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16.03.2022 · IWW-Abrufnummer 228070

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 22.04.2021 – L 6 KR 48/17

Für die Versorgung mit einer Valplast-Interimsprothese ist die Befundklasse 5.1 Festzuschuss-Richtlinie einschlägig. Es handelt sich insoweit um keine neue, eigenständig zu bewertende Behandlungsmethode.


Landessozialgericht Sachsen-Anhalt

Urteil vom 22.04.2021


Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist die Gewährung eines Festzuschusses für eine Interimsprothese.

2
Der 1954 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger reichte bei dieser den Heil- und Kostenplan Dipl.-Stom. G. vom 21. Juli 2016 ein, welcher für die Zähne 36 und 37 eine Interimsversorgung mittels Valplastprothese (bestehend aus thermoplastischem Nylonmaterial ohne Verwendung von Metallklammern) vorsah. Die Gesamtkosten wurden mit 535,51 € angegeben; abzüglich eines Festzuschusses i.H.v. 134,63 € betrage der voraussichtliche Eigenanteil 400,88 €.

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Mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 lehnte die Beklagte einen Festzuschuss ab; eine Valplastprothese beinhalte gegenwärtig keine anerkannte Behandlungsmethode. Den hiergegen am 3. November 2016 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2016 als unbegründet zurück. Unabhängig davon, ob die Valplastprothese als Regelversorgung bzw. gleich- oder andersartige Versorgung geplant sei, handele es sich um keine gemäß § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ‒ Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zugelassene Methode vertragszahnärztlicher Leistungen.

4
Am 11. Januar 2017 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau Klage erhoben und die Ansicht vertreten, es gehe um keine neue Behandlungsmethode. Der Unterschied zur klassischen Klammerprothese sei lediglich der Verzicht auf die Verwendung metallischer Zahnbefestigungsklammern. Im Rahmen einer etablierten Behandlung komme nur ein anderer Werkstoff zum Einsatz (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. September 2006 ‒ B 3 KR 28/05 RBSGE 97, 133). In ihrer beigefügten Stellungnahme vom 22. Dezember 2016 hat Dipl.-Stom. G. ausgeführt, die beantragte Behandlung sei seit Jahren als lege artis anerkannt und werde über die Festbetragsgruppe 5 von allen ihr bekannten Krankenkassen problemlos bezuschusst. Auch die Beklagte habe die Genehmigung eines Heil- und Kostenplans bislang in keinem Fall in Frage gestellt.

5
Mit Urteil vom 31. Mai 2017 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die geplante Versorgung entsprechend dem Heil- und Kostenplan vom 21. Juli 2016 Kosten i.H.v. 134,63 € zu gewähren, und hierzu in den Gründen ausgeführt: Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei medizinisch notwendiger Versorgung mit Zahnersatz, wenn die geplante Versorgung einer Methode entspreche, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt sei. Entsprechendes sei hier der Fall. Insbesondere handele es sich um keine noch nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehörende neue Behandlungsmethode i.S.v. § 135 Abs. 1 SGB V. Eine Behandlungsmethode beschreibe eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liege, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheide, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen solle. „Neu“ sei eine Methode grundsätzlich dann, wenn sie bislang nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten sei. Setze sich eine Behandlungsmethode aus einer Kombination verschiedener ‒ für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener ‒ Maßnahmen zusammen, könne es sich um eine neue Methode handeln, wenn das zugrundeliegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der Kombination verschiedener Einzelleistungen bestehe. Dann sei entscheidend, ob die im EBM-Ä bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen oder bereits zugelassene Behandlungsmethoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erführen (BSG, Urteil vom 8. Juli 2015 ‒ B 3 KR 5/14 R ‒ juris, Rn. 32).

