30.11.2006 · IWW-Abrufnummer 063539
Bundesfinanzhof: Urteil vom 18.10.2006 – IX R 7/04
In der Kündigung einer typischen stillen Gesellschaft und der Vereinnahmung des Auseinandersetzungsguthabens liegt keine entgeltliche Veräußerung i.S. des § 23 EStG.
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger ist zu 20 v.H. an einer Vermögensverwaltungs-GmbH (GmbH) beteiligt. Zwischen der GmbH und einer Beteiligungsgesellschaft mbH i.L. (B) wurde im Juli 1994 eine typische stille Gesellschaft i.S. des § 230 des Handelsgesetzbuches (HGB) mit einer Vermögenseinlage der B in Höhe von 2 500 000 DM errichtet. B erfüllte die Einlageverpflichtung, indem sie Kaufpreisforderungen verrechnete, die ihr aus der Übertragung von Gesellschaftsanteilen an die GmbH zustanden. Am 21. Oktober 1994 veräußerte B die stille Beteiligung wegen akuten Liquiditätsbedarfs an den Kläger und den weiteren Gesellschafter der GmbH für insgesamt 400 000 DM, wobei der Kläger entsprechend seinem Gesellschaftsanteil 20 v.H. der stillen Beteiligung (nominal 500 000 DM) für 80 000 DM erwarb. Noch am 21. Oktober 1994 kündigten der Kläger und der weitere Gesellschafter das stille Gesellschaftsverhältnis vertragsgemäß zum 31. Dezember 1994. Die GmbH schrieb dem Kläger dessen Auseinandersetzungsguthaben in Höhe von 500 000 DM gut.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unterwarf den Unterschied zwischen Anschaffungspreis und zurückgezahltem Kapital (nämlich 420 000 DM) der Besteuerung, zunächst als Einkünfte aus Kapitalvermögen, sodann --in der Einspruchsentscheidung-- als Gewinn aus einem Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (EStG).
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 805 veröffentlichten Urteil vertrat das Finanzgericht (FG) die Auffassung, der Vorgang sei nicht steuerbar; denn es liege keine Veräußerung i.S. des § 23 EStG vor. Darunter könne man nur die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person verstehen. Die Kündigung einer stillen Gesellschaft gehöre nicht dazu. Sie führe zu einem Verbrauch des Wirtschaftsguts "Gesellschaftsanteil". Dieser Sachverhalt sei z.B. in § 17 Abs. 4 EStG entsprechend einer Veräußerung zu behandeln. Daraus folge im Umkehrschluss, dass in den Fällen, in denen das Gesetz --wie in § 23 EStG-- nur von einer "Veräußerung" spreche, die Auseinandersetzung einer stillen Gesellschaft tatbestandlich nicht erfasst werde.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf Verletzung des § 23 EStG stützt. Das FG habe die Rechtsentwicklung nicht berücksichtigt, welche die Auslegung des Begriffs der Veräußerung durch die neuere Rechtsprechung insbesondere zu den Glattstellungsgeschäften beim Optionshandel erfahren habe.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Steuertatbestand verwirklicht hat, indem er die von B erworbene stille Beteiligung an der GmbH kündigte und das Auseinandersetzungsguthaben vereinnahmte.
1. Einkünfte aus Spekulationsgeschäften ( § 22 Nr. 2 EStG) i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei anderen Wirtschaftsgütern nicht mehr als sechs Monate beträgt.
Zwar hat der Kläger die stille Beteiligung an der GmbH von B entgeltlich erworben und deshalb im Sinne dieser Vorschrift angeschafft; er hat sie aber nicht veräußert (vgl. zu der gestreckten Tatbestandsstruktur und zum Zweck der Vorschrift Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B. III. 1. b).
a) Veräußerung bedeutet das entgeltliche Übertragen des angeschafften Wirtschaftsguts (BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614, unter II. 3. b). An einem entgeltlichen Vorgang fehlt es aber, wenn der typisch stille Gesellschafter --wie hier der Kläger-- seine Beteiligung kündigt und im Gegenzug sein Guthaben in Geld empfängt. Er erhält dadurch nämlich nicht mehr, als seiner Beteiligung entsprach (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. September 1987 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250, unter 1.).
