· Fachbeitrag · Mandanten fragen
Gibt es für die Übertragung eines Einzelunternehmens steuerliche Vergünstigungen?
von StB Christoph Wenhardt, Brühl
| Der vermögende Senior S möchte von Ihnen als Rechtsanwalt die folgenden Fragen beantwortet wissen: |
1. Frage
Werden bei der Schenkung eines Einzelunternehmens schenkungsteuerliche Verschonungsmaßnahmen gewährt und wenn ja welche und unter welchen Voraussetzungen?
Antwort: Wird ein Einzelunternehmen schenkweise auf den Erwerber übertragen, werden, sofern bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden, mehrere Verschonungsmaßnahmen gewährt, wie folgendes Beispiel zeigt:
|
Der Großvater S schenkt seiner Lieblingsenkelin EN ein Einzelunternehmen. Dessen begünstigtes Vermögen beträgt 2.500.000 EUR. Verwaltungsvermögen soll im Betrieb nicht vorhanden sein. |
a) Regelverschonung
Stellt EN keinen Antrag, kommt die sog. Regelverschonung zur Anwendung. Dies sind ein 85%iger Verschonungsabschlag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) und ein gleitender Abzugsbetrag von 150.000 EUR (§ 13a Abs. 2 ErbStG). Das anzusetzende Betriebsvermögen ermittelt sich damit wie folgt:
| |
Begünstigtes Vermögen des Einzelunternehmens | 2.500.000 EUR |
abzüglich Verschonungsabschlag (85 % von 2.500.000 EUR) | ./. 2.125.000 EUR |
verbleibender Wert | 375.000 EUR |
Abzugsbetrag (Berechnung siehe nachstehend) | ./. 37.500 EUR |
Bereicherung entspricht dem anzusetzenden Betriebsvermögen | 337.500 EUR |
Der Abzugsbetrag berechnet sich wie folgt:
| ||
Abzugsbetrag (Berechnung siehe nachstehend) | 150.000 EUR | |
Verbleibender Wert (siehe vorstehende Berechnung) | 375.000 EUR | |
Abzugsbetrag | ./. 150.000 EUR | |
Unterschiedsbetrag | 225.000 EUR | |
vom Unterschiedsbetrag 1/2 | 112.500 EUR | ./. 112.500 EUR |
Verbleibender Abzugsbetrag | 37.500 EUR |
Die Berechnung der Schenkungsteuer für EN ist wie folgt durchzuführen:
| |
Bereicherung | 337.500 EUR |
Persönlicher Freibetrag | ./. 200.000 EUR |
Steuerpflichtiger Erwerb | 137.500 EUR |
Nun ist der Steuersatz festzustellen. Dieser beträgt in Steuerklasse I bei einem steuerpflichtigen Erwerb von 137.500 EUR = 11 Prozent (siehe § 19 Abs. 1 ErbStG). Hieraus ergibt sich eine schenkungsteuerliche Belastung von 15.125 EUR.
b) Optionsverschonung
Alternativ kann sich E auch für die so genannte Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG) entscheiden. Im Unterschied zur Regelverschonung darf das begünstigungsfähige Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG aber hier nicht zu mehr als 20 Prozent aus Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG bestehen.
Das anzusetzende Betriebsvermögen ermittelt sich wie folgt:
| |
Begünstigtes Vermögen | 2.500.000 EUR |
abzüglich Verschonungsabschlag (100 % von 2.500.000 EUR) | ./. 2.500.000 EUR |
Bereicherung entspricht dem anzusetzenden Betriebsvermögen | 0 EUR |
Der Abzugsbetrag kommt bei der Optionsverschonung nicht in Betracht.
Da sich eine Bereicherung und demzufolge ein steuerpflichtiger Erwerb von 0 EUR ergibt, kommt es bei der Optionsverschonung zu keiner schenkungsteuerlichen Belastung.
c) Entlastungsbetrag
Darüber hinaus können bestimmte Erwerber auch einen Entlastungsbetrag (§ 19a ErbStG) beanspruchen. Dies sind die Erwerber der Steuerklasse II oder III (also bspw. Tanten, Onkel, Geschwister, Neffen oder Nichten, der Lebensgefährte oder auch fremde Dritte). Sinn des Entlastungsbetrags ist es, diesen Personenkreis mit den Personen der Steuerklasse I gleichzustellen.
Beachten Sie | Da die Enkelin EN schon zur Steuerklasse I gehört, wirkt sich bei ihr der Entlastungsbetrag nicht aus.
d) Vorababschlag
Nach § 13a Abs. 9 ErbStG gibt es auch einen Vorababschlag. Dieser wird aber nicht beim Erwerb eines Einzelunternehmens gewährt.
e) Stundung
Eine Stundung wird für die auf das begünstigte Unternehmensvermögen anfallende Schenkungsteuer jedoch nicht gewährt (§ 28 Abs. 1 ErbStG).
2. Frage
Gelten die schenkungsteuerlichen Verschonungsmaßnahmen auch beim Übergang von Todes wegen?