6
Nach diesen auf zahnärztliche Leistungen übertragbaren Grundsätzen liege hier keine „neue“ Behandlungsmethode vor. Die Verwendung eines anderen Materials für Befestigungselemente beinhalte keine wesentliche Änderung. Die Festzuschuss-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in der hier maßgeblichen Fassung vom 25. November 2016 (abrufbar unter: www.dimdi.de) enthalte in Abschnitt 5 keine Vorgaben für das zu verwendende Material. In Abschn. D II. Zahnersatz-Richtlinie des G-BA sei zwar in Ziff. 25 durch den Verweis auf Ziff. 20 eine Materialvorgabe enthalten. Diese betreffe jedoch nur Brücken, nicht dagegen eine Interimsversorgung und auch keine Halteklammern. Die Höhe des Festzuschusses folge in Abhängigkeit vom persönlichen prozentualen Bonus unmittelbar aus Nr. 5.1 Festzuschuss-Richtlinie. Die Berufung sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

7
Gegen das ihr am 4. Juli 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens noch im selben Monat beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Ihre Ansicht werde auch von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) sowie in der Literatur vertreten (Hinweis auf Liebold/Raff/Wissing, BEMA und GOZ) und sei ebenso aus der ‒ von der Beklagten vorgelegten ‒ Erklärung der Partner des G-BA zur Anerkennung bereits angewandter Methoden und zur Einführung neuer Methoden in der vertragszahnärztlichen Versorgung vom 8. Dezember 2004 ableitbar. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass zum Zahnersatz nach Abschn. D III. Ziff. 27 Zahnersatz-Richtlinie sowie zur Befundklasse 5.1 Festzuschuss-Richtlinie auch die erforderlichen Halte- und Stützvorrichtungen gehörten. Bei diesen werde entsprechend den Nrn. 96 und 98f des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (BEMA) bzw. Nr. 203 1 und 381 0 des Bundeseinheitlichen Verzeichnisses der abrechnungsfähigen zahntechnischen Leistungen (BEL II) zwischen einfachen, doppelarmigen und mehrarmigen gebogenen oder gegossenen Vorrichtungen unterschieden. Gebogene Varianten seien aus speziellem Klammerdraht hergestellt. Gegossene Vorrichtungen bestünden regelmäßig aus einer speziellen mundbeständigen NichtedelmetaIl-Legierung. Für Valplastprothesen würden keine Metallklammern verwendet, die nach den zuvor genannten Vorgaben zwingend notwendig seien.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 31. Mai 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10
Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

12
Er verteidigt die Entscheidung des SG und verweist darauf, dass drei in den Jahren 2008 und 2010 von der KZBV bzw. dem GKV-Spitzenverband eingeholte Gutachten die Abrechnungsfähigkeit von Valplastprothesen bestätigt hätten.

13
Auf entsprechende gerichtliche Anfrage hat der Unterausschuss Zahnärztliche Behandlung des G-BA unter dem 30. Mai 2018 mitgeteilt, hinsichtlich der Versorgung mit Valplast-Interimsprothesen sei weder ein Methodenbewertungsverfahren gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V noch ein Erprobungsverfahren i.S.v. § 137e Abs. 7 SGB V anhängig. Daher seien auch keine Beratungen zur Frage einer etwaigen Methodeneigenschaft bzw. ‒ bejahendenfalls ‒ Neuheit der Methode erfolgt.

14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe

15
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

16
Der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2016 beschwert den Kläger im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Wie bereits vom SG zutreffend ausgeführt, hat er Anspruch auf einen Festzuschuss in unstrittiger Höhe von 134,63 €.

17
Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben der Sätze 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfassen die Festzuschüsse 50 vom Hundert (vH) der nach § 57 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 2 Sätze 6 und 7 SGB V festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung. Für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne erhöhen sich die Festzuschüsse um 20 vH (§ 55 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Sie erhöhen sich um weitere 10 vH, wenn der Versicherte seine Zähne regelmäßig gepflegt und in den letzten zehn Kalenderjahren vor Beginn der Behandlung die Untersuchungen nach § 55 Abs. 1 Satz 4 Nrn. 1 und 2 SGB V ohne Unterbrechung in Anspruch genommen hat (§ 55 Abs. 1 Satz 5 SGB V in der hier einschlägigen und bis zum 30. September 2020 gültigen Fassung).

18
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger ist bei der Beklagten versichert und hat dieser gegenüber seine Bonusberechtigung durch Vorlage der Kopien seines Bonushefts nachgewiesen. Die Versorgung der Zähne 36 und 37 mittels Interimsprothese war auch medizinisch notwendig, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstrittig ist. Schließlich entsprach sie einem nach § 135 Abs. 1 SGB V anerkannten Verfahren. Insbesondere liegt dem Einsatz der Valplastprothese keine eigenständig zu bewertende Behandlungsmethode zugrunde; jedenfalls wäre sie auch nicht neu.

