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19.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121877

Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 09.05.2012 – 4 K 3278/11

1. Kinderbetreuungskosten in Form von Fahrtkosten (0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer) an die Großmütter sind auch dann nach § 4f EStG als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten abzugsfähig, wenn die Betreuungsleistung unentgeltlich erbracht wird und wenn hinsichtlich der genauen Zeiten, an denen Betreuungsleistungen erforderlich sind, eine bloße Rahmenvereinbarung abgeschlossen wird.

2. Unschädlich ist, wenn die Betreuungsleistung zusätzlich zu den Aufenthalten des Kindes in der Kindertagesstätte erforderlich geworden ist.


FG Baden-Württemberg v. 09.05.2012

4 K 3278/11

Tatbestand
Streitig ist, ob Fahrtkostenersatz, den die Kläger (Kl) ihren Müttern für Fahrten bezahlt haben, die im Zusammenhang mit der von ihnen geleisteten Betreuung des Sohnes der Kl angefallen sind, als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten gemäß § 4f Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind.

Die Kläger (Kl) sind miteinander verheiratet und werden antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Beide Kl erzielten im Streitjahr u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kl erzielte außerdem Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Am 22. Dezember 2007, am 12. Mai 2008 und am 14. Mai 2008 schlossen die Kl mit der Mutter des Kl bzw. mit der Mutter der Klägerin (Klin) so bezeichnete „Vereinbarungen zur Kinderbetreuung” ab, wonach sich die Mütter der Kl verpflichteten, deren Sohn an einem Tag pro Woche, erforderlichenfalls auch öfter, unentgeltlich zu betreuen. Die Kl verpflichteten sich zum Ersatz der Fahrtkosten, die für die Fahrten vom Wohnsitz der jeweiligen Mutter zur Wohnung der Kl entstanden, mit je 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Verträge Bezug genommen.

Für die im Streitjahr geleisteten Fahrten rechneten die Mütter der Kl die folgenden Beträge ab:

■Mutter des Kl: 1.886,40 EUR,

■Mutter der Klin: 727,20 EUR.

Die Kl bezahlten den Fahrtkostenersatz im Wege der Überweisung.

Am 6. September 2009 reichten die Kl ihre ESt-Erklärung für das Jahr 2008 beim Beklagten (Bekl) ein. Dabei machten sie u.a. erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten wie folgt geltend:

‒ Fahrtkostenersatz für die Mutter des Kl: 1.886 EUR
‒ Fahrtkostenersatz für die Mutter der Klin: 727 EUR
‒ Kosten für den Kindergarten ab September 2008 halbtags: 342 EUR.

Mit Bescheid vom 24. November 2009 setzte der Bekl die ESt der Kl für das Jahr 2008 fest. Dabei ließ er nur Kinderbetreuungskosten in Höhe von 228 EUR (2/3 von 342 EUR) zum Abzug zu. Zur Begründung führte er insoweit aus, „Kinderbetreuungskosten in Form von Fahrtkosten an die Großmütter” könnten nicht berücksichtigt werden. Gemäß R 4.8 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) und H 4.8 Einkommensteuer-Hinweise (EStH) sei es für die Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen notwendig, dass eine klare Vereinbarung vorliege, die inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entspreche und tatsächlich auch so durchgeführt werde. Zudem dürften die Leistungen nicht üblicherweise auf familienrechtlicher Grundlage erbracht werden. Nach den Vereinbarungen mit den Großmüttern seien die Betreuungsleistungen unentgeltlich erbracht und nur die Fahrtkosten erstattet worden. Die Vereinbarungen könnten somit nicht anerkannt werden. Berücksichtigt würden daher nur die Kindergartenaufwendungen.

