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22.07.2013 · IWW-Abrufnummer 99960

Bundesfinanzhof: Urteil vom 30.06.1999 – II R 70/97

Räumt ein Versicherungsnehmer einem Dritten unwiderruflich das Bezugsrecht aus einer Kapitallebensversicherung ein und erhält der Begünstigte bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungsleistungen, unterliegt die Einräumung des Bezugsrechts als solche nicht der Schenkungsteuer. Zuwendungsgegenstand ist in diesen Fällen vielmehr (erst) die zur Auszahlung gelangende Versicherungsleistung.




I.

Der Vater (V) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte vier Kapitallebensversicherungen auf den Erlebens- und Todesfall abgeschlossen, die am 1. Januar, 1. Juni bzw. 1. September 1993 mit dem Ende der jeweils vereinbarten Laufzeit fällig werden sollten. Am 24. Juli 1987 übertrug V unwiderruflich die Bezugsrechte aus diesen Versicherungen auf die Klägerin. Die Lebensversicherungsgesellschaften bestätigten auf Antrag des V den Erwerb der Bezugsrechte. Bei Ablauf der Versicherungen im Jahre 1993 wurden an die Klägerin 408 239 DM ausgezahlt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah die an die Klägerin ausgezahlten Ablaufleistungen als Zuwendungen des V an und setzte durch Bescheid vom 4. Dezember 1995 unter Berücksichtigung von Vorschenkungen aus dem Jahre 1988 in Höhe von 92 100 DM und eines Freibetrages von 90 000 DM Schenkungsteuer in Höhe von 30 709 DM gegen die Klägerin fest.

Mit dem erfolglos gebliebenen Einspruch und der Klage beantragte die Klägerin, die Schenkungsteuer für diesen Vorgang nach zwei Dritteln der bis zur Übertragung der Bezugsrechte eingezahlten Versicherungsbeiträge, insgesamt nach einem Wert von 118 688, 90 DM festzusetzen.

Die Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß Gegenstand der erst bei Fälligkeit der Versicherungen ausgeführten Schenkungen die Leistungsansprüche gegen die Lebensversicherungsunternehmen waren.

Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1401 veröffentlicht.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, Gegenstand der Schenkung im Jahre 1987 sei nach dem Willen des V das jeweilige Bezugsrecht gewesen. V habe ihr nicht die im Jahre 1993 zur Auszahlung gelangten Versicherungsleistungen zugewendet. Mit der Übertragung der Bezugsrechte sei die Zuwendung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG 1974) ausgeführt worden. Soweit das FG auf den Schenkerwillen abgestellt habe, hätte es den V von Amts wegen als Zeugen zur Frage des Schenkungsgegenstandes vernehmen müssen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Münster vom 24. Juli 1997 3 K 4674/96 Erb und die Einspruchsentscheidung vom 3. September 1996 aufzuheben sowie die Schenkungsteuer unter Abänderung des Bescheides vom 4. Dezember 1995 auf der Basis eines übertragenen Vermögenswertes von 118 688, 90 DM neu festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß als Gegenstand der freigebigen Zuwendung des V an die Klägerin die --zunächst noch unter der Bedingung des Eintritts des Versicherungsfalls stehenden-- Ansprüche auf die Versicherungsleistungen anzusehen sind. Dagegen liegt entgegen der Auffassung der Klägerin in dem Erwerb der unwiderruflichen Bezugsrechte (noch) kein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt es für die Bestimmung des Zuwendungsgegenstandes einer Schenkung nicht entscheidend auf den Willen des Zuwendenden, sondern auf die tatsächliche Bereicherung an, die sich danach richtet, was der Bedachte --endgültig-- erhalten hat (BFH-Urteile vom 26. September 1990 II R 50/88, BFHE 162, 139, BStBl II 1991, 32, 33, und vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83).

Endgültig erhalten hat die Klägerin im Streitfall die erst 1993 durch Zeitablauf entstandenen Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen in Höhe von 408 239 DM. In den Ablaufleistungen aus den Lebensversicherungsverträgen liegt die der Schenkungsteuer unterliegende Bereicherung der Klägerin. Diese wurden der Klägerin auch "aus dem Vermögen" des V zugewandt. Denn die Auszahlung der Versicherungssummen an die Klägerin erfolgte aufgrund von Verträgen, die V als Versicherungsnehmer mit den beteiligten Versicherungsunternehmen abgeschlossen hatte. Die rechtliche Stellung als Versicherungsnehmer hat V bis zuletzt behalten und nicht etwa durch die Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts zugunsten der Klägerin verloren. V --und nicht etwa die Klägerin-- hatte somit bis zum Ablauf der Lebensversicherungen das Dispositionsrecht über die Verträge; er allein konnte die Verträge kündigen oder in eine beitragsfreie Versicherung umwandeln (vgl. Kollhosser in Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, Kommentar, 26. Aufl. 1998, § 165 Rdnr. 1, § 166 Rdnr. 7, m. w. N. ) und damit auch die Höhe der Versicherungsleistung, welche die Klägerin letztlich erhalten sollte, beeinflussen. Anders als im Fall der Übertragung aller Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertragsverhältnis beruhte im Streitfall der Wertzuwachs zwischen der Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts und der Endfälligkeit der Versicherungen auf einem Vertrag, an dem nicht die Klägerin, sondern nur V beteiligt war, also ausschließlich auf einer Vermögensposition, die (nur) dem V zugerechnet werden kann (anders BFH-Urteil vom 12. Juni 1953 III 19/52 S, BFHE 57, 648, BStBl III 1953, 247).