19
Eine „Behandlungsmethode"" beschreibt ein medizinisches Vorgehen, dem ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das seine systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Therapie ist eine Methode „neu“, wenn sie hinsichtlich des medizinischen Nutzens, möglicher Risiken und in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit wesentliche, bisher nicht vom G-BA geprüfte Änderungen aufweist, die sich insbesondere aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise oder aus einer Änderung des Anwendungsgebietes ergeben können (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 ‒ B 3 KR 6/16 R ‒ SozR 4-2500 § 33 Nr. 51, m.w.N.).

20
Dabei muss nicht jeder neuen Leistung auch eine neue Methode zugrunde liegen. Das ergibt sich nicht erst aus § 87 Abs. 3e) Sätze 4 ff. SGB V, wonach der Bewertungsausschuss auf Verlangen bestimmter Berechtigter im Einvernehmen mit dem G-BA eine Auskunft darüber zu erteilen hat, ob die Aufnahme der neuen Leistung in das Leistungsverzeichnis (EBM-Ä bzw. hier BEMA) in eigener Zuständigkeit beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue noch durch den G-BA nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu bewertende Methode handelt. Dabei bilden die in den Leistungsverzeichnissen bereits enthaltenen Einzelleistungen ‒ ebenso wie bereits zugelassene Behandlungsmethoden ‒ einen Vergleichsmaßstab, anhand dessen zu prüfen ist, ob die in Frage stehende Maßnahme noch den bereits anerkannten Leistungen bzw. Methoden zuzurechnen ist oder wesentliche Änderungen enthält. Eine wesentliche Änderung erfahren bereits im EBM-Ä bzw. BEMA enthaltene Leistungen oder zu Lasten der GKV abrechnungsfähige Methoden insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergibt bzw. sich ihr Wirkprinzip oder Anwendungsgebiet von anderen, in der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung bereits eingeführten Herangehensweisen wesentlich unterscheidet, oder wenn mit der Methode aus anderen Gründen gesundheitliche Risiken verbunden sein können, denen bisher nicht nachgegangen wurde (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 ‒ B 3 KR 6/16 R ‒ s.o.).

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Um „neu“ zu sein, muss sich die Methode von bereits zugelassenen Behandlungen so deutlich unterscheiden, dass eine selbstständige Bewertung durch den G-BA nach § 135 Abs. 1 SGB V erforderlich ist. Dieses Bewertungserfordernis dient zur Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertrags(zahn)-ärztlichen Versorgung angewandt werden. Im Hinblick auf § 12 Abs. 1 SGB V darf die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 ‒ B 3 KR 6/16 R ‒ a.a.O.).

22
Gemessen hieran weist der Einsatz der partiellen Valplast-Interimsprothese beim Kläger im Vergleich zur Verwendung einer Kunststoffdrahtklammerprothese keine derartigen Unterschiede auf, die eine selbstständige Bewertung durch den G-BA erforderlich machen. Es handelt sich insoweit um keine eigenständige Behandlungsmethode, die neu i.S.v. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist. Das Anwendungsgebiet einer Valplast-Interimsprothese ist mit demjenigen einer anderen ebenfalls aus Prothesenkunststoff gefertigten Teilprothese identisch. Bei unveränderter Methode (Verwendung einer Teilprothese zur Interimsversorgung) wird nur bei den Klammerarmen statt Draht ebenso wie für die Basis Nylon verwendet (siehe nur Boeckler, Quintessenz Zahntechnik, 2/2018, abrufbar unter: https://www.quintessence-publishing.com/deu/de/ news/zahn-technik/materialien/klinische-pilotstudie-zur-eignung-von-teilprothesen-aus-nylon-12-zur-interimsversorgung-des-lueckengebisses; Pospiech, Zahnärztliche Mitteilungen ‒ online, 8. Januar 2018, abrufbar unter: https://www.zm-online.de/news/zahnmedizin /aesthetikklammern-im-frontzahnbereich/). Der Behandlung liegt das gleiche theoretische Konzept zugrunde wie beim Einsatz von Kunststoffdrahtklammerprothesen.

