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08.01.2010

Hessisches Finanzgericht: Beschluss vom 15.06.2005 – 3 V 668/05

1. Eine Geldverkehrsrechnung ist nur zulässig, wenn ein überschaubarer Vergleichszeitraum vorliegt, die Anfangs- und Endbestände feststehen, Verhältnisse außerhalb des Vergleichszeitraums nicht berücksichtigt werden und zwischen Gesamtrechnung und Teilrechnung (betrieblicher, privater oder sonstiger Teilbetrieb) unterschieden wird.

2. Eine Geldverkehrsrechnung erlangt insbesondere dann die gewünschte Genauigkeit, wenn sie - neben den betrieblichen Geldvorgängen - möglichst vollständig auch die Geldbewegungen im privaten Bereich erfasst.

3. Fehlen Feststellungen darüber, ob und in welchem Umfang der Steuerpflichtige während des maßgebenden Ermittlungszeitraums über Spar- und Girokonten sowie sonstige Geldbestände verfügt hat, kann die Geldverkehrsrechnung nicht Grundlage einer Schätzung sein.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in Bezug auf die gewerblichen Einkünfte, die die Antragstellerin im Streitjahr 1994 erzielt hat, eine Hinzuschätzung dem Grunde nach berechtigt und ggf. der Höhe nach fehlerfrei war. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Antragstellerin betrieb während der Jahre 1991 bis 1994 eine Gaststätte in .... Den Gewinn ermittelte sie gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Einnahme-Überschuss-Rechnung. In der Einkommensteuererklärung (zur Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann, dem Antragsteller) machte sie zu ihren Einkünften aus Gewerbetrieb folgende Angaben:

laufender Gewinn 5.637,-- DM
Veräußerungsverlust 4.756,-- DM


Zu dem Veräußerungsverlust gab sie weiter an: Sie habe ihre Gaststätte zum 03.10.1994 wegen Unrentabilität eingestellt. Da sie wegen ihres im Jahr 1994 geborenen Kindes die Bedienung der Gäste nicht mehr habe übernehmen können, sei der Umsatz stark zurückgegangen. Die Waren seien weitestgehend aufgebraucht worden. Einen Rest im Wert von 200,-- DM habe sie ins Privatvermögen übernommen. Das betriebliche Kraftfahrzeug (Mercedes, Restwert 1,-- DM) habe sie zum „Schwackepreis” ins Privatvermögen überführt. Die Kücheneinrichtung habe sie wegen Mietrückständen dem Vermieter überlassen müssen.

Aufgrund der Angaben der Antragstellerin nahm das Finanzamt für das Streitjahr 1994 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 881,-- DM an und setzte dementsprechend die Einkommensteuer mit 0,-- DM fest (Bescheid vom 08.05.1996).

In der Folgezeit führte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts … eine Außenprüfung gegen verschiedene Personen durch, die bei der x-Bank Geldbeträge angelegt hatten. Dabei stellte sie fest, dass die Antragstellerin in der Zeit von 1993 bis 1997 dort mehrere Einzahlungen vorgenommen hatte, und zwar im Einzelnen:

1993 10.000,-- DM
1994 50.000,-- DM
1997 30.000,-- DM


Aufgrund der vorstehenden Erkenntnisse führte der Prüfer in Bezug auf die gewerblichen Einkünfte der Antragstellerin eine sog. Geldverkehrsrechnung durch. Dabei setzte er als Gewinn (laut Erklärung der Antragstellerin) für die einzelnen Jahre folgende Beträge an:

1991 12.679,-- DM
1992 28.390,-- DM
1993 13.433,-- DM
1994 5.637,-- DM


Die Berechnungen ergaben für die Jahre 1991 bis 1993 jeweils einen positiven Saldo (sog. Überdeckung) und für das Streitjahr 1994 einen negativen Saldo (sog. Unterdeckung). Das Rechenwerk für das Jahr 1994 stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:

