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21.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060553

Bundesgerichtshof: Urteil vom 23.11.2005 – VIII ZR 4/05

Der Anspruch des Wohnungsmieters auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung setzt nicht voraus, dass der Mieter in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt hat.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

VIII ZR 4/05

Verkündet am:
23. November 2005

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Ball, Dr. Wolst und Dr. Frellesen sowie die Richterin Hermanns

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 7. Dezember 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger mieteten mit Vertrag vom 4. Februar 1992 von den Rechtsvorgängern des Beklagten eine Wohnung in B. . Die 114,75 qm große Wohnung verfügt über 3 1/2 Zimmer, eine Kammer, eine Küche und ein Bad. Die Klägerin zu 1 arbeitet in L. und hält sich nur zeitweise in B. auf. Der Kläger zu 2 lebt aus beruflichen Gründen überwiegend in W. bei O. , wo er eine Wohnung angemietet hat. Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 baten die Kläger den Beklagten, ihnen die Erlaubnis zu einer Untervermietung von zwei Zimmern der Wohnung zu erteilen. Dies lehnte der Beklagte ab.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Zustimmung des Beklagten zu einer Untervermietung zweier Zimmer der Wohnung. Sie haben vorgetragen, lediglich einen Teil der Wohnung untervermieten zu wollen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in GE 2005, 126 f. veröffentlicht ist, hat ausgeführt:

Den Klägern stehe kein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung gemäß § 553 Abs. 1 BGB zu, weil ihr Lebensmittelpunkt nicht mehr in B. sei. Zwar enthalte § 553 Abs. 1 BGB kein Tatbestandsmerkmal des "Lebensmittelpunktes"; dieser Umstand sei jedoch im Rahmen der Prüfung des berechtigten Interesses mit heranzuziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei als berechtigt jedes, auch höchstpersönliche Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang stehe. Dies sei hier fraglos anzunehmen. Die von den Klägern angeführten Gründe seien auch von nicht unerheblichem Gewicht, weil das Vorhalten mehrerer Wohnsitze zu zusätzlichen Kosten führe, die durch die Untermiete reduziert würden; zusätzlich werde erreicht, dass die Wohnung nicht längere Zeit leer stehe. Ein so verstandenes erhebliches Interesse sei jedoch mit § 540 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren, wonach grundsätzlich gerade keine Untervermietung möglich sein solle. Es sei nicht Sinn der Regelung, dass der Gesichtspunkt des gemeinsamen Wohnens völlig in den Hintergrund gedrängt werde. Mithin bedürfe es einer Abgrenzung für die Fälle, in denen zwar eine Wohnung aufrechterhalten werde, diese Bedingung aber auch für andere Wohnungen des Mieters zutreffe. Das Abgrenzungsmerkmal des Lebensschwerpunktes sei sachgerecht. Demgegenüber könne nicht angeführt werden, dass in der heutigen Zeit das Vorhalten mehrerer Wohnungen im Interesse des Mieters sei. Dem habe der Gesetzgeber im Rahmen der Kündigungsregelungen Rechnung getragen, so dass für den Mieter nur dieser Weg offen stehe.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, dem Anspruch der Kläger auf Erteilung der Untermieterlaubnis gemäß § 553 Abs. 1 BGB stehe entgegen, dass sie ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr in B. hätten. Unter Zugrundelegung des vom Beklagten bestrittenen, für das Revisionsverfahren als zutreffend zu unterstellenden Vorbringens der Kläger, lediglich einen Teil der Wohnung untervermieten zu wollen, sind die Voraussetzungen des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt.

Gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB (§ 549 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BGB a.F.) kann der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraumes einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse hieran entsteht. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlt es nicht bereits dann an einem berechtigten Interesse des Mieters, wenn er Wohnraum untervermieten will, in dem er nicht seinen Lebensschwerpunkt hat (LG Hamburg, ZMR 2001, 973, 974; Kellendorfer in Müller/Walther, Miet- und Pachtrecht, § 553 Rdnr. 5; a.A. LG Berlin, ZMR 2002, 49, 50; Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 553 Rdnr. 6; ders. in Schmidt-Futterer, 8. Aufl., § 553 BGB Rdnr. 6).

1. Als berechtigt ist jedes, auch höchstpersönliche Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht (Senat, BGHZ 92, 213, 219 zu § 549 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.; Staudinger/Emmerich, BGB (2003), § 553 Rdnr. 5 m.w.Nachw.). Die Kläger halten sich aus beruflichen Gründen überwiegend außerhalb B. auf. Der Kläger zu 2 hat an seiner Arbeitsstelle in W. eine Wohnung angemietet; die Klägerin zu 1 arbeitet in L. . Das Berufungsgericht hat den von den Klägern vorgetragenen Wunsch nach einer Entlastung von den Reise- und Wohnungskosten, die ihnen aus beruflichen Gründen entstehen, zutreffend als berechtigtes Interesse zur Untervermietung eines Teils der Wohnung angesehen (vgl. auch LG Berlin, NJW-RR 1994, 1289; LG Hamburg, WuM 1994, 535; Blank, aaO, Rdnr. 5 m.w.Nachw.)

