annahme nicht rechtfertigten. Nach der Lebenserfahrung werde eine kurz vor dem Tod oder nach der Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit dem Versicherten geschlossenen Ehe oder Lebensgemeinschaft, die nicht länger als ein Jahr gedauert habe, meist aus Versorgungsgründen geschlossen. Diese Vermutung werde durch die langjährige voreheliche Lebensgemeinschaft nicht widerlegt. Es stelle sich im Gegenteil die Frage, weshalb die Ehe gerade zu diesem Zeitpunkt geschlossen wurde, wenn nicht aus Gründen der Versorgung. Dass die Klägerin bereits zuvor mit dem Versicherten verheiratet war, sei ohne Belang. Aufgrund der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten sei dessen naher Tod zum Zeitpunkt der Eheschließung deutlich zu erkennen gewesen, weshalb keine besonderen Umstände eines unvermuteten und medizinisch nicht vorhersehbaren Todes vorlägen. Auch die Weihnachtskarte mit dem Heiratswunsch lasse keinen besonderen Umstand erkennen, der zu einer Widerlegung der Versorgungsvermutung führte. Langjährige Heiratsabsichten könnten nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret seien und sich als konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellten. Konkrete Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Anmeldung oder Vorsprache beim Standesamt, sowie andere organisatorische Vorbereitungen um genau den gewünschten Hochzeitstermin am 08.06.2016 wahrnehmen zu können, seien nicht nachgewiesen. Die vorgetragene testamentarische Absicherung sei unkonkret. Das auf 1 Jahr begrenzte Wohnrecht in dem Haus lege eine Versorgungsabsicht nahe. Außerdem bestehe die Vermutung einer Versorgungsehe auch, wenn die Witwenrente eine bereits bestehende Versorgung aufbessere. Die Klage ging am 22.05.2018 beim Sozialgericht Dresden ein.
Die Klägerin macht geltend, die Vermutung einer Versorgungsehe sei widerlegt, weil der Entschluss zur Heirat bereits vor der Erkrankung des Ehemannes gefasst worden sei. Wäre eine Versorgungsehe Anlass der Heirat gewesen, wäre diese sicher schon kurz nach der Diagnose erfolgt. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg macht sie geltend, es reiche bereits aus, wenn die Heirat aus wirklichkeitsnahen Gründen nur aufgeschoben wurde, sofern der Heiratsentschluss nicht aufgegeben wurde. Dies sei hier der Fall. Dass der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung kein Rolle gespielt habe, lasse auch der Umstand erkennen, dass die Klägerin zunächst keinen Antrag auf Witwenrente stellen wollte, sondern im Rahmen eines Gesprächs mit dem Bestattungsunternehmen darauf gebracht wurde.
Die Klägerin beantragt:
Der Bescheid vom 11.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2018 wird aufgehoben und der Klägerin die beantragte Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes nach den gesetzlichen Bestimmungen gewährt.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hält an der getroffenen Entscheidung fest. An den Nachweis der Heiratsabsicht seien hohe Anforderungen zu stellen, wenn dem behaupteten Entschluss bereits mehrere Jahre einer Lebensgemeinschaft voraus gegangen seien. Es müsse sich um einen festen und konkreten Heiratsentschluss handeln, insbesondere müssten vor der Diagnose bereits organisatorische Schritte im Hinblick auf die Heirat eingeleitet worden sein. Ein immer wieder geäußerter Heiratswunsch, der jedoch nie konkret in die Tat umgesetzt worden sei, reiche nicht. Die Klägerin und der Versicherte hätten aber keine konkreten Maßnahmen, wie z.B. eine Anmeldung oder Vorsprache beim Standesamt sowie andere organisatorische Vorbereitungen, Vorbestellungen nachgewiesen. Deshalb könne von konkreten Hochzeitsplanungen nicht ausgegangen werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte sowie die Gerichtsakte, die gewechselten Schriftsätze insgesamt und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2019 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 11.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2018 mit dem die Beklagte die Bewilligung einer Witwenrente abgelehnt hat. Hiergegen richtet sich die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage.
2. Der Bescheid ist rechtmäßig, die Klägerin hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt, denn sie hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Witwenrente nach § 46 SGB VI.