23
Eine Interimsprothese, deren Tragedauer in Abhängigkeit vom Heilungsprozess in der Regel zwei bis drei Monate beträgt, dient nicht nur kosmetischen und ästhetischen, sondern vor allem funktionellen und phonetischen Zwecken. Als Übergangslösung nach Zahnverlust zielt sie bis zur endgültigen Versorgung hauptsächlich darauf ab, neu entstandene Zahnlücken zügig zu schließen, um frühzeitig einem Knochenabbau entgegenzuwirken und so entsprechend Abschn. B. Ziff. 13 der auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 73 Abs. 2 Nr. 2a, 56 Abs. 2 SGB V beruhenden Zahnersatz-Richtlinie die Bisslage zu sichern. Deshalb kann sie ‒ wie hier ‒ auch allein im Seitenzahnbereich indiziert sein (z.B. Liebold/Raff/Wissing, BEMA und GOZ, Stand November 2020, Befundklasse 5 ‒ Versorgung mit einer Interimsprothese; Boeckler, a.a.O.; Pospiech, a.a.O.).

24
Die Versorgung mit einer partiellen Valplast-Interimsprothese birgt für den Kläger auch keine erkennbaren gesundheitlichen Gefahren. Zwar mag mit ihr das technische „Risiko“ einhergehen, nur bedingt unterfütterungsfähig und schwierig erweiterbar zu sein. Andererseits besitzt sie gegenüber klassischen Kunststoffdrahtklammerprothesen aber nicht nur ästhetische Vorteile, sondern ist im Unterschied zu diesen auch nahezu unzerbrechlich. Darüber hinaus weist sie kein kontaktallergisches Potential auf (siehe nur Boeckler, a.a.O.). Gerade auch letzteres kann nach Abschn. C. Ziff. 14 Zahnersatz-Richtlinie ein gewichtiger Aspekt bei der individuellen Prothesenauswahl sein. Individuell medizinische Kontraindikationen (z.B. keine Herausnehmbarkeit bzw. Aspirationsgefahr infolge zu geringer Größe der Prothese) sind von der Beklagten nie behauptet worden oder sonst ersichtlich. Im Übrigen gälte entsprechendes auch für eine Kunststoffdrahtklammerprothese, bei der neben der Möglichkeit eines Verschluckens zudem das drahtbedingte Verletzungsrisiko hinzutritt.

25
Die Verwendung einer Valplast-Interimsprothese lässt sich auch ohne weiteres den etablierten Befundklassen und Leistungsziffern zuordnen. Insbesondere ist die Verwendung einer Teilprothese als Interimsersatz Bestandteil des BEMA.

26
Auf Grundlage von § 56 Abs. 1 SGB V legt der G-BA in der Festzuschuss-Richtlinie die Befunde fest, für die Festzuschüsse nach § 55 SGB V gewährt werden und ordnet diesen prothetische Regelversorgungen zu. Die Bestimmung der Befunde erfolgt auf der Grundlage einer international anerkannten Klassifikation des Lückengebisses, wobei dem jeweiligen Befund eine zahnprothetische Regelversorgung zugeordnet wird, die sich an zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen zu orientieren hat, die zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen bei einem Befund im Sinne von Satz 1 nach dem allgemein anerkannten Stand der zahnmedizinischen Erkenntnisse gehören (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB V in der seit dem 26. März 2007 unverändert geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgeset-zes, BGBl. I 2007, 378).

