10.02.2021 · IWW-Abrufnummer 220424
Landgericht Köln: Urteil vom 01.10.2020 – 86 O 21/20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Köln
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
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Tatbestand:
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Die Klägerin ist deutsche Vertriebsgesellschaft eines taiwanesischen Fitness Konzerns. Die Beklagte führt einen Hotelbetrieb.
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Anlässlich der im April 2020 geplanten Fibo-Messe in Köln, bat die Klägerin die Beklagte am 11.04.2019 um ein Angebot für eine Gruppenreservierung in einem ihrer Kölner Hotels. Sie wünschte sich bessere Stornierungskonditionen als bei einem anderen Hotel. Nach längerem Email-Verkehr bestätigte die Beklagte der Klägerin am 11.10.2019 folgende Stornierungsbedingungen: „Wie soeben telefonisch besprochen habe ich nochmal Rücksprache gehalten bezüglich einer Stornostaffel. Ich konnte ausnahmsweise für Ihre Gruppe noch eine Staffel für 3 Zimmer pro Nacht bis 02.03.2020 einbauen. Anbei der angepasste Vertrag.“ Daraufhin reservierte die Klägerin für den Zeitraum vom 01. bis 03.04.2020 jeweils 15 Komfort-Doppelzimmer zum Preis von 389,- € pro Zimmer pro Nacht inklusive Frühstück sowie eine Komfort-Suite zum Preis von 654,- € pro Nacht inklusive Frühstück vom 01. bis 04.04.2020. Die Zimmer waren für Mitarbeiter des Konzerns aus Taiwan, um an der Fibo teilzunehmen. Laut der getroffenen Vereinbarung konnten alle Zimmer kostenfrei bis zum 02.01.2020 storniert werden. Bis zu drei Zimmer konnten bis zum 02.03.2020 frei storniert werden. Spätere Stornierungen lösten eine Service-Gebühr in Höhe von 90% des ursprünglichen Zimmerpreises aus. Für die weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlagen verwiesen. Die Klägerin leistete auf Anforderung der Beklagten eine volle Vorauszahlung in Höhe von 22.847,- €.
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Ende Februar 2020 sagte die Messe die Fibo wegen der sich weltweit ausbreitenden Pandemie SARS-CoV-2 ab. Die Klägerin stornierte am 02.03.2020 alle bei der Beklagten gebuchten Zimmer. Mitte März 2020 gab die EU-Kommission eine Empfehlung an die EU-Länder, eine Einreise aus Drittländern für 30 Tage zu beschränken. Mit Wirkung ab 19.03.2020 verbot die Stadt Köln den Betrieb von Hotels oder sonstigen Beherbergungsstätten bis zum 19.04.2020. Kurz darauf erließ das Land Nordrhein-Westfalen die CoronaSchVO. Nach § 8 der VO durften Hotels keine Touristen mehr beherbergen. Das Verbot der Stadt Köln wurde Anfang April wieder aufgehoben, wobei der genaue Zeitpunkt streitig ist.
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Die Klägerin verlangte von der Beklagten die volle Rückerstattung der geleisteten Vorauszahlung. Die Beklagte verweigerte dies. Sie bot der Klägerin an, statt der vorgesehenen 10% Rückerstattung, den vollen Betrag einzubehalten und ihr für die Reservierung des Ausweichtermins der Fibo im Oktober 2020 einen 20%-igen Rabatt zu gewähren. Dies lehnte die Klägerin ab. Am 25.05.2020 überwies die Beklagte der Klägerin 9.193,10 €. Dieser Betrag entsprach der vollen Stornierung von drei Zimmern sowie 10% der restlichen Zimmer ohne Frühstück in Höhe von 350,10 € pro Nacht.
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Die Klägerin behauptet, dass es eine Verknüpfung zwischen der Höhe der Hotelzimmerpreise der Beklagten und der Messe gebe. Dies hätte die Beklagte zum einen mit ihren Buchungsbedingungen, zum anderen mit ihrer Reduzierung des Zimmerpreises nach Absage der Messe demonstriert. Sie meint daher, dass mit der Absage der Messe der Grund für den hohen Preis der Stornierungsgebühr weggefallen sei.
