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· Fachbeitrag · Der praktische Fall

Schenkungsteuer beim Zuwendungsnießbrauch: Zwei Besteuerungsmöglichkeiten im Überblick

| Der Zuwendungsnießbrauch ist in der Praxis eine beliebte Gestaltungsvariante, wobei regelmäßig ertragsteuerliche Überlegungen im Fokus stehen. Wie ein Zuwendungsnießbrauch schenkungsteuerlich zu behandeln ist, zeigt der folgende praktische Fall. |

1. Sachverhalt

Vater V besitzt eine vermietete Immobilie (Wert: 750.000 EUR). V räumt seiner Tochter (28 Jahre) am 1.2.19 einen lebenslangen Zuwendungsnießbrauch an dem Grundstück ein. Der nach den Bestimmungen des BewG ermittelte Jahreswert für den Nießbrauch beträgt 38.000 EUR. Vorschenkungen gibt es nicht.

 

Frage: Wie hoch ist die Schenkungsteuer ‒ und gibt es eine Möglichkeit, den fälligen Betrag nicht sofort in einer Summe entrichten zu müssen?

2. Lösung

Bei der Bewertung des Zuwendungsnießbrauchs ist zunächst der Jahreswert nach den Vorschriften des §§ 13 ff. BewG zu ermitteln. Dabei ist § 16 BewG zu beachten, wonach der Jahreswert höchstens den Wert betragen darf, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird (hier: 750.000 EUR/18,6 = 40.322 EUR). Da dieser Betrag höher ist als der Jahreswert laut Sachverhalt, sind folglich 38.000 EUR anzusetzen.

 

Beachten Sie | Der für den Nießbrauch maßgebliche Jahreswert ist der Betrag, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt wird, § 15 Abs. 3 BewG. Hier ist der im Durchschnitt der Jahre erwartete Reinertrag gemeint, der durch Schätzung zu ermitteln ist. Der Jahreswert auf Basis der Reinerträge richtet sich nicht nach der Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, § 21 EStG.

 

Der Jahreswert (38.000 EUR) ist im nächsten Schritt mit dem Vervielfältiger gemäß § 14 Abs. 1 BewG zu multiplizieren. Dadurch ergibt sich der Kapitalwert des Zuwendungsnießbrauchs. Die Vervielfältiger für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.19 hat die Finanzverwaltung kürzlich veröffentlicht (BMF 22.11.18, IV C 7 - S 3104/09/10001):

 

  • Ermittlung des Kapitalwerts

Jahreswert

38.000 EUR

Vervielfältiger Frau, 28 Jahre

17,735

Kapitalwert (38.000 EUR × 17,735)

673.930 EUR

 

Die Einräumung des Zuwendungsnießbrauchs unterliegt der Schenkungsteuer, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Bei einer Sofortversteuerung ergibt sich folgender Betrag:

 

  • Schenkungsteuer bei Sofortversteuerung
  • Kapitalwert Zuwendungsnießbrauch

673.930 EUR

  • ./. Freibetrag Steuerklasse I (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG)

./. 400.000 EUR

  • steuerpflichtiger Erwerb (gerundet)

273.900 EUR

  • Schenkungsteuer bei Steuerklasse I = 11 % (§ 19 ErbStG)

30.129 EUR

 

MERKE | Die Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13d ErbStG) kann hier nicht genutzt werden, weil kein begünstigtes Vermögen in seiner Substanz übertragen wird, sondern „nur“ ein Nießbrauchsrecht.

 

Nach § 23 ErbStG können Steuern, die vom Kapitalwert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen zu entrichten sind, statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus von dem Jahreswert entrichtet werden. Hierbei richtet sich der Steuersatz nach der Besteuerung des Kapitalwerts, § 23 Abs. 1 S. 2 ErbStG. Das Wahlrecht berücksichtigt, dass der Nießbraucher den Kapitalwert des Nießbrauchsrechts oft nicht bereits am Anfang der Bezugsperiode verfügbar hat.

 

Der Steuerpflichtige muss einen Antrag stellen, um das Wahlrecht auszuüben. Wurde keine Wahl getroffen, dann geht das FA von der Regelbesteuerung aus (vgl. Eisele in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 23, Rz. 9). Hat der Steuerpflichtige indes von dem Wahlrecht nach § 23 ErbStG Gebrauch gemacht, kann (erneutes Wahlrecht) er die Jahressteuer zum jeweils nächsten Fälligkeitstermin mit ihrem Kapitalwert ablösen, § 23 Abs. 2 ErbStG.

 

  • Schenkungsteuer bei Ausübung des Wahlrechts nach § 23 ErbStG

Jahreswert

38.000 EUR

jährlich zu entrichtende Steuer (11 %)

4.180 EUR

 

Beachten Sie | Ist Vermögen, das der Sofortversteuerung unterliegt, nicht vorhanden, sind die Freibeträge nach §§ 16, 17 ErbStG bei der Jahresversteuerung nach der Aufzehrungsmethode in der Weise zu berücksichtigen, dass von der Erhebung der Jahressteuer solange abgesehen wird, bis die Freibeträge durch Verrechnung mit den Jahreswerten aufgezehrt sind (H E 23 ErbStH). Für die ersten 10 Jahre (10 × 38.000 EUR) ist die Jahressteuer mit Rücksicht auf den Freibetrag von 400.000 EUR somit nicht zu erheben.

 

FAZIT | Die Vorteile des § 23 ErbStG liegen auf der Hand: Der Nießbraucher kann die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer aus den Erträgen des Nießbrauchsrechts entrichten. Allerdings ist bei dieser zunächst liquiditätsschonenden Variante auch zu konstatieren, dass die Jahressteuer im Vergleich zur Sofortversteuerung ungünstiger ist, wenn die statistische Lebenserwartung übertroffen wird.

 
Quelle: Ausgabe 05 / 2019 | Seite 89 | ID 45770375