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· Fachbeitrag · Vorsorgevollmacht

Pflichten von Bevollmächtigten

von RAin Sybille Meier, FAin für Medizin- und Sozialrecht, Berlin

| Obergerichte nehmen zunehmend zu den Pflichten von Bevollmächtigten bei der Ausübung von Vorsorgevollmachten Stellung. Wie wichtig es ist, das Grundverhältnis vertraglich zu regeln, zeigt eine Entscheidung des OLG Schleswig ( OLG Schleswig 18.3.14, 3 U 50/13, Abruf-Nr. 143615 ). |

1. Aktuelle Entwicklung bei Vorsorgevollmachten

Die Zahl der Betreuungsverfahren sank nach einer amtlichen Statistik des BMJ zum Ende 2013 im Vergleich zum Vorjahr erstmalig auf 1.310.629. Es wurde ein Rückgang von 1,09 Prozent = 14.384 betreute Personen verzeichnet. Demgegenüber stieg die Zahl der beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registrierten Vorsorgevollmachten in 2013 von 1.856.594 auf 2.278.556 und somit um 22,7 Prozent an, womit der prozentuale und Gesamtanstieg höher war als in den Vorjahren. Bis zum 30.6.14 erhöhte sich die Zahl der Registrierungen auf 2.473.380 Vorsorgeurkunden. In 11.831 Betreuungsverfahren wurden Betreuungen wegen vorhandener Vorsorgevollmachten explizit nicht eingerichtet. Die vorstehenden Zahlen verdeutlichen das gestiegene Vorsorgeinteresse in der Bevölkerung.

2. Der Fall des OLG Schleswig

Die Parteien des Rechtsstreits sind Töchter und jeweils zur Hälfte Erbinnen der am 02.12.10 verstorbenen Erblasserin. Mittels einer maschinengeschriebenen Verfügung vom 2.10.09 beauftragte die Erblasserin die Beklagte zur Auflösung von zwei Sparbüchern und einem Depotkonto und zum Ankauf von Goldbarren. Letztere sollten der Erblasserin ausgehändigt werden. Am 18.11.09 erteilte die Erblasserin während eines Krankenhausaufenthaltes der Beklagten eine schriftliche Vorsorgevollmacht, deren Wirksamkeit die Klägerin wegen fehlender Geschäftsfähigkeit bestreitet. Am 22.12.09 tätigte die Beklagte den von der Erblasserin gewünschten Goldbarrenankauf mit einem Gesamtwert i.H. von 15.055 EUR. Nach Absolvierung einer Kurzzeitpflege befand sich die Erblasserin ab dem 25.01.2010 bis zu ihrem Tod in Vollzeitpflege in einem Pflegeheim. Die Beklagte löste die Mietwohnung der Erblasserin auf, beglich die Heimkosten i.H. von 1.500 EUR monatlich und hinterlegte Taschengeld zur persönlichen Verwendung im Pflegeheim.

 

Nach dem Tode der Erblasserin beantragte die Klägerin zunächst im Wege der Stufenklage, die Beklagte zur Auskunft über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände zu verurteilen. Nachdem der Auskunftsanspruch für erledigt erklärt wurde, beantragte die Klägerin erstinstanzlich Zahlung und Herausgabe der Goldbarren an die Erbengemeinschaft. Das LG Kiel als Vorderinstanz beschied die Klage größtenteils mit Erfolg. Das OLG Schleswig bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung.

3. Rechtsgrundlagen zur Ausübung der Vorsorgevollmacht

Bei einer Vollmacht und dementsprechend auch bei einer Vorsorgevollmacht ist prinzipiell zwischen dem Innenverhältnis (Grundverhältnis), auf dem die Vertretungsberechtigung beruht, und der im Außenverhältnis wirkenden eigentlichen Vollmacht zu unterscheiden.

 

  • Die Außenvollmacht hat aufgrund des Abstraktionsprinzips erhebliche Bedeutung für den Rechtsverkehr mit Dritten.

