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· Fachbeitrag · Erbschleicherei

Schutz vor unfairer Einflussnahme auf das Erbe

von Regula Heinzelmann, Berlin/Dietikon, Schweiz

| Der Erblasser darf bis zum Tod frei über sein Vermögen verfügen. Dies birgt die Gefahr, dass Personen versuchen, den oft dementen Erblasser in unredlicher Art zu beeinflussen. Bis auf wenige Ausnahmen (§ 14 HeimG) besteht hiergegen kein gesetzlicher Schutz. Dieser Beitrag zeigt, wie man diesem Problem mit Vorsorgevollmachten wirksam begegnen kann. |

1. Grundproblematik

Kranke oder demente alte Menschen fühlen sich oft einsam, da es Kindern oder Enkeln nicht möglich ist, die Betroffenen selbst zu betreuen oder häufig zu besuchen. Dies wird gern von Erbschleichern ausgenutzt, die sich an einen Erblasser heranmachen, um ihm Geld, Wertgegenstände und letztwillige Verfügungen, die angestammte Erben benachteiligen, abzuschmeicheln. Häufig isolieren Erbschleicher den Erblasser. Kindern wird z.B. das Umgangsrecht verweigert. Die Isolierung kann von Hausangestellten und sogar (amtlichen) Betreuern vorgenommen werden, die bereits im Haus des potenziellen Erblassers ansässig sind. Sie kann zur Freiheitsberaubung führen, die nach § 239 StGB strafbar ist. Die Norm schützt nur die Fortbewegungsfreiheit. Oftmals handelt es sich bei der Erbschleicherei aber um eine geistige Freiheitsberaubung.

 

Es kommt immer wieder vor, dass Betreuer, die nach § 1896 ff. BGB eingesetzt werden, ihre Vollmachten missbrauchen. Deswegen sollten Angehörige des Betreuten den Betreuer kontrollieren. Die Betreuung umfasst die Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es seinem Wohl entspricht. Bestimmte Handlungen, z.B. das Öffnen der Post, darf der Betreuer nur erledigen, wenn das Gericht dies anordnet.

2. Richtige Vollmacht - richtige Formulierung

Empfehlenswert ist, für private und geschäftliche Belange zwei unterschiedliche Vollmachten auszustellen und für beide Bereiche verschiedene Personen zu bevollmächtigen (§§ 164 bis 181 BGB), beziehungsweise Prokura nach §§ 48 ff. HGB zu erteilen. Eine Vollmacht sollte je nach Situation unterschiedlich formuliert werden.

  • Für vorübergehende Handlungsfähigkeit ist es sinnvoll, die Vollmacht auf die Verpflichtungen des täglichen Bedarfs einzugrenzen und Höchstsummen festzulegen.

 

  • Für lange dauernde Handlungsunfähigkeit kann die Vollmacht erweitert und der Bevollmächtigte mit der Vermögensverwaltung betraut werden. Dabei ist es ratsam, für gröβere Transaktionen zwei Unterschriften von Vertrauenspersonen zu verlangen und das Betreuungsgericht zu bitten, einen Kontrollbetreuer (§ 1896 Abs. 3 BGB) einzusetzen.

 

Formulare können als Anhaltspunkt dienen, sind aber oft zu allgemein. Gerade individuelle Abweichungen müssen aber klar formuliert werden. Banken akzeptieren Vorsorgevollmachten überdies oft nur auf bestimmten Formularen, die sie den Kunden selbst zur Verfügung stellen. Vor Erstellung einer Vorsorgevollmacht sollte zuvor stets Auskunft bei der Bank eingeholt werden.

 

Oft werden für den Fall der Handlungsunfähigkeit geschäftliche oder private Generalvollmachten empfohlen. Dies kann im Hinblick auf Erbschleicherei sehr problematisch werden. Eine in Kraft tretende Generalvollmacht kann für den Betroffenen faktisch eine Entmündigung bedeuten. Wenn die Voraussetzungen, also die Handlungsunfähigkeit, eingetreten ist, ist die Vollmacht kaum rückgängig zu machen. Zudem lassen sich Generalvollmachten sehr leicht missbrauchen. Gegenmaßnahmen kommen zu spät, wenn erst das Bankkonto geplündert und die Wertgegenstände entwendet sind.