Mit Schriftsatz vom 26. November 2009 legten die Kl Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, ihres Erachtens seien die von ihnen geleisteten Fahrtkostenerstattungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten abzugsfähig. Diese Fahrtkostenerstattungen seien wie unter Fremden üblich im Vorhinein klar vereinbart und entsprechend der Vereinbarungen ausgezahlt worden. Die Auszahlung der Beträge sei in Form von Überweisungen erfolgt. Die entsprechenden Nachweise seien erbracht worden. „Dienstleistung” im Sinne des § 4f EStG sei jede Tätigkeit, die aufgrund zivilrechtlicher Verpflichtung, nicht jedoch auf familienrechtlicher Grundlage erbracht werde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‒ BFH ‒ vom 4. Juni 1998 III R 94/96, BFH/NV 1999, 163). Es müsse jedoch kein Arbeitsvertrag oder eine entgeltliche Geschäftsbesorgung vorliegen. Vielmehr genüge nach der zitierten Rechtsprechung des BFH eine ernstgemeinte unentgeltliche Geschäftsbesorgung (z.B. nach § 662 des Bürgerlichen Gesetzesbuchs ‒ BGB ‒) mit der Möglichkeit des Aufwendungsersatzes. Soweit ein Angehöriger des Steuerpflichtigen das Kind betreue, müsse die zwischen den Beteiligten getroffene Abrede dem entsprechen, was unter fremden Dritten üblich sei. Dies bedeute, dass bei einer unentgeltlichen Geschäftsbesorgung, wie sie mit den Müttern der Kl vereinbart worden sei, nur der Aufwendungsersatz üblich sein müsse. Und dies sei der Fall. Weiter führten die Kl aus, die Regelung des § 4f EStG habe die Berücksichtigung von Aufwand für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt gehörigen Kindes zum Gegenstand. Nach Auffassung des Bekl liege im Streitfall kein „Aufwand für eine Dienstleistung” vor, da die Dienstleistung unentgeltlich erbracht worden sei und somit einem Fremdvergleich nicht standhalte. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1998 III R 94/96, BFH/NV 1999, 163) setze der Dienstleistungsbegriff ein Schuldverhältnis voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige berechtigt sei, die Betreuung des Kindes zu fordern, und die bzw. der Betreuende die vereinbarte Vergütung oder auch nur einen Ersatzanspruch geltend machen könne. Diese Rechtsprechung sei nach Auffassung der Kl im Streitfall einschlägig. Denn es gehe hier nicht um die Anerkennung eines Arbeitsvertrags zwischen nahen Angehörigen, sondern um die Anerkennung eines Vertrages, aus dem sich eine Verpflichtung der Mütter der Kl zur Kinderbetreuung ergebe. Die Kl seien darauf angewiesen (gewesen), dass ihre Mütter den Sohn regelmäßig betreut hätten, insbesondere zu den Zeiten, als die Kindertagesstätte im Jahr 2008 länger bestreikt worden bzw. der Sohn krank gewesen sei. Die getroffenen Vereinbarungen stellten die rechtliche Basis für die von den Kl in Anspruch genommenen Betreuungsleistungen dar. Die Mütter hätten sich mit diesen Vereinbarungen bereit erklärt, sich also verpflichtet, zu helfen, während sich die Kl verpflichtet hätten, ihnen (wenigstens) die Fahrtkosten zu ersetzen. Dieser Fahrtkostenersatz führe zu Aufwand und nur dieser Aufwand werde nach § 4f EStG geltend gemacht. Die Kl seien der Auffassung, dass unabhängig davon, ob ein Urteil des BFH im Bundessteuerblatt (BStBl) veröffentlicht werde oder nicht, die Grundsätze der ergangenen Entscheidung zur Lösung von vergleichbaren Steuerfällen bedeutsam seien. Zum Ganzen verweisen die Kl auf L. Schmidt-Loschelder, EStG, 28. Auflage 2009, § 4f Rn. 13.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12. September 2011 wies der Bekl den Einspruch der Kl als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, bei den von der Mutter der Klin sowie der Mutter des Kl erbrachten Betreuungsleistungen handle es sich um familieninterne, also außerhalb der Rechtssphäre liegende, Gefälligkeiten. Nach § 4f EStG könnten ‒ neben anderen, im Streitfall nicht zweifelhaften Tatbestandsvoraussetzungen ‒ Aufwendungen für erwerbsbedingte Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt gehörenden Kindes in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen, höchstens 4.000 EUR je Kind, abgezogen werden. Der Begriff der „Dienstleistung” in § 4f EStG umfasse jede Tätigkeit, die aufgrund einer Verpflichtung oder freiwillig, jedoch nicht auf familienrechtlicher Grundlage erbracht werde. Dies bedeute, dass nicht unbedingt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und der Betreuungsperson erforderlich sei. Es genüge vielmehr bereits eine nicht den lohnsteuerrechtlichen Vorschriften unterliegende Vereinbarung über eine Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB). Bei Angehörigen müsse eine solche Vereinbarung allerdings inhaltlich dem entsprechen, was auch bei Vereinbarungen unter Fremden üblich sei (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss vom 27. November 1989 GrS 1/88, BStBI II 1990, 160, zum Arbeitsverhältnis). In seinem Urteil vom 10. April 1992 III R 184/90, BStBI II 1992, 814 führe der BFH aus, dass ein Angehöriger, soweit er unentgeltlich tätig werde, die Betreuungsleistungen auf familienrechtlicher Grundlage erbringe. Dies sei vorliegend der Fall. Denn sowohl die Mutter der Klin als auch die Mutter des Kl hätten für die Betreuung ihres Enkelkindes kein Entgelt verlangt. Eine für die Kl positive rechtliche Würdigung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des von ihnen angeführten BFH-Urteils vom 4. Juni 1998 III R 94/96, BFH/NV 1999, 163. Denn dieses Urteil sei nicht amtlich veröffentlicht worden und sei deshalb nicht allgemein anzuwenden. In einem finanzgerichtlichen Verfahren ergangene und rechtskräftig gewordene Entscheidungen bänden nur die am Rechtsstreit Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger (§ 110 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒). Durch eine Veröffentlichung von Urteilen bzw. Beschlüssen des BFH im BStBl Teil II würden die Finanzämter angewiesen, diese Entscheidungen auch in vergleichbaren Fällen anzuwenden. Ob ein Urteil bzw. Beschluss zur amtlichen Veröffentlichung freigegeben werde, hänge davon ab, ob der BFH in seiner Entscheidung grundsätzliche oder in anderer Weise bedeutsame Aussagen getroffen habe. So würden Entscheidungen, die keine über den Einzelfall hinaus bedeutsamen oder grundsätzlichen Aussagen enthielten, nicht amtlich, sondern nur in der Sammlung der Entscheidungen des BFH ‒ BFH/NV ‒ veröffentlicht. Sie seien deshalb nicht allgemein anwendbar. Insgesamt bleibe festzustellen, dass der Bekl die Kinderbetreuungskosten in Form des Fahrtkostenersatzes zu Recht nicht berücksichtigt habe.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2011 erhoben die Kl Klage. Zur Begründung nehmen sie auf ihren Vortrag im Einspruchsverfahren Bezug und führen ergänzend im Wesentlichen aus, sie seien bei der Betreuung ihres Sohnes auf die Hilfe ihrer Mütter angewiesen gewesen. Diese hätten sich deshalb bereiterklärt, den Sohn regelmäßig und an näher bestimmten Tagen zu betreuen und ihn aus der Kindertagesstätte abzuholen. Dafür sei kein Entgelt gefordert worden, jedoch seien die Kl aufgrund der schriftlichen Vereinbarung rechtlich verpflichtet gewesen, die den Müttern entstandenen Aufwendungen für die Fahrten wie unter Fremden Dritten üblich mit 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer zu ersetzen. Nach Ansicht des Bekl wäre die Vereinbarung zwischen den Kl und ihren Müttern wohl nur dann steuerlich anzuerkennen gewesen, wenn neben dem Fahrtkostenersatz noch eine weitere Vergütung vereinbart worden wäre. Diese Ansicht überzeuge aber nicht, da der auf einer ernstgemeinten und auch wie unter fremden Dritten durchgeführten Vereinbarung beruhende Aufwendungsersatz als Aufwand im Sinne des § 4f EStG anzusehen sei. Eine darüber hinausgehende Vergütung führe lediglich zu höheren Aufwendungen, sei jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen. Der Bekl trage wohl letztlich vor, dass Aufwand, der neben den Aufwendungen für einen Ganztagsplatz in der Kindertagesstätte anfalle, stets dem familiären Bereich zuzuordnen sei, da Kinderbetreuungskosten nicht doppelt für den gleichen Zeitraum geltend gemacht werden könnten. Dies treffe aber nicht zu. Denn zum einen hätten die Mütter der Kl deren Sohn außerhalb der Öffnungszeiten der Kindertagesstätte betreut. Zum anderen sei dies aber unerheblich, da nach Auffassung der Kl selbst dann, wenn die Betreuung durch die Mütter der Kl während der Öffnungszeiten der Kindertagesstätte erfolgt wären, Aufwendungen im Sinne des § 4f EStG gegeben seien. Denn § 4f EStG verlange bezüglich der Einordnung der Aufwendungen als Kinderbetreuungskosten keine Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Notwendigkeit der Aufwendungen. Der Bekl trage zu den Aufwendungen für die Fahrten der Mutter der Klin vor, diese Aufwendungen seien sehr niedrig gewesen und gingen deshalb nicht über eine familienrechtliche Grundlage hinaus. Die Höhe des Aufwands sei aber kein geeignetes Kriterium, um über die Frage der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zu entscheiden. Die Mütter der Kl hätten den Fahrtkostenersatz in angemessener Höhe von 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer erhalten. Die Argumentation der Finanzverwaltung würde zu Ende gedacht wohl bedeuten, dass bei der Betreuung durch Personen, die dem engeren Familienkreis angehörten, der Aufwand umso eher abzugsfähig wäre, je höher dieser Aufwand sei. Dies würde die im „familiären Bereich” nötige Prüfung des Fremdvergleichs aber ad absurdum führen.