2. Das Berufungsgericht hat jedoch gemeint, ein so verstandenes berechtigtes Interesse sei mit § 540 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren, wonach grundsätzlich keine Untervermietung möglich sein solle; ein Anspruch auf Erteilung der Untermieterlaubnis bestehe nicht, wenn der Mieter in der Wohnung nicht seinen Lebensmittelpunkt habe. Diesen Ort sieht das Berufungsgericht dort, wo der Mieter seinen Alltag verbringt; es hat ihn hinsichtlich der Kläger, die überwiegend außerhalb B. leben, für die Wohnung in B. verneint.

Diese Einschränkung findet im Wortlaut der §§ 540 Abs. 1, 553 Abs. 1 BGB keinen Anhalt. Sie ist auch weder mit der Systematik der gesetzlichen Regelung noch mit dem Zweck des § 553 Abs. 1 BGB vereinbar.

Zwar bedarf der Mieter gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 BGB (§ 549 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.), der für alle Mietverhältnisse gilt, der Erlaubnis des Vermieters zur Weitervermietung der Mietsache an einen Dritten. Für den Bereich der Wohnraummiete gewährt § 553 Abs. 1 BGB dem Mieter jedoch einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind unter Berücksichtigung des mieterschützenden Zwecks der Regelung auszulegen. Das Mietverhältnis soll gerade auch dann aufrechterhalten werden, wenn der Mieter den Wohnraum teilweise einem anderen zum Gebrauch überlassen möchte (vgl. Senat, aaO, 217, zu § 549 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F; MünchKommBGB/Schilling, 4. Aufl., § 553 Rdnr. 2). Der Gesetzeszweck, dem Mieter die Wohnung zu erhalten, bestimmt deshalb die Auslegung des Begriffs "berechtigtes Interesse" und sein Verhältnis zu dem in § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten Zumutbarkeitserfordernis (Senat, aaO).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erfordert es der Zweck der gesetzlichen Regelung nicht, dass Dritte in die Wohnung aufgenommen werden, um gemeinsam mit diesen zu wohnen. Zwar ist in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 als Regelfall des gesetzlichen Anspruchs nach § 553 BGB die Aufnahme eines Lebenspartners zum Zwecke der Bildung oder Fortführung eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalts benannt (BT-Drucks. 14/4553 S. 49). Daraus folgt jedoch nicht, dass der Mieter nur dann einen Anspruch auf Erteilung der Untermieterlaubnis hat, wenn er beabsichtigt, mit dem Untermieter zusammenzuleben.

Zudem kommt der Mobilität und Flexibilität in der heutigen Gesellschaft zunehmende Bedeutung zu, wie in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Mietrechtsreformgesetz hervorgehoben wird (aaO S. 38 f. zu den Kündigungsfristen). Dies kann es - wie im Falle der Kläger - erfordern, an einer anderenorts gelegenen Arbeitsstelle eine weitere Wohnung zu begründen. Bestünde ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung lediglich hinsichtlich derjenigen Wohnung, in der der Mieter (zur Zeit) seinen Lebensschwerpunkt hat, könnte der mit den Kosten einer doppelten Haushaltsführung belastete Mieter im Einzelfall zur Aufgabe der Wohnung gezwungen sein, deren teilweise Untervermietung er begehrt, etwa weil die Wohnung, in der er sich überwiegend aufhält, wegen ihres Zuschnitts oder ihrer Größe für eine Untervermietung ungeeignet ist. Dies würde dem Zweck des § 553 Abs. 1 BGB zuwiderlaufen, dem Mieter die Wohnung zu erhalten, und wäre zudem mit seiner grundsätzlich anzuerkennenden Entscheidung, sein Privatleben "innerhalb der eigenen vier Wände" nach seinen Vorstellungen zu gestalten (Senat, aaO, 219), nicht zu vereinbaren. Soweit durch die beabsichtigte Untervermietung schützenswerte Belange des Vermieters berührt werden, sind diese gemäß § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu berücksichtigen und gegen die Interessen des Mieters abzuwägen (Senat, aaO, 220 f., 222).

III.

Auf die Revision der Kläger ist das Berufungsurteil daher aufzuheben; die Sache ist, da es weiterer Feststellungen bedarf, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 553 Abs. 1