Nach § 46 Abs. 2 S. 1 SGB VI haben Witwen/Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, unter anderem dann Anspruch auf Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Die Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 18.08.2017 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat. Die Klägerin hatte ferner zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten das 47. Lebensjahr vollendet.
Der Anspruch der Klägerin ist nach § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich nur 2 Tage. Der Tatbestand des § 46 Abs. 2 a Abs. 1 SGB VI ist insoweit erfüllt. Die sehr kurze Ehedauer von nur zwei Tagen, die Erkrankung des Versicherten und der Umstand, dass die Ehe in einem Hospiz geschlossen wurde, spricht dafür, dass die Heirat im Angesicht der Sicherheit über den naheliegenden Tod stattfinden sollte.
Die entsprechende Rechtsfolge (Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) tritt dann nicht ein, wenn "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 46 Abs. 2 a Halbsatz 2 SGB VI).
Der Begriff der "besonderen Umstände" in § 46 Abs. 2 a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG Urteil vom 03.09.1986, Az. 9a RV 8/84).
Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (ggf. auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielsetzung) beider Ehegatten an (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R). Allgemeine Gesichtspunkte, wie sie in mehr oder weniger starker Ausprägung nahezu bei jeder Eheschließung als Motiv eine Rolle spielen können, rechtfertigen für sich genommen noch nicht die Annahme von "besonderen Umständen" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI (LSG Hessen, Urteil vom 17.11.2006, Az. L 5 R 19/06; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.05.2009, Az. L 8 R 162/07). Um die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen, reicht es deshalb nicht aus, wenn allein der Wunsch, nicht mehr allein sein zu wollen, die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer zu begründen, das Bedürfnis, sich zum Ehepartner zu bekennen oder vergleichbare Beweggründe ausschlaggebend für die Eheschließung gewesen sind (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 25.01.1972, Az. L 8/V 202/71). Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe derart im Vordergrund standen und für den Heiratsentschluss ausschlaggebend waren, dass in Ansehung der konkreten Situation im Zeitpunkt der Eheschließung nicht mehr von einem überwiegenden Versorgungszweck der Eheschließung ausgegangen werden kann. Die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe sind in ihrer Gesamtbetrachtung als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2009, Az. B 13 R 55/08 R). Dabei ist zu beachten, dass im Allgemeinen jeder der Eheschließenden nicht nur ein Motiv, sondern mehrere Beweggründe hat.
Die abschließende Typisierung oder Pauschalisierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalles. Die von dem hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falles zu bewerten (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010, Az. B 13 R 134/08 R). Nur anhand einer solchen Gesamtbewertung lässt sich feststellen, ob die Ehe nicht mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist.
Besondere Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, können darin gesehen werden, dass der Tod des Versicherten plötzlich und unvorhersehbar eintrat, zum Beispiel in Folge eines Arbeits- oder Verkehrsunfalles, eines Verbrechens oder einer Infektionserkrankung (BT-Drs. 14/4595, S. 44; Gürtner, in: Kasseler Kommentar - Sozialversicherungsrecht Stand 06/2016, § 46 RdNr. 46c). Solche besonderen Umstände sind vorliegend offensichtlich nicht gegeben.
Eine besonders gewichtige Bedeutung kommt im Rahmen der Prüfung, ob Gründe vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, dem Gesundheits- und Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu (ständige Rechtsprechung, vgl. statt Vieler LSG Hessen, Urteil vom 11.12.2009, Az. L 5 R 84/09,). Bei der Heirat eines bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist in der Regel die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt. Insgesamt gilt, dass bei der abschließenden Gesamtbewertung insbesondere die (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, um so gewichtiger sein müssen, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei dem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden.