3. Vertrauenspersonen mit Kontrolle beauftragen

In jeder Vollmacht, speziell in Generalvollmachten, sollte unbedingt eine Vertrauensperson mit der Kontrolle beauftragt werden. Für den Fall, dass der in der Vollmacht Beauftragte/die Beauftragten den Auftrag nicht annehmen wollen oder können, sollten mehrere Vertrauenspersonen genannt sein. Problematisch ist es aber, mehrere Personen gleichberechtigt als Bevollmächtigte einzusetzen. Wenn diese sich über eine Maβnahme nicht einig sind, kann dies leicht zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen.

 

MERKE |  Erhalten mehrere Personen jeweils eine gleichrangige Generalvollmacht (Solidarvollmacht), kann kein Bevollmächtigter die Vollmacht des Anderen widerrufen, wenn der Vollmachtgeber keine Bestimmung darüber getroffen hat. Dies gilt auch für den Fall, dass der Vollmachtgeber mangels Geschäftsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist, selbst über den Widerruf der Vollmacht zu befinden. Dann ist für diesen nötigenfalls ein Vollmachtsüberwachungsbetreuer (§ 1896 Abs. 3 BGB) zu bestellen. Ein bevollmächtigter Vertreter einer nicht prozessfähigen Partei steht einem gesetzlichen Vertreter nach § 51 Abs. 3 ZPO nur gleich, wenn die zugrunde liegende Vollmacht den Wirkungskreis umfasst, auf den sich der Prozess bezieht (OLG Karlsruhe 3.2.10, 19 U 124/09, FamRZ 10, 1762).

 

 

Deswegen sollte ein Hauptbetreuer und ein oder zwei Kontrollbetreuer eingesetzt werden. Die Kontrollperson sollte bei Missbrauch die Vollmacht widerrufen können. In der Vorsorgevollmacht kann vermerkt werden, dass ein gerichtlich bestellter Betreuer diese Vollmacht einseitig aufheben kann.

4. Erklärung des Erblassers erleichtert eine Anfechtung

Um sich und seine Angehörigen vor Erbschleicherei und Missbrauch zu schützen, kann ein Erblasser in der Vorsorgevollmacht oder auf einem speziellen Dokument Verfügungen gegen Missbrauch erlassen (siehe die Musterformulierungen auf den folgenden Seiten). Der notwendige Schutzumfang kann sich unter Umständen sogar auf den Ehegatten erstrecken, um sogenannten Spekulationshochzeiten entgegenzuwirken.

 

Bestimmungen des Erblassers gegen Erbschleicherei sind bisher relativ unüblich. Es gibt immer auch Grenzfälle. Immerhin erleichtert eine solche Erklärung den Erben die Anfechtung von in dementem Zustand getroffenen Verfügungen gemäß § 2078 BGB. Die rechtmäβigen Erben können schriftlich beweisen, dass der Erblasser im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte eine Verfügung zugunsten von Erbschleichern niemals getroffen hätte.

5. Musterformulierungen und Checkliste

Folgende Musterformulierungen sind in einer Vorsorgevollmacht zur Vorbeugung von Erbschleicherei sinnvoll:

 

Musterformulierung / Vorsorge gegen Erbschleicherei

Sollte ich in fortgeschrittenem Alter vorübergehend oder für immer von Unzurechnungsfähigkeit beziehungsweise von Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit betroffen sein, sind die in diesem Zustand von mir getroffenen Verfügungen über mein Vermögen, meine Wertsachen und mein Haus/meine Wohnung ungültig. Diese Verfügungen sind auch ungültig, wenn ich durch Unfall, Krankheit oder soziale Demenz vorübergehend oder dauernd in einen Zustand gerate, in dem ich leicht zu beeinflussen bin.

 

Meine ... (Kinder, Eltern, Verwandten oder im Testament begünstigten Personen) sollen die in dem Zustand getroffenen Verfügungen gemäß § 2078 BGB anfechten. Als gültig sind meine letztwilligen Verfügungen (Datum) zu betrachten, die ich im Vollbesitz meiner geistigen Fähigkeiten verfasst habe.