Im Erörterungstermin vom 26. März 2012 führte der Kl auf den Einwand des Bekl, dass in den vertraglichen Vereinbarungen mit den Müttern der Kl keine konkreten Tage vereinbart worden seien, an denen die Betreuungsleistungen zu erbringen gewesen seien, weshalb schon aus diesem Grunde die Leistungspflicht der Mütter nicht wie in einem Schuldverhältnis zwischen fremden Dritten vereinbart und durchgeführt worden sei, aus, die vertraglichen Vereinbarungen mit den Müttern seien jeweils als Rahmenvereinbarungen abgeschlossen worden. Diese seien jeweils samstags im Hinblick auf den Betreuungsbedarf der folgenden Woche konkretisiert worden. An den Samstagen sei also in der Regel mit den beiden Müttern besprochen und konkret vereinbart worden, an welchen Tagen und zu welchen Zeitpunkten die Betreuungsleistungen erforderlich sein würden. Die Betreuungen durch die Mütter seien fast ausschließlich an Werktagen erfolgt, in wenigen Fällen an Samstagen und niemals an Sonntagen. Insbesondere führte der Kl aus, dass die Betreuungen durch die Mütter in der Regel dann erfolgt seien, wenn die Kl aus beruflichen Gründen außer Haus gewesen seien. Teilweise seien die Betreuungen aber auch während der Anwesenheit der Kl zuhause erforderlich geworden, da sie in nicht unerheblichem Teil auch zuhause beruflich tätig seien. Die Klin habe in den Streitjahren einen häuslichen Arbeitsplatz gehabt, an dem sie anfangs zu 50% und später zu 70% tätig gewesen sei. In der Regel habe sie an einem Tag pro Woche ihren Arbeitsplatz in B aufsuchen müssen. Der Kl habe in erheblichem Umfang seine Tätigkeiten zuhause vorbereitet. Im Regelfall hätten die Betreuungsleistungen so ausgesehen, dass die Mütter der Kl den Sohn von der Kindertagesstätte abgeholt und nach Hause gebracht und dort betreut hätten, bis die Kl zur Übernahme der Betreuung zur Verfügung gestanden hätten. Zum Umfang der Betreuung des Sohnes in der Kindertagesstätte trug der Kl im Erörterungstermin vor, die Kl seien erst im Mai 2008 nach X gezogen. Vorher sei ihr Sohn nicht in einer Kindertagesstätte untergebracht gewesen. Erst nach dem Umzug der Kl nach X im Mai 2008 sei er in einer Kindertagesstätte betreut worden, zunächst aber nur im Rahmen einer Eingewöhnungsphase. Seit dem 1. September 2008 sei er dann in Vollzeit in einer Kindertagesstätte betreut worden.

