· Fachbeitrag · Steuererklärung
Pflege von Angehörigen und Bekannten: So beteiligt sich das Finanzamt ‒ Teil 1
von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de
| In einer immer älter werdenden Gesellschaft stehen Pflegeleistungen auf der Tagesordnung. In der letzten Ausgabe haben Sie erfahren, wie Mandanten Pflegeaufwendungen für sich selbst von der Steuer absetzen können. Doch auch bei der Pflege von Angehörigen oder Bekannten können Ihre Mandanten von steuerlichen Abzügen profitieren, wie der folgende Beitrag ‒ Teil 1 ‒ zeigt. In der nächsten Ausgabe folgt Teil 2 mit weiteren abzugsfähigen Kosten. |
1. Vier mögliche Steuererleichterungen
Pflegen Mandanten eine andere Person, können sie je nach Sachverhalt von vier verschiedenen Steuererleichterungen profitieren:
- Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG,
- Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG,
- Abzug der Kosten als Unterhaltsleistung nach § 33a EStG,
- Abzug eines Pflege-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG.
2. Außergewöhnliche Belastung oder Unterhaltsleistung?
Zunächst ist zu differenzieren, ob es sich bei den erbrachten Leistungen bzw. entstandenen oder übernommenen Kosten um außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) oder um Unterhaltsleistungen (§ 33a EStG) handelt. Denn ein Wahlrecht zwischen beiden Abzugspositionen besteht nicht (§ 33a Abs. 4 EStG).
a) Die Kosten stellen Unterhaltsaufwendungen dar
Der Abzug von Unterhaltsaufwendungen (§ 33a EStG) umfasst die Kosten, die den Mandanten für den Lebensunterhalt der unterstützten Person entstanden sind. Typischerweise also Kosten für Ernährung, Kleidung, Wohnung, Hausrat und notwendige Versicherungen.
b) Die Kosten stellen außergewöhnliche Belastungen dar
Bei der Übernahme von Krankheits- oder Pflegekosten handelt es sich im Gegensatz dazu um außergewöhnliche Belastungen i. S. v. § 33 EStG (BFH 19.6.08, III R 57/05, Abruf-Nr. 083034).
3. Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim
Die entstandenen Kosten für eine rein altersbedingte Unterbringung eines Angehörigen in einem Altenheim rechnen zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung. Übernehmen Angehörige diese Kosten, handelt es sich um Unterhaltsleistungen nach § 33a EStG. Ist allerdings die Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim krankheitsbedingt, handelt es sich um Kosten nach § 33 EStG. Darunter fallen nicht nur die im Heim erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen, sondern auch die Kosten der Unterbringung (BFH 24.2.00, III R 80/97, Abruf-Nr. 000597). Eine Aufteilung der Kosten in Aufwendungen, die unter § 33 bzw. § 33a EStG fallen, ist nicht möglich (BFH 30.6.11, VI R 14/10, Abruf-Nr. 113100).
PRAXISTIPP | Eine krankheitsbedingte Unterbringung liegt ab dem 1.1.17 vor, wenn bei der untergebrachten Person
Der Nachweis ist durch eine Bescheinigung (z. B. Leistungsbescheid oder -mitteilung) der sozialen Pflegekasse oder der privaten Pflegepflichtversicherung oder nach § 65 Abs. 2 bzw. Abs. 2a EStDV zu führen. Die Finanzverwaltung lässt die Aufwendungen auch dann zum Abzug zu, wenn die Krankheit oder Pflegebedürftigkeit erst nach dem Einzug ins Heim eintritt (H 33.1 ‒ 33.4 „Pflegeaufwendungen“ Einkommensteuer-Handbuch [EStH]). |
4. Pflegekosten für andere Personen als agB
Übernehmen Mandanten krankheitsbedingte Aufwendungen, so sind diese bei ihnen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen. Allerdings können sich außergewöhnliche Belastungen nur ergeben, wenn es sich dem Grunde nach um zwangsläufige Aufwendungen handelt und diese außergewöhnlich sind. Zwangsläufig sind nach Ansicht der Finanzverwaltung nur solche Aufwendungen, die die Mandanten selbst oder ihre ‒ in § 15 AO aufgeführten ‒ Angehörigen betreffen. Aufwendungen für andere Personen können diese Voraussetzungen nur erfüllen, wenn eine sittliche Pflicht vorliegt (H 33.1 ‒ 33.4 „Sittliche Pflicht“ EStH).