Vorsorgeaufwendungen - 2.617,-- DM
Gewinn 5.637,-- DM
Abschreibung 5.943,-- DM
Eigenverbrauch - 4.641,-- DM
Einzahlungen bei x-Bank - 50.000,-- DM
Lebenshaltung - 18.000,-- DM
Miete - 7.200,-- DM
Kindergeld 1.440,-- DM
Gesamt 69.438,-- DM
Saldo (1991-1994) 68.264,-- DM


Weiter führte der Prüfer aus: Aus den Berechnungen ergebe sich, dass zumindest die Herkunft der Einzahlung über 50.000,-- DM völlig ungeklärt sei. Da im Jahre 1994 die Gaststätte die einzige Erwerbsquelle der beiden Antragsteller gewesen sei, liege der Schluss nahe, dass der eingezahlte Geldbetrag aus - bislang unversteuerten - Betriebseinnahmen stamme.

Der Prüfer erhöhte den bisher angesetzten Gewinn von 5.637,92 DM um den Betrag von 68.264,-- DM. Dadurch ergab sich ein Gewinn (laut Prüfung) in Höhe von 73.901,92 DM.

Das Finanzamt folgte zunächst den Feststellungen der Steuerfahndung und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest (Änderungsbescheid vom 24.10.2003). Der Nachzahlungsbetrag betrug 8.492,43 EUR (Einkommensteuer 5.860,43 EUR, Zinsen 2.632,-- EUR). Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 27.05.2004).

Die Antragsteller haben gegen den vorgenannten Einkommensteueränderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Klage erhoben. Die Sache ist beim beschließenden Senat unter der Geschäftsnummer 3 K xxxx/04 anhängig.

Zur Begründung haben die Antragsteller im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

(1) Die Antragstellerin habe die Gaststätte in heruntergewirtschafteten Zustand übernommen. Zuvor sei sie fünf Jahre berufstätig gewesen. In dieser Zeit habe sie Ersparnisse angelegt. Zunächst sei es ihr gelungen, in ihrem Gaststättenbetrieb den Umsatz und den Gewinn kontinuierlich zu steigern. Ab dem Jahre 1993 hätten sich die Ergebnisse verschlechtert. Die Gründe dafür hätten im persönlichen Bereich (Versorgung ihres zweiten Kindes, geboren am 02.11.1993) und im wirtschaftlichen Bereich (Neueröffnung von Konkurrenzbetrieben) gelegen. Durch diese Entwicklung sei sie gezwungen gewesen, den Betrieb aufzugeben.

(2) Der Prüfer der Steuerfahndung habe seiner Geldverkehrsrechnung unzutreffende Sachverhaltsannahmen zugrunde gelegt. Der Ansatz von 18.000,-- DM für Lebenshaltungskosten sei überhöht. Des Weiteren verstoße der Prüfer mit der Annahme, der Geldbetrag von 50.000,-- DM sei ausschließlich im Jahre 1994 erwirtschaftet worden, gegen allgemeine Erfahrungssätze. Tatsächlich handele es sich bei einem Teil dieses Betrages (insgesamt 23.000,-- DM) um Ersparnisse, die sie ihrer Schwester in Verwahrung gegeben habe. Der andere Teil des Geldes stamme aus dem Verkauf von Inventargegenständen.

(3) Aus den geschilderten Umständen ergebe sich, dass die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht gegeben seien. Selbst wenn die Schätzung dem Grunde nach zulässig sein sollte, so sei bisher der zulässige Schätzungsrahmen nicht eingehalten worden. Die von dem Prüfer gezogene Annahme, der Betrag von 50.000,-- DM sei in den letzten neun Monaten vor der Betriebseinstellung erwirtschaftet worden, sei willkürlich. Zudem sei es logisch ausgeschlossen, den Einnahmen von neun Monaten die Ausgaben von zwölf Monaten gegenüber zu stellen.

Am 20.10.2004 hat - auf Anregung des Steuerfahndungsprüfers - zwischen dem Prozessbevollmächtigten und den zuständigen Vertretern des Finanzamts eine Besprechung stattgefunden. In diesem Rahmen haben die Finanzamtsvertreter den Vorschlag unterbreitet, den Hinzuschätzungsbetrag von 68.264,-- DM auf 48.800,-- DM zu vermindern (s. Schreiben vom 21.10.2004). Die Antragsteller haben dem Vorschlag nicht zugestimmt.