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Sie behauptet außerdem, dass der Beklagten wegen der verschiedenen Betriebsuntersagungen eine Vermietung nicht möglich gewesen sei. Sie meint, ihre taiwanesischen Mitarbeiter hätten deswegen nicht im Hotel der Beklagten übernachten dürfen. Die Allgemeinverfügung der Stadt Köln sei erst mit Wirkung zum 04.04.2020 aufgehoben worden. Zudem wäre die Reise nicht mehr geschäftlich, sondern lediglich zu touristischen Zwecken erfolgt. Sie sei daher von der Stornozahlung befreit.
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Zudem blieben der Beklagten bei einer Stornierung mehr Aufwendungen als 10% des Buchungspreises erspart. Sie meint daher die Gebühr sei unangemessen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 13.653,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, dass die zwischen den Parteien vereinbarten Hotelpreise den üblichen Marktpreisen zu Zeiten hoher Auslastung des Hotels entsprächen. Sie meint, die Durchführung der Messe sei nicht Gegenstand des Beherbergungsvertrages gewesen.
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Sie ist außerdem der Ansicht, dass die Regelung zur Stornierungsmöglichkeit nicht unangemessen sei. Zum einen sei sie auch bei anderen Hotels üblich, zum anderen meint die Beklagte, dass es sich dabei um eine individuelle Vereinbarung zwischen den Parteien handele.
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Die Beklagte behauptet, dass eine Beherbergung der Mitarbeiter der Klägerin möglich gewesen wäre. Sie meint, die Allgemeinverfügung der Stadt sei bereits mit Wirkung zum 01.04.2020 aufgehoben worden. Bei der Reise der Klägerin handle es sich auch nicht um eine solche zu touristischen Zwecken. Die Stornierung der Klägerin sei allein aufgrund der Absage der Messe erfolgt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erstattung der restlichen Vorauszahlung in Höhe von 13.653,90 € zu.
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1.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Vorauszahlung aus §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 4 BGB.
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Es kann dahinstehen, ob der Beklagten die Erbringung der Leistung in dem von der Klägerin gebuchten Zeitraum infolge der verschiedenen Betriebsuntersagungen unmöglich war. Denn als diese Mitte März 2020 in Kraft traten, hatte die Klägerin die Zimmer bei der Beklagten bereits storniert. Die Stornierung und das Verlangen der Rückerstattung konnten sich angesichts des zeitlichen Vorlaufes gar nicht auf eine etwaige Unmöglichkeit der Leistung durch die Beklagte beziehen. Am 02.03.2020 existierten keine Untersagungen für den Hotelbetrieb der Beklagten. Auf spätere Ereignisse, die sich auf die Leistungspflicht der Beklagten auswirken könnten, kommt es daher nicht mehr an.
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Die Leistung war der Beklagten am 02.03.2020 auch nicht wegen des Umstands unmöglich, dass die Messe abgesagt wurde. Die Durchführung der Messe gehörte nicht zur Leistungspflicht der Beklagten. Sie ist nicht Vertragsinhalt geworden. Die Klägerin hat die dazu erforderlichen Tatsachen nicht schlüssig dargelegt. Sie trägt vor, dass sie die Zimmer für Mitarbeiter reserviert hatte, die die Messe besuchen sollten. Dieser Grund war der Beklagten zwar aufgrund des vorherigen Email-Verkehrs zwar bekannt. Die Tatsache allein, dass die Gegenpartei den Verwendungszweck kennt, macht diesen aber noch nicht zum Vertragsinhalt (vgl. OLG Braunschweig, OLGZ 1976, 71, 76). Die Klägerin trägt weiter vor, dass die Preise für die Zimmer nach Absage der Messe auf 114,- € pro Nacht gesunken sind. Die Klägerin ist hinsichtlich dieser Tatsache beweisfällig geblieben, denn sie hat keinen Beweis angetreten. Ihr obliegt die Beweislast, da die Tatsache für sie günstig ist. Es ist auch üblich, dass Hotelbetriebe in unmittelbarer Umgebung zu einem Messegelände ihre Preise an den dortigen Veranstaltungen orientieren, da eine höhere Nachfrage besteht. Dass der Beherbergungsvertrag