Demgegenüber hat die Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts als solche noch nicht zu einem selbständigen schenkungsteuerpflichtigen Erwerb der Klägerin geführt. Zutreffend verweist diese zwar darauf, daß sie durch die Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts zu Lasten des Vermögens des V bereichert worden sei. Sie übersieht jedoch, daß die Zuwendung des Bezugsrechts nicht den Tatbestand des § 7 ErbStG 1974 erfüllt.

Die Einräumung eines Bezugsrechts an einer Kapitallebensversicherung stellt eine Abtretung künftiger Forderungen des Versicherungsnehmers aus dem von ihm abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag dar. Abtretungsgegenstand ist eine aufschiebend bedingte bzw. betagte Forderung, die erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls, d. h. im Falle des Todes des Versicherungsnehmers bzw. bei vorzeitiger Kündigung oder bei (Zeit-)Ablauf der Versicherungen entsteht.

Zivilrechtlich ist bei einer (Voraus-)Abtretung künftiger Forderungen zwischen den durch das Verfügungsgeschäft herbeigeführten Rechtsbindungen und dem Wirksamwerden des mit ihm bezweckten späteren Rechtsübergangs zu unterscheiden. Die in der Abtretungsvereinbarung enthaltene rechtsgeschäftliche Verfügung ist zwar mit Vertragsabschluß beendet und für den Abtretenden insofern bindend, als er den späteren Erwerb der Forderung durch den Abtretungsempfänger nicht mehr durch eine erneute Abtretung vereiteln kann. Ihre volle Wirkung kann die Abtretung aber erst entfalten, wenn und sobald alle Voraussetzungen für die Entstehung der Forderung in der Person des Abtretenden erfüllt sind, gleichgültig, ob sie dann unmittelbar oder erst nach einem Durchgangserwerb des Abtretenden dem Abtretungsempfänger zusteht (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 19. September 1983 II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206 f. [BGH 19.09.1983 - II ZR 12/83] ; Palandt/ Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 58. Aufl. , § 398 Anm. 11).

Schenkungsteuerrechtlich führt die (unentgeltliche) Abtretung einer erst künftig entstehenden Forderung zunächst nicht zur Schenkungsteuerpflicht, auch wenn dem Erwerber dadurch eine geschützte (abtret-, vererb- und verpfändbare) Rechtsposition (Anwartschaftsrecht) eingeräumt wird. Denn aus § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG 1974 ergibt sich, daß der Erwerb aufschiebend bedingt, betagt oder befristet erworbener Ansprüche vor dem Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses nur dann der Schenkungsteuer unterliegt, wenn der Erwerber durch Verzicht auf den zukünftigen Anspruch gegen Abfindung den Wert seiner Anwartschaft realisiert. Die Vorschrift setzt danach voraus, daß der Erwerb eines aufschiebend bedingten Anspruchs vor Eintritt der Bedingung noch keine Steuer auslöst (vgl. Moench, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, § 7 Anm. 225; Meincke, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 11. Aufl. , § 7 Rdnr. 116). Schenkungsteuerrechtlich relevant ist erst der nachfolgende Erwerb des Vollrechts, d. h. die Entstehung des unbedingten Anspruchs in der Person des Erwerbers, mit dem diesem die Rechtsposition zuwächst, die den Gegenstand einer solchen Schenkung bildet (vgl. Meincke, a. a. O. , § 9 Rdnr. 44).

Räumt daher ein Versicherungsnehmer einem Dritten unwiderruflich das Bezugsrecht aus einer Kapitallebensversicherung ein und erhält der Begünstigte bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungsleistungen, unterliegt die Einräumung des Bezugsrechts als solche nicht der Schenkungsteuer. Zuwendungsgegenstand ist in diesen Fällen vielmehr (erst) die zur Auszahlung gelangende Versicherungsleistung (vgl. im Ergebnis wie hier: BFH-Urteile vom 11. Juli 1952 III 112/51 S, BFHE 56, 622, BStBl III 1952, 240, und in BFHE 57, 648, BStBl III 1953, 247); im Streitfall sind dies die an die Klägerin tatsächlich zur Auszahlung gelangten Versicherungsleistungen. Auf eine andere Vorstellung der Beteiligten bzw. auf einen möglicherweise entgegenstehenden Parteiwillen (Willen des Zuwendenden) kommt es nicht an. Der Vernehmung des V als Schenker durch das FG zur Aufklärung des Parteiwillens hat es danach nicht bedurft.

Vorschriften§ 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG 1974