· Fachbeitrag · Sozialhilferegress
Taschengeld von Großvater 16 Jahre lang gespart: Sozialhilfeträger scheitert mit Rückforderung
| Ansprüche des Leistungsempfängers auf Rückforderung von Schenkungen können auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden. Dieser kann sie dann gegen den Beschenkten geltend machen. Aber das gilt nicht für Anstandsschenkungen wie Taschengeld, befand jetzt das LG Aachen. |
Sachverhalt
Die Enkelin hatte von ihrem Großvater seit 1998 monatlich 100 EUR und ab 2002 monatlich 51 EUR erhalten. Sie gab das Geld nicht aus, sondern sparte es. Als der Großvater pflegebedürftig wurde, konnte er die Kosten nur noch teilweise aus eigenen Mitteln tragen. Den Differenzbetrag der Pflegeheimkosten übernahm der Sozialhilfeträger. Dieser forderte aus übergeleitetem Recht (§ 93 SGB XII) das Geschenkte in Höhe der Pflegeaufwendungen zurück.
Da die Enkelin sich weigerte, klagte der Sozialhilfeträger. Die Enkelin wandte ein, es habe sich bei den Zahlungen des Großvaters um ein Taschengeld und damit Anstandsschenkungen gehandelt. Das AG sah dies anders und verurteilte sie, an den Sozialhilfeträger 3.511 EUR zu zahlen. Die Berufung der Enkelin gegen das Urteil war vor dem LG erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Anstandsschenkungen sind nach § 534 BGB Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird, und die nicht der Rückforderung und dem Widerruf unterliegen. Anstandsschenkungen beruhen auf einer gewissen moralischen Verpflichtung. Würde der Schenker ‒ hier der Großvater ‒ sie nicht leisten, würde dies in den sozialen Kreisen des Schenkers einem Verlust der Achtung und des Ansehens gleichkommen, so das LG (LG Aachen 14.2.17, 3 S 127/16, Abruf-Nr. 197319).
Darüber hinaus bewegte sich der Taschengeldbetrag in einem üblichen Rahmen und es war der Enkelin freigestellt, darüber zu verfügen. Nur weil sie es nicht ausgegeben, sondern über 16 Jahre gespart hatte, kann man nicht davon ausgehen, dass es sich um einen Sparvertrag gehandelt habe. Der Großvater hat mit seiner Taschengeldzahlung einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit geleistet und dafür auf Konsum verzichtet. Das LG sah hier keinen Vorrang des Prinzips der Subsidiarität der Sozialhilfe.
Beachten Sie | Unabhängig davon kann eine Schenkung nach § 529 BGB ohnehin nur innerhalb von zehn Jahren herausverlangt werden.
Weiterführender Hinweis
- Auch Pflegeeinrichtungen sichern sich gerne ab, indem sie sich z. B. von Angehörigen einen Schuldbeitritt unterzeichnen lassen. Diese haften dann trotz einer Erbausschlagung für die Pflegeheimkosten, SR 17, 146