Antwort: Die unter der Antwort zur Frage 1 aufgeführten Verschonungsmaßnahmen (Verschonungsabschlag/Abzugsbetrag und Entlastungsbetrag) werden auch beim Erwerb von Todes wegen gewährt. Begünstigte Erwerbe sind z. B.
- Vermächtnis (auch Vorausvermächtnis)
- Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall
- Erwerb infolge Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch
- Erwerb infolge Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft
a) Stundung
Neben den anderen Verschonungsmaßnahmen kann aber auch eine Stundung für die auf das begünstigte Unternehmensvermögen anfallende Erbschaftsteuer gewährt werden (§ 28 Abs. 1 ErbStG). Denn es handelt sich um einen Erwerb von Todes wegen. Der Stundungszeitraum beträgt 7 Jahre. Zinsen sind erst ab der zweiten Jahresrate des Stundungsbetrags zu entrichten; diese betragen 0,5 Prozent für jeden vollen Monat.
Beachten Sie | Die Inanspruchnahme der Stundung setzt aber einen Antrag des Erwerbers voraus.
3. Frage
Sind vom Erwerber bestimmte Voraussetzungen einzuhalten?
Antwort: Ja, die Verschonungsmaßnahmen kommen nur in Betracht, wenn der Erwerber bestimmte Voraussetzungen einhält.
a) Behaltensregelungen
Der Erwerber darf nicht gegen die in § 13a Abs. 6 festgelegten Behaltensregelungen verstoßen. Hierbei sind die Gründe, die zu einem Verstoß gegen die Behaltensregelungen führen, unbeachtlich (vgl. auch H 13a.11 Ländererlass und BFH 16.2.05 (II 39/03, BStBl. II 05, S. 571) und BFH 26.2.14 (II 36/12, BStBl. II 14, S. 581). Insbesondere darf der Erwerber das Einzelunternehmen weder veräußern noch aufgeben (§ 13a Abs. 6 Nr. 1 ErbStG). Anderenfalls kommt es zur Nachversteuerung. Auch eine Entnahmebegrenzung ist zu beachten (§ 13a Abs. 6 Nr. 3 ErbStG). Dies gilt aber nur innerhalb von bestimmten Behaltensfristen. Diese sehen wie folgt aus:
- 85%iger Verschonungsabschlag: 5 Jahre (§ 13a Abs. 6 S. 1 ErbStG)
- 100%iger Verschonungsabschlag: 7 Jahre (§ 13a Abs. 10 S. 1 Nr. 6 ErbStG)
Hat der Erwerber gegen die Behaltensregelungen verstoßen, besteht für ihn eine Anzeigepflicht. Diese verlangt, dass der Erwerber innerhalb eines Monats nachdem der jeweilige Tatbestand verwirklicht wurde, dies schriftlich beim Finanzamt anzuzeigen (§ 13a Abs. 7 S. 2 ErbStG und § 153 Abs. 2 AO).
b) Schwellengrenze
Die Regelverschonung von 85 Prozent und auch der gleitende Abzugsbetrag finden nur Anwendung, wenn die Schwellengrenze von 26.000.000 EUR nicht überschritten wird (§ 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG). Das gleiche gilt auch für die Optionsverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG. Der Schwellenwert ist aber kein Freibetrag, sondern eine Freigrenze. Er findet also schon Anwendung, wenn er um einen Euro überschritten wurde. Überschreitet das begünstigte Vermögen i. S d. § 13b Abs. 2 ErbStG den Schwellenwert, sind die obigen Verschonungsmaßnahmen ausgeschlossen.
Beachten Sie | Es greift dann aber das Abschmelzmodell nach § 13c ErbStG oder alternativ eine Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG. Auf diese soll hier aber nicht eingegangen werden, da die Ausführungen hierzu den Beitrag sprengen würden.
c) Begünstigtes Vermögen
Ferner muss es sich um nach § 13b ErbStG begünstigtes Vermögen handeln. Dies ist bei einem Einzelunternehmen der Fall (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
4. Frage
Was ist, wenn zunächst ein Einzelunternehmen verschenkt wird, aber anschließend der Senior verstirbt und noch ein weiteres Einzelunternehmen vermacht?
Antwort: Geht nach einer Übertragung begünstigten Unternehmensvermögens erneut Unternehmensvermögen auf den Erwerber über (hier durch Erwerb von Todeswegen), gilt für die einzelnen Verschonungsmaßnahmen folgendes:
- Der Verschonungsabschlag von 85 Prozent/100 Prozent wird erneut gewährt. Hier muss aber beachtet werden, dass die Erwerbe für die Ermittlung des Schwellenwerts von 26.000.000 EUR zusammengerechnet werden ‒ und dies innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren.
- Entlastungsbetrag/Stundungsregelung werden ebenfalls erneut berücksichtigt.
- Abzugsbetrag: Der Abzugsbetrag kann gem. § 13a Abs. 2 S. 3 ErbStG innerhalb von 10 Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe begünstigten Vermögens nur einmal berücksichtigt werden.
- Beachten Sie | Hat sich der Abzugsbetrag nicht in voller Höhe ausgewirkt, dann ist trotzdem der vollständige Verbrauch eingetreten. Nach Ablauf von 10 Jahren kommt der Abzugsbetrag erneut zur Anwendung.