· Fachbeitrag · Nachlassverzeichnis
Vorsorgevollmacht und Auskunftsansprüche
von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
| Wird eine Vorsorgevollmacht erteilt, sieht sich der Bevollmächtigte nach dem Ableben des Vollmachtgebers häufig Auskunftsansprüchen der Erben gegenüber. Einen solchen Fall hat das OLG München in seinem Urteil vom 6.12.17 entschieden. |
Sachverhalt
Anfang 2012 erteilte die spätere Erblasserin E dem BV eine notarielle Generalvollmacht (Vorsorgevollmacht). Darin heißt es: „Die Vollmacht und das ihr zugrunde liegende Rechtsverhältnis (Grundverhältnis) sollen mit meinem Ableben nicht erlöschen, ebenfalls nicht durch meine Geschäftsunfähigkeit. Das Grundverhältnis richtet sich nach den Auftragsvorschriften. Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist der Bevollmächtigte befreit.“ Darüber hinaus erteilte die E dem BV eine Kontovollmacht.
Ende 2012 veräußerte BV in Vertretung der E, die zwischenzeitlich in ein Alten- und Pflegeheim gezogen war, ihr früheres Wohnanwesen zum Preis von 565.000 EUR. Zum Todeszeitpunkt (Ende 2015) wies das Konto der E ein Guthaben von 85.360,51 EUR auf. Die Erben der E verlangen von BV Auskunft und Rechnungslegung. Dieser legte sämtliche Unterlagen zu den Konten der E und eine Buchungsübersicht zu den beiden Konten sowie eine von der E unterzeichnete maschinenschriftliche Erklärung vom 13.3.12 vor, wonach der BV aus dem Verkaufserlös ihres Wohnanwesens 500.000 EUR erhalten solle.
Die Erben verlangen weiter, ein Bestandsverzeichnis über deren Nachlass zum Todestag der E (Stichtag 4.12.15) vorzulegen sowie Auskunft über den Stand der Rechtsgeschäfte zu erteilen, die der BV in Ausübung der Vorsorgevollmacht getätigt hat, insbesondere über den Verbleib der 565.000 EUR.
Entscheidungsgründe
Das Gericht gab der Erbengemeinschaft recht (OLG München 6.12.17, 7 U 1519/17, Abruf-Nr. 199048). Die Erben haben gegen den BV gemäß § 666 BGB, § 1922 Abs. 1 BGB Anspruch auf Erteilung eines Bestandsverzeichnisses auf den Todestag der E. Ursprünglich hatte die E gegen den BV einen Auskunftsanspruch nach § 666 BGB. In der notariellen Generalvollmacht wurden für das Grundverhältnis ausdrücklich die Auftragsvorschriften für anwendbar erklärt. Ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne daraus resultierende Auskunftsverpflichtung kann hierin nicht gesehen werden. In dem Verweis auf Auftragsrecht manifestiert sich der rechtsgeschäftliche Bindungswillen. In der Generalvollmacht erfolgte auch keine Abbedingung des § 666 BGB.
Zwar ist § 666 BGB grundsätzlich dispositiv und kann deshalb ‒ gegebenenfalls auch konkludent ‒ abbedungen werden. Jedoch lassen sich hier der Generalvollmacht keine Hinweise auf ein Abbedingen entnehmen. Dies folgt auch nicht aus der Befreiung des BV von der Beschränkung des § 181 BGB. Hierdurch wird lediglich der Kreis der vom Bevollmächtigten zu tätigenden Geschäfte erweitert. § 181 BGB hat jedoch keinen inhaltlichen Bezug zu den in § 666 BGB normierten Informationsrechten des Auftragsgebers. Der somit dem Grunde nach bestehende Auskunftsanspruch der E gemäß § 666 BGB ist durch den Tod der E im Wege der Universalsukzession gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen. Dieser Anspruch umfasst auch die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses i.S. des § 260 Abs. 1 BGB.
Weiter haben die Erben Anspruch auf Auskunft hinsichtlich des Stands der Rechtsgeschäfte, die der BV in Ausübung der Generalvollmacht tätigte. Der Anspruch aus § 666 BGB umfasst gemäß § 259 Abs. 1 BGB die Rechenschaftslegung. Die beinhaltet eine übersichtliche, in sich verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Die Angaben müssen so detailliert und verständlich sein, dass der Berechtigte ohne fremde Hilfe in der Lage ist, seine Ansprüche nach Grund und Höhe zu überprüfen. Eine Buchungsübersicht (Kontoverdichtung der Bank) reicht jedenfalls dann nicht, wenn der bei Sollbuchungen angegebene Verwendungszweck aus sich heraus nicht nachvollziehbar ist. Dies gilt insbesondere für die Verwendungszwecke „Barauszahlung“, „Ausgleich Auslagen“, „Auslagenersatz“ und „Umbuchung Sparkonto“ etc.
Relevanz für die Praxis
Da es sich bei einer umfassenden Generalvollmacht in aller Regel nicht um ein reines Gefälligkeitsverhältnis handelt, gilt über das Auftragsrecht § 666 BGB. Danach ist der Beauftragte verpflichtet,
- dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben,
- auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und
- nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.
Verstirbt der Vollmachtgeber, geht der Anspruch aus § 666 BGB auf die Erben über. Aufgrund dieses Anspruchs können die Erben von dem Bevollmächtigten die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses auf den Todestag verlangen sowie eine Rechnungslegung hinsichtlich sämtlicher Vorgänge während der Zeit der Ausübung der Vollmacht. Wichtig ist, dass § 666 BGB dispositiv ist und der Vollmachtgeber hierauf verzichten kann. Ist der Bevollmächtigter eine familienfremde Person, verbietet sich in der Regel ein Verzicht der Rechnungslegung. Bevollmächtigen sich hingegen Eheleute gegenseitig, sollten die Eheleute auf die Rechte aus § 666 BGB verzichten.
Und auch in Fällen, in denen dem Bevollmächtigten ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht wird, sollte erwogen werden, auf die Rechte aus § 666 BGB zu verzichten. Typisch ist der Fall, dass das Kind, welches sich mittels Vorsorgevollmacht um die finanziellen Dinge des späteren Erblassers redlich kümmert, sich Rechnungslegungsansprüchen der Geschwister ausgesetzt sieht. Diese vermeintlichen Ansprüche auf Rechnungslegung werden gerne damit untermauert, dass betrogen worden sei. Die Ansprüche zu erfüllen, ist nicht nur lästig, sondern mit der realen Gefahr verbunden, nach langer Zeit nicht sämtliche Positionen ausreichend erläutern und belegen zu können.