In der Folgezeit hat das Finanzamt seine bisherige Auffassung nochmals überprüft. Aufgrund dessen hat es mit Bescheid vom 20.12.2004 die angefochtene Steuerfestsetzung zugunsten der Antragstellerin geändert. In der Begründung hat es auf Folgendes hingewiesen: Im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe sei zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich überzugehen. Der laufende Gewinn sei daher zugunsten der Antragstellerin zu korrigieren, und zwar um eine Umsatzsteuerverbindlichkeit in Höhe von 6.808,-- DM und um eine Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von 643,-- DM. Dies ergebe einen (laufenden) Gewinn von 66.450,-- DM. Außerdem werde noch (entsprechend der Steuererklärung) ein Aufgabeverlust von 4.756,-- DM berücksichtigt. Der Nachzahlungsbetrag beträgt nunmehr (ohne Berücksichtigung von Säumniszuschlägen) 6.201,74 EUR (Einkommensteuer 4.289,74 EUR, Zinsen 1.912,-- EUR).

Im Rahmen der vorgenannten Überprüfung ist das Finanzamt außerdem zu dem Ergebnis gekommen, die angefochtene Steuerfestsetzung sei wegen bestimmter Unwägbarkeiten der von dem Steuerfahndungsprüfer angestellten Geldverkehrsrechnung auch in weiteren Teilen rechtlich zweifelhaft. Es hat deshalb die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid in Höhe von 1.988,93 EUR (Einkommensteuer) und 878,-- EUR (Zinsen) ausgesetzt (Bescheid vom 13.12.2004).

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2005 haben die Antragsteller bei Gericht den Antrag gestellt, ihnen im vollen Umfang Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Zur Begründung verweisen sie auf ihr Vorbringen im Klageverfahren.

Sie beantragen sinngemäß,

den Einkommensteueränderungsbescheid vom 20.12.2004 von der Vollziehung auszusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzulehnen,

hilfsweise Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheit zu gewähren.

Zur Begründung des Hauptantrages trägt es u. a. Folgendes vor: Es habe den Einwendungen, mit denen die Antragsteller bisher ihre Klage begründet hätten, schon weitestgehend Rechnung getragen, zum einen durch den Änderungsbescheid vom 20.12.2004 und zum anderen durch den Bescheid vom 13.12.2004 über die teilweise Aussetzung der Vollziehung. Im Übrigen hätten die Antragsteller bisher nicht schlüssig erklärt, warum ihr Vorbringen, sie hätten verschiedene Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens anlässlich der Betriebsaufgabe verkauft, zu einer Steuerminderung führen soll.

Zur Begründung des Hilfsantrags trägt das Finanzamt außerdem vor: Aufgrund der offenkundig schlechten Vermögenslage sei zu befürchten, dass im Falle einer für die Antragsteller ungünstigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine Durchsetzung der derzeit noch fälligen Steuerforderung wenn nicht unmöglich, so doch erheblich erschwert erscheine. Der nach Erlass der Aussetzungsverfügung vom 13.12.2004 noch fällige Steueranspruch betrage 2.300,81 EUR (Einkommensteuer, ohne steuerliche Nebenleistungen).

Gründe

Der Antrag ist weitgehend begründet.

1. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung liegen vor.

Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Ernstliche Zweifel in dem vorgenannten Sinne sind gegeben, wenn bei der – überschlägigen – Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Verfahren der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit und Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 FGO Anm. 87). Für die Frage, ob und inwieweit die Voraussetzungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung vorliegen, hat das Gericht wegen der Eilbedürftigkeit und der Vorläufigkeit des Verfahrens lediglich eine summarische Prüfung vorzunehmen. Hinsichtlich der Überprüfung des Prozessstoffs findet daher eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie auf die sog. präsenten Beweismittel statt. Dabei gelten auch hier die Regeln der Feststellungslast (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., Anm. 121).

