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21.12.2010 · IWW-Abrufnummer 104106

Oberlandesgericht München: Urteil vom 01.09.2010 – 3 U 2432/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


3 U 2432/10

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin ...

gegen

...

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...

wegen Rückzahlung des Kaufpreises u. a.

erlässt der 3. Zivilsenat durch den Vorsitzenden Richter am OLG ... und die Richter am OLG ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2010 folgendes

Endurteil

Tenor:
1. Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 23.02.2010 (Az.: 8 O 741/09) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kläger 9 % und die Beklagte 91 % der in erster Instanz angefallenen Kosten zu tragen hat.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Verfahren in erster Instanz wird für die Zeit bis zum 06.08.2010 auf 15.657 €, für die Zeit danach ebenso wie für die Berufungsinstanz auf 7.282,50 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe
I. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein gebrauchtes Fahrzeug.

Der Kläger (= Käufer) behauptete, ihm sei bei Abschluss des Kaufvertrages verschwiegen worden, dass das Fahrzeug einen Unfallschaden aufgewiesen hat, der zudem noch im Betrieb der Beklagten (= Verkäuferin) behoben worden war. Der Kläger hatte nach Rückgabe des Fahrzeugs zunächst in erster Instanz beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 15.657 € nebst Zinsen zu verurteilen. Mit diesem Leistungsantrag begehrte er den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis von 16.290 € zuzüglich Mietwagenkosten von 1.000 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung, die er mit 1.633 € bewertete. Das Fahrzeug war durch einen von der Beklagten, einer V.-Vertragshändlerin, bei der V.-Bank vermittelten Kredit finanziert worden. Diese hält den Fahrzeugbrief in Händen, weil das Fahrzeug ihr sicherungsübereignet worden ist. Auf den Einwand der Beklagten, der Kläger könne ihr, weil die Finanzierung schon vor dem Rücktritt notleidend geworden war, den Brief nicht verschaffen und damit auch nicht eine Rückübereignung des Fahrzeugs ermöglichen, stellte der Kläger seine Klage um und beantragte zuletzt in erster Instanz:

Es wird festgestellt, dass sich das Kaufvertragsverhältnis der Parteien gemäß Kaufvertrag vom 17.08.2007 durch die Rücktrittserklärung des Klägers vom 23.10.2008 in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet hat.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung.

Sie widersetzte sich der Klageänderung. Die Feststellungsklage sei unzulässig. Eine arglistige Täuschung habe nicht vorgelegen. Die Berechtigung von Mietwagenkosten bestritt sie. Die Nutzungsentschädigung berechnete sie mit 2.000 €. Am Fahrzeug seien Schäden durch den Kläger verursacht worden, deren Behebung einen Kostenaufwand von 3.000 € bis 4.000 € erfordern würden.

Das Landgericht gab der Klage antragsgemäß statt und legte der Beklagten sämtliche Kosten des Rechtsstreits auf. Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrages und der Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung wird gem. § 540 ZPO auf das Ersturteil Bezug genommen.

Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Die Annahme einer arglistigen Täuschung und die daraus resultierende Berechtigung des Klägers, vom Vertrag zurückzutreten, greift sie nicht an. Sie macht lediglich geltend, das Erstgericht habe zu Unrecht ein Feststellungsinteresse bejaht, weil dem Kläger die Erhebung bzw. hier Weiterverfolgung seiner Leistungsklage möglich gewesen wäre. Wegen ihrer vom Kläger bestrittenen Gegenansprüche aus dem Rückabwicklungsverhältnis werde ein weiterer prozesswirtschaftlich unvernünftiger Folgeprozess unvermeidlich sein. Zudem hätte das Landgericht dem Kläger die Kosten anteilig auferlegen müssen, die durch die nicht weiter verfolgte Leistungsklage entstanden seien.

