13.11.2007
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 10.10.2007 – XII ZR 12/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
XII ZR 12/07
vom 10. Oktober 2007
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina
beschlossen:
Tenor:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. Dezember 2006 zugelassen.
Auf die Revision der Beklagten wird das vorgenannte Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 36.540 ¤
Gründe:
I.
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, verlangt von der Beklagten Miete und Nutzungsentschädigung. Mit schriftlichem Vertrag vom 19. Oktober 1999 vermietete sie das im Miteigentum ihrer Mitglieder stehende Objekt L. straße 78 in F. an die H. GbR (GmbH in Gründung) auf die Dauer von 10 Jahren. Dieses in Hu. GmbH umfirmierte Unternehmen wurde am 24. September 2003 im Handelsregister gelöscht. In den von der GmbH gemieteten Räumen betrieb der als Zeuge benannte G. unter der Firma H. einen Gastronomieservicebetrieb als Einzelunternehmen weiter. Zum 16. Januar 2004 meldete er den Betrieb ab. Die Beklagte übernahm den Warenbestand und führte den Betrieb ab 1. Januar 2004 unter der Firma H. weiter. Sie zahlte bis März 2005 die Miete an die Klägerin. Am 4. Oktober 2005 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses.
Am 9. Dezember 2005 traf die Beklagte mit der Klägerin eine Vereinbarung, die unter anderem wie folgt lautet:
"1. Das "Grosse" Mietverhältnis (Halle Erdgeschoss, Halle Untergeschoss und Büro Erdgeschoss) L. str. 78, F. , endet am 12.12.2005.
2. Der Mietvertrag für den Imbiss bleibt bestehen. Die Restlaufzeit ergibt sich aus dem Mietvertrag. Rein vorsorglich wird bestätigt, dass Frau Ho. Mieterin des Imbisses ist.
3. Frau Ho. verpflichtet sich, folgende Gegenstände in den Räumen zu Ziffer 1 zu belassen. Eine Schlagschere, eine Kantbank und ein Klimagerät. Der momentane Verkaufswert beträgt ca. ¤ 40.000.
4. Frau Ho. ist berechtigt, alle anderen noch im Mietobjekt vorhandenen Sachen herauszuholen.
5. Die Frist für Ziffer 4 bleibt einer Vereinbarung zwischen Herrn Ga. und Herrn G. vorbehalten."
Die Beklagte gab die Mietsache am 16. Februar 2006 an die Klägerin zurück. Diese verlangt 36.540 ¤ rückständige Miete bzw. Nutzungsentschädigung nebst Zinsen und 703,31 ¤ vorgerichtliche Kosten. Die Beklagte macht geltend, sie sei nicht Mieterin, sondern Untermieterin des G.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Zulassung der Revision und weiterhin die Abweisung der Klage begehrt.
II.
Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat, wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beklagten übergangen und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundsatz sicherstellen, dass die von den Gerichten zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisantritte (BGH, Beschluss vom 18. Januar 2005 - XI ZR 340/03 - BGH-Report 2005, 939, 940 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
1. Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.
a) Das Berufungsgericht meint, die Beklagte sei als Mieterin anzusehen. Wenn ein Mietvertrag zwischen den Parteien nicht durch ausdrücklichen Vertragschluss zustande gekommen sei, so liege jedenfalls eine stillschweigende Vertragsübernahme vor. Die Beklagte sei offenkundig selbst von ihrer Stellung als Mieterin ausgegangen, da sie die Miete direkt bezahlt habe und in der Aufhebungsvereinbarung vom 9. Dezember 2005 ausdrücklich als Mieterin aufgetreten sei. Eine Untervermietung, wie von der Beklagten behauptet, sei nach dem Mietvertrag ohne Zustimmung der Klägerin nicht gestattet und auch wirtschaftlich ohne Sinn, da G. dann weiter gehaftet hätte, ohne durch einen höheren Untermietzins davon zu profitieren. Ein schriftlicher Mietvertrag, der bei einem kaufmännischen Betrieb schon aus steuerlichen Gründen zu erwarten gewesen wäre, habe nicht vorgelegt werden können. Konkrete Tatsachen, die auf den mündlichen Abschluss eines solchen Vertrages hindeuteten, seien nicht vorgetragen. Die Beklagte könne nichts Konkretes dazu vorbringen, unter welchen Umständen die Gesellschafter der Klägerin die Untervermietung zur Kenntnis genommen haben sollten. Es werde lediglich eine - unzutreffende - rechtliche Schlussfolgerung, nämlich der vermeintliche Abschluss eines Untermietvertrages, gezogen, die einer Beweisaufnahme nicht zugänglich sei. Es fehle an ausfüllenden Tatsachen. Dass die Klägerin bei den außergerichtlichen Verhandlungen auf Klarstellung der damals schon bestrittenen Mietereigenschaft gedrängt habe, sei kein Indiz dafür, dass die Beklagte nicht Mieterin sei, sondern belege lediglich, dass die Klägerin diesen Streit habe ausräumen wollen. Zu Recht habe das Landgericht davon Abstand genommen, den Sachverhalt durch eine Anhörung des G. auszuforschen.
