06.09.2007
Bundessozialgericht: Urteil vom 26.07.2007 – B 13 R 8/07 R
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 26. Juli 2007
Az: B 13 R 8/07 R
Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Steinwedel, die Richter Dr. Fichte und Dr. Terdenge sowie die ehrenamtlichen Richter Freiherr Grote und Neuhaus
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. November 2006 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. November 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander in allen Rechtszügen außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit für den Kläger.
Der am 1944 geborene Kläger war bis Oktober 1996 versicherungspflichtig beschäftigt und bezog zuletzt Konkursausfallgeld. Anschließend war er arbeitslos mit Arbeitslosengeldbezug. Vom 2.1.1997 bis zum 30.8.1998 war der Kläger selbständig tätig und bezog von der Agentur für Arbeit für die ersten sechs Monate der Selbständigkeit Überbrückungsgeld (§ 55a Arbeitsf örderungsgesetz
Sein Versicherungsverlauf stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:
- vom 1.1.1976 bis 7.10.1996 Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung
- vom 8.10.1996 bis 1.1.1997 Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosengeldbezugs
- vom 2.1.1997 bis 30.8.1998 Selbständigkeit
- vom 31.8.1998 bis 2.1.2001 Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosengeldbezugs
- vom 3.1.2001 bis 25.4.2004 Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug.
Den im April 2004 gestellten Antrag auf Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.5.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2004 ab, weil in den letzten zehn Jahren vor Rentenbeginn nicht mindestens 96 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien; der Zehn-Jahres-Zeitraum verlängere sich nicht um die letzte Zeit der Arbeitslosmeldung ohne Leistungsbezug; denn die Arbeitslosigkeit habe keine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen, weil der Kläger in der Zeit von Januar 1997 bis August 1998 selbständig tätig gewesen sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids verurteilt, dem Kläger ab 1.8.2004 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren, weil es die Zeit der Selbständigkeit als unschädliche Überbrückungszeit angesehen hat (Urteil vom 24.11.2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 15.11.2006) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der maßgebliche Zehn-Jahres-Zeitraum verlängere sich beim Kläger um 42 Monate, weil die Zeit vom 3.10.2001 bis zum 31.7.2004 Anrechnungszeit iS des § 237 Abs 1 Nr 4 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei. Der Kläger sei als Arbeitsuchender gemeldet gewesen und habe wegen zu berücksichtigenden Einkommens keine öffentlich-rechtlichen Leistungen (Arbeitslosenhilfe) bezogen. Die Zeit habe auch eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen; denn bei der Zeit seiner Selbständigkeit von Januar 1997 bis August 1998 handele es sich um einen "Selbsthilfeversuch" zur Beendigung der Arbeitslosigkeit, der als Überbrückungszeit in Bezug auf die folgende Arbeitslosigkeit zu sehen sei. Mit dem Versuch, sich selbständig zu machen, habe der Kläger ein sozialadäquates, von Verfassungs wegen schützenswertes Verhalten gezeigt, das trotz der Zeitdauer von mehr als sechs Monaten als Überbrückungstatbestand zu werten sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits "in anderen Konstellationen" Überbrückungstatbestände bei einer deutlich über sechs Monate hinausgehenden Unterbrechung einer Meldung beim Arbeitsamt angenommen. Überdies sei es einem Versicherten nahezu unmöglich, bereits in sechs Monaten eine Entscheidung über die Fortführung der Selbständigkeit oder deren Aufgabe und die Rückkehr in die Pflichtversicherung zu treffen; im Fall der Überbrückung durch Selbständigkeit liege es mithin in der Natur der Sache, dass eine zeitliche Lücke durchaus 20 Monate betragen könne. Dies bestätige auch der Rechtsgedanke des (inzwischen aufgehobenen) § 421 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III), wonach Versicherte einen Existenzgründungszuschuss für die Dauer von bis zu drei Jahren erhielten, wenn sie versuchten, durch eine selbständige Tätigkeit die Arbeitslosigkeit abzuwenden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und Abs 2 sowie § 237 SGB VI. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Hinsichtlich des "gescheiterten Selbsthilfeversuchs" habe das BSG (Urteile vom 16.11.1972, SozR Nr 50 zu § 1259 der Reichsversicherungsordnung
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15.11.2006 sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.11.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Auf die Revision der Beklagten waren die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben. Dem Kläger steht Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nicht zu.