Nach diesen Grundsätzen ist - über die vom Finanzamt bereits gewährte Aussetzung der Vollziehung hinaus - ernstlich zweifelhaft, ob die hier streitige Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen den Grundsätzen zu § 162 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) entspricht.

Nach dieser Vorschrift sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle hierfür bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen.

Mit Hilfe bestimmter Schätzungsmethoden werden die Besteuerungsgrundlagen ermittelt, die - entsprechend dem Regelungszweck des § 162 Abs. 1 Satz 2 AO - die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Eine insofern zulässige Schätzungsmethode ist grundsätzlich die sog. Geldverkehrsrechnung. Dieser liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Steuerpflichtiger in einem bestimmten - nicht zu groß bemessenen - Zeitraum nicht mehr Geld ausgeben kann, als ihm aus Einkünften und sonstigen Quellen zufließt. Da die Geldverkehrsrechnung unabhängig von Buchführungsmängeln eine Gewinnverkürzung nachweisen soll, muss sie strengen Anforderungen genügen: überschaubarer Vergleichszeitraum, Ansatz von Anfangs- und Endbeständen, keine Berücksichtigung von Verhältnissen außerhalb des Vergleichszeitraums, Unterscheidung zwischen Gesamtrechnung und Teilrechnung (betrieblicher, privater oder sonstiger Teilbereich), Vollständigkeit. Eine Geldverkehrsrechnung erlangt insbesondere dann die gewünschte Genauigkeit, wenn sie - neben den betrieblichen Geldvorgängen - möglichst vollständig auch die Geldbewegungen im privaten Bereich erfasst. Allerdings ist der Steuerpflichtige gesetzlich nicht verpflichtet, über die Herkunft seines Privatvermögens einen in sich geschlossenen Nachweis zu führen. Deshalb trifft das Finanzamt die Feststellungslast, solange nicht sicher ermittelt werden kann, dass ein ungeklärter Vermögenszuwachs vorliegt (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordung/Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 162 AO Tz. 52, 61 ff. m. w. N.).

Bei summarischer Betrachtung genügt die von dem Steuerfahndungsprüfer durchgeführte Geldverkehrsrechnung nicht in allen Punkten den vorstehend genannten Grundsätzen. Es fehlen insbesondere Feststellungen darüber, ob und in welchem Umfang die Antragsteller während des maßgebenden Ermittlungszeitraums über Spar- und Girokonten sowie sonstige Geldbestände verfügt haben. Insofern enthält die Rechnung auch keinen Anfangs- und Endbestand. Es ist auch nicht ersichtlich, ob es sich um eine Gesamt- oder um eine Teilrechnung handelt.

Dem Prüfer dürften außerdem bei einzelnen Ansätzen seiner Rechnung gewisse Denkfehler unterlaufen sein. Dies ergibt sich aus Aufzeichnungen, die im Rahmen des Einspruchsverfahrens von dem Bearbeiter des hier beteiligten Finanzamts gemacht worden sind. Danach hat der Prüfer offenkundig übersehen, dass der Vergleichszeitraum spätestens im Oktober des Streitjahres 1994 endet und dass insofern verschiedene Ausgaben- und Einnahmeposten (Lebenshaltung einerseits und Kindergeld andererseits) anzupassen sind (s. Aktenvermerk vom 05.08.2004).

Auch darüber hinaus dürfte der Prüfer den streitigen Ermittlungsfall nicht mit der gebotenen Sorgfalt behandelt haben. So hat er übersehen, dass die Antragstellerin in ihrer Einkommensteuererklärung einen Aufgabeverlust geltend gemacht hatte. Er hat es daher unterlassen, den erklärten Verlust zum Ansatz zu bringen und beim laufenden Gewinn die erforderlichen Korrekturen (betreffend Übergang von der Einnahme-Überschuss-Rechnung zum Bestandsvergleich) vorzunehmen. Dies hat das Finanzamt bei einer weiteren Prüfung des Falles festgestellt (s. Aktenvermerk vom 24.11.2004) und daraufhin die streitige Steuerfestsetzung entsprechend geändert (s. Bescheid vom 20.12.2004).

