Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Berufsunfähigkeit

Versicherte dürfen nicht auf „unterwertige“ Beschäftigung verwiesen werden

| Die Berufsunfähigkeitsrente wird abgelehnt, weil der Versicherte andere Tätigkeiten ausüben könne: So argumentieren Versicherer immer wieder. Der BGH stellt klar: Ein Versicherter darf mit der Verweisungstätigkeit nicht deutlich unter seinen früheren beruflichen Status absinken. |

 

Sachverhalt

Der Kläger verlangt eine private Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU). Von Juli 94 bis Dezember 00 arbeitete er im Bereich Metallbau mit Schwerpunkt Hufbeschlag. Hieran schloss sich ein mehrmonatiger Lehrgang zum Hufbeschlagschmied an. Diese Tätigkeit übte er von Juni 03 bis März 09 selbstständig aus. Vom 1.4.09 bis 30.4.15 hatte er in einer Biogasanlage als Anlagenwart und später als Maschinenführer gearbeitet. Seit dem 1.5.15. war er Lagerist in einem anderen Unternehmen.

 

Er trug vor, sein 04 begonnenes Leiden (u. a. chronische Lendenwirbel- und Schultergelenksbeschwerden) hätte es erfordert, in der Biogasanlage zu arbeiten. Als Hufbeschlagschmied habe er zunächst noch nebenberuflich weitergearbeitet, sei aber in diesem Beruf seit Juli 12 zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig.

 

Sein BU-Versicherer weigerte sich, zu zahlen. Er verwies den Kläger darauf, als Maschinenführer zu arbeiten. Der BGH sah dies anders, hob das Berufungsurteil auf und wies die Sache an das Berufungsgericht zurück (20.12.17, IV ZR 11/16, Abruf-Nr. 198743).

 

 

Entscheidungsgründe

Die Versicherung führte ins Feld, dass der Kläger als Maschinenführer einen deutlichen Einkommenszuwachs habe. Sein Einkommen als Hufbeschlagschmied habe nicht gereicht, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Der BGH stellte klar, dass diese höheren Einkünfte nichts an dem Grundsatz ändern würde, dass die neue Tätigkeit nicht deutlich das bisherige Qualifikationsniveau unterschreiten dürfe. Die bisherige Lebensstellung werde nicht von irgendeiner, sondern vor allem durch die zuletzt im gesunden Zustand ausgeübte Tätigkeit geprägt.

 

Selbst wenn der Kläger, wie die Gegenseite vortrug, insoweit nicht ausreichend dargelegt hätte, führte dies nicht dazu, die Klage abzuweisen. Da das Berufungsgericht nur eine Beschreibung seiner neuen Tätigkeit forderte, hatte er deshalb keinen Anlass davon auszugehen, dass er bislang nicht ausreichend zu den Vergleichsgrundlagen vorgetragen habe, was die jeweiligen Anforderungsprofile der beiden Berufsbilder betraf. Einen der Sache nach gem. § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO gebotenen Hinweis hat das Berufungsgericht nicht erteilt.

 

Relevanz für die Praxis

Berufsunfähige Mandanten haben häufig zuletzt an ihrer Arbeitsstelle nicht die Tätigkeit ausgeübt, wie sie dies regulär taten. Der Grund ist einfach: Sie waren bereits körperlich eingeschränkt und nicht mehr voll belastbar. Kommt es jetzt zur Verweisungsfrage, gilt eine zentrale Entscheidung des BGH: Auch in solchen Fällen ist stets die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit maßgebend ist. Und zwar auch, wenn der Versicherte, nachdem der Versicherungsfall erstmalig eingetreten war, zunächst einer leidensbedingt eingeschränkten Tätigkeit nachging (BGH 14.12.16, IV ZR 527/15).

 

Ist eine konkrete Verweisungsmöglichkeit vertraglich vereinbart, begründet die Beendigung der Vergleichstätigkeit erneut eine Leistungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen unverändert der in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit nicht nachgehen kann.

 

PRAXISHINWEIS | Das OLG Thüringen hat zu vertraglichen Einkommensgrenzen eines BU-Versicherers entschieden (21.12.17, 4 U 699/13). Die Versicherungsbedingungen schlossen eine „Verweisung“ aus, wenn das Einkommen dadurch 20 Prozent oder mehr unterhalb des bisherigen Verdienstes liegt. Aber: Hieraus folge nicht, dass, wenn ein Einkommen von mehr als 80 Prozent erzielt wird, eine Verweisung stets gerechtfertigt ist. Vielmehr bedeute dies nur, dass diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Ein darüber hinausgehender, für den Versicherten nachteiliger Regelungsinhalt müsste dann schon genau im Vertrag stehen.

 

Weiterführende Hinweise

  • BU-Rente: Versicherer darf umfassend prüfen, SR 17, 112
  • BU-Vertrag: Grunderkrankungen müssen angegeben werden, SR 17,4
  • Vor Reha-Antrag muss aussagekräftiges Gutachten vorliegen, SR 17, 164
Quelle: Ausgabe 04 / 2018 | Seite 60 | ID 45183071