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  • · Fachbeitrag · Betriebsausgaben

    Dreiecksfahrten des Steuerberaters: Entfernungspauschale oder tatsächliche Kosten?

    von Prof. Dr. Volker Kreft, RiFG, Bielefeld

    Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dürfen den Gewinn nur nach Maßgabe der Entfernungspauschale mindern. Das FG Münster hat sich in einem aktuellen Streitfall - soweit ersichtlich als erstes Finanzgericht - mit der sehr praxisrelevanten Rechtsfrage auseinandergesetzt, ob diese gesetzliche Regelung auch für diejenigen Fahrten gilt, die ein Steuerberater im Vorlauf oder im Anschluss an einen Mandantenbesuch durchführt (FG Münster 19.12.12, 11 K 1785/11 F, Rev. BFH VIII R 12/13, Abruf-Nr. 130449).

     

    Sachverhalt

    Im Streitfall ermittelte ein selbstständiger Steuerberater die Privatnutzung seines Betriebs-Pkw nach der Fahrtenbuchmethode. Dabei berücksichtigte er die durch einen Mandantenbesuch unterbrochenen Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte (also entweder Wohnung →Mandant →Büro →Wohnung oder Wohnung → Büro → Mandant → Wohnung) immer komplett als betriebliche Fahrt. Für diese sogenannten Dreiecksfahrten begehrte er damit den Ansatz der tatsächlichen Kosten.

     

    Das FA differenzierte allerdings insoweit, als es nur für diejenigen Teilstrecken den vollen Betriebsausgabenabzug anerkannte, die unmittelbar beim Mandanten begannen oder endeten. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die im Vorlauf oder im Nachgang an einen Mandantenbesuch durchgeführt wurden, setzte das FA lediglich die halbe Entfernungspauschale (0,15 EUR) an. Die Anwendung der Entfernungspauschale mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer setze - so das FA - voraus, dass der Steuerpflichtige auch tatsächlich eine Hin- und Rückfahrt zwischen Wohnung und Betriebsstätte an diesem Tag absolviert habe. Die nach insoweit erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage des Steuerberaters hatte vor dem FG Münster zumindest teilweise Erfolg.

     

    Anmerkungen

    Nach Auffassung des FG Münster war die Klage insoweit begründet, als das FA zu Unrecht nur die halbe Entfernungspauschale pro Arbeitstag für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte gewährt hatte.

     

    Zur Begründung stellte das FG zunächst auf den Wortlaut des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG ab. Aus der Formulierung „zur Abgeltung ... für jeden Arbeitstag ... anzusetzen“ ergebe sich unmissverständlich, dass der Abzugsbetrag ungeachtet tatsächlich höherer oder niedrigerer Aufwendungen je Arbeitstag zu berücksichtigen sei. Ausnahmen sind danach auch nicht vorgesehen für Zusatzfahrten, die z.B. durch einen zusätzlichen Arbeitseinsatz außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit oder durch eine Arbeitszeitunterbrechung von mindestens vier Stunden veranlasst sind. Darüber hinaus lässt der Wortlaut auch keine Ausnahme für den Fall zu, dass bei einem Steuerpflichtigen nach der Eigenart seiner Tätigkeit typischerweise keine zwei Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Betriebsstätte anfallen (BFH 11.9.03, VI B 101/03).

     

    Weiterhin stützt das FG seine Entscheidung auf den Sinn und Zweck der 
Pauschalierung. Sie diene dadurch der Vereinfachung, dass grundsätzlich nur noch die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die Anzahl der Arbeitstage festgestellt werden müsse. Hieraus sei zwingend zu folgern, dass dem Kläger auch an den Tagen, an denen (nur) eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und im Übrigen Dienstreisen vorliegen, die volle Entfernungspauschale zu gewähren sei. Unschärfen und von dem typischen Geschehensverlauf abweichende Konstellationen seien im Rahmen einer 
Typisierung hinzunehmen.

     

    Bezüglich des weiteren Begehrens - Abzug der tatsächlichen Kosten für die kompletten Dreiecksfahrten - hielt das FG die Klage dagegen für unbegründet. Ein vorheriger oder nachgelagerter Mandantenbesuch hebt - so die Begründung - die Eigenschaft einer Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Betriebsstätte nicht automatisch auf.

     

    Praxishinweise

    Zunächst ist das Besprechungsurteil über den Einzelfall hinaus auf alle Gewerbetreibenden und Freiberufler übertragbar, bei denen die Fahrt zwischen Wohnung und Betrieb/Büro durch eine Betriebsfahrt unterbrochen wird. Hier wirkt sich das Urteil insoweit positiv aus, als alle Fahrten, die auf der Strecke vom Wohnort zum Betrieb/Büro (oder zurück) aus betrieblichem Anlass zunächst zu einem anderen Ort (z.B. Kunden, Mandanten, Patienten) führen, mit dem Ansatz der tatsächlichen Kosten berücksichtigt werden können.

     

    An Tagen, an denen nur eine Hin- oder Rückfahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erfolgt, kommt der Steuerpflichtige auch für diese Einzelfahrt in den Genuss der vollen Entfernungspauschale von 0,30 EUR. Die Sichtweise des FG Münster liegt in diesem Punkt auf der Linie der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH 11.9.03, a.a.O. hinsichtlich der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale bei einem Opernchorsänger, bei dem wegen atypischer Dienstzeiten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zweimal arbeitstäglich erfolgen).

     

    Beachten Sie | Zum Ansatz der nur hälftigen Entfernungspauschale dürfte es nur dann kommen, wenn der Hin- und der Rückweg an unterschiedlichen Tagen zurückgelegt werden (vgl. FG Baden-Württemberg 20.6.12, 7 K 4440/10; so auch Loschelder in Ludwig Schmidt, § 9 EStG, Rz. 122).

     

    Im Hinblick auf die anhängige Revision (VIII R 12/13) darf man gespannt sein, wie der BFH diesen Fall beurteilen wird. Geeignete Fälle sollten bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens offen gehalten werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Volle Pendlerpauschale nur bei Hin- und Rückfahrt am gleichen Tag (MBP 12, 199)
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 78 | ID 38387310