Sie beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23.02.2010, zugestellt am 03.03.2010 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Er zweifelt an, dass die Berufung fristwahrend eingelegt wurde. Im übrigen verteidigt er das angefochtene Urteil. Er verweist auf ein Schreiben der V.-Bank vom 22.07.2009 (K12), worin diese zum Ausdruck bringt, dass sie die Berechtigung des Klägers, vom Kaufvertrag zurückzutreten, für die Abwicklung des Darlehensverhältnisses nur anerkennen werde, wenn hierüber eine gerichtliche Entscheidung vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II. 1) Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie fristwahrend eingelegt. Das angegriffene Urteil wurde der Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses des Beklagtenvertreters erst am 03.03.2010 zugestellt. Die am 30.03.2010 beim OLG München eingegangene Berufung wahrt die Frist nach § 517 ZPO. Auf Antrag des Beklagtenvertreters wurde ihm die Frist zur Begründung der Berufung bis 03.06.2010 gem. § 520 Abs.1 Satz 2 Satz 3 ZPO verlängert. Die Berufungsbegründung vom 31.05.2010 ging am 02.06.2010 und damit innerhalb der Frist des § 520 Abs. 1 ZPO ein.

2) Die Berufung ist, abgesehen von einer geringfügigen Korrektur der Kostenentscheidung des Ersturteils unbegründet. Zu Recht hat das Erstgericht das Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO hier bejaht.

3) Ausgangspunkt hierfür ist der Umstand, dass es eine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage zur Leistungsklage nicht gibt (BGH NJW 2006, 2549), auch wenn regelmäßig das Feststellungsinteresse zu verneinen sein wird, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit der Leistungsklage erreichen kann.

4) Dem Kläger steht hier die Möglichkeit zu einer erfolgversprechenden Leistungsklage mit einem prozesswirtschaftlich sinnvollen Ergebnis nicht zur Verfügung, so dass der Umstand, dass die von der Beklagten behaupteten Gegenrechte und der vom Kläger behauptete Schadensersatz bezüglich seiner Aufwendungen für einen Mietwagen ggf. in einem Folgeprozess geklärt werden müssen (wenn sich die Parteien möglichst unter Einschaltung der finanzierenden Bank nicht doch noch außergerichtlich einigen), der Erhebung einer Feststellungsklage nicht entgegengehalten werden kann.

Gegen die ursprünglich erhobene Leistungsklage wandte die Beklagte ein, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, da er nicht Eigentümer des Fahrzeugs ist. Daran ist richtig, dass die bloße Rückgabe des Fahrzeugs nicht genügt, um als zum Rücktritt berechtigter Käufer eine unbedingte Verurteilung zu beanspruchen. Die Annahme, der Kläger sei deshalb nicht aktivlegitimiert gewesen, liegt neben der Sache. Auch bei verbundenen Verträgen im Sinne von §§ 358 f. BGB bleibt der Käufer, der die gekaufte Sache der vom Verkäufer vermittelten Finanzierungsbank sicherungsübereignet hat, berechtigt, Gewährleistungsrechte geltend zu machen und ggf. vom Kaufvertrag zurückzutreten (vgl. Grüneberg in Palandt, Kommentar zum BGB 69. Auflage, § 359 Rn. 8). Dem Kläger kann hier aber nicht abverlangt werden, eine Klage auf Verurteilung Zug um Zug zu erheben, wenn er zur Erfüllung der Gegenleistung, hier zur Rückübereignung des Fahrzeugs nicht imstande ist. Unstreitig war das Darlehensverhältnis zwischen dem Kläger und der V.-Bank notleidend geworden, weil der Kläger seinen Zahlungsverpflichtungen nicht pünktlich nachgekommen war. Der von der Beklagten arglistig verschwiegene Unfallschaden war nur entdeckt worden, weil die Finanzierungsbank eine Begutachtung des Fahrzeugs veranlasste. Die Bank macht aber nunmehr die Rückabwicklung des Darlehensvertrages von zwei Bedingungen abhängig. Zum einen fordert sie die gerichtliche Klärung des von der Beklagten erstinstanzlich bestrittenen Rücktrittsrechts. Zum andern besteht sie auf der vollständigen Ausgleichung ihrer Darlehensansprüche. Soweit der Kläger zu letzterem nicht in der Lage ist, gewinnt er mit einer Verurteilung der Beklagten Zug um Zug gegen Rückübereignung nichts, was er mit der Erhebung einer Feststellungsklage nicht auch erreichen könnte. Hier ist die Leistungsklage kein effektiverer Weg zur Klärung der Rechtslage als die Feststellungsklage. Im Hinblick auf das Verhalten der Bank, die eine Beteiligung an der Klärung der Rückabwicklung von der Klärung der Frage, ob der Kläger überhaupt zum Rücktritt berechtigt war, abhängig machte, erscheint die Vorgehensweise des Klägers nachvollziehbar.