b) Demgegenüber hatte die Beklagte bereits in erster Instanz behauptet, die H. GmbH sei verkauft und später gelöscht worden. In den von ihr gemieteten Räumen habe der als Zeuge benannte G. unter der Bezeichnung H. Gastronomieservice, Inhaber W. G., im Einverständnis mit der Klägerin einen Gewerbebetrieb geführt. Anlässlich des Besuches des Gesellschafters A. Ga. in den Geschäftsräumen seien sich der Gesellschafter Ga. und der als Zeuge benannte G. einig gewesen, dass der Mietvertrag auf G. umgeschrieben werde. Dies sei aber bis heute schlichtweg vergessen worden. Nach einem Jahr habe G. seinen Betrieb mit Wirkung vom 1. Januar 2004 an die Beklagte verkauft und ihr die Geschäftsräume und die Halle untervermietet. Sowohl von diesem Verkauf als auch von der Untervermietung sei der Gesellschafter A. Ga. von G. informiert worden. Die Klägerin habe daher positive Kenntnis davon, dass G. unter dem Namen H. eine Einzelfirma betrieben, diese zum 1. Januar 2004 an die Beklagte verkauft und ihr die Geschäftsräume untervermietet habe. Für die Richtigkeit dieses Vortrages hatte sich die Beklagte auf die Vernehmung von G. als Zeugen berufen. Das Landgericht und das Berufungsgericht haben den Beweis nicht erhoben.
2. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Davon ist bereits dann auszugehen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02 - NJW 2003, 3205 f. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Das ist hier der Fall. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Vortrag der Beklagten, sie habe mit G. einen Untermietvertrag geschlossen und G. habe dies dem Gesellschafter der Klägerin, A. Ga., mitgeteilt, nicht bloß um eine rechtliche Schlussfolgerung, sondern um eine dem Zeugenbeweis zugängliche Tatsachenbehauptung. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen die Unterlassung der beantragten Zeugeneinvernahme nicht.
Dass die Beklagte die Miete direkt an die Klägerin bezahlt hat, erlaubt nicht den Schluss, dass sie sich selbst als Mieterin gesehen hat. Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass der Untermieter den Untermietzins nicht an den Untervermieter, sondern direkt an den Hauptvermieter zahlt, insbesondere dann, wenn Miete und Untermiete gleich hoch sind. Dass im Mietvertrag die Untervermietung nicht gestattet war, schließt den Abschluss eines Untermietvertrages zwischen G. und der Beklagten nicht aus. Zum einen steht schon nicht fest, dass G. in den Mietvertrag eingetreten ist, und zum anderen hindert die fehlende Gestattung nicht den Abschluss eines Untermietvertrages. Auch ein ohne Erlaubnis des Vermieters abgeschlossener Untermietvertrag ist wirksam (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht 9. Aufl. § 540 Rdn. 3, 14). Die Auffassung des Berufungsgerichts, aus Mietersicht sei eine Untervermietung wirtschaftlich deshalb ohne Sinn gewesen, da G. in der Haftung geblieben wäre, ohne durch einen höheren Untermietzins zu profitieren, trifft nicht zu. Die Untervermietung dient häufig nicht der Gewinnerhöhung, sondern der Minimierung wirtschaftlicher Verluste, indem der Mieter versucht, einen Teil der von ihm zu zahlenden Miete durch Untervermietung zu decken (Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete Kapitel 18 Rdn. 2). Die Auffassung, die Beklagte habe, falls sie nicht Mieterin sei, die Vereinbarung vom 9. Dezember 2005 nicht unterzeichnen dürfen, berücksichtigt nicht, dass sich die Beklagte geweigert hat, eine von der Klägerin vorgelegte Vereinbarung zu unterzeichnen, in der ausdrücklich festgehalten war, dass die Beklagte in den Mietvertrag eingetreten sei. Stattdessen kam es zur Vereinbarung vom 9. Dezember 2005, für deren Formulierung die Beklagte - plausibel - dargelegt hat, mit der Vereinbarung habe - im Einvernehmen mit G. - sichergestellt werden sollen, dass das Mietverhältnis über die Geschäftsräume und die Halle (das "Grosse" Mietverhältnis) zum 12. Dezember 2005 ende, der mit G. geschlossene Mietvertrag über den Imbiss aber bestehen bleibe. Dass das behauptete Untermietverhältnis nicht schriftlich abgeschlossen wurde, ist zwar ungewöhnlich, aber kein Indiz gegen den Abschluss eines Untermietvertrages, wenn man berücksichtigt, dass auch der von der Klägerin behauptete Mietvertrag mit der Beklagten der Schriftform entbehrt. Dass die Klägerin bei den außergerichtlichen Verhandlungen auf Klarstellung der damals schon bestrittenen Mietereigenschaft drängte, ist zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend sieht, kein Indiz dafür, dass die Beklagte nicht Mieterin war, spricht umgekehrt aber auch nicht dagegen, dass der von der Beklagten behauptete Untermietvertrag zustande gekommen ist.