selbst Hinweise auf die Messe enthält, hat die Klägerin ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Sie trägt vor, dass die von der Beklagten stammende Vereinbarung eine Verknüpfung zur Messe vorsieht, ohne dies näher auszuführen. Sollte die Klägerin damit auf die Klausel anspielen, nach der eine Vorauszahlung während Messezeiten („during fair times“) erforderlich ist, so ist dies kein Indiz für eine Verknüpfung. Denn die Klausel verlangt nach ihrem Wortlaut eine Vorauszahlung nicht nur während Messezeiten, sondern auch bei Gruppenreservierungen. Die Klägerin hat eine Gruppenreservierung vorgenommen und hätte daher unabhängig von einer zeitgleich stattfindenden Messe ohnehin eine Vorauszahlung leisten müssen. Der Messebesuch war daher lediglich Motiv der Klägerin für die Reservierung. Die Tatsache, dass die Messe abgesagt wurde, liegt in ihrer Risikosphäre. Dafür spricht auch § 537 Abs. 1 BGB. Danach wird der Mieter nicht von der Zahlung des Mietzinses befreit, wenn er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Kann der Leistungserfolg noch erbracht werden, hat der Gläubiger aber an ihm kein Interesse mehr, liegt eine Zweckstörung vor. Diese fällt nicht unter die Unmöglichkeit nach § 275 BGB (vgl. Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 313 Rn. 35.).
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Ein Anspruch der Klägerin besteht auch nicht aus § 346 Abs. 1 BGB.
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Die Klägerin konnte zwar vom Beherbergungsvertrag zurücktreten, muss aber dennoch 90% des Zimmerpreises zahlen. Die Vereinbarung der Stornierungsgebühr ist nicht, wie die Klägerin meint, unwirksam. Die Klausel ist keine Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 BGB. Es handelt sich um eine Individualabrede gemäß § 305 b BGB, denn die Klausel wurde nicht von der Beklagten gestellt, sondern zwischen den Parteien ausgehandelt. Ausweislich des von der Klägerin selbst vorgelegten Vertrages haben die Parteien abweichend zu den üblichen Vertragsbestimmungen der Beklagten Stornierungskonditionen vereinbart. Dies zeigt der Wortlaut der Klausel „Deviating from our general terms and conditions of C & Resorts both parties agree to the following cancellation policy“. Zudem fanden im Vorhinein des Vertragsschlusses Verhandlungen hinsichtlich der Stornierungsbedingungen statt. Mit Email vom 11.10.2019 bestätigte die Beklagte der Klägerin: „Wie soeben telefonisch besprochen habe ich nochmal Rücksprache gehalten bezüglich einer Stornostaffel. Ich konnte ausnahmsweise für Ihre Gruppe noch eine Staffel für 3 Zimmer pro Nacht bis 02.03.2020 einbauen. Anbei der angepasste Vertrag.“ Weitere Punkte, die eine Unwirksamkeit der Klausel begründen können, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
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Ein darüber hinaus bestehendes Rücktrittsrecht der Klägerin ergibt sich auch nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1, 3 BGB. Insoweit kann offenbleiben, ob die Durchführung der Messe Geschäftsgrundlage war. Nach den obigen Ausführungen zur Unmöglichkeit fällt der Umstand, dass die Messe stattfindet oder abgesagt wird, allein in den Risikobereich der Klägerin (§ 537 BGB). Gegenstand der Geschäftsgrundlage können aber grundsätzlich niemals Umstände sein, die in den Risikobereich der einen oder anderen Vertragspartei fallen (vgl. OLG Braunschweig, OLGZ 1976, 71, 77).
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Eine andere Beurteilung ist auch nicht wegen des besonderen Umstands geboten, dass die Messe wegen der sich ausbreitenden Pandemie abgesagt wurde. Denn zum Zeitpunkt der Stornierung war für die Klägerin nicht absehbar, dass dies auch Auswirkungen auf den Beherbergungsvertrag haben würde. Die Stornierung erfolgte einzig aus dem Grund, dass die Messe abgesagt wurde. Nachträglich eintretende Umstände sind insoweit irrelevant.
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Streitwert: 13.653,90 € (§ 48 Abs. 1 GKG)
RechtsgebieteCorona, Absage von VeranstaltungenVorschriften§ 326 BGB