Die durch Kündigung bedingte Auflösung der stillen Gesellschaft (§ 234 Abs. 1 HGB) führt zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Inhaber und dem stillen Gesellschafter nach § 235 HGB, aufgrund derer das Guthaben des stillen Gesellschafters zu berichtigen ist (§ 235 Abs. 1 HGB). Dieses Guthaben entsteht nicht erst mit der Auflösung der Gesellschaft, sondern besteht bereits --ausgedrückt durch das Einlagenkonto-- während des Bestehens der Gesellschaft (MünchKommHGB/Karsten Schmidt, § 235 Rz. 29, m.w.N; zur gesellschaftsrechtlichen Struktur der stillen Beteiligung: Bundesgerichtshof --BGH-- Urteil vom 24. Februar 1969 II ZR 123/67, BGHZ 51, 350) und wandelt sich mit der Auseinandersetzung in eine zahlenmäßig begrenzte Forderung (BGH-Urteile vom 14. Juli 1997 II ZR 122/96, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1997, 3370, und vom 11. Juli 1988 II ZR 281/87, NJW 1989, 453). Wird sie erfüllt, erhält der stille Gesellschafter nur etwas, was ihm schon vor der Auseinandersetzung wirtschaftlich zuzuordnen war. Seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigert sich mit der Auskehrung des Guthabens nicht (vgl. zur Abgrenzung BFH-Beschluss vom 16. August 1995 VIII B 156/94, BFH/NV 1996, 125, zur Besteuerung einer die Einlage übersteigenden Abfindung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
b) Auch sonst erfasst das Gesetz Kapitalrückzahlungen nicht als entgeltliche Veräußerungsgeschäfte, sondern wendet in § 17 Abs. 4 EStG die für Anteilsveräußerungen geltenden Vorschriften (§ 17 Abs. 1 bis 3 EStG) lediglich entsprechend an, wenn z.B. eine Kapitalgesellschaft ihr Kapital zurückzahlt. Eine vergleichbare Regelung war auch bei § 23 EStG geplant (vgl. BTDrucks 15/119, Entwurf eines Steuervergünstigungsabbaugesetzes, S. 5), ist aber nicht Gesetz geworden.
c) Eine andere Beurteilung folgt entgegen der Revision nicht aus dem Senatsurteil vom 24. Juni 2003 IX R 2/02 (BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752). Denn dort geht es lediglich um die Frage, ob das Glattstellungsgeschäft als "Veräußerung" im Sinne eines Übertragens zu bewerten ist. Der Entgeltscharakter dieser Optionsgeschäfte steht allein schon wegen der von der Kursentwicklung abhängigen Prämie als Gegenleistung ersichtlich außer Frage. Ebenso verhält es sich bei einem Rückumtausch eines Fremdwährungsguthabens als marktoffenbarer entgeltlicher Veräußerungsvorgang (BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469, unter II. 2. b).
2. Nach diesen Maßstäben hat die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verneint.
a) Die infolge der Auflösung der stillen Gesellschaft vorgenommene Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der GmbH bildete kein entgeltliches Geschäft. Der Kläger erlangte mit der Anschaffung der stillen Beteiligung eine Einlage im Werte von 500 000 DM. Dieses Guthaben wurde ihm nach der Kündigung der Gesellschaft in Geld gutgeschrieben. Er bekam damit (in Geld) nicht mehr, als er ohnehin schon hatte (Einlage).
b) Fehlt es im Streitfall bereits an einem entgeltlichen Vorgang, kommt es nicht auf die von den Beteiligten und dem FG in den Mittelpunkt ihrer Erörterungen gestellte Frage an, ob eine "Veräußerung" --wie bei der bloßen Einziehung einer Forderung-- auch im Verbrauch des Wirtschaftsguts liegen kann (vgl. zur Diskussion: Crezelius, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rdnr. B 57; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 23 Rn 107; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz. 130; Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 141). Der Senat muss deshalb auch nicht entscheiden, ob er an der Rechtsprechung festhalten könnte, es als Veräußerung zu werten, wenn der Steuerpflichtige eine von ihm erworbene Forderung innerhalb der Spekulationsfrist einzieht, um eine "Gewinnmöglichkeit zu realisieren" (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1961 VI 133/60 U, BFHE 74, 331, BStBl III 1962, 127; dem folgend Streck, Finanz-Rundschau 1987, 297 ff.).