a) Einkünfte und Bezüge der unterstützten Person werden angerechnet
Aufgewendete Krankheits- und Pflegekosten können nur insoweit als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden, wie die unterstützte Person nicht in der Lage ist, die Aufwendungen selbst zu tragen (BFH 11.7.90, III R 111/86). Deshalb sind zunächst die eigenen Einkünfte und Bezüge der unterstützten Person zu ermitteln und von diesen ein angemessener Betrag für den persönlichen Bedarf abzuziehen (regelmäßig maximal 1.550 EUR jährlich ‒ in Anlehnung an § 21 Abs. 3 BSHG). Der verbleibende Betrag ist mit den insgesamt angefallenen Aufwendungen zu vergleichen. Den übersteigenden Anteil können Mandanten nach § 33 EStG geltend machen.
b) Achtung bei vorweggenommenen Vermögensübertragungen
Haben Mandanten von der pflegebedürftigen Person Vermögenswerte erhalten, z. B. ein Grundstück, ist ein Abzug von Pflegekosten nur in der Höhe möglich, wie die Aufwendungen den Wert des erhaltenen Vermögens übersteigen (R 33.3 Abs. 5 Einkommensteuer-Richtlinien).
c) Pflegekosten bei Heimunterbringung
Bei einer krankheits- oder pflegebedingten Heimunterbringung rechnen sowohl die Unterbringungskosten als auch etwaige Pauschalentgelte zu den außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG. Taschengeldzahlungen an die pflegebedürftige Person werden anders behandelt. Sie zählen zu den Aufwendungen im Sinne von § 33a EStG.
Es gibt den Fall, in dem Ehegatten in einem Heim untergebracht sind und nur einer von beiden die Voraussetzungen für den Abzug als außergewöhnliche Belastungen erfüllt (weil nur einer pflegebedürftig ist). Dann sind die Aufwendungen bzw. Zahlungen auf beide Ehegatten aufzuteilen und teilweise nach § 33 und § 33a EStG zu berücksichtigen (BFH 15.4.10, VI R 51/09, Abruf-Nr. 101957). Von den Aufwendungen ist zudem eine Haushaltsersparnis abzuziehen. Diese ist zur Vereinfachung mit dem Höchstbetrag des § 33a Abs. 1 S. 1 EStG anzusetzen. Die Haushaltsersparnis mindert so die Aufwendungen i. S. d. § 33 EStG, ist zugleich aber nach § 33a EStG als Unterhaltsleistung zu berücksichtigen (BMF, Schreiben 2.12.02, IV C 4 ‒ S 2284 ‒ 108/02).
Berechnungsbeispiele zum Zusammenwirken von § 33 und 33a EStG finden sich im BMF-Schreiben 2.12.02, IV C 4 ‒ S 2284 ‒ 108/02, Abruf-Nr. 223566.
d) Minderung der Aufwendungen und zumutbare (Eigen-)Belastung
Die entstandenen Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG sind wie eigene Krankheitskosten um erhaltene Erstattungen zu mindern (z. B. um Leistungen der Pflegeversicherung). Nur mit dem Differenzbetrag sind die Mandanten wirtschaftlich belastet. Von dem dann verbleibenden Betrag muss ihre zumutbare (Eigen-)Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG abgezogen werden. Der letztlich verbleibende Betrag stellt die außergewöhnlichen Belastungen dar, welche die Steuerlast nach § 33 EStG reduzieren.
5. Pflegekosten als haushaltsnahe Dienstleistung
Übernehmen Mandanten Pflegeaufwendungen für einen Angehörigen oder Bekannten, können sie dafür eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG beantragen (BMF, Schreiben 9.11.16, IV C 8 ‒ S 2296 b/07/10003 :008, Abruf-Nr. 190166, Rn. 13). Soweit die Aufwendungen zugleich unter § 33 EStG fallen, ist jedoch kein Doppelabzug möglich. Haben sich die Aufwendungen bereits nach § 33 EStG ausgewirkt, ist keine weitere Steuerermäßigung möglich.
Es ist aber bei den außergewöhnlichen Belastungen eine zumutbare Belastung abzuziehen. Vorteil: Fallen die Pflegeaufwendungen zugleich unter § 33 und § 35a EStG, ist vorrangig davon auszugehen, dass die zumutbare Belastung auf von § 35a EStG begünstigte Aufwendungen entfällt. Soweit die unter beide Vorschriften fallenden Aufwendungen unterhalb der zumutbaren Belastung liegen, ist eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG möglich (BMF, Schreiben 9.11.16, IV C 8 ‒ S 2296 b/07/10003 :008, Abruf-Nr. 190166, Rn. 32).
Wichtig | Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG setzt einen eigenen Haushalt voraus. Befindet sich die unterstützte Person in einem Pflegeheim und werden dort die Pflegeaufwendungen durchgeführt, kommt für die Mandanten regelmäßig keine Steuerermäßigung in Betracht.