Gemäß § 237 Abs 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, wenn sie vor dem 1.1.1952 geboren sind, das 60. Lebensjahr vollendet haben, bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und sechs Monaten insgesamt 52 Monate arbeitslos waren oder die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeit iS der §§ 2 und 3 Abs 1 Nr 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben, in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
Während der Kläger zum 1.8.2004 die Leistungsvoraussetzungen der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit im Übrigen erfüllt, fehlt es an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 237 Abs 1 Nr 4 SGB VI. Denn der Kläger verfügt im maßgeblichen Zehn-Jahres-Zeitraum nicht über acht Jahre (96 Monate) Pflichtbeitragszeiten. Er hat zwischen August 1994 und Juli 2004 lediglich zurückgelegt (vgl Versicherungsverlauf vom 12.5.2004, S 18 Rückseite der Rentenakte):
- Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung von August 1994 bis Oktober 1996| 27 Monate - Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosengeldbezugs von November 1996 bis Januar 1997|3 Monate - Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosengeldbezugs von August 1998 bis Januar 2001|30 Monate zusammen also|60 Monate
Die notwendige Anzahl von 96 Monaten mit Pflichtbeiträgen im maßgeblichen Zehn-Jahres-Zeitraum hat der Kläger mithin nicht erreicht.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen verlängert sich der maßgebliche Zehn-Jahres-Zeitraum beim Kläger nicht um die Zeit vom 3.1.2001 bis 31.7.2004 (42 Monate), in der er arbeitslos ohne Leistungsbezug gewesen ist. Zwar sieht § 237 Abs 1 Nr 4 Halbsatz 2 SGB VI die Verlängerung des maßgeblichen Zeitraums ua durch Anrechnungszeiten vor. Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit sind gemäß § 58 Abs 1 Nr 3 SGB VI Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Nach § 58 Abs 2 SGB VI liegen solche Anrechnungszeiten jedoch nur dann vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit unterbrochen worden ist. An der Unterbrechung einer solchen versicherten Tätigkeit fehlt es im vorliegenden Fall. In seiner selbständigen Tätigkeit vom 2.1.1997 bis zum 30.8.1998 unterlag der Kläger nicht der Versicherungspflicht. Die Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung wäre nur gewahrt, wenn sich seine Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug ab 3.10.2001 noch an die versicherte Beschäftigung bis 7.10.1996 mit nachfolgender Pflichtbeitragszeit wegen Arbeitslosengeldbezugs bis 1.1.1997 anschloss. An einem solchen Anschluss fehlt es jedoch; denn die dazwischenliegende Zeit der Arbeitslosigkeit ist nicht als unschädliche Brückenzeit ("Überbrückungstatbestand") zu bewerten.
Das von der Rechtsprechung entwickelte Tatbestandsmerkmal des Überbrückungstatbestands dient der weiteren Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Unterbrechung". Es trägt dem Umstand Rechnung, dass dieser Begriff nicht nur eine zeitliche Dimension, sondern auch einen kausalen Bezug aufweist. Denn ein solches Verständnis entspricht Sinn und Zweck des § 58 SGB VI (bzw der Vorgängervorschriften § 1259 RVO, § 36 des Angestelltenversicherungsgesetzes). Die Regelung soll dem Versicherten einen Ausgleich für bestimmte unverschuldete Beitragsausfälle (zB wegen Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit) gewähren (vgl Senatsurteil vom 1.2.2001 - B 13 RJ 37/00 R - BSGE 87, 269 = SozR 3-2600 § 58 Nr 16; vgl auch BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 7, SozR 3-2600 § 252 Nr 2 und SozR 2200 § 1259 Nr 94). Mithin gewährleistet die Überbrückungszeit den Anschluss, dh sie füllt vorhandene Lücken zwischen dem Ende der versicherten Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit (bzw einer Anrechnungszeit) und dem Beginn einer (weiteren) Anrechnungszeit aus, wobei die Zeit selbst keine Anrechnungszeit ist. Sie gewährleistet lediglich, dass der Zurechnungszusammenhang mit nachfolgenden Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten bestehen bleibt (BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 20; Senatsurteil vom 11.3.2004 - B 13 RJ 16/03 R - BSGE 92, 241 = SozR 4-2600 § 58 Nr 3 mit zahlreichen Nachweisen).
Rechtfertigender Grund für die Anerkennung einer Überbrückungszeit ist im Wesentlichen, dass der Versicherte im jeweiligen Zeitraum noch dem Kreis der Arbeitsuchenden iS des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI zuzuordnen ist. In die entsprechende Wertung haben Gesichtspunkte einzufließen, die den Schutzzweck der Norm berücksichtigen. Vor allem kommt es darauf an, ob der Versicherte nach den Gesamtumständen noch dem eine Versicherungspflicht begründenden aktiven Erwerbsleben zuzurechnen ist, ob also während des Lückenzeitraums ein hinreichender Zusammenhang hiermit besteht. Eine entsprechende Annahme liegt nahe, wenn die Lücke unverschuldet, also durch vom Versicherten nicht zu vertretende Umstände, oder durch ein sozialadäquates, insbesondere durch ein von Verfassungs wegen schützenswertes Verhalten entstanden ist (BSGE 92, 241 = SozR 4-2600 § 58 Nr 3; BSGE 87, 269 = SozR 3-2600 § 58 Nr 16).