Zwar hat das Finanzamt - über die vorgenannte Steuerminderung hinaus - den in dem Prüfungsbericht enthaltenen Mängeln insofern Rechnung getragen, als es für die verbleibenden Steuerbeträge zum Teil die Aussetzung der Vollziehung verfügt hat. Dabei hat es (entsprechend dem Aktenvermerk vom 05.08.2004) die Ansätze hinsichtlich Lebenshaltungskosten und Bezug von Kindergeld korrigiert (Ansatz von 9/12) und zudem einen Sicherheitsabschlag von 12.200,-- DM gewährt (s. Aktenvermerk vom 20.10.2004). Gleichwohl vermag der Senat bei summarischer Betrachtung nicht zu dem Ergebnis zu gelangen, im Hinblick auf den verblieben Teil des Schätzungsbetrages bestünden keinerlei Unsicherheiten bzw. Unklarheiten mehr. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Frage, warum gerade für das Streitjahr 1994 die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung der Betriebseinnahmen gegeben gewesen sein sollen, für die Vorjahre hingegen nicht. Immerhin weisen die Einnahme-Überschuss-Rechnungen für die Jahre 1991 bis 1993 (laut Prüfungsbericht) ebenfalls verhältnismäßig niedrige Gewinne aus. Die tatsächlichen Grundlagen für die streitige Hinzuschätzung wären schon wesentlich klarer zu erkennen, wenn der Prüfer umfassende Feststellungen zu den am Anfang des Streitjahres vorhandenen Geldbeständen getroffen und einen entsprechenden Anfangsbestand in die Geldverkehrsrechnung eingestellt hätte. Insofern kann nicht mit der hier gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass in Bezug auf das Streitjahr ein ungeklärter Vermögenszuwachs vorliegt. Die sich hieraus ergebenden Nachteile hat nach den Regeln der Feststellungslast das Finanzamt zu tragen.

2. Angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles hält es der Senat allerdings für ermessensgerecht, die Aussetzung der Vollziehung nur unter der Bedingung zu gewähren, dass in Höhe des noch offenen Steuerbetrags eine Sicherheit gewährt wird.

Nach § 169 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

Der Zweck der Sicherheitsleistung besteht darin, Steuerausfälle, die sich im Falle eines für den Steuerpflichtigen ungünstigen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens ergeben könnten, zu vermeiden. An diesem Zweck hat sich das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensausübung zu orientieren. So handelt das Gericht in aller Regel ermessensgerecht, wenn es eine Sicherheitsleistung deswegen anordnet, weil die spätere Vollstreckung gefährdet oder erschwert erscheint. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Vollstreckung unter Umständen im Ausland erfolgen müsste (vgl. Gräber/Koch, a. a. O., § 69 FGO Anm. 154 f. m. w. N.).

Allerdings hat das Gericht bei seiner Ermessensausübung auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Steuerpflichtige im Hauptsacheverfahren mit seinem Rechtsbehelf Erfolg haben könnte. So darf es eine Sicherheitsleistung dann nicht anordnen, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a. a. O., § 69 FGO Tz. 109 m. w. N.).

Im Streitfall ist offenkundig, dass wegen der hier betroffenen Steuerschulden die spätere Vollstreckung gefährdet erscheint. Die Antragstellerin hat - wie von der Steuerfahndungsstelle festgestellt - in früherer Zeit mehrfach größere Geldbeträge .. ( ins Ausland ) transferiert. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sie ..... ( im Ausland ) über gewisse Vermögenswerte verfügt oder dass sie Vermögensgegenstände, soweit solche im Inland noch vorhanden sein sollten,…oder sonst ins Ausland schaffen wird.

Des Weiteren besteht kein Grund für die Annahme, die Antragsteller könnten mit ihren Einwendungen gegen die streitige Hinzuschätzung mit Gewissheit oder zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg haben. Denn die Tatsachenangaben, die die Antragsteller zur Begründung ihrer Klage machen, erscheinen teils unglaubhaft, teils unschlüssig.