5) Schließlich kann hier vom Senat das Feststellungsinteresse wohl auch schon deshalb nicht verneint werden, weil die Umstellung des Antrags von einer Leistungsklage auf eine Feststellungsklage vom Erstgericht ausdrücklich gebilligt worden zu sein scheint (vgl. Schriftsatz der Klägervertreterin vom 20.11.2009). Der BGH hat mehrfach entschieden, dass eine vom Gericht veranlasste Antragsumstellung auf einen Feststellungsantrag hin einer Verneinung des Feststellungsinteresses in höherer Instanz entgegenstehe (BGH NJW RR 2006, 923ff.; BGHZ 28, 123, 126f). Hätte das Erstgericht die Feststellungsklage für unzulässig erachtet, hätte es in erster Instanz einen ausdrücklichen Hinweis nach § 139 ZPO erteilen müssen. Da dieser unterblieb, ist zumindest in Fallkonstellationen, in denen das Erfordernis einer Leistungsklage zweifelhaft sein kann, kein Raum für eine Korrektur der Annahmen des Erstgerichts. Eine solche Konstellation ist aus den oben angeführten Gründen hier jedenfalls gegeben.

6) Dass der Feststellungsanspruch der Sache nach besteht, wird von der Beklagten mit der Berufung nicht angegriffen. Dem Kläger wurde arglistig ein nicht völlig unbedeutender Unfallschaden vor Kaufabschluss verschwiegen.

7) Eine Korrektur erscheint nur im Hinblick auf die Kostenentscheidung des Erstgerichts angezeigt. Die Umstellung der Klage bewirkte, dass bestimmte streitwertbestimmende Elemente nicht mehr der Kognitionspflicht des Gerichts unterworfen waren und zudem lediglich eine Feststellung anstelle einer Leistung begehrt wurde. Soweit durch die ursprünglich erhobene Klage Mehrkosten entstanden sind, hat diese der Kläger nach dem Rechtsgedanken des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu tragen.

8) Der Streitwert bis zur Klageumstellung, die noch vor der ersten mündlichen Verhandlung erfolgt war, beläuft sich auf 15.657 € entsprechend dem Wert des bezifferten Leistungsantrags. Für die hier begehrte Feststellung des Bestehens eines Rücktrittsrechts erscheint ein Abschlag geboten. Der Abzug von 2/3 der ursprünglichen Klagesumme erscheint dem Senat jedoch übersetzt, wenn man berücksichtigt, dass aufgrund der bislang vom Beklagten benannten Gegenrechte nicht einmal die Hälfte der Kaufpreissumme hiervon in Frage gestellt wird und die dem Kläger aus dem berechtigten Rücktritt erwachsenden Ansprüche nicht allein den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises umfassen müssen. Im Hinblick auf die Unwägbarkeiten und den bloßen Feststellungscharakter erscheint eine Halbierung der ursprünglichen Klagesumme im Sinne von § 3 ZPO angemessen, weswegen der Streitwert insoweit unter Abänderung der Festsetzungen im Ersturteil auf 7.828,50 € festzusetzen war. Der gleiche Streitwert war auch für das Berufungsverfahren anzusetzen.

9) Mehrkosten fielen durch die ursprünglich höherwertige Klage hinsichtlich der Verfahrensgebühren und der Gerichtsgebühren an. Die 1,3-Gebühr aus 15.657 € beläuft sich incl. USt. auf 876,60 €, die für beide Anwälte entstanden ist. Bei einer sofortigen Erhebung der jetzt nur noch weiter verfolgten Feststellungsklage hätte sich die Verfahrensgebühr auf 637,36 € belaufen. Das ergibt insgesamt Mehrkosten von 476,48 €. Die Differenz der Gerichtsgebühren beläuft sich auf (726 - 498) 228 €. Insgesamt hat der Kläger daher Mehrkosten von 704,48 € verursacht, was im Verhältnis zum zuletzt maßgeblichen Streitwert ca. 9 % entspricht. Entsprechend war die Kostenentscheidung des Erstgerichts abzuändern.

10) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte nach Maßgabe der §§ 97 i.V.m. 92 Abs. 2 ZPO allein, weil insoweit die geringe Korrektur der Kostenentscheidung des Erstgerichts nicht ins Gewicht fällt.

11) Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

12) Gründe dafür, die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

RechtsgebieteBGB, ZPOVorschriften§ 358 BGB § 359 BGB § 256 Abs. 1 ZPO