Die Kl beantragen sinngemäß,

den ESt-Bescheid für 2008 vom 24. November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2011 dahingehend abzuändern, dass die ESt auf den Betrag herabgesetzt wird, der sich ergibt, wenn die Einkünfte des Kl aus selbständiger Arbeit um weitere erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1.742 EUR (2/3 von 2.613 EUR) vermindert werden,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er bezieht sich zur Erwiderung auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, die Kl hätten in ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr sowohl Gebühren für einen Platz ihres Sohnes in einer Kindertagesstätte als auch den an ihre Mütter geleisteten Fahrtkostenersatz als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten geltend gemacht. Die Kosten für den Platz in der Kindertagesstätte hätten 161 EUR betragen (Beweis: Kontoauszug vom 5. Mai 2009). Gemäß der Auskunft beim Jugendamt handle es sich dabei um einen Ganztagesplatz. Entschieden sich die Kl dafür, ihr Kind lieber zu den Großmüttern zu geben anstatt auf den gebuchten Betreuungsplatz zurückzugreifen, sei dies ausschließlich der familiären Ebene zuzurechnen. Kinderbetreuungskosten könnten nicht doppelt für den gleichen Zeitraum geltend gemacht werden.

Für die Zeit von Januar bis August 2008 argumentiert der Bekl, das von den Kl angeführte BFH-Urteil vom 4. Juni 1998 III R 94/96, BFH/NV 1999, 163 sei nicht im BStBl veröffentlicht worden und damit für die Verwaltung nicht bindend. Darauf seien die Kl bereits hingewiesen worden. Aber auch inhaltlich passe der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt nicht auf die im Streitfall gegebene Situation. In dem Fall, der dem genannten Urteil zugrundeliege, sei die Großmutter mit dem Taxi gefahren. Hierzu habe der BFH festgestellt, dass hohe Taxikosten auch im nahen Familienkreis nicht normal seien und deshalb über eine normale Gefälligkeit hinausgingen. Dem sei aber im vorliegenden Fall gerade nicht so. Die Mutter der Klin, Frau Y, sei einmal pro Woche angereist und habe die Strecke von ca. 30 km/einfach mit dem eigenen Pkw zurückgelegt. Der Besuch von Verwandtschaft 1. bzw. 2. Grades einmal wöchentlich sei durchaus üblich, zumal das Enkelkind noch klein gewesen sei und Großeltern oft die junge Familie unterstützten und deshalb regelmäßig vorbeischauten. Auch hielten sich die Fahrtkosten der Mutter der Klin aufgrund der recht geringen Entfernung zur Wohnung der Kl in Grenzen. Es sei deshalb nicht ersichtlich, warum diese Fahrtkosten über eine familienrechtliche Grundlage hinausgehen sollten. Bei der Mutter des Kl, Frau Z, seien zwar deutlich mehr Fahrten angefallen. Allerdings müsse man auch hier das Eigeninteresse der Großeltern mitbetrachten. Ein enger Kontakt zur eigenen Kernfamilie sei für die Mehrheit der Bevölkerung wünschenswert. Ein Fremdvergleich mit einer dritten Person sei hier nicht möglich. Eine Unterstützung der Großeltern bei der Kinderbetreuung sei durchaus üblich und zu erwarten, wenn die örtlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen dafür gegeben seien. Insoweit sei „ein Fremdvergleich mit einer familienfremden Kinderbetreuerin völlig verschieden”, da diese kein eigenes Interesse daran habe, die Steuerpflichtigen unentgeltlich zu unterstützen.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin vom 26. März 2012 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat verzichtet.



Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig und begründet.

Gemäß § 4f EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1, die wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen anfallen, bei Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen, höchstens 4.000 EUR je Kind, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit wie Betriebsausgaben abgezogen werden (Satz 1). Im Falle des Zusammenlebens der Elternteile gilt Satz 1 nur, wenn beide Elternteile erwerbstätig sind (Satz 2).

Der Begriff der „Dienstleistung” im Sinne des § 4f EStG umfasst jede Tätigkeit, die aufgrund eines Schuldverhältnisses erfolgt, aufgrund dessen der Steuerpflichtige berechtigt ist, die Betreuung des Kindes zu fordern (§ 241 Satz 1 BGB) und die Betreuungsperson die vereinbarte Vergütung oder aber auch nur einen Aufwendungsersatzanspruch (z.B. nach §§ 662, 670 BGB) geltend machen kann. § 4f EStG umfasst neben gegenseitigen Verträgen im Sinne des BGB auch Vereinbarungen über unentgeltliche Geschäftsbesorgungen im Sinne des § 675 BGB. Nicht von § 4f EStG erfasst werden dagegen Aufwendungen für Betreuungsleistungen, die lediglich auf familiärer Grundlage oder aufgrund eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses erfolgen. Die somit erforderliche Abgrenzung zwischen Betreuungsleistungen, die vom Regelungsgehalt des § 4 EStG umfasst werden und den von § 4f EStG nicht erfassten Betreuungsleistungen, die lediglich auf familiärer Grundlage oder auf der Basis eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses erbracht werden, hat danach zu erfolgen, ob zwischen den Steuerpflichtigen und der Betreuungsperson ein ernstgemeintes, gegenseitig berechtigendes und verpflichtendes Schuldverhältnisses bestand, das wie unter fremden Dritten üblich vereinbart und durchgeführt wurde (vgl. zum vormaligen § 33c EStG: BFH-Urteile vom 10. April 1992 III R 184/90, BStBl II 1992, 814 und vom 4. Juni 1998 III R 94/96, BFH/NV 1999, 163).