 

  • Das Innen- bzw. Grundverhältnis regelt das Binnenverhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten und enthält Festlegungen, wie die Vollmacht auszuüben ist. Es kann ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart werden. Wurde zwischen den Parteien nichts ausdrücklich geregelt, wie es überwiegend der Fall ist, muss durch Auslegung ermittelt werden, welches der nachstehend aufgeführten Grundverhältnisse in Frage kommt:

 

a) Gefälligkeitsverhältnis des täglichen Lebens

Bei einem Gefälligkeitsverhältnis handelt es sich um die Übernahme einer rein gesellschaftlichen Verpflichtung bei der es an einem Rechtsbindungswillen der beteiligten Personen fehlt. Meistenteils liegt ein Gefälligkeitsverhältnis vor, wenn eine Person unentgeltlich und uneigennützig zugunsten einer anderen eine Leistung erbringt oder zur Verfügung stellt. Die Abgrenzung der Gefälligkeit vom bindenden Rechtsverhältnis ist umstritten. Die herrschende Meinung folgt hierbei einer Grundsatzentscheidung des BGH (NJW 56, 1313). Danach kommt es nicht maßgeblich auf den nicht in Erscheinung tretenden inneren Willen des Leistenden an, sondern darauf, wie sich dessen Handeln aus der Sicht eines objektiven Dritten darstellt. Dies ist unter Heranziehung der nachstehenden Kriterien zu beurteilen:

 

  • Art, Grund und Zweck der Tätigkeit,
  • wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung für den Empfänger,
  • Umstände, unter denen sie erwiesen wird und
  • Interessenlage der Parteien.

 

Insbesondere wenn sich der Vollmachtgeber auf die Zusage des Bevollmächtigten zur Wahrnehmung der Vollmachtsgeschäfte verlässt, ist nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen Rechtsbindungswillen zu schließen.

 

b) Auftrag

Ein Auftragsverhältnis liegt vor, wenn sich der Bevollmächtigte gegenüber dem Vollmachtgeber vertraglich verpflichtet, für diesen unentgeltlich die Vollmachtgeschäfte zu besorgen. Der Auftragsvertrag ist ein Gefälligkeitsvertrag. Dementsprechend hat der Bevollmächtigte keinen Vergütungsanspruch wegen eines etwaigen Zeitverlusts und hierdurch entgangener Einnahmen. Allerdings hat der Bevollmächtigte einen Aufwendungsersatzanspruch, z.B. wegen Fahrtkosten, § 670 BGB. Als Gefälligkeitsvertrag setzt der Auftrag aber in Abgrenzung zum reinen Gefälligkeitsverhältnis einen Rechtsbindungswillen voraus, der bei lediglich gesellschaftlichen, konventionellen oder freundschaftlichen Zusagen des täglichen Lebens fehlt. Den Bevollmächtigten treffen als Vertragspartner drei weitgehende Informationspflichten nach § 666 BGB: Auskunft, Benachrichtigung und Rechnungslegung.

 

c) Geschäftsbesorgungsvertrag

Eine Geschäftsbesorgung ist jede entgeltliche selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen. Ein Geschäftsbesorgungsvertrag i.S. des § 675 BGB liegt vor, wenn z.B. ein familienfremder Rechtsanwalt, ein Vermögensverwalter oder ein Steuerberater vom Vollmachtgeber mit der Durchführung der Vollmachtgeschäfte beauftragt wird. Wie im Rahmen eines Auftragsverhältnisses wird der Bevollmächtigte fremdnützig tätig. Liegt keine Vergütungsvereinbarung vor, kommen die Regelungen der §§ 611 ff., 631 ff. BGB zur Anwendung.

 

d) Dienstvertrag, Werkvertrag

Werden von dem Bevollmächtigten oder einer anderen Person Pflegeleistungen, Einkäufe, Besuche, Telefonkontakte, Hilfe im Haushalt oder Garten geschuldet, sind die Regelungen des Dienstvertrages, §§ 611 ff BGB oder des Werkvertrags, § 631 BGB in Bedacht zu nehmen.

4. Auftragsverhältnis versus Gefälligkeitsverhältnis

Im Einklang mit der neueren Rechtsprechung geht das OLG Schleswig davon aus, dass der Erteilung einer Vorsorgevollmacht mit umfangreichen Befugnissen zugunsten des Bevollmächtigten in der Regel kein Gefälligkeitsverhältnis, sondern ein Auftragsverhältnis zugrunde liegt. Hierbei rekurriert das erkennende Gericht auf die oben genannten Kriterien, die der BGH in seiner Grundsatzentscheidung etablierte. Danach ist eine vertragliche Bindung immer zu bejahen, wenn erkennbar für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen. In Abgrenzung hierzu wurde in den nachstehend ausgeurteilten Fällen von einem Gefälligkeitsverhältnis ausgegangen und Ansprüche aus einem Auftragsverhältnis verneint:

 

  • Einräumung einer Kontovollmacht zwischen Eheleuten und Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
  • Zusammenleben von Großmutter und Enkel in einem Haushalt.
  • Versorgung eines in unmittelbarer Nähe lebenden Elternteils.