Auch der Umstand, dass die Eheschließung bereits vor der Erkrankung des Verstorbenen geplant war, widerlegt die Vermutung der Versorgungsehe nicht. Eine bereits vor dem Krankheitsfall nachweisbar bestehende feste Heiratsabsicht kann zwar gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.05.2004, Az. L 3 U 72/02; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.01.2001, Az. L 15 U 27/99; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.1999, Az. L 2 U 2125/96) und ein konkreter Hochzeitstermin ist für den Nachweis einer festen Heiratsabsicht nicht notwendig (SG Hamburg, Urteil vom 20.10.2001, Az. S 36 U 158/00). Zu fordern ist aber, dass ernsthafte Schritte unternommen worden sind, um die Heiratsabsicht zu verwirklichen. Eine einmal gefasste feste Heiratsabsicht muss, wenn ihrer Verwirklichung vorübergehend Hinderungsgründe entgegenstehen, fortbestehen (vgl. auch SG Lübeck, Urteil vom 26.01.2006, Az. S 7 RA 320/03; BayVGH, Beschluss vom 03.05.2004, Az. 3 B 00.1704: keine Versorgungsehe, wenn die Eheschließung die konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung der Kenntnis der lebensbedrohenden Krankheit bestehenden Heiratsentschlusses ist; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.02.2002, Az. 4 S 2782/01). Es ist deshalb nicht ausreichend, wenn lediglich allgemeine Heiratsabsichten bestehen oder nach einem festen Heiratsentschluss die Eheschließung ohne sachlichen Grund in die Zukunft verschoben wird. Dem Umstand, dass die Klägerin bereits am 24.12.2015 den Heiratsantrag des Klägers angenommen hat, kommt zwar Indizwirkung zu, jedoch ist hierbei zu beachten, dass nachfolgend keinerlei Hochzeitsvorbereitungen getroffen wurden. Vielmehr erfolgte die Heirat als Nottrauung im Hospiz und damit in Kenntnis des nahenden Todes. Wenn auch verständlich ist, dass die Eheleute im Juni 2017 heiraten wollten, weil ihre Beziehung dann 25 Jahre bestand, ist letztlich nicht mehr als eine Absichtsbekundung festzustellen, die sich nach Außen nur insoweit manifestiert hat, als dass die Kinder der Eheleute bei dem Antrag anwesend waren. Im Gegenteil, die Hochzeit hat tatsächlich gar nicht im Juni 2017 stattgefunden. Es wurden auch im Vorfeld keine Hochzeitsvorbereitungen getroffen, insbesondere ein Antrag auf Eheschließung nicht vor dem 15.08.2017 gestellt. Dies legt nahe, dass der Plan zu heiraten angesichts der Erkrankung des Versicherten - wie es die Klägerin auch beschrieben hat - in den Hintergrund trat, vorerst aufgegeben und erst im Bewusstsein des bevorstehenden Todes des Versicherten wieder aufgegriffen wurde. Damit liegt keine konsequente Umsetzung eines bereits vor der Erkrankung gefassten Entschlusses vor.
Der Umstand, dass die Klägerin und der Versicherte vor der Eheschließung bereits über einen langen Zeitraum zusammenlebten, ist für sich genommen noch kein besonderer Umstand, der gegen die Annahme einer Versorgungsehe spricht. Ob bei einer bereits seit längerem bestehende Beziehung der Nachweis geführt werden kann, dass die Eheschließung nicht mit dem Ziel der Versorgung geschlossen worden ist, hängt vielmehr von der Dauer, der Ausgestaltung und den Umständen der Beziehung ab (BSG, Beschluss vom 02.02.2001, Az. B 2 U 379/00B; vgl. auch OVG Saarland, Beschluss vom 29.12.2005, Az. 1 Q 65/05; vgl. weiter zur unterschiedlichen Bewertung einer seit längerem bestehenden Lebensgemeinschaft: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.01.2001, Az. L 15 U 27/99; LSG Saarland, Urteil vom 26.09.2000, Az. L 2 U 54/98; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.01.1997, Az. L 5 U 122/94; SG Lübeck, Urteil vom 26.01.2006, Az. S 7 RA 320/03; SG Dortmund, Urteil vom 12.10.2005, Az. S 34 RJ 219/04; SG Koblenz, Urteil vom 14.09.2005, Az. S 6 U KNR 16/05 und Urteil vom 18.09.2001,Az. S 2 U 393/00; SG Würzburg, Urteil vom 15.09.2004, Az. S 8 RJ 697/02; SG A ..., Urteil vom 25.07.2003, Az. S 5 U 149/01). Solche Umstände sind bei der Klägerin nicht zu erkennen. Gerade die Tatsache, dass die geplante Heirat wegen der Gesundheitsprobleme des Versicherten verschoben wurde, dann aber ungeachtet des sich noch weiter verschlechternden Gesundheitszustandes am 16.08.2017 stattfand, spricht für eine Versorgungsehe.