27
Laut Heil- und Kostenplan vom 21. Juli 2016 fehlen beim Kläger im Oberkiefer die Zähne 16-18 und 27 sowie im Unterkiefer die Zähne 36 und 37, um die es bei der streitigen Versorgung auch geht. Einschlägig ist damit die Befundklasse 5.1 Festzuschuss-Richtlinie („Lückengebiss nach Verlust von bis zu 4 Zähnen je Kiefer in Fällen, in denen eine endgültige Versorgung nicht sofort möglich ist“). Die zahnärztliche Regelversorgung beinhaltet hierfür eine partielle Prothese nach Nr. 96a BEMA nebst Halte- und Stützvorrichtungen nach Nr. 98f BEMA, die gemäß Abschn. D III. Ziff. 27 Zahnersatz-Richtlinie ebenfalls zum Zahnersatz gehören. Die Allgemeinen Bestimmungen Teil 5, Nrn. 96 a) und 98f BEMA sehen insoweit die Verwendung doppelarmiger Halte- oder einfacher Stützvorrichtungen oder mehrarmiger gebogener Halte- und Stützvorrichtungen vor. Als zahntechnische Regelversorgung wird für die Befundklasse 5.1 auf Nr. 203 1 („zweiarmige gegossene Haltevorrichtung“) bzw. 381 0 („sonstige gebogene Halte- und/oder Stützvorrichtung“) BEL II-2014 verwiesen.

28
Zwar mögen gebogene Klammern herkömmlich aus speziellem Draht hergestellt sein (Liebold/Raff/Wissing, a.a.O, Nr. 98f, Pkt. 1.2.1). Allein hieraus und entgegen dem Wortlaut lässt sich beim Einsatz von Valplastprothesen jedoch auf keine neue Behandlungsmethode schließen (so aber Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., Nr. 96, Pkt. 3.3 ‒ Sunflex- bzw. Valplastprothesen). Sämtliche doppelarmige Halte- und Stützvorrichtungen abnehmbarer Teilprothesen sind deren Klammern (Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., Nr. 98f, Pkt. 1.1). Nach den Erläuterungen zum Leistungsinhalt zählen zu Nr. 381 0 BEL II-2014 u.a. Doppelarmklammern (abrufbar z.B. unter: https: //www. gkv-spitzenverband. de/media/dokumente/krankenversicherung_1/zahnaerztliche_versorgung/zahntechniker/BEL_II_-_2014_-_ab_01.01.2020.pdf). Dass die zahnfleischfarbenen Klammerarme metallfreier Interimsprothesen Doppelklammern sind, steht außer Zweifel (so ausdrücklich Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., Nrn. 5200 und 5210 GOZ, jew. Pkt. 1.5 und 1.6).

29
Dagegen lässt sich auch nicht die ‒ rechtlich unverbindliche ‒ Erklärung der Partner des G-BA vom 8. Dezember 2004 einwenden, wobei die Nichtverwendung von Drahtklammern in rein tatsächlicher Hinsicht als wesentlich anderer zahntechnischer Herstellungsvorgang unterstellt werden kann. Denn weder die Nrn. 96 a) bzw. 98f BEMA noch Nr. 381 0 BEL II-2014 machen Materialvorgaben für Doppelklammern einer Interimsprothese. Eine Beiladung des G-BA war insoweit nicht erforderlich, zumal eine etwaige Methodeneigenschaft des Einsatzes einer partiellen Valplast-Interimsprothese in dessen Äußerung vom 30. Mai 2018 nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck kommt.

30
Schließlich ist die dem Heil- und Kostenplan vom 21. Juli 2016 zu entnehmende Versorgung des Klägers auch wirtschaftlich. Auch die Verwendung einer Valplast-Interimsprothese ist in der Befundklasse 5.1 Festzuschuss-Richtlinie entsprechend seiner Bonusberechtigung von 30 % (nur) mit einem Festbetrag i.H.v. 134,63 € zuschussfähig und unterscheidet sich auch insoweit nicht vom Einsatz einer Kunststoffdrahtklammerprothese.

31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

32
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor; insbesondere ist Begriff der „neuen Behandlungsmethode“ durch die zitierte Rechtsprechung des BSG geklärt.

RechtsgebieteSGB V, FZRL, EBM-ZVorschriften§ 55 Abs. 1 SGB V, § 56 Abs. 1 SGB V, § 56 Abs. 2 S. 2-3 SGB V, § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V, FZRL Teil B Nr. 5.1, § 12 Abs. 1 SGB V, § 55 Abs. 1 S. 1-2 SGB V § 73 Abs. 2 Nr. 2a SGB V, § 87 Abs. 3e S. 4 SGB V, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V, EBM-Z Nr. 96a, EBM-Z Nr. 98f