 

In den vorstehend genannten Konstellationen beruhte die Annahme eines Gefälligkeitsverhältnisses auf der Erwägung, dass jeweils zwischen dem Vollmachtgeber und dem Kontobevollmächtigten/Vorsorgebevollmächtigten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand, weswegen diese nicht im Nachhinein mit dem Risiko beschwert werden sollten, Ausgaben mit der gleichen Genauigkeit anzugeben und zu belegen, wie das im Rahmen eines Auftragsverhältnisses erforderlich und geboten ist.

 

Weiterhin kann trotz eines bestehenden Auftragsverhältnisses keine Auskunft verlangt werden, wenn während einer jahrelang bestehenden Vermögensverwaltung seitens des Vollmachtgebers keine Rechenschaft verlangt wurde und keine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bevollmächtigten bestehen. Besteht allerdings Anlass zur Annahme eines Vertrauensbruches und einer unredlichen Vermögensverwaltung, wäre die Berufung des Bevollmächtigten hierauf treuwidrig.

 

Demgegenüber ist selbst bei bevollmächtigten Kindern eine außerordentliche Zurückhaltung bei der Verneinung eines Rechtsbindungswillens angezeigt. Wird Kindern/Dritten im Rahmen einer Kontovollmacht/Vorsorgevollmacht die Ermächtigung zur umfassenden Vermögensverwaltung, zu umfassenden Vermögensverfügungen und zur umfassenden Vertretung in sonstigen rechtlichen Angelegenheiten übertragen, spricht eine widerlegbare Vermutung für einen Auftragsvertrag. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Vollmachtgeber z.B. bei der Vermögensverwaltung auf Pflichten wie die Befolgung von Weisungen, Auskunftserteilung, Rechenschaftslegung, Herausgabe des Erlangten oder Haftung auf Schadensersatz bei Verstößen gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verzichten wollte. In Anwendung dieser Grundsätze trifft den Bevollmächtigten nach § 667 BGB die Darlegungs- und Beweislast für die bestimmungsgemäße Verwendung der Gelder des Vollmachtgebers bzw. Herausgabe des Erlangten.

 

Der Beklagten war es vorliegend nicht möglich, die Übergabe der Goldbarren an die Erblasserin unter Beweis zu stellen, weswegen sie unter anderem diesbezüglich zur Herausgabe verurteilt wurde. Vor diesem Hintergrund ist jedem Bevollmächtigten zu raten, die Übergabe von Geldern oder Wertgegenstände in Anwesenheit eines Zeugen zu vollziehen bzw. sich quittieren zu lassen. Wird die Quittung allerdings von einem geschäftsunfähigen Vollmachtgeber erteilt, kann im Prozessfall der Beweis von dem Empfang der Leistung erschüttert werden.

 

FAZIT | In Ansehung der möglichen weitreichenden Pflichten eines Bevollmächtigten, ist den Parteien zu raten, das Grundverhältnis vertraglich zu regeln. Die Pflichten aus § 666 BGB zur Auskunft und Rechenschaft sind dispositiv und können von den Parteien vertraglich anders gestaltet oder abbedungen werden. So steht es beispielsweise einem Erblasser frei, die Rechenschaftspflicht des Bevollmächtigten ausschließlich auf die eigene Lebenszeit und Person zu fixieren und damit Ansprüche von Erben auszuschließen. Demgegenüber ist aber eine Freistellung, die im Ergebnis den Vollmachtgeber der Willkür des Bevollmächtigten durch Ausschluss jeglicher Kontrollmöglichkeit aussetzt, unwirksam mit Hinblick auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben bzw. § 138 BGB.

 

Zum Schutze des Vollmachtgebers vor einem unredlichen Verhalten des Bevollmächtigten könnte in dem Grundverhältnis auch vorgesehen werden, einen Kontrollbevollmächtigten zu bestimmen, dem der Bevollmächtigte in vorzugebenden Abrechnungsperioden Auskunft und Rechenschaft ablegt.

 

Weiterführende Rechtsprechung

Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 4 | ID 43139619