Als sozialadäquates Verhalten in diesem Sinne kommt insbesondere der Selbsthilfeversuch zur Abwendung von Arbeitslosigkeit in Betracht. Das BSG hat in einer Reihe von Entscheidungen den Selbsthilfeversuch durch das Eingehen einer nicht versicherten Beschäftigung oder das Ausüben einer selbständigen Tätigkeit als "Brückenzeit" gewertet, wenn darin das Bemühen um die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zum Ausdruck kommt (BSG SozR 2200 § 1259 Nr 94; BSGE 34, 93 = SozR Nr 44 zu § 1259 RVO; BSG SozR Nr 50 zu § 1259 RVO). Den - etwa sechs Monate dauernden - Versuch eines Arbeitslosen, sich seinen Lebensunterhalt durch Übernahme einer selbständigen Tätigkeit zu verdienen, hat das BSG in seinen Urteilen vom 8.3.1972 (11 RA 190/71 - BSGE 34, 93 = SozR Nr 44 zu § 1259 RVO) und 16.11.1972 (11 RA 168/72 - SozR Nr 50 zu § 1259 RVO) als unschädlichen Überbrückungstatbestand gewertet und ausgeführt: Erfahrungsgemäß sei ein derartiger Selbsthilfeversuch nicht selten zum Scheitern verurteilt, weil zunächst einmal alle Voraussetzungen für die erfolgreiche Ausübung der selbständigen Tätigkeit fehlten. Es bestünden deshalb keine Bedenken, einen Arbeitslosen, der zu einer selbständigen Tätigkeit übergehe, jedenfalls für eine gewisse Anlaufzeit sogar weiterhin als arbeitslos anzusehen; jedenfalls aber sei die Zeit des "missglückten Arbeitsversuchs" dann unschädlich, wenn zwischen dem Ausscheiden aus dem Unterstützungsbezug und einer erneuten Arbeitslosmeldung nicht mehr als etwa sechs Monate lägen. Denn innerhalb eines solchen verhältnismäßig kurzen Zeitabschnitts lasse sich erfahrungsgemäß stets überblicken, ob der Selbsthilfeversuch Erfolg verspreche oder zum Scheitern verurteilt sein werde.
Allgemein hat das BSG bereits zu anderen Überbrückungstatbeständen als einem Selbsthilfeversuch darauf hingewiesen, dass es mit zunehmender Dauer der Lücke immer schwerer wird, die erforderliche Verbindung zwischen der davor- und der dahinterliegenden Zeit der Arbeitslosigkeit herzustellen (vgl BSGE 29, 120 = SozR Nr 22 zu § 1259 RVO). Das Merkmal der Unterbrechung in § 58 Abs 2 SGB VI beinhaltet aber die Erwartung einer Fortsetzung der Erwerbsarbeit in Form einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr 28; BSGE 70, 111 = SozR 3-2200 § 1259 Nr 11). Hierauf aufbauend hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 1.2.2001 (BSGE 87, 269 = SozR 3-2600 § 58 Nr 16) darauf abgestellt, dass, ebenso wie bei der von der bisherigen Rechtsprechung für Selbsthilfeversuche gezogenen Sechs-Monats-Grenze, auch bei einer Pflegetätigkeit erwartet werden kann, dass der Versicherte in dieser Zeit in der Lage ist, die Dauerhaftigkeit seiner begonnenen Tätigkeit sicher einzuschätzen. Demgemäß ist regelmäßig nach sechs Monaten die Entscheidung des Versicherten zu erwarten, ob er nunmehr auf Dauer selbständig tätig bleiben, mit anderen Worten: ob er den "Status" des Arbeitslosen (und nur vorübergehend, versuchsweise selbständig Tätigen) verlassen will oder ob er den Selbsthilfeversuch als gescheitert betrachtet.