Unglaubhaft wirkt vor allem die Behauptung, der hier betroffene Geldbetrag von 50.000,-- DM stamme aus Ersparnissen, die die Antragstellerin in der Zeit vor 1991 erwirtschaftet und sodann bis zum Jahre 1994 ihrer Schwester zur Aufbewahrung gegeben habe. Gegen die Glaubhaftigkeit spricht zunächst der Umstand, dass die Antragstellerin bereits im Jahre 1993, wie von der Steuerfahndungsstelle festgestellt, einen Betrag von 10.000,-- DM an die x-Bank eingezahlt hatte. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die Antragstellerin auf der einen Seite einen bestimmten Geldbetrag zinsbringend anlegt, während sie auf der anderen Seite einen anderen Geldbetrag - zinslos - einem Verwandten „zur Aufbewahrung” überlässt. Zudem erscheint es nach allgemeiner Lebenserfahrung als sehr ungewöhnlich, wenn eine solche „Aufbewahrung” sich über mehrere Jahre hinzieht.

An der vorstehenden Einschätzung vermag nichts der Umstand zu ändern, dass die Schwester der Antragstellerin schriftlich die Aussage gemacht hat, sie habe in den Jahren 1991 und 1993 Geldbeträge von zunächst 12.000,-- DM und dann 11.000,-- DM zur „Aufbewahrung” übernommen und diese im Jahre 1994 zurückgegeben. Denn angesichts der Gesamtumstände des Falles kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hier um eine Gefälligkeitsbescheinigung handelt.

Unschlüssig erscheint das Vorbringen, die Antragstellerin habe verschiedene Inventargegenstände nach Aufgabe ihres Betriebes verkauft. Denn dies dürfte kaum geeignet sein, eine Steuerminderung im maßgebenden Umfang zu begründen. Zwar wirkt sich die Veräußerung von Anlagevermögen nicht auf die Besteuerung des laufenden Gewinn aus. Sie ist jedoch, wie das Finanzamt zu Recht bemerkt, bei der Ermittlung des Aufgabegewinns zu berücksichtigen. Zudem widerspricht das Vorbringen den Angaben, die die Antragstellerin in ihren Erläuterungen zur Ermittlung des Aufgabegewinns gemacht hat. Dort ist nicht die Rede von irgendwelchen Anlageverkäufen.

Insgesamt gesehen, dürfte es nicht ausgeschlossen sein, dass das Gericht die Steuerfestsetzung des Finanzamt im Ergebnis - wenn auch aus anderen Gründen - bestätigt. Die entsprechenden Sachverhaltsermittlungen werden ggf. im Hauptsacheverfahren durchgeführt werden müssen.

3. Die Höhe der Sicherheit errechnet sich wie folgt:

Steuerbescheid vom 20.12.2004  
- Einkommensteuer 4.289,74 €
- Zinsen 1.912,00 €
  6.201,74 €
Aussetzungsbescheid vom 13.12.2004  
- Einkommensteuer 1.988,93 €
- Zinsen 878,00 €
  2.866,83 €
Saldo 3.334,91 €
gerundet 3.300,00 €


4. Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 135 Abs. 1 FGO insgesamt dem Finanzamt aufzuerlegen. Die Antragsteller haben nämlich die begehrte Aussetzung der Vollziehung erhalten und damit in vollem Umfang obsiegt. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung stellt lediglich eine Modalität der Vollziehungsaussetzung dar und führt nicht zu einem teilweisen Unterliegen im kostenrechtlichen Sinne (vgl. BFH-Beschluss vom 02.12.1999 I B 62/92, Sammlung der Entscheidung des BFH - BFH/NV - 2000, 845).

An dem vorstehenden Ergebnis ändert sich für die vorliegende Kostenentscheidung nichts durch den Umstand, dass das Finanzamt „hilfsweise” die Vollziehungsaussetzung gegen Anordnung einer Sicherheit beantragt hat. Anders wäre die Sache nur dann zu beurteilen, wenn das Finanzamt bereits im Hauptantrag die Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheit genannt hätte oder wenn es von sich aus die Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheit gewährt hätte (vgl. zur Kostenentscheidung in derartigen Fällen: Brandt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 136 FGO Rz. 13).

VorschriftenAO § 162