Im Streitfall sind die Voraussetzungen für das Vorliegen von „Dienstleistungen” im Sinne des § 4f EStG erfüllt. Durch den Abschluss der „Vereinbarungen zur Kinderbetreuung” vom 22. Dezember 2007, vom 12. Mai 2008 und vom 14. Mai 2008 haben die Kl und die Mutter des Kl bzw. die Mutter der Klin schuldrechtliche (vertragliche) Vereinbarungen geschaffen und die Betreuung des Kindes der Kl nicht im Wege bloßer familiärer Hilfeleistung oder Gefälligkeit, sondern ‒ darüber hinausgehend ‒ auf der Ebene rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeit geregelt. Diese Vereinbarungen wurden auch im Vorhinein, d.h. vor Erbringung der Betreuungsleistungen, abgeschlossen und entsprechen in Inhalt und Durchführung dem zwischen fremden Dritten Üblichen. So wurden die Betreuungsleistungen durch die Mütter der Kl unstreitig erbracht und der von den Kl aufgrund der Vereinbarungen mit den Betreuungspersonen geschuldete Fahrtkostenersatz jeweils im Wege der Überweisung geleistet. Unschädlich ist, dass die konkreten Tage, an denen die Betreuungsleistungen zu erbringen waren, nicht bereits in den Vereinbarungen selbst festgelegt wurden, sondern bloße Rahmenvereinbarungen abschlossen wurden, die noch der Konkretisierung hinsichtlich der genauen Zeiten, an denen Betreuungsleistungen erforderlich wurden, bedurften. In diesem Zusammenhang hat der Kl im Erörterungstermin nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass jeweils an den Wochenenden im Hinblick auf die zeitliche Situation der folgenden Woche die konkreten Zeiten, in denen die Betreuung des Sohnes der Kl durch deren Mütter erforderlich wurde, festgelegt wurde. Diese Handhabung führt indes nicht dazu, dass die Vereinbarung nicht als wie unter fremden Dritten üblich anzusehen wäre. Denn sie ergibt sich ersichtlich aus den äußeren Umständen, nämlich insbesondere aus den terminlichen Verpflichtungen der Kl in der Folgewoche, weshalb eine entsprechende Handhabung auch bei einem Vertragsabschluss mit fremden Betreuungspersonen erforderlich gewesen wäre. Ebenfalls unschädlich ist der Umstand, dass die Mütter der Kl die eigentlichen Betreuungsleistungen unentgeltlich erbracht haben und mit den Kl lediglich Vereinbarungen über den Ersatz der Fahrtkosten getroffen haben, die ihnen im Zusammenhang mit der Betreuung des Sohnes der Kl entstanden. Denn bei nur teilweise gegebener Entgeltlichkeit erfolgt die Betreuung nur insoweit auf der Grundlage familiärer Gefälligkeit, als sie unentgeltlich erbracht wird. Soweit aber eine Entgeltlichkeit vereinbart ist und diese Vereinbarung auch vollzogen wird, ist die Betreuung in Erfüllung der Vereinbarung über die Erbringung einer Dienstleistung erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 1992 III R 184/90, BStBl II 1992, 814). Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, hat der erforderliche Vergleich mit einer Vertragsgestaltung, wie sie unter fremden Dritten üblich wäre, nicht dergestalt zu erfolgen, dass darauf abzustellen ist, dass eine fremde Betreuungsperson auch für die Betreuungsleistung selbst ein Honorar gefordert hätte. Es kommt vielmehr darauf an, ob die getroffene Vereinbarung über die Verpflichtung der Kl zum Ersatz der Fahrtkosten auch zwischen fremden Dritten so üblich wäre. Diese Frage ist ohne Weiteres zu bejahen. Denn ein fremder Dritter hätte ‒ neben dem Honarar für die Betreuungsleistung selbst ‒ auf den Ersatz der ihm entstehenden Fahrtkosten bestanden.

Da im Streitfall anzuerkennende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen den Kl und den Betreuungspersonen getroffen wurden, ist es für die Entscheidung nicht von Bedeutung, dass in anderen Fällen derartige Hilfeleistungen ggf. auf der Grundlage bloßer familiärer Hilfeleistung erfolgen. Denn der Anerkennung einer vertraglichen Vereinbarung, die den Anforderungen eines Fremdvergleichs standhält, steht nicht entgegen, dass in Fällen anderer Steuerpflichtigen und deren Familien ggf. eine nicht-rechtsgeschäftliche Handhabung praktiziert wird. Entgegen der Auffassung des Bekl steht der Anerkennung der streitgegenständlichen Aufwendungen auch nicht entgegen, dass der Sohn der Kl im Streitjahr zum Teil auch in einer Kindertagesstätte betreut wurde. Denn die Kl haben glaubhaft ausgeführt, dass die Betreuungsleistungen durch ihre Mütter zusätzlich zu den Aufenthalten des Sohnes in der Kindertagesstätte erforderlich geworden seien. Außerdem sind Notwendigkeit, Angemessenheit, Üblichkeit oder Zweckmäßigkeit der Aufwendungen im Sinne des § 4f EStG nicht zu prüfen (vgl. hierzu: L. Schmidt-Loschelder, EStG, Kommentar, 27. Aufl. 2008, § 4f Rn. 15 mit weiteren Nachweisen).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3; 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11; 711 bzw. 709 Zivilprozessordnung (ZPO).

IV. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

RechtsgebieteEStG, BGBVorschriftenEStG 2008 § 4f BGB § 241 S. 1 BGB § 662 BGB § 670 BGB § 675