 

 

Musterformulierung /  Vermeidung eines Gerichtsverfahrens

Sollten meine Erben kein Gerichtsverfahren wünschen, sollen diese Bestimmungen sie nicht dazu zwingen. Sie sollen aber die Durchsetzung ihrer Rechte beziehungsweise die Verhandlung mit den Personen erleichtern, die ich in einem der oben genannten Zustände gegen meinen jetzigen Willen begünstigt habe.

 

 

Musterformulierung /  Schutz vor Spekulationshochzeiten

Sollte ich heiraten, erbt der Ehepartner den Pflichtteil/gesetzlichen Erbteil. Verfügungen, die ich in labilen/dementen Zuständen treffe, gelten auch gegenüber ihm nicht. Sie sollen von meinen Kindern (Enkeln, Verwandten, Freunden) angefochten werden, § 2078 BGB. Es gilt das Testament/der Erbvertrag vom (Datum).

 

Wichtig ist, die Widerrufsmöglichkeit und die Folgen eines Widerrufs zu regeln. Explizit erwähnt werden sollte die Geltung gegenüber einem Ehegatten.

 

Musterformulierung / Regelung des Widerrufs

Wenn ich in einem der oben genannten Zustände von Demenz oder Unzurechnungsfähigkeit diese Verfügung widerrufe, ist der Widerruf ungültig. Das gilt auch gegenüber meinem bisherigen Ehepartner/einem neuen Ehepartner.

 

 

Mit folgendem Passus in der Vorsorgevollmacht kann der Erblasser sich selbst vor Freiheitsberaubung schützen:

 

Musterformulierung /  Vorsorge gegen Freiheitsberaubung

Versucht jemand, mich in einem labilen oder unzurechnungsfähigen Zustand von meinen Freunden und Verwandten fernzuhalten, gilt das nicht als mein Wunsch. Ich beauftrage meine Kinder/ Verwandten/alten Freunde (Namen und Adressen), solche Personen sofort aus meiner Nähe zu entfernen und Strafanzeige zu stellen, wenn Gegenstände oder Vermögensbestandteile fehlen. Sollte ich in einem Zustand von sozialer Demenz oder Unzurechnungsfähigkeit heiraten, dürfen auch der bisherige und im Fall von (Scheidung und) Wiederverheiratung ein neuer Ehepartner keine Kontakte unterbinden.

 

Die folgende Checkliste listet die Punkte zusammenfassend auf, an die bei der Erstellung einer Vorsorgevollmacht gedacht werden muss.

 

Checkliste / Vorsorgevollmacht

  • Beauftragte Personen, sowie mögliche Stellvertreter nennen,
  • Personen mit Kontrollpflichten beauftragen (zu vermeiden ist es, zwei Personen gleichberechtigt einzusetzen) und
  • Information nennen, wo Vollmacht und Patientenverfügung hinterlegt sind.

 

Pflichten der Beauftragten 

  • Tagesgeschäfte,
  • Festlegung der finanziellen Höchstgrenze, für die der Betreuer allein unterschreiben kann,
  • Forderung nach zusätzlicher Unterschrift der Kontrollperson für Geschäfte, die diese Grenze überschreiten,
  • Bestimmungen über Post, E-Mail-Zugriff, Netzwerke und Handys und
  • Regelungen über Zutritt zur Wohnung.

 

Bestimmungen für dauerhafte Unzurechnungsfähigkeit

  • Patientenverfügung,
  • Festlegung, welche Personen die Vollmacht zur Verhandlung mit Ärzten erhalten und wer über den Gesundheitszustand informiert werden soll und
  • Bestimmung des gewünschten Krankenhauses oder Pflegeheims für den Ernstfall und Bestimmung möglicher Alternativen.

 

Regelungen gegen Missbräuche 

  • Bestimmung, welche Personen in jedem Fall das Besuchsrecht haben sollen,
  • Maßnahmen bei psychologischem Freiheitsentzug und weiteren Missbräuchen,
  • Regelungen über im unzurechnungsfähigen Zustand getroffene Verfügungen.
 

 

Weiterführende Hinweise

  • Regula Heinzelmann, Erbschleicherei: Altes Drama - neues Unrecht, 2013.
Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 30 | ID 42319714