Auch wirtschaftliche Gründe stehen der Annahme einer Versorgungsehe nicht entgegen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Versorgungsehe nicht angenommen werden kann, wenn sich die wirtschaftliche Situation der Witwe durch Heirat verschlechtert hat (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.11.1999, Az. L 5 U 112/98; SG Ulm, Urteil vom 18.07.2005, Az. S 2 RJ 1130/04). Entsprechendes wird teilweise für den Fall vertreten, dass der hinterbliebene Ehegatte über eine hinreichende eigene Versorgung verfügt (vgl. hierzu: SG Koblenz, Urteil vom 14.09.2005, Az. S 6 U KNR 16/05; SG Chemnitz, Urteil vom 13.10.2005, Az. S 14 KN 129/03; SG Dortmund, Urteil vom 12.10.2005, Az. S 34 RJ 219/04; SG Würzburg, Urteil vom 15.09.2004, Az. S 8 RJ 697/02). Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die gesetzliche Vermutung nicht nur in Fällen gilt, in denen eine geringe oder sogar möglicherweise fehlende eigene Versorgung der Witwe/des Witwers vorliegt, sondern auch dann, wenn die Hinterbliebenenversorgung die eigene Versorgung aufbessert (vgl. SG Lübeck, Urteil vom 26.01.2006, Az. S 7 RA 320/03). Hierbei ist nach Auffassung des Gerichtes auch zu berücksichtigen, dass der Begriff der ,,hinreichenden eigenen Versorgung" nicht nur eine Grundversorgung entsprechend den Regelungen des SGB XII (Grundsicherung im Alter) meinen dürfte, sondern sich dieser Begriff eher an den bisherigen Lebensverhältnissen der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes zu orientieren hat (bisheriger Lebensstandard). Denn es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Absicht der Absicherung des überlebenden Ehegatten (,,Versorgung") in der Regel darauf gerichtet ist, dass dieser seinen bisherigen Lebensstandard auch nach dem Versterben eines Ehepartners weitestgehend halten kann. Darüber hinaus würde die oben angeführte Rechtsprechung letztlich dazu führen, dass alle die Witwen und Witwer, deren eigene Rente relativ gering ist, keine Witwenrente erhalten würden; Witwen oder Witwer mit einer relativ hohen Rente erhielten hingegen Witwenrente. Für eine Versorgungsehe spricht vorliegend, dass der Verstorbene eine Rente in Höhe von 1.107,59 EUR, die der Klägerin dagegen nur 869,38 EUR bezogen hat. Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, der Verstorbene habe sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgesichert, dies kann hier aber keine Berücksichtigung finden, denn nach ihren eigenen Angaben ist dies schon weit vor dem Heiratsantrag erfolgt.
Unter Beachtung der beschriebenen Grundsätze ist vorliegend die gesetzlich unterstellte Versorgungsabsicht zur Überzeugung des Gerichts nicht durch den Nachweis "besonderer Umstände" widerlegt. Denn nach Gesamtabwägung der für den Eheschluss im vorliegenden Fall maßgebenden, ermittelbaren Beweggründe kann das Gericht nicht mit der für den Vollbeweis notwendigen Gewissheit feststellen, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht allein oder nicht überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient hat, mithin neben dem vom Gesetzgeber vermuteten Versorgungscharakter der Ehe zumindest gleichwertige andere besondere Motive vorgelegen haben. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass für die Klägerin die gegenseitige Zuneigung und Verbundenheit der Eheleute Anlass für die Heirat gewesen sind. Auch auf mehrfache Nachfrage des Gerichts hat die Klägerin keine von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe benannt, die derart gewichtig sind, dass sie der Versorgungsabsicht zumindest gleichwertig sind.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung über die Hauptsache.
4. Die Berufung ist kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG).
RechtsgebietSGB VIVorschriften§ 46 Abs. 2a SGB VI