Gegen die in dieser Form feststehende Rechtsprechung des BSG sprechen auch nicht Bestimmungen des Arbeitsförderungsrechts. Dies gilt sowohl für den vom LSG herangezogenen, inzwischen wieder aufgehobenen § 421 SGB III, der im hier zu beurteilenden Zeitraum ohnehin noch nicht gegolten hat, als auch für die Zwei-Jahres-Frist des § 135 Abs 1 Nr 2 Buchst b AFG (§ 196 Satz 2 Nr 2 SGB III aF), wonach der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erst erlischt, wenn seit dem letzten Tag des Bezugs zwei Jahre vergangen sind, wenn nur wegen einer selbständigen Tätigkeit kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestand (worauf das SG abgestellt hat). Denn Zeiten einer selbständigen Tätigkeit werden im Arbeitsförderungsrecht - je nach Fallkonstellation - durchaus unterschiedlich behandelt: So bewirkt eine selbständige T ätigkeit direkt im Anschluss an das Ende einer Beschäftigung (so die Fallgestaltung bei BSG SozR Nr 50 zu § 1259 RVO) den Verlust des auf der Beschäftigung beruhenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld bereits nach einem Jahr, weil dann in der Rahmenfrist von zwei Jahren nicht mehr mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis liegen (§§ 123, 124 SGB III); hingegen führt die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit aus dem Bezug von Arbeitslosengeld heraus (so die Fallgestaltung bei BSGE 34, 93 = SozR Nr 44 zu § 1259 RVO) erst dann zu einem Erlöschen des Anspruchs, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind (§ 147 Abs 2 SGB III). Eine Orientierung des Überbrückungszeitraums in der Rentenversicherung an Vorschriften des Arbeitsförderungsrechts, wie in den Vorinstanzen vorgeschlagen, verbietet sich daher. Jedenfalls kann aus den genannten gesetzlichen Regelungen keine einheitliche Linie abgeleitet werden, die dafür sprechen könnte, den Überbrückungstatbestand des Selbsthilfeversuchs durch selbständige Tätigkeit auf die im Falle des Klägers erheblichen 20 Monate (oder länger) auszudehnen.
Ebenso wenig bietet das Steuerrecht Argumente für ein derartiges Vorgehen. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass die Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit zur Abgrenzung von Liebhaberei und erfolgreicher Selbständigkeit auf einen zehnjährigen Bewertungszeitrahmen abstelle, kann dies zu keiner anderen Einschätzung des Begriffs der Unterbrechung iS des § 58 Abs 2 SGB VI führen. Das BSG hat bereits wiederholt entschieden, dass die rechtliche Bedeutung eines Begriffs (hier: des Begriffs der "Unterbrechung") im Steuer- wie im Rentenversicherungsrecht inhaltlich nicht identisch zu bewerten sein muss (vgl Urteile vom 31.8.2000 - B 4 RA 5/00 R - SozR 3-2600 § 48 Nr 4 und vom 18.6.2003 - B 4 RA 37/02 R - SozR 4-2600 § 48 Nr 2 - beide zum Begriff der "Berufsausbildung"). Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Rechts- und Regelungsbereiche des Finanz- und gesetzlichen Rentenversicherungsrechts leuchtet dies ohne Weiteres ein: Der Bewertungsrahmen von zehn Jahren im Finanzrecht zur Abgrenzung von Liebhaberei und erfolgreicher Selbständigkeit dient allein der praktischen Umsetzung des Steuerrechts, wobei ohnehin eine Neubewertung der Tätigkeit bei geänderten Erkenntnissen nicht ausgeschlossen ist. Auf die steuerrechtliche Bewertung ausgeübter beruflicher Tätigkeiten kommt es nach der Zweckrichtung des Überbrückungstatbestands iS des § 58 Abs 2 SGB VI aber nicht an. Die im Steuerrecht geltende Rechtsauffassung bzgl des zehnjährigen Bewertungsrahmens ist daher im Rentenversicherungsrecht irrelevant.
Unerheblich ist auch, dass das BSG in Einzelfällen von einem länger als sechs Monate dauernden Überbrückungstatbestand ausgegangen ist (Urteile vom 24.11.1982 - 5a RKn 23/81 - SozR 2200 § 1259 Nr 72 und vom 20.4.1983 - 5a RKn 22/81 - veröffentlicht bei Juris
Zu Erwägungen, ob und unter welchen Voraussetzungen von der Sechs-Monats-Frist bei Selbsthilfeversuchen ggf abgewichen werden sollte, bietet der Fall des Klägers keine Veranlassung. Zwar kommt es bei der Frage des Vertreten-Müssens einer entstandenen Lücke auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an (BSG SozR Nr 50 zu § 1259 RVO), wobei Gesichtspunkte der Billigkeit (BSGE 34, 93, 95 = SozR Nr 44 zu § 1259 RVO) und der Sozialadäquanz (BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 7) zu berücksichtigen sind. Etwaige Besonderheiten im Vergleich zur vorgenannten - gefestigten - Rechtsprechung zum Selbsthilfeversuch durch selbständige Tätigkeit werden im Fall des Klägers jedoch nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass für einen Erfolg der Klage eine Ausdehnung des unschädlichen Überbrückungszeitraums auf 20 Monate erforderlich wäre.
Liegt danach beim Kläger in der Zeit vom 2.1.1997 bis zum 30.8.1998 kein unschädlicher Überbrückungszeitraum vor, erfüllt er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 237 Abs 1 Nr 4 SGB VI - und damit die Voraussetzungen für eine Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit - nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.